Rechtsvorschriften lassen sich erheblich verbessern, wenn diejenigen, die von ihnen betroffen sind, in den Rechtsetzungsprozess einbezogen werden. So können z. B. Alternativen ausgelotet und Annahmen getestet werden. Zudem wird das Vertrauen in den Staat gestärkt. In der OECD-Empfehlung zu Regulierungspolitik und Governance von 2012 wird betont, wie wichtig breite Konsultationen, die Bewertung aller relevanten Folgen, die regelmäßige Überprüfung der bestehenden Vorschriften und Möglichkeiten zu ihrer Anfechtung sind. Außerdem werden die verschiedenen staatlichen Ebenen dazu aufgerufen, zur Verwirklichung öffentlicher Ziele hierbei zusammenzuarbeiten. In diesem Kapitel werden die jüngsten Entwicklungen und Fortschritte der OECD-Mitgliedsländer und der Europäischen Union beim Erreichen dieser vereinbarten Standards kritisch beleuchtet. Die Indikatoren zu Regulierungspolitik und Governance (iREG) lassen darauf schließen, dass die Reform der Verfahren zur Ausarbeitung von Rechtsvorschriften in vielen Ländern in jüngster Zeit ins Stocken geraten ist. Angesichts der Jahrhundertpandemie, die wir derzeit erleben, ist es heute jedoch wichtiger denn je, dass die staatliche Regelungstätigkeit das Leben der Menschen konkret verbessert.
OECD-Ausblick Regulierungspolitik 2021 (Kurzfassung)
2. Evidenzbasierte Rechtsetzung und Akteursbeteiligung
Abstract
Wichtigste Erkenntnisse
Ein stärker integrierter Ansatz der Akteursbeteiligung würde zu einer besseren Rechtsetzung führen. Aktuell werden die betroffenen Akteure nur in wenigen Ländern systematisch in einem frühen Stadium der Politikentwicklung – bei der Problemdefinition und der Untersuchung möglicher Lösungen – konsultiert. In den meisten OECD-Ländern werden die betroffenen Akteure erst befragt, wenn ein Gesetzentwurf vorliegt. Bei der Überprüfung bestehender Rechtsvorschriften finden nur in wenigen Ländern Konsultationen statt.
Betroffene Akteure können Politikmaßnahmen verbessern, wenn sie früher über geplante Konsultationen und Bewertungen informiert werden. Rund zwei Drittel der OECD-Länder veröffentlichen eine Liste der gesetzlichen Regelungen, die in Planung sind oder überarbeitet werden sollen; in fast der Hälfte der Länder ist dies bei untergesetzlichen Regelungen vorgesehen. In etwa einem Drittel der OECD-Länder wird die Öffentlichkeit zumindest über einen Teil der anstehenden Konsultationen vorab informiert. Die Vorabinformation betroffener Akteure über geplante Evaluierungen bestehender Vorschriften ist unüblich.
Die Bürger*innen betrachten Vorschriften eher als gerecht, wenn sie an ihrem Entstehungsprozess beteiligt werden und die Konsultationsergebnisse auf verständliche Weise erklärt werden. In den meisten OECD-Ländern werden eingegangene Stellungnahmen oder Zusammenfassungen davon veröffentlicht, doch nur in einem Drittel der Länder ist die systematische Veröffentlichung einer Antwort auf die Stellungnahmen vorgeschrieben. Nur in einer Minderheit der Länder müssen in Konsultationsverfahren eingegangene Stellungnahmen bei der Gestaltung der endgültigen Regelungen berücksichtigt werden.
Wenn das gesamte Spektrum alternativer Politikoptionen berücksichtigt würde, ließen sich bessere Lösungen finden. In den meisten OECD-Ländern werden Folgenabschätzungen nur für die jeweils bevorzugte regulatorische Option durchgeführt. Besser wäre es, wenn bei der Erarbeitung der Vorschläge mehrere Alternativen – und insbesondere auch nichtregulatorische Optionen – untersucht würden.
Immer mehr OECD-Länder achten beim Umfang ihrer Analysen auf Verhältnismäßigkeit. In einer zunehmenden Zahl von OECD-Ländern gilt bei der Erarbeitung von Politikvorschlägen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: Die voraussichtliche Tragweite der Regelung entscheidet darüber, wie tiefgreifend die Analyse sein muss. Dies wird in der Regel anhand einer Kombination aus qualitativen und quantitativen Schwellenwerten bestimmt.
Viele OECD-Länder prüfen inzwischen ein breiteres Folgenspektrum; die Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit werden jedoch noch nicht vollständig erfasst. Immer mehr Länder schreiben vor, bei Gesetzesfolgenabschätzungen auch soziale Faktoren und insbesondere die Auswirkungen auf Armut, Geschlechtergerechtigkeit und Umwelt zu bewerten. Wirtschaftliche Gesichtspunkte (wie Wettbewerb, Haushaltseffekte und Folgen für KMU) dominieren, werden aber häufig getrennt betrachtet. Folgeauswirkungen wie z. B. die Effekte einer bestimmten Vorschrift auf den Zugang zu Innovationen oder die Fähigkeit von KMU, internationale Märkte zu erschließen, werden dabei u. U. außen vor gelassen. So kann es geschehen, dass die wahren Kosten eines regulatorischen Eingriffs unterschätzt werden.
Die zunehmende Nutzung von Ausnahmen von der Pflicht zur Durchführung von Folgenabschätzungen gibt Anlass zu Besorgnis. Die Zahl der OECD-Mitglieder, in denen bei Notfallregelungen Ausnahmen von der Pflicht zur Durchführung von Folgenabschätzungen zulässig sind, ist seit 2017 gestiegen. Wie sich solche Mechanismen auswirken, ist unklar, da die Entscheidungen über solche Ausnahmen weder geprüft noch veröffentlicht werden. Auch ging die Zunahme der Ausnahmen nicht mit einer Zunahme der Verpflichtung zur Durchführung nachträglicher Prüfungen einher, wenn keine Ex-ante-Folgenabschätzung stattfand. Deshalb sollten die Regierungen überlegen, wie die Durchführung von Folgenabschätzungen in Notfallsituationen künftig flexibler gestaltet werden kann. Eilverfahren oder eine Art Gesetzesfolgenabschätzung „light“ könnten dabei helfen, die Folgen zumindest summarisch zu erörtern.
Obwohl Reformen bestehender Regelungen erhebliche Vorteile bringen können, gibt es in Bezug auf Ex-post-Evaluierungen noch großen Nachholbedarf. Auch wenn inzwischen mehr Länder Ex-post-Evaluierungen formal vorschreiben und einige Länder innovative Wege gefunden haben, Ex-post-Evaluierungen in den Rechtsetzungszyklus einzubinden, gibt es in diesem Bereich in vielen OECD-Ländern noch großen Nachholbedarf – der seit 2014 kaum aufgearbeitet wurde.
Die Regelungen, die zur Bewältigung der Covid-19-Pandemie verabschiedet wurden, werden eine Welle von Ex-post-Evaluierungen nach sich ziehen. Zahlreiche Regelungen, die zur Bewältigung der Coronapandemie verabschiedet wurden, müssen in regelmäßigen Abständen überprüft werden. Damit bietet sich die Gelegenheit zu evaluieren, ob die beabsichtigte Wirkung erzielt wurde und ob es möglicherweise bessere Alternativen gibt – vor allem, falls ex ante überhaupt keine oder nur eine eingeschränkte Folgenabschätzung durchgeführt wurde. Diese Ex-post-Evaluierungen müssen von den Stellen, die sie durchführen und beaufsichtigen, sorgfältig geplant werden, um sicherzustellen, dass sie zum richtigen Zeitpunkt stattfinden. Die durch sie gewonnenen Erkenntnisse können dabei helfen, die Auswirkungen künftiger Krisen abzumildern.
Die Öffentlichkeit hat im Allgemeinen die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit bestehender Regelungen sowie regulatorischer Entscheidungen anzufechten. In insgesamt zwei Dritteln der OECD-Länder gibt es mindestens einen Mechanismus, über den die Bürger*innen und Unternehmen bestehende Regelungen anfechten können. Die häufigste Methode ist dabei die gerichtliche Anfechtung. In allen OECD-Ländern besteht die Möglichkeit, regulatorische Entscheidungen von einer anderen als der Instanz prüfen zu lassen, die die betreffende Entscheidung getroffen hat. Allerdings gibt es für solche Fälle nur in weniger als einem Drittel der Länder eine Regelfrist, innerhalb der die Parteien eine Entscheidung erwarten dürfen.
Maßnahmen zur Förderung der Kohärenz der Rechtsetzung auf verschiedenen staatlichen Ebenen sowie zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit des Regulierungsmanagements und zum Aufbau entsprechender Kapazitäten auf subnationaler Ebene sind im OECD-Raum bislang wenig verbreitet. In zwei Dritteln der befragten Länder – allen 8 Föderalstaaten und 18 unitarisch verfassten Ländern – gibt es gezielte Maßnahmen zur Verbesserung der Kohärenz des Regulierungssystems. Auch in den übrigen Ländern wären unabhängig von ihrem Verfassungsmodell Systeme zur Zusammenarbeit mit den subnationalen Ebenen sinnvoll, um die Qualität des Regulierungsrahmens zu verbessern.
Einleitung
Regelungen und ihre Entstehungsverfahren sollen die Bedürfnisse und Lebensrealität der Gesellschaft widerspiegeln und sich schnell an veränderte Umstände anpassen lassen. Eine solche Anpassung kann eher gelingen, wenn die Systeme und Praktiken für die Erarbeitung und Verbesserung der Vorschriften von Anfang an Teil der Entscheidungsprozesse sind – und nicht nur als bürokratisches Beiwerk gesehen werden.
Dieses Kapitel bietet einen Überblick über die Trends und Fortschritte der OECD-Länder bei der Umsetzung der Empfehlung des Rates der OECD zu Regulierungspolitik und Governance von 2012. Besonderes Augenmerk gilt dabei Instrumenten des Regulierungsmanagements, vor allem Akteursbeteiligung, Gesetzesfolgenabschätzung (GFA) und Ex-post-Evaluierung. Ein solides Regulierungsmanagement ermöglicht eine bessere Rechtsetzung, was sich wiederum positiv auf die Wirtschaftsleistung auswirkt. Dies beinhaltet insbesondere, dass erstens untersucht wird, ob ein regulatorischer Eingriff sinnvoll ist oder ob nichtregulatorische Alternativen infrage kommen, zweitens dass die Folgen von Rechtsvorschriften vor ihrer Abfassung, Verabschiedung oder Änderung abgeschätzt werden, drittens dass bestehende Vorschriften zur Sicherstellung ihrer Zweckmäßigkeit evaluiert werden (vor allem, wenn sie ohne vorherige Folgenabschätzung erarbeitet wurden, wie dies in Krisenzeiten der Fall sein kann), und viertens dass die betroffenen Akteure durchgehend an diesen verschiedenen Prozessen beteiligt werden.
Ein weiterer Schwerpunkt des Kapitels sind die Mechanismen, die den Bürger*innen zur Verfügung stehen, um bestehende Rechtsvorschriften anzufechten. Das Recht, Widerspruch gegen ein Gesetz einzulegen, ist ein wesentliches demokratisches Bürgerrecht, wobei sowohl der Entstehungsprozess als auch die Rechtmäßigkeit der Regelungen anfechtbar sein sollten.
Des Weiteren befasst sich das Kapitel mit Regelungen, die die Kohärenz der Rechtsetzung zwischen den verschiedenen staatlichen Ebenen verbessern und ein sinnvolles Regulierungsmanagement auf subnationaler Ebene fördern sollen. Nachgeordnete staatliche Ebenen können zusätzliche Regulierungsschichten erzeugen. Zudem kann ihnen die Umsetzung von auf nationaler Ebene beschlossenen Rechtsvorschriften obliegen. Auch regionale und lokale Gebietskörperschaften sollten daher Regulierungsstrategien und -instrumente einsetzen. Des Weiteren sind Mechanismen erforderlich, die einen ebenenübergreifend reibungslos funktionierenden Regulierungsrahmen ermöglichen.
Auf die übrigen Grundsätze der Empfehlung, insbesondere auf Aufsichtsbehörden und Leistungsevaluierung, die internationale Zusammenarbeit im Regulierungsbereich, die Governance von Regulierungsstellen und auf Risiken, wird in den nachfolgenden Kapiteln des Ausblicks ausführlich eingegangen.
Die Analyse der Trends und Fortschritte basiert hauptsächlich auf den Ergebnissen der Indicators of Regulatory Policy and Governance (iREG) Survey der OECD, an der 38 OECD-Mitgliedsländer und die Europäische Union teilnahmen. Diese Erhebung wurde erstmals 2014, dann wieder 2017 und 2020/2021 nun zum dritten Mal durchgeführt. Sie ermöglicht es, Regulierungspraktiken nicht nur zwischen den Ländern, sondern auch im Zeitverlauf zu vergleichen. Dazu werden zusammengesetzte Indikatoren zur Akteursbeteiligung sowie zur evidenzbasierten Entwicklung und Überarbeitung von Rechtsvorschriften erstellt (Kasten 2.1).
Kasten 2.1. Aufbau der zusammengesetzten iREG-Indikatoren
Die drei zusammengesetzten Indikatoren bieten einen Überblick über die Praxis der Länder in den Bereichen Akteursbeteiligung, Gesetzesfolgenabschätzung (GFA) und Ex-post-Evaluierung. Jeder Indikator umfasst vier gleich wichtige und daher gleich gewichtete Kategorien:
Die Kategorie „systematische Einführung“ bezieht sich auf formelle Vorgaben und die Häufigkeit ihrer Umsetzung in der Praxis.
In der Kategorie „Methodik“ geht es um die in den einzelnen Bereichen verwendeten Methoden, z. B. die Art der in Folgenabschätzungen berücksichtigten Auswirkungen oder die Häufigkeit der Durchführung verschiedener Formen von Konsultationen.
Die Kategorie „Prüfungsmechanismen und Qualitätskontrolle“ erfasst die Rolle von Kontrollinstanzen und öffentlich einsehbaren Evaluierungen.
Unter der Kategorie „Transparenz“ sind Informationen zu den Grundsätzen offenen Regierungs- und Verwaltungshandelns zusammengefasst, z. B. darüber, ob staatliche Entscheidungen veröffentlicht werden.
Der Höchstwert für die einzelnen Kategorien beträgt 1 und der Höchstwert für die Gesamtindikatoren 4. Die zusammengesetzten Indikatoren beruhen auf den Ergebnissen der 2014, 2017 und 2020 durchgeführten OECD Regulatory Indicators Survey (iREG-Erhebung). Dabei wurden Daten zu allen 38 OECD-Mitgliedsländern sowie der Europäischen Union, Stand 31. Dezember 2014, 31. Dezember 2017 und 1. Januar 2021 erhoben. Im Fokus der Erhebung stehen die regulierungspolitischen Vorgehensweisen, die in der Empfehlung von 2012 beschrieben wurden. Je mehr der entsprechenden Verfahren ein Land eingeführt hat, desto höher ist sein Indikatorwert.
Der Fragebogen und die den Indikatoren zugrunde liegenden Methoden wurden in enger Zusammenarbeit mit Vertreter*innen des Ausschusses für Regulierungspolitik und der Steering Group on Measuring Regulatory Performance entwickelt. Die Methodik orientiert sich an den Empfehlungen im Handbook on Constructing Composite Indicators, das 2008 von der OECD und dem JRC veröffentlicht wurde. Die Daten zu den gesetzlichen Regelungen in den Indikatoren zur Gesetzesfolgenabschätzung und zur Akteursbeteiligung betreffen nur die Gesetzgebungsverfahren der nationalen Exekutive. Die Daten zu den gesetzlichen Regelungen im Indikator zur Ex-post-Evaluierung beziehen sich sowohl auf vom Parlament als auch von der Exekutive initiierte Gesetze.
Die Indikatoren bieten einen Überblick über den regulierungspolitischen Rahmen der Länder in den Bereichen Akteursbeteiligung, Gesetzesfolgenabschätzung und Ex-post-Evaluierung, können dessen komplexe Gegebenheiten im Hinblick auf Qualität, Nutzung und Wirkung jedoch nicht vollständig erfassen. Hinzu kommt, dass sie sich nur auf die Umsetzung der messbaren Aspekte der drei Bereiche beziehen, die gegenwärtig untersucht werden, und nicht auf alle Elemente der Empfehlung von 2012. Wird der Höchstwert erreicht, bedeutet dies somit nicht zwangsläufig, dass die Empfehlung von 2012 vollständig umgesetzt wurde. Um die Indikatoren zu ergänzen und konkrete Reformempfehlungen zu formulieren, sind daher gründliche Länderprüfungen nötig. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Ergebnisse der zusammengesetzten Indikatoren stets von den gewählten Methoden abhängen. Daher sollten aus ihnen keine Aussagen über die relative Leistung von Ländern mit ähnlichen Werten abgeleitet werden.
Weitere Informationen zur Methodik finden sich unter www.oecd.org/gov/regulatory-policy/measuring-regulatory-performance.htm sowie in einem OECD Working Paper (Arndt et al., 2015[1]).
Allgemeine Trends
Die Empfehlung des Rates der OECD zu Regulierungspolitik und Governance von 2012 (OECD, 2012[2]) (Empfehlung) erläutert die Prinzipien einer wirksamen Rechtsetzung, um bessere gesellschaftliche, ökologische und wirtschaftliche Ergebnisse zu erzielen. Anhand ihrer zwölf Grundsätze lassen sich die Kapazitäten eines Landes zur Ausarbeitung, Umsetzung und Prüfung von Rechtsvorschriften bewerten.
Bislang hat kein Land die Empfehlung vollständig umgesetzt. Die Indikatoren zu Regulierungspolitik und Governance (iREG) zeigen zudem, dass die Umsetzung aktuell zu langsam voranschreitet. Die langsamsten Länder würden nach den Ergebnissen der Erhebung über dreißig Jahre brauchen, um auf den Stand der Länder zu kommen, die schon größere Teile der Empfehlung umgesetzt haben. Und selbst diese Länder haben bis zur vollständigen Umsetzung der Empfehlung noch einen weiten Weg zu gehen. Deshalb sind alle Länder aufgerufen, ihr Reformtempo zu erhöhen und stärker in eine solide Regulierungspolitik zu investieren, um zu gewährleisten, dass ihre Rechtsvorschriften evidenzbasiert sind und in der Praxis funktionieren.
Bei der Nutzung von Instrumenten des Regulierungsmanagements sind seit 2017 im Durchschnitt nur wenige Fortschritte zu verzeichnen, wobei sich bei den Ex-post-Evaluierungen allerdings mehr getan hat als bei der GFA und der Akteursbeteiligung. Da Ex-post-Evaluierungen aber insgesamt das am wenigsten entwickelte Instrument sind und dadurch das größte Reformpotenzial aufweisen, ist das nicht überraschend.
Auch wenn sich der Wandel insgesamt langsam vollzieht, haben einige Länder ihr Regulierungsmanagement seit 2017 erheblich verbessert.
Chile hat seine Instrumente des Regulierungsmanagements in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. Mit dem Präsidialdekret Nr. 3/2019 wurde die Pflicht zur Durchführung von Gesetzesfolgenabschätzungen ausgeweitet, sodass inzwischen bei allen gesetzlichen Regelungen der Exekutive und allen untergesetzlichen Regelungen eine GFA erforderlich ist. Für die Durchführung der GFA gilt nun ein Schwellenwert, der bestimmt, ob eine einfache Abschätzung ausreicht oder eine umfassendere Folgenabschätzung notwendig ist. Bei der GFA müssen jetzt auch nichtregulatorische Alternativen und ein ganzes Spektrum möglicher Auswirkungen untersucht werden. Wichtige Gesetzesvorschläge, für die eine umfassende GFA vorgesehen ist, erfordern eine öffentliche Konsultation.
In Griechenland wurden 2019 mit dem Gesetz 4622 verschiedene Instrumente des Regulierungsmanagements im Rechtsetzungsprozess für gesetzliche Regelungen verankert. Seitdem werden Gesetze, die zeitnah ausgearbeitet oder geändert werden sollen, im Voraus angekündigt. Die Leitlinien für Gesetzesfolgenabschätzungen (GFA) bei gesetzlichen Regelungen wurden aktualisiert und erstrecken sich nun auch auf die Akteursbeteiligung. Zusätzliche Kategorien von Erfüllungskosten sind zu beziffern und die zuständigen Stellen müssen ein breiteres Spektrum von Auswirkungen prüfen, z. B. in Bezug auf die Geschlechtergerechtigkeit. Gesetzentwürfe werden inzwischen häufig auf das Konsultationsportal gestellt.
Die jüngsten Reformen in Lettland betreffen alle drei Instrumente des Regulierungsmanagements. Öffentliche Konsultationen werden im Endstadium der Politikentwicklung inzwischen systematisch durchgeführt und es gibt schriftliche Leitlinien, um die Bediensteten bei der Vorbereitung von GFA zu unterstützen. Darüber hinaus ist bei bestimmten untergesetzlichen Regelungen eine regelmäßige Überprüfung der Bestimmungen vorgesehen.
In den Niederlanden werden kleinere und mittlere Unternehmen im Rahmen eines besonderen Verfahrens inzwischen bereits in die Anfangsphase der Ausarbeitung neuer Rechtsvorschriften eingebunden. Es gibt neue Leitlinien über die Auswirkungen von Rechtsvorschriften auf Grenzregionen, Geschlechtergerechtigkeit, Entwicklungsländer und die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDG). Die Regulierungsaufsichtsbehörde ist inzwischen auch für die Qualitätsprüfung von Ex-post-Evaluierungen zuständig. Zudem hat sie eine Toolbox zur Unterstützung der mit den Evaluierungen beauftragten Bediensteten entwickelt.
Die portugiesische Regierung hat jüngst mehrere wichtige Reformen zur Durchführung und Stärkung von Gesetzesfolgenabschätzungen angestrengt. Dabei müssen nun alternative Regulierungsoptionen und ein breiteres Spektrum von Auswirkungen untersucht werden. Außerdem wird die Qualität von GFA bei untergesetzlichen Regelungen strenger kontrolliert. Es wurde eine zentrale Konsultationsplattform für untergesetzliche Regelungen eingerichtet, die nur für Konsultationen in späteren Stadien genutzt wird, wenn bereits ein Regelungsentwurf vorliegt.
In Spanien wurde die GFA durch die Einrichtung einer neuen Behörde gestärkt. Zu den Aufgaben der Oficina de Coordinación y Calidad normativa (OCCN) gehört es, die Qualität, Koordinierung und Kohärenz von Instrumenten des Regulierungsmanagements zu verbessern. Eine neue zentralisierte Plattform, auf der alle laufenden Konsultationen aufgeführt sind, erhöht die Transparenz des Konsultationsprozesses und gewährt Einsicht in die Jahresplanung.
Die Instrumente des Regulierungsmanagements werden nach wie vor hauptsächlich bei Gesetzen angewandt, die von der Exekutive initiiert werden. Bei vom Parlament initiierten Gesetzen ist in den meisten OECD-Ländern weder eine Konsultation der Öffentlichkeit noch eine GFA vorgeschrieben. Solange die allermeisten Gesetze von der Exekutive angestoßen werden, ist das nicht unbedingt problematisch. Dies ist allerdings nicht in allen OECD-Ländern der Fall. Aufgrund von Unterschieden im Gesetzgebungsverfahren könnte die Initiierung von Gesetzen durch das Parlament als eine Möglichkeit gesehen werden, regulatorische Anforderungen zu umgehen. Die OECD hat sich bereits in der Vergangenheit dafür ausgesprochen, dass die Parlamente eigene Verfahren einrichten sollten, um eine hohe Regulierungsqualität zu gewährleisten, beispielsweise durch Konsultationen, GFA und Ex-post-Evaluierungen. Trotzdem hat sich die Zahl der OECD-Mitglieder mit entsprechenden Vorgaben für vom Parlament initiierte Gesetze seit 2014 kaum verändert.
Akteursbeteiligung
Zusammengesetzte Indikatoren und Ergebnisse im Überblick
Die Akteursbeteiligung wurde bei untergesetzlichen Regelungen im Allgemeinen stärker verbessert als bei gesetzlichen Regelungen. Dank neuer Vorgaben zur Beteiligung betroffener Akteure und häufigeren Konsultationen in späteren Stadien der Politikentwicklung wird dieses Instrument inzwischen systematischer angewandt. Auch eine stärkere Aufsicht und Qualitätskontrolle der Akteursbeteiligung durch Aufsichtsbehörden, die mit der Förderung und Prüfung der Konsultationen beauftragt sind, trugen zu diesem Erfolg bei. Was gesetzliche Regelungen betrifft, gab es kleine Verbesserungen bei den Methoden der Akteursbeteiligung. So wurde bei Konsultationen z. B. stärker auf virtuelle Treffen zurückgegriffen und ein vielfältigeres Angebot an Dokumenten zur Verfügung gestellt.
Wesentliche Veränderungen gab es seit 2017 in Chile, Costa Rica, Griechenland, Island, Kolumbien, Lettland, den Niederlanden, Norwegen und Spanien.
In Chile verlangt ein neues Dekret, dass bei untergesetzlichen Regelungen, für die eine umfassende GFA vorgesehen ist, öffentliche Konsultationen durchgeführt werden. Einige Ministerien veröffentlichen nun jedes Jahr eine Liste mit Rechtsvorschriften, deren Prüfung, Straffung, Änderung oder Verabschiedung geplant ist, sodass die Öffentlichkeit dazu Stellung nehmen oder Feedback geben kann. Von einer zentralen Website führen Links zu offenen Konsultationen und Reformplänen der einzelnen Ministerien.
Costa Rica weitete die Akteursbeteiligung durch ein Vorausplanungsverfahren und eine intensivere Nutzung seiner zentralisierten Website für GFA und öffentliche Konsultationen (SICOPRE) aus. Auch Stellungnahmen der Öffentlichkeit sind möglich, auf die die zuständigen Stellen reagieren.
In Griechenland werden Gesetzentwürfe inzwischen häufiger auf einem Konsultationsportal veröffentlicht, damit die Öffentlichkeit sich dazu äußern kann. Zudem wird im Voraus eine Liste aller Gesetze veröffentlicht, die ausgearbeitet oder geändert werden sollen. Darüber hinaus wurden Leitlinien für die Akteursbeteiligung bei der Ausarbeitung von Gesetzen erstellt.
In Island wurde das Konsultationssystem in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. Es gibt nun eine zentralisierte, interaktive Konsultationswebsite, auf der betroffene Akteure in den Anfangs- und Endphasen des Prozesses Stellungnahmen abgeben können. Darüber hinaus können über die Website vorläufige GFA, Regelungsentwürfe und zusammenfassende Berichte über die Berücksichtigung der Stellungnahmen in den Vorschlägen eingesehen werden. Teilweise wird die Öffentlichkeit zudem in den sozialen Medien aufgefordert, sich an den Konsultationen zu beteiligen, und es können E-Mail-Benachrichtigungen über neue Konsultationen abonniert werden.
In Kolumbien wurde die digitale Plattform SUCOP entwickelt, die die Verfahren der Akteursbeteiligung sämtlicher staatlicher Stellen zentralisieren soll. Gleichzeitig verwenden die Ministerien weiter ihre eigenen Websites für Konsultationen.
In Lettland werden öffentliche Konsultationen nun systematisch in einer späten Phase des Prozesses durchgeführt, was den Vorteil hat, dass die betroffenen Akteure auf ein größeres Spektrum von Unterlagen zugreifen und so gezieltere Stellungnahmen zu den Vorschlägen abgeben können.
In den Niederlanden wurden Leitlinien zur Akteursbeteiligung herausgegeben. Zudem finden seit drei Jahren bereits in der Anfangsphase der Ausarbeitung neuer Regelungen Treffen mit KMU statt (sogenannte „KMU-Prüfung“).
In Norwegen erhöhte die Regulierungsaufsichtsbehörde ihre Kapazitäten, um Regelungsvorschläge zu prüfen und zu Akteursbeteiligungsaktivitäten Stellung zu nehmen.
In Spanien werden inzwischen alle laufenden Konsultationen auf einer zentralisierten Plattform veröffentlicht. Alle Bürger*innen sind eingeladen, sowohl vor der Ausarbeitung neuer Regelungen als auch in der Entwurfsphase Stellungnahmen abzugeben.
Berücksichtigung der Anliegen betroffener Gruppen in Regelungsvorschlägen
Die Bürger*innen können wertvolle Impulse zur Machbarkeit und zu den praktischen Auswirkungen von Rechtsvorschriften beisteuern. Wenn die betroffenen Akteure das Gefühl haben, dass ihre Meinung berücksichtigt wird, wirkt sich das positiv auf die Rechtsbefolgung aus. Aus regulierungspolitischer Sicht bedeutet das, dass die Menschen ausreichend Gelegenheit erhalten sollten, an der Gestaltung und Änderung von Vorschriften mitzuwirken, die sie im Alltag betreffen, und diese auch anzufechten. Allzu oft werden Entscheidungen jedoch ohne Beteiligung derer gefällt, die von ihnen betroffen sind, was der Gesellschaft schadet (Kapitel 1).
Gesetze betreffen alle – Bürger*innen, Unternehmen, Verbraucher*innen und Arbeitnehmer*innen (sowie deren Organisationen und Verbände), den öffentlichen Sektor, Nichtregierungsorganisationen, internationale Handelspartner und viele andere Akteure, zu denen auch benachteiligte oder weniger einflussreiche Gruppen gehören (OECD, 2012[2]). Politikverantwortliche sollten beachten, dass diese verschiedenen Gruppen über unterschiedliche Mittel und Möglichkeiten verfügen, und ihre Beteiligungsstrategien entsprechend anpassen, damit alle Stimmen gehört werden (OECD, 2009[3]; OECD, 2015[4]).
Die Empfehlung des Rates zu Regulierungspolitik und Governance von 2012 enthält drei Grundsätze der Kommunikation, Konsultation und Mitwirkung, an die sich alle Politikverantwortlichen halten sollten (Kasten 2.2).
Kasten 2.2. OECD-Empfehlung zu Regulierungspolitik und Governance von 2012: Kommunikation, Konsultation und Mitwirkung
In der Empfehlung von 2012 werden die Länder aufgefordert, sich an die Grundsätze offenen Regierungs- und Verwaltungshandelns („Open Government“), einschließlich Transparenz und Teilhabe am Rechtsetzungsprozess, zu halten, um sicherzustellen, dass die Rechtsvorschriften dem Gemeinwohl dienen und von den legitimen Bedürfnissen der an ihnen interessierten und von ihnen betroffenen Akteure geleitet werden.
Die Empfehlung enthält konkrete Leitlinien darüber, wie staatliche Stellen und politisch Verantwortliche Konsultationen über die Gestaltung, Ausarbeitung und Überarbeitung von Rechtsvorschriften durchführen können:
bei der Überprüfung bestehender und der Entwicklung neuer Regelungen mit den betroffenen Akteuren zusammenarbeiten
alle relevanten betroffenen Akteure aktiv in den Rechtsetzungsprozess einbinden
Konsultationsverfahren so gestalten, dass die Qualität und Effektivität der empfangenen Informationen maximiert werden kann
Konsultationen zu allen Aspekten der Folgenabschätzung durchführen und Folgenabschätzungen z. B. in den Konsultationsprozess aufnehmen
der Öffentlichkeit angemessene Möglichkeiten geben (auch online), zur Formulierung von Entwürfen für Regelungsvorschläge und zur Qualität der zugrunde liegenden Analysen beizutragen
der Öffentlichkeit so weit wie möglich alle sachdienlichen Unterlagen aus Regulierungsdossiers, einschließlich der zugrunde liegenden Analysen und der Gründe für die Regelungsentscheidungen, sowie alle sachdienlichen Daten zugänglich machen
die Überprüfung der Regelungen auf die Bedürfnisse der von ihnen Betroffenen ausrichten und bei der Konzeption und Durchführung von Prüfungen mit diesen zusammenarbeiten
der Öffentlichkeit eine vollständige und aktuelle Gesetzgebungs- und Regulierungsdatenbank kostenlos in durchsuchbarem Format über eine benutzerfreundliche Internetplattform zur Verfügung stellen
Quelle: OECD (2012[2]).
Die folgenden Abschnitte beziehen sich entweder auf Konsultationen im Früh- oder im Endstadium des Rechtsetzungsprozesses. Das Frühstadium ist die Phase, in der die Politik ein Problem erkannt hat und verschiedene Wege auslotet, um es zu lösen. Von Konsultationen im Endstadium wird hingegen gesprochen, wenn die Entscheidung für den regulatorischen Eingriff bereits getroffen wurde.
Kommunikation als Schlüssel für ein erfolgreiches Miteinander
Eine klare Gesamtstrategie für das Wie und Was der Kommunikation mit den betroffenen Gruppen ist für eine erfolgreiche Akteursbeteiligung von wesentlicher Bedeutung. Eine solche Strategie hilft dabei, die Beteiligten über die geplanten Kanäle und Formen der Kommunikation zu informieren, und kann auch als Rechenschaftsinstrument für die Politikverantwortlichen dienen.
Das Wie der Kommunikation mit den betroffenen Akteuren ist entscheidend, um wertvolle Impulse für die Politikentwicklung zu erhalten. Politikverantwortliche können verschiedene Wege nutzen, um mit den betroffenen Akteuren in Kontakt zu treten. Welche Methode die beste ist, hängt vom jeweiligen Politikvorschlag, von den Ressourcen und Kapazitäten der betroffenen Akteure sowie von der Phase der Politikentwicklung ab.
Dem allgemeinen Trend der digitalen Verwaltung (OECD, 2014[5]) folgend, veröffentlichen die meisten OECD-Länder ihre Konsultationen mittlerweile auf einer zentralen Plattform, auf die alle betroffenen Akteure zugreifen können. Der Aufbau dieser zentralen Plattformen wird von den Ländern dabei unterschiedlich gehandhabt (Kasten 2.3). Eine Möglichkeit ist, die Informationen auf den Konsultationswebsites so zu gestalten, dass die betroffenen Akteure zu den Arten von Konsultationen geführt werden, die für sie relevant sein dürften. In Spanien wird auf der Konsultationswebsite etwa klar unterschieden, ob für einen Vorschlag noch Meinungen zur Problemstellung und zu möglichen Lösungen eingeholt werden oder ob bereits ein Regelungsentwurf vorliegt und die bevorzugte regulatorische Option schon ausgewählt wurde.
Kasten 2.3. Viele OECD-Länder nutzen zur Akteursbeteiligung eine zentrale Website
Viele OECD-Mitgliedsländer veröffentlichen ihre Konsultationen auf einer zentralen Regierungswebsite. Der Großteil setzt solche Websites bei Konsultationen zu gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen eigenen Angaben zufolge systematisch ein. Dabei lassen sich vier große Kategorien von Websites unterscheiden:
1. Spezielle Konsultationsplattform: Websites, die ausschließlich zur Durchführung öffentlicher Konsultationen dienen und von anderen Regierungswebsites getrennt sind. Solche Plattformen gibt es z. B. in:
Dänemark: hoeringsportalen.dk/
Estland: eelnoud.valitsus.ee/
Frankreich: www.vie-publique.fr/consultations
Griechenland: www.opengov.gr/home/category/consultations
Island: samradsgatt.island.is/
Israel: www.tazkirim.gov.il
Italien: www.consultazione.gov.it and partecipa.gov.it
Kolumbien: www.sucop.gov.co/
Mexiko: www.cofemersimir.gob.mx/portales
Niederlande: www.internetconsultatie.nl/
Polen: legislacja.rcl.gov.pl/
Portugal: www.consultalex.gov.pt/
2. Unterseite einer Regierungswebsite: Die Konsultationen befinden sich auf einer Unterseite einer allgemeinen Regierungswebsite, anstatt auf einer separaten, unabhängigen Plattform. So z. B. in:
Japan: public-comment.e-gov.go.jp/servlet/Public
Kanada: www.canada.ca/en/government/system/consultations/consultingcanadians.html
Litauen: epilietis.lrv.lt/lt/konsultacijos/
Norwegen: www.regjeringen.no/no/dokument/hoyringar
Schweden: www.regeringen.se/remisser/
Schweiz: www.fedlex.admin.ch/fr/consultation-procedures/ongoing
Slowenien: e-uprava.gov.si/drzava-in-druzba/e-demokracija.html
Spanien: transparencia.gob.es
3. Ministeriumswebsites: Die Konsultationen befinden sich auf den Websites der Ministerien; es gibt aber eine zentrale Website, die als Portal dient und interessierte Akteure zu den relevanten Konsultationen weiterleitet.
Deutschland: www.bundesregierung.de/breg-de/service/gesetzesvorhaben
Vereinigtes Königreich: www.gov.uk/search/policy-papers-and-consultations
4. Parlamentswebsite: Manche OECD-Länder nutzen die Parlamentswebsite als zentrales Portal für öffentliche Konsultationen zu gesetzlichen Regelungen. So z. B.:
Österreich: www.parlament.gv.at/pakt/mesn/
Quelle: Indicators of Regulatory Policy and Governance (iREG) Survey 2021.
Die staatlichen Stellen können die Aufmerksamkeit der betroffenen Akteure dorthin lenken, wo ihr Beitrag zur Politikgestaltung am wichtigsten ist. So kann es in einem frühen Stadium etwa sinnvoll sein, das Problem darzustellen, um aus dem Feedback der betroffenen Akteure mögliche Lösungen abzuleiten. Diese Vorgehensweise kann nicht nur die Gestaltung der Regelungen, sondern auch ihre „Wirkung“ verbessern, z. B. die Rechtsbefolgung. Sie kann erwünschte Verhaltensänderungen bei Marktteilnehmenden fördern oder mehr Vertrauen in den Staat schaffen. Darüber hinaus können bessere Rechtsvorschriften die Wirtschaftsleistung steigern, indem sie für eine wettbewerbsfähigere und inklusivere Gesellschaft sorgen (OECD, 2009[3]; 2017[6]).
Konsultationen in späteren Phasen der Regelungsgestaltung eignen sich besser zur Klärung von Umsetzungsfragen. Zu diesem Zeitpunkt ist die Entscheidung für den regulatorischen Eingriff im Allgemeinen bereits gefallen und es gibt wenig Spielraum, den bevorzugten Regulierungsweg noch zu ändern. Den betroffenen Akteuren wird dann üblicherweise ein Regelungsentwurf vorgelegt, zu dem sie Stellung nehmen sollen. Sie können in diesem Stadium immer noch wertvolle Ideen beisteuern, um die Wirksamkeit der Regelungen zu verbessern, z. B. indem sie auf widersprüchliche oder inkohärente Zielsetzungen oder mögliche Probleme bei der Einhaltung und Durchsetzung hinweisen. Die Art und Weise, wie die Fragen an die betroffenen Akteure gestellt werden, ist in beiden Fällen wichtig, denn sie kann das Verhalten und die Antworten der Teilnehmenden erheblich beeinflussen (Kasten 2.4).
Kasten 2.4. Einige OECD-Länder setzen auf „geleitete“ Konsultationen, um verhaltensbedingte Hindernisse zu vermeiden
Ziel einer Konsultation ist es sicherzustellen, dass die Gestaltung und Umsetzung einer Regelung dem öffentlichen Interesse dient. Daher gilt es, verschiedene Interessengruppen wie Bürger*innen, Unternehmen, Gewerkschaften, Organisationen der Zivilgesellschaft und öffentliche Einrichtungen am Prozess zu beteiligen und ihre Meinungen anzuhören.
Unbeabsichtigte Verhaltensverzerrungen und Hemmnisse können diese Beteiligungsprozesse und damit deren Ergebnisse allerdings beeinträchtigen. Wie genau eine Frage gestellt wird, kann sich z. B. darauf auswirken, wie die teilnehmenden Personen sie beantworten. Genauso werden sich bei einmaligen Präsenzveranstaltungen an schwer zugänglichen Orten vermutlich nur bestimmte Personen beteiligen. Dies kann zu Regelungsvorschlägen führen, die sich auf nicht wirklich repräsentative Meinungen stützen.
Verhaltensökonomische bzw. verhaltenspsychologische Erkenntnisse werden bereits seit über zehn Jahren in der Politik angewandt – meistens allerdings, um auf individuelles Verhalten in der Umsetzungsphase der Maßnahmen einzuwirken (OECD, 2017[7]; 2019[8]). Solche Erkenntnisse können nur teilweise auf die Akteursbeteiligung angewandt werden. Zu Themen wie Risikoaversion, Entscheidungsarchitektur und Entscheidungsfindung gibt es inzwischen jedoch eine umfangreiche Fachliteratur (Tversky und Kahneman, 1974[9]), die Politikverantwortlichen dabei helfen kann, Beteiligungsprozesse unter Berücksichtigung verhaltenspsychologischer Aspekte zu gestalten.
Vorformulierte Fragen verringern Transaktionskosten bei öffentlichen Konsultationen
Ein wichtiger verhaltenspsychologischer Ausgangspunkt bei der Auseinandersetzung mit einem Politikproblem ist die Frage, wie schwierig eine bestimmte Handlung ist. Je einfacher die Handlung, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass sie tatsächlich getätigt wird (OECD, 2019[8]). Die Teilnahme an einer Konsultation in der Ausarbeitungsphase einer Regelung kann zeitaufwendig und beschwerlich sein. Um diesen Aufwand zu verringern, stellen einige Länder die für die Konsultation relevanten Unterlagen einfach zugänglich auf dieselbe Website, auf der auch die Konsultation stattfindet. Daneben gibt es Länder, die die Konsultationen „leiten“, indem sie der Öffentlichkeit vorformulierte Fragen zum Regelungsentwurf oder zum zu regelnden Problem stellen. Auch wenn dabei nicht unbedingt gezielt verhaltenspsychologische Erkenntnisse eingesetzt werden, kann ein solches Vorgehen doch verhaltensbezogene Hindernisse für die Teilnahme an Konsultationen abbauen.
In den Niederlanden z. B. findet ein erheblicher Teil der öffentlichen Konsultationen auf der Website www.internetconsultatie.nl statt. Bei einigen Konsultationen zu Regelungsentwürfen werden Fragen mit offenem Antwortformat gestellt. Solche offenen Fragen können einfach sein (z. B. „Was finden Sie an dem Vorschlag gut?“) oder auch komplexer (z. B. „Macht der Vorschlag das Finanzierungssystem einfacher, weniger steuernd und vorhersehbarer?“).
Im Vereinigten Königreich werden die Teilnehmenden mancher Konsultationen mithilfe einer Reihe von Fragen schrittweise durch den Prozess geleitet. Diese Vorgehensweise wird vor allem bei Konsultationen angewandt, die in einem frühen Stadium des Rechtsetzungsprozesses stattfinden, wenn das Problem noch sondiert wird und noch kein Regelungsentwurf vorliegt. Daneben gibt es auch Fragen mit geschlossenem Antwortformat, bei denen beispielsweise abgefragt wird, ob die Teilnehmenden der Problemstellung zustimmen. Sie haben dabei aber gleichzeitig die Möglichkeit, ihre Antwort zu erläutern. Darüber hinaus gibt es Fragen, die zwar offen, aber komplexer und genauer auf ein konkretes Problem zugeschnitten sind (z. B. „Wie können wir sicherstellen, dass die neuen Dienste den Marktzutritt neuer Anbieter fördern, anstatt bestehende Lieferanten zu bevorteilen?“).
In Ungarn werden im Rahmen von Konsultationen bestimmte Fragen als Multiple-Choice- oder geschlossene Ja-/Nein-Fragen gestellt, um herauszufinden, ob bestimmte Regelungsvorschläge unterstützt oder abgelehnt werden.
Quelle: Indicators of Regulatory Policy and Governance (iREG) Survey 2021. Niederlande: www.internetconsultatie.nl; Vereinigtes Königreich: https://beisgovuk.citizenspace.com/; Ungarn: https://nemzetikonzultacio.kormany.hu/.
Die Kommunikationsmethoden spielen ebenso eine wichtige Rolle. Das Format einer Konsultation mag für den politischen Entscheidungsprozess an sich unbedeutend erscheinen, doch es spielt eine wesentliche Rolle dabei sicherzustellen, dass die beteiligten Akteure verstehen, welche Art von Informationen von ihnen gewünscht werden. Bei der Wahl der Konsultationsform sind Belastbarkeit, Kreativität, Agilität und Anpassungsfähigkeit wichtig, um das Feedback der betroffenen Akteure wirklich nutzen zu können (OECD, 2020[10]). Die Verantwortlichen sollten die Konsultationen auf die im jeweiligen Bereich üblichen Standards zuschneiden (z. B. Unterlagen in Papierform, online oder in verschiedenen Formaten) – dabei aber berücksichtigen, dass nicht alle betroffenen Akteure auf dieselbe Art kommunizieren. Unangemessene oder unübliche Kommunikationsformen können bestimmte Akteure vom politischen Entscheidungsprozess ausschließen. Sie verringern daher das Gefühl der Mitverantwortung und können sich so negativ auf die Einhaltung und das Vertrauen in die Regelungen auswirken (Lind und Arndt, 2016[11]).
In den OECD-Ländern ist die Form der Konsultationen häufig davon abhängig, ob sie in einem frühen oder späten Stadium der Politikentwicklung stattfinden. In frühen Stadien sind formelle und informelle Konsultationen mit ausgewählten Gruppen oder Treffen mit Beratungsgruppen oder Vorbereitungsausschüssen üblicher (Abbildung 2.3). Konsultationen in dieser Phase sind eher selektiv, anstatt sich an die breite Öffentlichkeit zu wenden. Diese Herangehensweise bietet sich vor allem bei technischen und komplexen Regelungsvorschlägen an, wo es darum geht, die Meinung der Fachwelt einzuholen, und tatsächlich wird sie in der Regel nur bei bestimmten Gruppen angewandt. Bei allgemeineren Vorschlägen, bei denen das Ausmaß und die Verteilung der Auswirkungen noch unklar sind, ist es wichtig, den Kreis der Befragten zu öffnen – gerade weil bestimmte betroffene Akteure in dieser Phase noch „unbekannt“ sein können, da die Auswirkungen erst noch in vollem Umfang erfasst werden müssen.
Öffentliche Konsultationen werden im OECD-Raum zumeist online mit Bitte um Stellungnahme durchgeführt. Daneben gibt es aber auch andere offene Konsultationen oder Konsultationen in den Endphasen des Rechtsetzungsprozesses (Abbildung 2.3). Wie schon 2017 nutzen rd. 30 % der Länder bei gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen mindestens eine Form von öffentlichen und offenen Konsultationen systematisch, um betroffene Akteure im Endstadium des Prozesses einzubeziehen.
Seit 2017 ist die Zahl der virtuellen Anhörungen zur Akteursbeteiligung in einigen Ländern gestiegen, und zwar sowohl was die Konsultationen im Frühstadium als auch was die Konsultationen in der Endphase betrifft (Abbildung 2.3). Dies erklärt sich hauptsächlich aus der Coronapandemie, die manche „traditionelle“ Konsultationsformen unmöglich machte. Es wird interessant sein zu sehen, ob virtuelle Anhörungen andere Konsultationsformen in Zukunft ergänzen oder sie nach der Pandemie womöglich ganz ablösen werden. Durch die Nutzung verschiedener Methoden zur Einholung von Stellungnahmen kann ein breiterer Kreis betroffener Akteure einbezogen werden, sodass die Konsultationen inklusiver werden, dies muss jedoch finanziell gerechtfertigt sein. Sollten virtuelle Anhörungen tatsächlich die Norm werden, muss geprüft werden, ob bestimmte Gruppen oder Akteure nicht noch vorwiegend andere Kommunikationswege nutzen. Ist das der Fall, braucht es Lösungen, um sie nicht von den Konsultationsprozessen auszuschließen.
Zeit ist ein entscheidender Faktor
Grundsätzlich sollten alle Bürger*innen an Konsultationen teilnehmen können (OECD, 2017[6]). Wird hingegen konkret festgelegt, wer konsultiert werden soll, werden andere automatisch vom Konsultationsprozess ausgeschlossen. Für die Beschränkung einer Konsultation auf einen bestimmten Teilnehmerkreis kann es gute Gründe geben – etwa Vertraulichkeitserwägungen, das Thema des Vorschlags (z. B. bei hochtechnischen Themen oder falls Fachwissen erforderlich ist) oder eine besondere Dringlichkeit (wobei dies nicht als Standardvorwand genutzt werden sollte, um Konsultationen zu umgehen).
Der Teilnehmerkreis einer Konsultation sollte niemals zu früh im Politikentwicklungsprozess eingeschränkt werden. In der Anfangsphase sind die Auswirkungen eines Vorschlags möglicherweise noch nicht bekannt, sodass auch nicht alle betroffenen Akteure bekannt sind. Je fortgeschrittener die Politikentwicklung, desto gezielter können die Konsultationen sein, da alle alternativen Optionen ausgelotet wurden und die Folgenabschätzung abgeschlossen ist. Im Endstadium des Prozesses kann sich der Kreis der betroffenen Akteure weiter verkleinern, etwa aufgrund der Gestaltung der Regelung selbst (z. B. falls der Regelungsentwurf KMU ausschließt), durch die Anwendung bestimmter Schwellenwerte oder Filter (z. B. falls ein Regelungsentwurf nur Unternehmen ab einem bestimmten Umsatz oder ab einer bestimmten Emissionsmenge betrifft) oder aufgrund geografischer Einschränkungen.
Ein weiteres wichtiges Element eines Konsultationsprozesses ist ein System von „Checks and Balances“ (Kontrolle und Gegenkontrolle) – denn es kann die Gefahr bestehen, dass immer die gleichen Akteure befragt werden, sodass immer nur die „üblichen Antworten“ kommen. Politisch Verantwortliche können den Einfluss bestimmter regelmäßig vertretener Interessengruppen eindämmen (und so das Risiko einer Vereinnahmung des Verfahrens durch diese Gruppen verringern), indem sie ein breites Spektrum von Akteuren befragen und zulassen, dass andere Akteure die Standpunkte dieser Gruppen anfechten.
Darüber hinaus können sich betroffene Akteure auf eigene Initiative zu Gruppen zusammenschließen, um eine einheitlichere und stärkere Position zu formulieren. Diese Gruppen können dabei als Sprachrohr dienen, um die verschiedenen Meinungen der Teilnehmenden zu bündeln. Manche OECD-Länder suchen gezielt den Kontakt zu solchen Gruppen oder unterstützen deren Bildung (Kasten 2.5).
Der richtige Zeitpunkt einer Konsultation ist für den Entscheidungsprozess von größter Bedeutung. Grundsätzlich wird bei Konsultationen zwischen vier Phasen unterschieden: Vorabinformation der Bevölkerung bzw. der betroffenen Akteure, Früh- und Endphase der Politikgestaltung und Überarbeitung/Änderung bestehender Vorschriften (OECD, 2012[2]). Die Entscheidung, wann eine Konsultation durchgeführt wird, kann die Gestaltung einer Regelung erheblich beeinflussen: Wird sie zu früh angesetzt, sind die betroffenen Akteure möglicherweise noch nicht in der Lage, potenzielle Lösungen zu ermitteln; wird sie zu spät angesetzt, haben die Akteure u. U. das Gefühl, dass mit der Konsultation lediglich eine formale Vorgabe erfüllt wird, um den Entwurf im nächsten Schritt beschließen zu können. Daher kommt es darauf an, den „richtigen“ Zeitpunkt zu finden – was nicht zwangsläufig bedeutet, dass dieser Zeitpunkt zwischen der Anfangs- und Endphase der Politikentwicklung liegen muss. Wie bereits erwähnt, haben Konsultationen in der Früh- und der Endphase gleichermaßen ihre Berechtigung.
Kasten 2.5. Durch Konsultationen mit unterschiedlichen Gruppen von Akteuren können Politikprobleme unter verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden
Informelle Konsultationen
Die meisten OECD-Länder führen bei der Ausarbeitung mancher Regelungen informelle Konsultationen mit Sozialpartnern und verschiedenen anderen Akteuren durch, die von den geplanten Regelungen betroffen sein könnten. Dazu gehören NRO, bestimmte gesellschaftliche Gruppen oder auch Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände.
In Costa Rica, Island, Korea und Polen werden die Wissenschaft und andere Fachkreise eingeladen, an informellen Konsultationen teilzunehmen.
In Kolumbien finden in verschiedenen Phasen des Rechtsetzungskreislaufs teilweise informelle Branchenkonsultationen und Roundtable-Gespräche statt.
In Kanada tauschen sich die Ministerien regelmäßig mit betroffenen Akteuren aus, um Regelungsvorschläge zu besprechen. Bei der Entwicklung eines neuen Gesetzes zur Patientensicherheit wurden z. B. Patient*innen, ihre Angehörigen, Gesundheitsdienstleister und Branchenvertreter*innen eingeladen, am Konsultationsprozess teilzunehmen. Dadurch konnte der Gesetzentwurf an mehreren Stellen nachgebessert werden.
In Frankreich finden häufig informelle Konsultationen mit verschiedenen Verbänden und Organisationen statt, z. B. mit Gewerkschaften, Berufsverbänden, Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen.
Formelle Konsultation
Die meisten OECD-Länder laden Sozialpartner und andere Akteure, die von den Regelungen betroffen sein könnten, zu formellen Konsultationen ein, zumindest bei der Entwicklung einiger Regelungen.
In Deutschland werden Vertreter*innen verschiedener Verbände und Organisationen zur Teilnahme an formellen Konsultationen eingeladen. Dazu gehören Gewerkschaften, juristische Personen oder Gruppen, die gemeinsame wirtschaftliche, gesellschaftliche, kulturelle oder politische Interessen vertreten (z. B. Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände).
In Litauen sind Vertreter*innen des Rats der kleinen und mittleren Unternehmen sowie des sogenannten „Dreierrats“ (bestehend aus Vertreter*innen von Regierung, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden) eingeladen, an Konsultationen teilzunehmen.
In den Niederlanden werden mittelständische Unternehmer*innen zu Gesprächsrunden eingeladen, um die möglichen Auswirkungen geplanter Regelungen auf KMU zu untersuchen.
In Norwegen führte das Bildungsministerium 2018 eine formelle Konsultation mit den Sozialpartnern durch, die zu einem Abkommen über die Förderung und Flexibilisierung der Erwachsenenbildung führte.
In Schweden werden Gesetzentwürfe an die betroffenen Behörden, Organisationen, Kommunen und andere Akteure weitergeleitet, bevor die Regierung die endgültige Fassung dem Parlament vorlegt.
Konsultationen mit Beratungsgruppen und Vorbereitungsausschüssen
In den meisten OECD-Ländern gibt es eigene Beratungsgruppen oder Vorbereitungsausschüsse, die bei der Entstehung neuer Regelungen konsultiert werden. Die Mitglieder dieser Gruppen werden hauptsächlich aufgrund ihrer Erfahrung und Expertise im jeweiligen Bereich ausgewählt.
Die dänische Regierung setzte zur Modernisierung des Urlaubsgesetzes einen eigenen Vorbereitungsausschuss ein. In den Ausschuss für digitales Wachstum berief sie Vertreter*innen der Sozialpartner, die Anstöße dazu liefern sollten, wie dänische Unternehmen von der Digitalisierung und dem technologischen Fortschritt profitieren können.
Quelle: Indicators of Regulatory Policy and Governance (iREG) Survey 2021.
Es ist nicht unbedingt sinnvoll, bei jedem Regelungsentwurf eine Konsultation in jeder Phase durchzuführen. Wird beispielsweise schon frühzeitig angekündigt, dass bestimmte Regelungsdefizite behoben werden sollen, kann das zu größeren Spannungen führen als eine Konsultation zu einem späteren Zeitpunkt. Die Notwendigkeit einer formellen Konsultation in der Anfangsphase eines Rechtsetzungsprozesses kann auch geringer sein, wenn zwischen den Politikverantwortlichen und den betroffenen Akteuren seit Langem Kontakte bestehen und beide Seiten gut informiert sind. In einem späteren Stadium sollten dann jedoch Konsultationen stattfinden.
Eine systematische Einbeziehung betroffener Akteure während des gesamten Rechtsetzungsprozesses erfolgt im OECD-Raum bislang noch nicht. Die meisten OECD-Länder konsultieren die betroffenen Akteure erst dann, wenn ein Regelungsentwurf vorliegt. Nur wenige konsultieren systematisch im Frühstadium des Prozesses (Tabelle 2.1). Diese Situation hat sich in den letzten Jahren nicht verbessert.
Tabelle 2.1. Besser spät als nie – dennoch sollten Konsultationen früher stattfinden
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Akteursbeteiligung zur Erörterung der Problematik und möglicher Lösungsansätze |
Konsultation zu Regelungsentwürfen/‑vorschlägen |
Pflicht zur Vorlage von GFA-Unterlagen bei öffentlichen Konsultationen |
Akteursbeteiligung bei Ex-post-Evaluierungen |
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Gesetzliche Regelungen |
Untergesetzliche Regelungen |
Gesetzliche Regelungen |
Untergesetzliche Regelungen |
Gesetzliche Regelungen |
Untergesetzliche Regelungen |
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Australien |
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Belgien |
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Chile |
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Costa Rica |
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Dänemark |
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Deutschland |
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Estland |
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Finnland |
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Frankreich |
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Griechenland |
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Irland |
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Island |
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Israel |
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Italien |
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Japan |
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Kanada |
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Kolumbien |
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Korea |
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Lettland |
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Litauen |
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Luxemburg |
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Mexiko |
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Neuseeland |
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Niederlande |
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Norwegen |
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Österreich |
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Polen |
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Portugal |
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Schweden |
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Schweiz |
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Slowak. Rep. |
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Slowenien |
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Spanien |
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Tschech. Rep. |
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Türkei |
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Ungarn |
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Ver. Königreich |
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Ver. Staaten |
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Europäische Union |
Systematisch
Für manche Rechtsvorschriften
Nie
Nicht anwendbar
Keine Angaben*
Anmerkung: Die Daten beziehen sich auf 38 OECD-Länder und die Europäische Union. * Aufgrund einer Veränderung im politischen System während des Untersuchungszeitraums, die sich auch auf die Gesetzgebungsverfahren auswirkt, liegen für die Türkei keine Daten zur Akteursbeteiligung bei der Ausarbeitung von Rechtsvorschriften oder bei GFA für gesetzliche Regelungen vor.
Quelle: Indicators of Regulatory Policy and Governance (iREG) Survey 2021.
Wenn geplante Konsultationen frühzeitig angekündigt werden, können sich die betroffenen Akteure besser organisieren und ihre Anstrengungen auf die Konsultationen konzentrieren, die für sie am wichtigsten sind. Wenn die Akteure dann besser strukturierte Informationen liefern, kann dies von Anfang an zu besseren Entscheidungen führen. Manche Lösungsoptionen können so möglicherweise schon frühzeitig ausgeschlossen werden, was Zeit, Geld und Mühe spart. Außerdem signalisiert die frühzeitige Ankündigung einer Konsultation, dass die Grundsätze offenen Regierungs- und Verwaltungshandelns ernst genommen werden (OECD, 2017[6]).
Im OECD-Raum werden geplante Konsultationen immer noch selten vorab angekündigt. Nur sechs OECD-Länder und die EU kündigen alle Konsultationen zu gesetzlichen Regelungen an. Noch weniger kündigen alle Konsultationen zu untergesetzlichen Regelungen an (Abbildung 2.4).
Auch über geplante Evaluierungen bestehender Rechtsvorschriften werden die betroffenen Akteure nur selten vorab informiert (Abbildung 2.4). Lediglich sechs OECD-Länder und die EU informieren die Öffentlichkeit im Voraus über anstehende Ex-post-Evaluierungen. Fünf Länder kündigen nur manche Ex-post-Evaluierungen vorab an. Kanada veröffentlicht z. B. zwei Jahre im Voraus eine Übersicht der geplanten Überprüfungen und auch die Ministerien in Italien sind verpflichtet, Ex-post-Evaluierungen zwei Jahre im Voraus anzukündigen.
Bei der Frage, wie die Öffentlichkeit oder bestimmte betroffene Akteure über anstehende Konsultationen informiert werden, gibt es OECD-weit unterschiedliche Herangehensweisen. Manche Länder kündigen geplante Konsultationen auf einer Website an, andere veröffentlichen einen Fahrplan oder nutzen andere Dokumente. Auf den Websites des Vereinigten Königreichs und der Europäischen Kommission können sich Bürger*innen z. B. einfach anmelden, um über anstehende öffentliche Konsultationen informiert zu werden. Ähnlich gibt es auch in Estland eine automatische Benachrichtigungsfunktion, die über ein eigenes Informationssystem für Gesetzentwürfe läuft. Die Slowakische Republik veröffentlicht eine ganze Reihe von Vorabinformationen über Regelungsentwürfe, einschließlich Kontaktdaten und Informationen zum voraussichtlichen Zeitpunkt der öffentlichen Konsultationen. Rund zwei Drittel der OECD-Länder veröffentlichen eine Liste der Gesetze, die in Planung sind oder überarbeitet werden sollen, und beinahe die Hälfte tut dies für untergesetzliche Regelungen (Abbildung 2.5). Teilweise finden auch Konsultationen zu diesen Vorhaben statt, z. B. in Costa Rica, wo alle Dienststellen der Exekutive verpflichtet sind, ihre Pläne für eine bessere Rechtsetzung, die alle geplanten Überarbeitungen von Verwaltungsverfahren enthalten sollen, jährlich zu veröffentlichen. Dabei handelt es sich zwar nicht um eine Ankündigung anstehender Konsultationen, die Öffentlichkeit wird jedoch über geplante Änderungen von Regelungen informiert und kann so gegebenenfalls Anhörungen dazu verlangen, sofern keine vorgesehen sind.
Mindestkonsultationsfristen sorgen dafür, dass die betroffenen Akteure genügend Zeit haben, sich zu Regelungsvorschlägen zu äußern. Dabei ist aber eine gewisse Flexibilität notwendig, um sicherzustellen, dass die Fristen dem konkreten Vorschlag angemessen sind. Inzwischen gilt in zwei Dritteln der OECD-Länder eine Mindestkonsultationsfrist, die je nach Land von acht Tagen bis zwölf Wochen dauert. In Belgien laufen manche Konsultationen z. B. vier bis sechs Wochen. In Schweden, der Schweiz und bei der Europäischen Kommission gilt eine Mindestfrist von zwölf Wochen. Die Mindestkonsultationsfristen betreffen nicht zwangsläufig alle Regelungen und sind nicht in allen Fällen gleich lang. In Chile gilt bei Vorschlägen, die eine umfassende GFA erfordern, z. B. eine Konsultationsdauer von mindestens zehn Tagen.
Akteursbeteiligung setzt ein langfristiges Engagement auf allen Seiten voraus
Durch die Mitwirkung der betroffenen Akteure ist es möglich, verschiedene Herangehensweisen an ein Problem auszuloten, zu hinterfragen, abzuwägen und zu testen, die Bedürfnisse von Bürger*innen und sonstigen Akteuren besser zu verstehen und das Vertrauen in Staat und Regierung zu steigern (OECD, 2018[12]). Dabei ist es enorm wichtig, schrittweise vorzugehen. Die Durchführung mehrerer Befragungsrunden hilft den Verantwortlichen, hartnäckigen Widerstand gegen Veränderungen aufzulösen. Die Teilnehmenden können sehen, wie sie die Politikentwicklung beeinflusst haben. Dadurch entsteht das Gefühl, gemeinsam Verantwortung zu tragen – also effektiv „mitzuwirken“ (OECD, 2017[6]; 2015[13]).
Ein erster Schritt ist die Veröffentlichung der Stellungnahmen, die im Rahmen der Konsultation eingegangen sind. Dadurch signalisieren die Verantwortlichen einen offenen und inklusiven Ansatz der Politikgestaltung. Außerdem hilft dies, die Stichhaltigkeit von Informationen (der Politikverantwortlichen, anderer betroffener Akteure und der breiten Öffentlichkeit) zu überprüfen.
In den meisten OECD-Ländern werden die Stellungnahmen bei Konsultationen entweder im Wortlaut oder als Zusammenfassung online veröffentlicht (Abbildung 2.6). In der Schweiz werden die Stellungnahmen (unabhängig von ihrer Zahl) sowohl einzeln als auch zusammengefasst in einem Bericht veröffentlicht. In einigen OECD-Ländern wie Island und den Niederlanden werden die Konsultationen systematisch auf interaktiven Websites durchgeführt, auf denen die Teilnehmenden die Kommentare anderer Akteure in Echtzeit sehen und direkt darauf reagieren können. Neben Konsultationswebsites nutzen das Vereinigte Königreich und Kanada auch Social-Media-Plattformen (wie Twitter und Facebook), wo alle Kommentare öffentlich sichtbar sind.
Die Entscheidungsverantwortlichen werden in der Regel über die Konsultationsergebnisse informiert. Nur in einer Minderheit der OECD-Länder werden die Entscheidungstragenden nicht über die Ergebnisse informiert (in 18 % der Länder bei Gesetzen und 16 % bei untergesetzlichen Regelungen). 2021 gaben rund zwei Drittel der OECD-Länder an, bei Konsultationen eingegangene Stellungnahmen in den entsprechenden GFA zu berücksichtigen. Das überrascht angesichts der Tatsache, dass nur in einem Drittel der Länder die Vorgabe besteht, die Stellungnahmen bei der Ausarbeitung endgültiger Vorschläge zu berücksichtigen.
Die Beantwortung von Stellungnahmen ist für eine starke Akteursbeteiligung von wesentlicher Bedeutung (Lind und Arndt, 2016[11]). Dazu gehört es z. B. zu erläutern, inwiefern die Stellungnahmen in die Überarbeitung eines Regelungsentwurfs eingeflossen sind bzw. warum sie nicht berücksichtigt wurden. Der Umgang mit den Meinungen der betroffenen Akteure kann sich maßgeblich darauf auswirken, ob sie an künftigen Konsultationen teilnehmen oder nicht.
Eingegangene Stellungnahmen werden im OECD-Raum nach wie vor nur selten beantwortet (Kasten 2.6). In weniger als einem Drittel der OECD-Länder besteht derzeit systematisch die Verpflichtung, öffentlich auf Konsultationskommentare zu antworten. In manchen Ländern werden Stellungnahmen allerdings auch ohne entsprechende Verpflichtung öffentlich beantwortet. In OECD-Ländern, die interaktive Websites eingerichtet haben, reagieren die Verantwortlichen teilweise auf Stellungnahmen und kommentieren sie, sodass eine „Live-Debatte“ zu Politikvorhaben zustande kommt. Dadurch werden die Verantwortlichen für die betroffenen Akteure (und generell die Bevölkerung) nahbarer, die Transparenz und Rechenschaftspflicht verbessert sich und die Transaktionskosten von Konsultationen sinken. Dies führt möglicherweise auch zu einer stärkeren Akteursbeteiligung in der Zukunft.
Kasten 2.6. Die Beantwortung und Berücksichtigung von Stellungnahmen motiviert zur Mitwirkung und schafft Vertrauen
In manchen OECD-Ländern ist die Beantwortung und Berücksichtigung von Stellungnahmen inzwischen ein fester Bestandteil der Verfahren zur Akteursbeteiligung.
Costa Rica: Nach Prüfung der eingegangenen Stellungnahmen veröffentlicht die zuständige Stelle eine schematische Darstellung ihrer Beobachtungen und Antworten. Zusätzlich erhält jede*r Teilnehmende eine individuelle Antwort per E-Mail.
Deutschland: Die insbesondere im Rahmen in der Gemeinsamen Geschäftsordnung bestehende Verpflichtung, verschiedene Akteure zu Gesetzesvorlagen zu konsultieren, bedeutet nicht nur, dass diese um eine Stellungnahme gebeten werden müssen, sondern auch, dass ihre Stellungnahmen ernsthaft zu prüfen sind.
Island: Die zuständigen Stellen veröffentlichen die Schlussfolgerungen aus den Konsultationen auf dem Konsultationsportal der Regierung. Dabei werden die wichtigsten Punkte und Verbesserungsvorschläge zusammengefasst, die von den Akteuren vorgebracht wurden. Zusätzlich wird auch auf einzelne Bedenken der Akteure eingegangen.
Kolumbien: Manche Regulierungsbehörden wie das Umweltministerium veröffentlichen ihre Antworten auf Stellungnahmen online. Sie begründen die Berücksichtigung bzw. Nichtberücksichtigung der Beiträge und erläutern gegebenenfalls, wie die Stellungnahmen im Regelungsvorschlag berücksichtigt wurden.
Mexiko: Die Verantwortlichen sind verpflichtet, die im Rahmen von öffentlichen Konsultationen eingegangenen Stellungnahmen zu Regelungsvorschlägen schriftlich zu beantworten. Für jeden Regelungsvorschlag wird eine öffentlich einsehbare E-Akte angelegt, in der die Antworten auf die Stellungnahmen gespeichert werden.
Slowakische Republik: Wenn auf eine Stellungnahme zu einem Regelungsentwurf, zu dem eine öffentliche Konsultation veranstaltet wird, 500 Reaktionen anderer Akteure eingegangen sind, ist die zuständige Stelle verpflichtet, auf die Stellungnahme zu reagieren und das Gespräch mit den betreffenden Akteuren zu suchen. Darüber hinaus muss bei jeder Stellungnahme angegeben werden, ob sie als wichtig oder zweitrangig eingestuft wird und ob sie angenommen, abgelehnt oder teilweise angenommen wird, was jeweils zu begründen ist.
Quelle: Indicators of Regulatory Policy and Governance (iREG) Survey 2021.
Konsultation betroffener Akteure in Krisenzeiten
Die Coronapandemie machte es fast unmöglich, Konsultationen als Präsenzveranstaltungen zu organisieren. Die Notwendigkeit raschen staatlichen Handelns und die sich rapide verändernde Lage hatten Auswirkungen auf den Dialog mit den betroffenen Akteuren und die Form der Konsultationen. Die OECD erfasste in ihrer Erhebung die Reaktionen der Länder auf die Coronapandemie bis Mitte September 2020.
Mehrere OECD-Länder griffen auf Ausnahmeregelungen zurück, die bereits vor der Pandemie für Konsultationen vorgesehen waren. Solche Ausnahmeregelungen gewähren den zuständigen Stellen in Notfällen eine gewisse Flexibilität, ohne dass die geltenden Vorschriften formell umgangen werden müssen. Die Niederlande und Norwegen berichteten beispielsweise, dass es wegen der Pandemie nicht notwendig war, Konsultationspflichten zu umgehen, da bereits Ausnahmeregelungen vorgesehen waren. In den norwegischen Leitlinien für die Akteursbeteiligung ist z. B. festgelegt, dass die Konsultation der betroffenen Akteure zu Gesetz- und Regelungsentwürfen bei besonderer Dringlichkeit entfallen kann, wenn es gilt, schwere Folgen für Leib und Leben oder auch die Umwelt abzuwenden.
Viele OECD-Länder, die auf Ausnahmemechanismen zurückgriffen, führten außerdem Notstandsgesetzgebungsverfahren ein, um dringende Maßnahmen umsetzen zu können, was zu einem verkürzten Prüfungszeitraum für Interessengruppen führte. Finnland berichtete z. B., dass zwar häufig Konsultationen zu Coronaschutzmaßnahmen durchgeführt wurden, dass dabei aber kürzere Fristen für die Akteursbeteiligung vorgesehen waren. Mehrere OECD-Mitglieder nutzten ähnliche integrierte Ausnahmeregelungen, darunter Korea, Luxemburg, Neuseeland und die Schweiz.
Demgegenüber gab es aber auch OECD-Länder, die ihre Konsultationspraktiken oder -anforderungen während der Pandemie nicht änderten. So fanden in Israel z. B. mehrere öffentliche Konsultationen zu geplanten Notstandsregelungen entsprechend der üblichen Geschäftsordnung statt. Nach Angaben der Regierung wurden die vorgeschriebenen Mindestfristen für Konsultationen der Öffentlichkeit (d. h. von Bürger*innen, Unternehmen und zivilgesellschaftlichen Organisationen) weiterhin eingehalten. Die Europäische Kommission hat ihre Fristen für öffentliche Konsultationen sogar verlängert, um den betroffenen Akteuren mehr Zeit zu geben, ihre Antworten zu formulieren. Bei rund zwei Dritteln der öffentlichen Konsultationen, die die Kommission von Juni bis Ende September 2020 durchführte, gab es eine Fristverlängerung von einer bis acht Wochen.
Teilweise intensivierten sich die Beratungen mit betroffenen Akteuren sogar, da einige Stellen zur Gestaltung ihrer Notstandsregelungen von den Beiträgen betroffener Wirtschaftszweige abhingen. Das Office of Communication (Ofcom) im Vereinigten Königreich berichtete z. B., dass in der Zeit der Krise mehr Roundtable-Gespräche zwischen Regulierungsbehörde, Regierung und Wirtschaft stattfanden als in den sechs Monaten davor.
Wie auch in anderen Bereichen des öffentlichen Sektors beschleunigten die Abstandsregeln die Digitalisierung der Verwaltung. So fanden in Polen, wie auch in anderen Ländern, öffentliche Konsultationen aufgrund der Pandemie erstmals in Form von Videokonferenzen statt.
Gesetzesfolgenabschätzung
Zusammengesetzte Indikatoren und Ergebnisse im Überblick
Bei den Folgenabschätzungen für untergesetzliche Regelungen waren im OECD-Raum im Durchschnitt leichte Verbesserungen festzustellen. Am deutlichsten waren diese bei der Aufsicht und Qualitätskontrolle sowie – allerdings in geringerem Maße – bei der Transparenz der Verfahren. Bei den Folgenabschätzungen für gesetzliche Regelungen hat sich zwar wenig getan, in manchen OECD-Ländern wurden jüngst aber Reformen angestrengt.
Erhebliche Änderungen im GFA-System gab es in Chile, Griechenland, Israel, Lettland, Portugal und Spanien.
In Chile machte ein neues Präsidialdekret Folgenabschätzungen für alle von der Exekutive initiierten Gesetze und für untergesetzliche Regelungen zur Vorschrift. Im Rahmen von GFA müssen jetzt nichtregulatorische Alternativen, die voraussichtlichen Verteilungseffekte der vorgeschlagenen Regelungen und eine Reihe anderer Faktoren geprüft werden, darunter die Auswirkungen auf Wettbewerb, Kleinunternehmen, Handel, Umwelt und Geschlechtergerechtigkeit.
In Griechenland ist es inzwischen Pflicht, die Auswirkungen von Regelungen auf eine große Bandbreite von Themen zu prüfen, einschließlich Geschlechtergerechtigkeit und gesellschaftliche Ziele.
Israel richtete eine eigene Dienststelle für bessere Rechtsetzung ein, der die Aufsicht über GFA obliegt.
Zu den größten lettischen Reformen in letzter Zeit gehört die Verpflichtung, bei GFA ein breiteres Kostenspektrum zu berücksichtigen (z. B. finanzielle, haushalterische und administrative Kosten) und GFA in einem frühen Stadium des politischen Entscheidungsprozesses durchzuführen, um anschließend genügend Zeit für öffentliche Konsultation zu den Gesetzentwürfen zu lassen.
In Portugal wurden GFA formell verankert und inzwischen auch auf untergesetzliche Regelungen ausgeweitet. Auch die Qualitätsprüfungen von Folgenabschätzungen untergesetzlicher Regelungen wurden verschärft.
In Spanien wurden ebenfalls neue Stellen eingerichtet, die die Rechtsqualität der von der Exekutive initiierten Regelungen prüfen und die zuständigen Behörden durch Feedback und Empfehlungen zu Folgenabschätzungen unterstützen sollen.
Bessere Entscheidungen mit GFA
Die Gesetzesfolgenabschätzung (GFA) ist ein wichtiges Instrument zur Entscheidungsfindung, das dabei hilft, möglichst objektive Informationen zu den voraussichtlichen Nutzen und Kosten bestimmter regulatorischer Ansätze zu erlangen und eine kritische Bewertung alternativer Optionen – einschließlich nichtregulatorischer Art – durchzuführen. Ein gut funktionierendes GFA-System kann zu mehr Effektivität, Effizienz und Kohärenz in der Politikgestaltung führen, da es die mit bestimmten Regelungsvorhaben verbundenen Zielkonflikte sichtbar macht. Dies gelingt, indem die Wirksamkeit und die Verteilungseffekte von Rechtsvorschriften verdeutlicht werden. Zudem können GFA Regulierungsversagen mindern. So z. B., wenn aufgezeigt wird, dass eine Verringerung der Risiken in einem Bereich Risiken in anderen Bereichen nach sich ziehen könnte oder die unbeabsichtigten Folgen schwerer wiegen könnten als der erhoffte Nutzen. Auch wenn mithilfe von GFA veranschaulicht wird, wo kein Regulierungsbedarf bzw. wo eindeutige Regulierungsdefizite bestehen, kann Regulierungsversagen verringert werden.
Anknüpfend an die Empfehlung zu Regulierungspolitik und Governance von 2012 (OECD, 2012[2]) veröffentlichte die OECD jüngst ihre Best Practice Principles on Regulatory Impact Assessment (OECD, 2020[14]). Diese informieren Mitglieds- und Nichtmitgliedsländer umfassend über die wichtigsten Elemente, die für ein gut funktionierendes GFA-System erforderlich sind (Kasten 2.7).
Kasten 2.7. Zusammenfassung der Best-Practice-Grundsätze für die Gesetzesfolgenabschätzung
Ein gut funktionierendes GFA-System kann politisch Verantwortlichen dabei helfen, die mögliche Wirkung einer geplanten Regelung zu ermitteln und zu entscheiden, ob mit ihr die beabsichtigten Ziele tatsächlich erreicht werden können.
Folgendes ist bei einer GFA zu beachten:
Sie sollte Teil des Politikumsetzungsprozesses sein.
Sie sollte gleich zu Beginn des Regelsetzungsprozesses angestoßen werden.
Sie sollte das Problem und die entsprechenden regulatorischen Ziele klar und systematisch erfassen.
Sie sollte Alternativen und deren Kosten und Vorteile ermitteln und bewerten.
Sie sollte transparent und in Kooperation mit den einschlägigen Akteuren ausgearbeitet werden.
Ihre Ergebnisse sollten klar und sachlich kommuniziert werden.
Die Best-Practice-Grundsätze beziehen sich auf folgende Aspekte:
Rolle der zuständigen Stellen bei der Gewährleistung von Qualität, Transparenz und Akteursbeteiligung
vollständige Integration der GFA in den regulierungspolitischen Kreislauf unter Berücksichtigung der administrativen und kulturellen Eigenheiten des jeweiligen Landes
Stärkung von Rechenschaftspflicht und Kapazitäten bei der Durchführung der GFA
Anwendung einer sachdienlichen, gezielten Methode
angemessene Kommunikation der GFA-Ergebnisse gegenüber der Öffentlichkeit
kontinuierliches Monitoring und laufende Evaluierung und Verbesserung der GFA
Quelle: OECD (2020[14]).
Die OECD-Mitgliedsländer haben die Bedeutung von GFA erkannt: Bereits 2014 waren bei gesetzlichen Regelungen nur in zwei Mitgliedsländern und bei untergesetzlichen Regelungen nur in einem Mitgliedsland keine Folgenabschätzungen vorgeschrieben. Inzwischen (2021) besteht in allen OECD-Ländern die Pflicht, zumindest bei manchen Gesetzen eine Folgenabschätzung durchzuführen. Gleichzeitig ist eine leichte Entwicklung von pauschalen Verpflichtungen hin zu einem verhältnismäßigeren Ansatz zu beobachten (mehr dazu weiter unten). Zwischen den formellen Auflagen und der tatsächlichen Praxis klafft zwar immer noch eine Lücke, diese ist seit 2014 aber kleiner geworden (Abbildung 2.9).
Eine Studie der OECD (Drummond, Shephard und Trnka, 2021[15]) befasst sich mit verhaltensbedingten Hindernissen für die Nutzung von GFA (und anderen regulierungspolitischen Instrumenten). Sie zeigt Lösungen auf, die auf verhaltensökonomischen Erkenntnissen basieren und dabei helfen können, die Lücke zwischen formellen Auflagen und tatsächlicher Umsetzung zu schließen. Mögliche Hindernisse können z. B. sein, dass der Fokus für eine wirksame Umsetzung der GFA fehlt, dass vorgefertigte Meinungen die zuständigen Bediensteten in eine bestimmte Richtung leiten, dass zusätzliche Unterstützung bei der Wahl der richtigen Art von GFA benötigt wird oder dass die Entschlossenheit fehlt, das Instrument auch über einen längeren Zeitraum wirksam einzusetzen. Die vorgeschlagenen Lösungen beruhen auf verhaltensökonomischen Erkenntnissen. Sie umfassen z. B. Erinnerungshilfen, Standardeinstellungen, die Selbstverpflichtung zu bestimmten Maßnahmen, diversifizierte Teams oder Maßnahmen zur Änderung der Wahrnehmung des Instruments. Dies wird konkret im Kontext der Regulierungsgovernance untersucht, um praxistaugliche Lösungen zu entwickeln.
Bei GFA sollten mehr Optionen berücksichtigt werden
Wird ein regulatorischer Eingriff erwogen, ist es unerlässlich, alle gangbaren Optionen auszuloten. Nur so kann sichergestellt werden, dass ein größtmögliches Spektrum an Alternativen ernsthaft in Erwägung gezogen wird. Dies wurde bereits in der OECD-Empfehlung zu Regulierungspolitik und Governance von 2012 (OECD, 2012[2]) anerkannt, die Folgendes besagt: „Die Politikverfahren für die Ex-ante-Beurteilung sollten vorsehen, dass verschiedene Möglichkeiten zur Erreichung der staatlichen Politikziele berücksichtigt werden, einschließlich regulatorischer und nichtregulatorischer Alternativen, um sicherzustellen, dass das Instrument oder die Kombination von Instrumenten ermittelt und ausgewählt wird, das bzw. die für das Erreichen der Politikziele am geeignetsten ist. Dabei sollte auch immer die Möglichkeit einer Fortsetzung der bisherigen Politik bzw. des Basisszenarios in Erwägung gezogen werden.“
Die Best-Practice-Grundsätze, die sich als Ergänzung zur Empfehlung verstehen, weisen darauf hin, dass eine GFA eigentlich immer einen schrittweisen Prozess darstellt. Das trifft insbesondere auf die Erwägung alternativer Optionen zu: Je mehr über die möglichen Auswirkungen der einzelnen Optionen bekannt wird, desto mehr Optionen können Schritt für Schritt ausgeschlossen werden. Ähnliches passiert, wenn die betroffenen Akteure zu dem Schluss kommen, dass bestimmte vorgeschlagene Optionen schlicht nicht machbar sind. Es kann auch sein, dass sie Alternativen vorschlagen, die von den Verantwortlichen bislang nicht berücksichtigt wurden. Die Entwicklung einer GFA in Zusammenarbeit mit den relevanten Akteuren kann die Gestaltung der Politik verbessern. 2020 äußerte die australische Regierung die Absicht, die Cybersicherheit und Belastbarkeit ihrer kritischen Infrastruktursysteme mit einem Gesetz zu verbessern. Schwerpunkte der GFA waren ein Überblick der kritischen Infrastrukturwerte, mögliche positive Sicherheitsverpflichtungen von Eigentümern und Betreibern kritischer Infrastruktur sowie eine zwingende Berichterstattung für Cybervorfälle. Über 3 000 Personen kommentierten das Vorhaben und es gingen über 350 schriftliche Stellungnahmen ein. Mit dem Fortschreiten der GFA wurden die Maßnahmen anhand des Feedbacks aus der Konsultation immer weiter optimiert. So wurden z. B. die Definitionen kritischer Infrastruktursektoren verbessert und die Fristen für die Meldung von Cybervorfällen verlängert (Australian Government, 2020[16]).
Aktuell gibt es noch vier OECD-Länder, in denen die Möglichkeit einer Fortsetzung der bisherigen Politik bzw. des Basisszenarios nicht geprüft werden muss. In fünf weiteren Ländern ist eine Prüfung des Basisszenarios nur bei manchen untergesetzlichen Regelungen vorgeschrieben (Abbildung 2.10).
Wird bei einer GFA die Möglichkeit einer Fortsetzung der bisherigen Politik bzw. des Basisszenarios nicht berücksichtigt, ist dies eine große Schwachstelle. Erstens ist ein aussagekräftiger Vergleich der Alternativen dann nicht möglich, da die Ausgangslage (vor Beginn des regulatorischen Eingriffs) unbekannt oder ungewiss ist. Zweitens besteht aus demselben Grund auch kaum ein Anreiz, genaue Daten und Änderungen im Verhalten der Marktteilnehmenden zu erfassen (obwohl für das Monitoring und die Evaluierung beides von enormer Bedeutung ist). Drittens erschwert dies die Evaluierung des staatlichen Eingriffs. Es lässt sich nicht feststellen, ob eine Regelung zielführend war, wenn es kein Gegenszenario gibt, mit dem man das Ergebnis vergleichen könnte (siehe nachfolgenden Abschnitt zur Ex-post-Evaluierung). Und viertens wird ein großer Vorteil der GFA geschmälert, der darin besteht, dass eigentlich das gesamte Spektrum machbarer Optionen untersucht werden sollte.
Seit 2014 ist die Ermittlung und Bewertung der Auswirkungen der bevorzugten Regulierungsoption in 85 % der OECD-Länder systematisch vorgeschrieben (Abbildung 2.11), was weitgehend unverändert geblieben ist. Damit kann sichergestellt werden, dass die zuständigen Stellen die zu erwartenden Auswirkungen der bevorzugten Option kennen.
Bei gesetzlichen Regelungen müssen alternative regulatorische Optionen in rd. 80 % der OECD-Länder systematisch ermittelt und bewertet werden (wobei sich auch diese Zahl seit 2014 kaum verändert hat). Das zeigt, dass die zuständigen Stellen zumeist über alternative Regulierungsoptionen zur Lösung des jeweiligen Problems informiert sind. Allerdings erfolgt die Abschätzung der Folgen immer noch etwas seltener als für die bevorzugte regulatorische Option.
Die Ergebnisse der Indicators of Regulatory Policy and Governance (iREG) Survey zeigen, dass die Verantwortlichen bei der Entscheidung darüber, ob eine regulatorische oder eine nichtregulatorische Option vorzuziehen ist, nicht auf Informationen gleicher Qualität zurückgreifen können. Nichtregulatorische Alternativen müssen deutlich seltener ermittelt und bewertet werden als regulatorische Optionen. Die Pflicht, die Auswirkungen nichtregulatorischer Alternativen systematisch zu ermitteln und zu bewerten, besteht bei Gesetzen in rd. 70 % der OECD-Länder und bei untergesetzlichen Regelungen in knapp über der Hälfte der OECD-Länder. Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse der iREG Survey, dass in den meisten Fällen – wenn überhaupt – nur eine einzige nichtregulatorische Option in Erwägung gezogen wird (Abbildung 2.12).
Die Europäische Kommission machte während der Coronapandemie neue Vorgaben zur Untersuchung des Basisszenarios und der regulatorischen Optionen. Bei Regelungsinitiativen in Sektoren oder Politikbereichen, die stark von der Krise betroffen sind, müssen deren Effekte sowohl im Basisszenario als auch unter den Bedingungen der bevorzugten Regulierungsoption geprüft werden. In jeder Folgenabschätzung müssen die Auswirkungen einer bestimmten Politikoption mit einem „normalen“ Basisszenario, in dem die Pandemie keine Rolle spielt, und einem „verfeinerten“ Basisszenario verglichen werden, bei dem die Folgen der Covid-19-Pandemie – z. B. der Konjunkturabschwung oder strukturelle und verhaltensbezogene Veränderungen – berücksichtigt werden.
Insgesamt zeigen die Ergebnisse der Erhebung, dass die Verantwortlichen nicht immer über die aktuelle Situation (bzw. das Basisszenario) informiert sind, bevor sie regulatorisch eingreifen, und dass regulatorische Optionen eher ermittelt und bewertet werden als nichtregulatorische Optionen. Dies kann bedeuten, dass möglicherweise vorschnell auf die Notwendigkeit eines Eingriffs – und zwar regulatorischer Art – geschlossen wird.
GFA erfolgen zunehmend nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit
Immer mehr OECD-Länder schreiben vor, dass GFA der Tragweite der voraussichtlichen Auswirkungen angemessen sein müssen (Abbildung 2.13), und folgen damit den Best Practice Principles on Regulatory Impact Assessment (OECD, 2020[14]) (Kasten 2.7). Die Mehrzahl der OECD-Länder verlangt bereits, dass GFA in einem angemessenen Verhältnis zu den voraussichtlichen Auswirkungen stehen müssen. Entsprechende Regelungen wurden seit 2017 jedoch seltener eingeführt als noch im Zeitraum 2014–2017. In rd. 15 % der OECD-Länder gilt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit bislang nicht.
In einem Fünftel der OECD-Länder werden Schwellenwerte als Kriterium angewandt, um zu entscheiden, ob eine GFA durchgeführt werden soll. Das bedeutet, dass bei immer mehr Regelungsvorschlägen zumindest irgendeine Art von Folgenabschätzung erfolgt. Eine im OECD-Raum häufig angewandte Methode, um den angemessenen Umfang einer Ex-ante-Analyse zu bestimmen, sind Schwellenwerte, anhand derer bestimmt wird, ob ein Regelungsvorschlag eine eingehendere GFA erfordert. Vor allem letztere Vorgehensweise wird zunehmend angewandt, allerdings hat sich diese Entwicklung etwas verlangsamt (Abbildung 2.14). In den Best Practice Principles on Regulatory Impact Assessment (OECD, 2020[14]) werden verschiedene Wege aufgeführt, um die Analysetiefe von Regelungsvorschlägen zu bestimmen. Die meisten OECD-Länder nutzen dabei quantitative und qualitative Schwellenkriterien. Nur ein OECD-Mitgliedsland verfolgt einen ausschließlich quantitativen Ansatz (Kasten 2.8).
Kasten 2.8. Anhang zu den OECD Best Practice Principles on Regulatory Impact Assessment: Verhältnismäßigkeit und Schwellenwerte für GFA
Bei der Entwicklung von Verhältnismäßigkeitsregeln und Schwellenwerten sollten die OECD-Länder Folgendes beachten:
1. Der Umfang einer GFA sollte bereits in einem frühen Stadium festgelegt werden, d. h. noch während das Problem sondiert wird (bzw. möglicherweise sogar noch bevor ein Eingriff in Erwägung gezogen wird). Dabei sollten regulatorische und nichtregulatorische Optionen berücksichtigt werden. Dieser Prozess sollte idealerweise bereits in der Phase der legislativen Planung starten.
2. Eine Aufsichtsbehörde sollte prüfen, ob die zuständige Stelle das Problem und dessen Tragweite korrekt erfasst hat – zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem die Gestaltung der Regelung bzw. Politik noch flexibel verändert werden kann. Je früher die Verantwortlichen das Ausmaß des Problems kennen, desto besser können gezielt die nötigen Ressourcen bereitgestellt werden, um geeignete Lösungen zu entwickeln.
3. In der Anfangsphase einer GFA sollten die Verantwortlichen die wirtschaftlichen Beweggründe und die nötigen Daten zur Ermittlung des Ausmaßes des Problems zusammentragen. Das bedeutet nicht, dass in der Anfangsphase bereits eine eingehende Analyse (d. h. eine umfangreiche Kosten-Nutzen-Analyse) erforderlich ist. Es geht zunächst nur um die grobe Erfassung der Problematik, bevor diese eingehender untersucht wird.
4. Der Zeit- und Ressourcenaufwand für die Entwicklung und Analyse der Regelung sollte im Verhältnis zu ihren Auswirkungen, zur Größe und Struktur der Wirtschaft, zu den Auswirkungen pro Kopf, zur Flexibilität des Konzepts und zu den verfügbaren Ressourcen stehen.
5. Fällt die Entscheidung für quantifizierte Schwellenwerte, ist darauf zu achten, dass möglichst breit erfasst wird und die Werte sich auf Stärke der Auswirkungen auf die Gesellschaft insgesamt beziehen, anstatt nur auf einzelne Sektoren oder Interessengruppen. Die Verwendung eines einzigen Schwellenwerts, der die Auswirkungen auf die Gesamtgesellschaft erfassen soll, kann ebenfalls Risiken bergen. Einzelne Gruppen können möglicherweise unverhältnismäßig stark betroffen sein, während die Gesamtauswirkungen unterhalb des Schwellenwerts liegen. Es empfehlen sich daher Schwellenwerte, die auch die Auswirkungen pro Kopf oder für verschiedene Gruppen bzw. Akteure abbilden.
6. Ein Verzicht auf eine GFA sollte nur in unvorhersehbaren Notfällen zulässig sein, wenn größere Verzögerungen eindeutig negative Auswirkungen für die Bevölkerung hätten. Ministerien, die häufig Gebrauch von solchen Ausnahmeregelungen machen, sollten von den Aufsichtsbehörden besonders kritisch unter die Lupe genommen werden. Außerdem sollten Ministerien verpflichtet sein, nach einem bestimmten Zeitraum eine Ex-post-Evaluierung durchzuführen, um die Wirksamkeit der Regelung zu überprüfen.
7. Wenn nur wenig Optionen zur Verfügung stehen oder wenig Flexibilität besteht (z. B. bei der Umsetzung von EU-Richtlinien oder supranationalen Gesetzen), können die Anforderungen an die GFA gesenkt werden. In solchen Fällen bleibt den Verantwortlichen wenig Handlungsspielraum, um eine bestimmte Maßnahme – selbst wenn sie große Auswirkungen hat – in dieser Phase noch zu verbessern. Trotzdem sollten sich die zuständigen Stellen immer vor Augen halten, dass selbst EU-Richtlinien und andere supranationale Vereinbarungen möglicherweise ein gewisses Maß an Flexibilität bei der Umsetzung gestatten.
8. Der Zeit- und Ressourcenaufwand für die Entwicklung und Analyse von Regelungen sollte auch den Kapazitäten der zuständigen staatlichen Stellen entsprechen. Damit die Analysen möglichst wirksam sind, muss kontinuierlich in den Ausbau der Expertise der Entscheidungstragenden hinsichtlich GFA und Akteursbeteiligung investiert werden. Bevor umfassende Analysen verlangt werden, muss dafür gesorgt werden, dass in den Ministerien die entsprechenden Kapazitäten vorhanden sind.
Quelle: OECD (2020[17]).
Bei GFA wird zwar ein zunehmend breites Spektrum von Auswirkungen bewertet, es muss aber noch mehr geschehen
Im OECD-Raum wird zunehmend verlangt, bei GFA eine breite Palette von Faktoren zu berücksichtigen (Abbildung 2.15). Ein wichtiger Schwerpunkt liegt nach wie vor auf der Analyse der wirtschaftlichen Auswirkungen, wobei die Folgen für den Wettbewerb, die öffentliche Verwaltung und den Haushalt am häufigsten untersucht werden müssen. Die Gesetzesfolgen für Kleinst-, kleine und mittlere Unternehmen werden in OECD-Ländern ebenfalls häufig bewertet, wobei sich die Vorgehensweisen der einzelnen Länder hier unterscheiden (Kasten 2.9).
Kasten 2.9. Untersuchung der Auswirkungen von Regelungen auf KMU im OECD-Raum
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind in den meisten OECD-Ländern die mit Abstand häufigste Unternehmensart: Fast 99 % aller bestehenden Unternehmen sind KMU. Sie sind eine wesentliche Säule für die Wirtschaft, das gesellschaftliche Wohlergehen und den lokalen und weltweiten Wohlstand. Für sie ist es jedoch oft mühsam, sich im Rechtsumfeld zurechtzufinden und alle geltenden Regelungen zu befolgen. In der Empfehlung von 2012 werden die besonderen Erschwernisse anerkannt, denen sich KMU gegenübersehen. Die staatlichen Stellen werden daher aufgefordert, die regulatorischen Kosten für die Wirtschaft und die möglicherweise unverhältnismäßig starken Auswirkungen, die sie auf kleine und mittlere Unternehmen sowie Kleinstunternehmen haben, zu berücksichtigen (OECD, 2012[2]).
In einer Vergleichsstudie der OECD aus dem Jahr 2020 wurde untersucht, inwieweit und wie die OECD-Länder die Folgen regulatorischer Maßnahmen für KMU bewerteten. Die Studie kam insgesamt zu dem Schluss, dass diese KMU-Prüfungen im OECD-Raum zwar uneinheitlich durchgeführt werden, dass es aber im Allgemeinen vier gemeinsame Elemente gibt:
Ermittlung betroffener Gruppen: Es wird untersucht, ob und welche Art von KMU möglicherweise betroffen sein könnten (z. B. je nach Größe, Standort, Branche usw.).
Konsultation relevanter Akteure: Angesichts der Heterogenität von KMU wird Kontakt mit verschiedenen Arten von Unternehmen aufgenommen, um zu verstehen, welche unterschiedlichen Auswirkungen geplante oder bestehende Regelungen auf die verschiedenen Gruppen haben könnten.
Ermittlung und Bewertung der Gesetzesfolgen für KMU: Die Verteilung der Kosten, Nutzen und sonstigen Auswirkungen geplanter oder bestehender Regelungen (Wettbewerb, Innovation, Finanzen usw.) auf die zuvor ermittelten Gruppen von KMU wird bewertet.
Ermittlung von Alternativen oder Abhilfemaßnahmen: Gegebenenfalls werden alternative regulatorische oder nichtregulatorische Maßnahmen evaluiert und vorgeschlagen, um KMU zu schützen, beispielsweise eine vollständige oder teilweise Befreiung von den vorgeschlagenen Auflagen.
Etappenweise KMU-Prüfung: Die Europäische Kommission und Länder wie Italien und Schweden führen ihre KMU-Prüfungen in den vorstehend beschriebenen Schritten in der aufgeführten Reihenfolge durch.
Ausnahmeregelungen: Einige Länder verfolgen einen anderen Ansatz, so z. B. das Vereinigte Königreich. Dort findet die Folgenabschätzung für KMU im Rahmen des Small and Micro Business Assessment (SaMBA) statt. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern, in denen bei der KMU-Prüfung zunächst die betroffenen Gruppen ermittelt werden und anschließend eine Folgenabschätzung durchgeführt wird, wird im Vereinigten Königreich als Erstes untersucht, ob KMU von der vorgeschlagenen Regelung befreit werden können. Nur wenn eine Befreiung nicht möglich ist, müssen die potenziellen positiven und negativen Auswirkungen bewertet werden. Bei unverhältnismäßig starken negativen Auswirkungen auf KMU sind die Entscheidungstragenden verpflichtet, entweder Abhilfemaßnahmen vorzuschlagen oder zu erklären, warum solche Maßnahmen nicht möglich sind.
Interaktive KMU-Prüfung: Auf dem E-Demokratie-Portal der slowenischen Regierung werden Online-KMU-Prüfungen durchgeführt, bei denen die Verantwortlichen und die Öffentlichkeit messen können, welche Auswirkungen verschiedene Regelungsvorschläge auf KMU haben. Die Öffentlichkeit kann dabei Alternativen zu den Entwürfen der verantwortlichen Stellen vorschlagen, die die Situation für KMU verbessern oder die negativen Auswirkungen auf sie verringern könnten.
Konsultationen: In den Niederlanden findet die KMU-Prüfung in Form von Podiumsdiskussionen mit Unternehmer*innen und Vertreter*innen von KMU-Verbänden statt, zu denen kleine Unternehmen besonders eingeladen sind. Dabei wird die Praxistauglichkeit und Machbarkeit der Regelungsvorschläge erörtert und untersucht, welche Folgen sie für den regulatorischen Aufwand von KMU haben könnten.
Anmerkung: Die Daten beziehen sich auf 23 OECD-Länder.
Quelle: OECD (erscheint demnächst[18]).
Auch wenn die wirtschaftlichen Folgen immer noch im Vordergrund stehen, ist in immer mehr OECD-Ländern auch die Untersuchung gesellschaftlicher Auswirkungen vorgeschrieben. Insbesondere verlangen viele OECD-Länder inzwischen eine Bewertung der Auswirkungen von Regelungsvorhaben auf Armut (29 Länder), Geschlechtergerechtigkeit (32 Länder) und Umwelt (32 Länder). So ist die Bewertung nichtwirtschaftlicher Gesetzesfolgen – z. B. der Folgen für Geschlechtergerechtigkeit, Armut oder Menschen mit Behinderung – in Portugal ein wesentlicher und verpflichtender Bestandteil des GFA-Verfahrens. Auch die Zahl der Mitgliedsländer, die Gesetzesfolgen für bestimmte Regionen bewerten, hat stark zugenommen. Die Untersuchung der Gesetzesfolgen für andere Länder gehört hingegen nach wie vor zu den seltensten Auflagen. In unserer zunehmend vernetzten Welt werden sich einzelne Regelungen jedoch immer stärker auch auf andere Staaten auswirken. Hier besteht also die Gefahr, dass bedeutende Folgen (sowohl positive als auch negative) in den GFA nicht erfasst werden. Durch internationale Kooperationen können potenzielle Auswirkungen von Regelungsvorschlägen auf andere Länder besser analysiert werden. Auf das Thema der internationalen Zusammenarbeit im Regulierungsbereich wird in Kapitel 4 näher eingegangen.
Die Ergebnisse dieser sowie der vorangegangenen Ausgaben des OECD-Ausblicks Regulierungspolitik (OECD, 2016[19]; 2018[20]) zeigen, dass die Sensibilisierung für die potenziell großen Auswirkungen der staatlichen Regelungstätigkeit zunimmt. Wie in Abbildung 2.15 dargestellt, sind die Folgen für den Wettbewerb die einzigen Auswirkungen, die fast im gesamten OECD-Raum verpflichtend untersucht werden. Damit wird zwar der großen Bedeutung des Wettbewerbs in marktwirtschaftlichen Systemen Rechnung getragen (OECD, 2019[21]), dies bedeutet aber nicht zwangsläufig, das auch auf die Frage der Wettbewerbsfähigkeit eingegangen wird (Kasten 2.10). Diese wird in den kommenden Jahren, wenn die Weltwirtschaft sich von der Coronapandemie erholt, jedoch eine zunehmend wichtige Rolle spielen.
Kasten 2.10. Die Wettbewerbsfähigkeit konzeptionell zu erfassen ist schwierig, aber Ansätze zur Messung ihrer Bestimmungsfaktoren gibt es bereits
Wettbewerbsfähigkeit ist ein mehrdimensionales Konzept, das sich schwer definieren und erfassen lässt, das aber häufig als Schlagwort verwendet wird, um über Produktivität und Wachstum zu sprechen. Auch wenn in der Literatur immer wieder von Wettbewerbsfähigkeit die Rede ist, werden die Auswirkungen von Regelungsvorhaben auf die Wettbewerbsfähigkeit in der Praxis nur selten bewertet. Dabei wäre es für die Politikgestaltung sehr von Vorteil, wenn dies systematisch geschähe. Die Auswirkungen von Gesetzen und anderen Rechtsvorschriften auf die Wettbewerbsfähigkeit haben erhebliche Konsequenzen für die OECD-Volkswirtschaften, denn sie können zu unvorhersehbaren negativen Externalitäten führen, die auf andere Wirtschaftszweige übergreifen und so zu hohen Erfüllungskosten für Unternehmen und Bürger*innen führen.
Die Wettbewerbsfähigkeit lässt sich am besten anhand ihrer drei Komponenten analysieren, die jeweils eng miteinander verbunden sind. Dies sind die preisliche Wettbewerbsfähigkeit, die Innovationsleistung und die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Die OECD hat eingehend untersucht (Davidson, Kauffmann und de Liedekerke, 2021[22]), wie diese drei Komponenten durch Rechtsvorschriften beeinflusst werden und welche Mechanismen dabei eine Rolle spielen. Dabei zeigte sich insbesondere, wie sich die Folgen für eine Komponente indirekt auch auf die anderen auswirken. So verursacht eine Rechtsvorschrift z. B. häufig eine ganze Reihe direkter Kosten für KMU, die sich auf deren preisliche Wettbewerbsfähigkeit auswirken (und die im Rahmen der GFA-Verfahren der OECD-Länder in der Regel bewertet werden müssen). Dieselbe Rechtsvorschrift kann aber auch andere Aspekte der Wettbewerbsfähigkeit von KMU beeinflussen, z. B. ihren Zugang zu Finanzierungsquellen oder ihre Fähigkeit, sich auf internationalen Märkten zu behaupten, was in der GFA möglicherweise unbeachtet bleibt.
Die Bewertung von Gesetzesfolgen für die Wettbewerbsfähigkeit muss umfassender und ganzheitlicher durchgeführt werden. Dazu muss erkannt werden, dass es bei der Wettbewerbsfähigkeit um mehr geht als um Produktivität und dass auch die anderen Komponenten der Wettbewerbsfähigkeit systematisch berücksichtigt werden müssen.
Quelle: Davidson, Kauffmann und de Liedekerke (2021[22]).
OECD-Untersuchungen (Davidson, Kauffmann und de Liedekerke, 2021[22]) zeigen, dass viele OECD-Länder im Rahmen ihrer GFA zwar Teilaspekte der Wettbewerbsfähigkeit wie z. B. Innovations- und Handelstätigkeit analysieren, diese Auswirkungen aber häufig getrennt bewertet werden und Folgeauswirkungen nicht immer erkannt werden. So werden im Rahmen von KMU-Prüfungen z. B. häufig der direkte Erfüllungsaufwand für KMU und seine Folgen für deren preisliche Wettbewerbsfähigkeit untersucht. Folgeauswirkungen wie etwa die Effekte bestimmter Regelungen auf den Zugang zu Innovationen oder die Fähigkeit von KMU zur Erschließung internationaler Märkte – zwei durchaus wichtige Treiber der Wettbewerbsfähigkeit – werden im Rahmen von GFA hingegen nur selten untersucht. Die Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit werden von den Verantwortlichen somit nicht umfassend bewertet, sodass die in diesem Zusammenhang erstellten Kosten-Nutzen-Analysen die wahren Kosten regulatorischer Eingriffe unterzeichnen können. Die Ergebnisse von GFA werden dadurch künstlich verbessert und die Entscheidungstragenden erhalten ungenaue Informationen.
Die Externalitäten eines Regelungsvorschlags können in einer Wirtschafts- oder Gesundheitskrise zunehmen. Dies zeigt sich deutlich während der Coronapandemie, die sich sowohl innerhalb einzelner Branchen (z. B. auf KMU und Großunternehmen) als auch auf verschiedene Sektoren (z. B. auf Tourismus und Bildung) sehr unterschiedlich auswirkt, was Spillover-Effekte auf die Gesamtwirtschaft hat. Politikverantwortliche müssen u. U. schnell reagieren, um die Probleme in den Griff zu bekommen, und sind daher nicht immer in der Lage, die Auswirkungen eines Regelungsvorhabens umfassend zu analysieren. In der Phase der Erholung von der Coronapandemie werden viele Länder wohl versuchen, nicht nur die Frage der Produktivität anzugehen, sondern auch ihre Wettbewerbsfähigkeit insgesamt zu verbessern. Politikverantwortliche sollten weiterhin bewerten, wie sich ihre Regelungsentwürfe auf unterschiedliche Faktoren (z. B. Rechtskonformität, Forschung und Entwicklung, Handel) auswirken, zusätzlich aber auch berücksichtigen, welche Folgen sie für die Fähigkeit, neue Wirtschaftsaktivitäten anzuziehen, sowie die Möglichkeiten der Unternehmen zur Nutzung von Wettbewerbsvorteilen gegenüber aktuellen und möglichen neuen Konkurrenzunternehmen haben.
GFA in Krisenzeiten
In Krisensituationen kann es erforderlich sein, den Umfang der Folgenabschätzungen zu verringern. Das ist die pragmatische Antwort auf die Erkenntnis, dass Informationserhebungen, Konsultationen der betroffenen Akteure und Folgenabschätzungen immer Zeit und Ressourcen kosten – woran es in einer Krise möglicherweise fehlt – oder von Problemen ablenken, die in der gegebenen Situation wichtiger sein könnten. Dennoch ist Vorsicht geboten: Erstens sollte eine vorübergehende Aussetzung von GFA nicht dazu führen, dass die Auswirkungen der jeweiligen Regelungen bis zum Ende des politischen Gestaltungsprozesses nicht mehr geprüft werden. Nur wirklich unvorhersehbare Ereignisse dürfen eine Aussetzung begründen. Zweitens gibt es vielleicht Möglichkeiten, die Folgenabschätzung dennoch in Teilen durchzuführen, z. B. indem zumindest die unmittelbar vorhersehbaren Auswirkungen der Regelung (möglicherweise nur qualitativ) bewertet werden. In Kanada wurden die GFA-Anforderungen bei Vorschlägen in Verbindung mit der Coronapandemie beispielsweise angepasst, z. B. in Bezug auf Kosten-Nutzen-Analysen oder die Folgenabschätzung für Kleinunternehmen. Als Grundlage konnten dabei qualitative und quantitative Daten dienen, die Pflicht zur monetären Bezifferung von Auswirkungen wurde jedoch gelockert. Darüber hinaus war es gestattet, die Befreiung der Vorschläge von der sogenannten „One for one“-Vorschrift“ zu beantragen. Informationen, die mit vertretbarem Aufwand ex ante erhoben werden können, können die Informations- bzw. Entscheidungsgrundlage verbessern und als Ausgangspunkt für spätere Überprüfungen der Maßnahmen dienen (siehe nachfolgenden Abschnitt zur Ex-post-Evaluierung).
In fast der Hälfte der OECD-Länder sind inzwischen Ausnahmen von der Pflicht zur Durchführung von GFA zulässig, sofern die betreffenden Regelungen zur Bewältigung einer Krise verabschiedet werden (Abbildung 2.16). Im Zuge der Covid-19-Pandemie haben mehrere Mitgliedsländer solche Mechanismen genutzt, um die Durchführung von GFA bei einzelnen Regelungen zu umgehen. In vier weiteren OECD-Ländern (Chile, Dänemark, Neuseeland und Portugal) wurde die Möglichkeit, in Notfallsituationen auf GFA zu verzichten, erst in den letzten drei Jahren in die Rechtsetzungspraxis aufgenommen, wobei die Option in den meisten Fällen schon vor der Coronapandemie eingeführt wurde. Daneben wurden im OECD-Raum noch weitere regulierungspolitische Maßnahmen für Notfallsituationen erlassen (Kasten 2.11).
Die Entscheidungen bezüglich der Ausnahmen von der Pflicht zur Durchführung von GFA sind weiterhin recht opak. Aktuell werden sie nur in einer Minderheit der OECD-Länder veröffentlicht. In beinahe 60 % der OECD-Länder ist zudem keine Behörde mit der Prüfung dieser Entscheidungen betraut. Konkret bedeutet das, dass die Ausnahmen von der GFA-Pflicht in den meisten OECD-Ländern genutzt werden können, ohne dass streng geprüft wird, ob dies verhältnismäßig und dem betreffenden Regelungsvorschlag angemessen ist.
Kasten 2.11. Die Coronapandemie führte zu einer Fülle von Änderungen hinsichtlich GFA
Manche OECD-Länder änderten ihre GFA-Verfahren ...
In Belgien wurde bei Regelungsvorschlägen in Verbindung mit Covid-19 keine Folgenabschätzung durchgeführt; die zuständige Aufsichtsbehörde, der Ausschuss für Folgenabschätzung, wurde ebenfalls nicht mehr konsultiert.
Im Vereinigten Königreich wurde zur Untermauerung der Sofortmaßnahmen gegen die Coronapandemie eine zusammenfassende Darstellung der Auswirkungen dieser Maßnahmen vorgelegt.
Slowenien verzichtete bei Regelungen in Verbindung mit Covid-19 auf eine Ex-ante-Folgenabschätzung, wobei allerdings eine Folgenabschätzung nach einem Zeitraum von zwei Jahren vorgesehen ist.
... andere die institutionellen Strukturen
In Australien wurde das National Covid-19 Commission Advisory Board (NCC) gegründet, um die Regierung zeitnah und direkt zu wirtschaftlichen Aspekten des Corona-Krisenmanagements sowie zu ihren Plänen für die Konjunkturerholung zu beraten.
In der Tschechischen Republik wurde der nationale Wirtschaftsbeirat (NERV) wieder einberufen, der ursprünglich gegründet worden war, um die Regierung bei den im Gefolge der Weltfinanzkrise angestrengten Wirtschaftsreformen zu unterstützen. In Kooperation mit dem Wirtschafts- und Handelsministerium erarbeitete der NERV ein nationales Konjunkturprogramm mit sechs Schwerpunkten, darunter digitaler Wandel, Forschung, Entwicklung und Innovation, institutionelle und regulatorische Änderungen sowie Hilfsmaßnahmen für Unternehmen zur Bewältigung der Covid-19-Pandemie.
Quelle: Indicators of Regulatory Policy and Governance (iREG) Survey, 2021; National COVID-19 Commission Advisory Board (Australien) https://www.pmc.gov.au/ncc; Bericht über die Umsetzung des nationalen Reformprogramms der Tschechischen Republik, 2020 https://www.vlada.cz/assets/evropske-zalezitosti/aktualne/Zprava-o-realizaci-NPR-2019.pdf; Department of Health & Social Care (UK), Impact assessment – Coronavirus bill: summary of impacts https://www.gov.uk/government/publications/coronavirus-bill-summary-of-impacts/coronavirus-bill-summary-of-impacts.
Nur wenige Länder berichteten, dass die Durchführung einer Post-Implementation-Review (PIR) vorgeschrieben ist, wenn bei einem Regelungsvorschlag auf eine GFA verzichtet wurde (Abbildung 2.17). Angesichts des relativ kleinen Anteils von OECD-Ländern, in denen eine PIR zwingend vorgeschrieben ist, dürften viele Länder hinsichtlich der Evaluierung der Auswirkungen von Regelungen, bei denen auf eine Ex-ante-Folgenabschätzung (und -Prüfung) verzichtet wurde, einen Ad-hoc-Ansatz verfolgen. Unabhängig davon, ob formelle Vorgaben dazu gemacht werden, ist für die Zukunft jedoch eine bedeutende Zahl von Politiküberprüfungen zu erwarten (siehe nachfolgenden Abschnitt zur Ex-post-Evaluierung).
Ex-post-Evaluierung
Zusammengesetzte Indikatoren und Ergebnisse im Überblick
Bei den Ex-post-Evaluierungen wurden im OECD-Raum seit 2017 sowohl bei Gesetzen als auch bei untergesetzlichen Regelungen Verbesserungen erzielt. Die größten Fortschritte waren dabei im Bereich der Transparenz der Ex-post-Evaluierungen zu verzeichnen. Manche Länder investierten in besondere Websites, über die die Öffentlichkeit Feedback oder Empfehlungen zu bestehenden Regelungen abgeben kann. In anderen Ländern findet für Ex-post-Evaluierungen ein enger Austausch mit den betroffenen Akteuren statt. Auch die Zahl der Aufsichtsbehörden, die Ex-post-Evaluierungen prüfen, ist seit 2017 gestiegen. Diese Behörden beraten, bieten Orientierungshilfen für die Durchführung von Ex-post-Evaluierungen und unterstützen die zuständigen Bediensteten auch bei der Umsetzung.
Griechenland, Italien, Japan, Kanada, Korea, Lettland, Litauen, Mexiko, die Niederlande, Portugal und die Europäische Union haben ihre Ex-post-Evaluierungssysteme in den letzten Jahren deutlich umgestaltet.
Griechenland führte 2019 mit dem Gesetz 4622 eine Pflicht zur regelmäßigen Durchführung von Ex-post-Evaluierungen für alle Gesetze und wichtigen untergesetzlichen Regelungen ein. Die Kosten und Nutzen von Regelungen müssen jetzt in jeder Ex-post-Evaluierung bewertet werden. Auch die Evaluierungsmethoden und Aufsichtsfunktionen für Ex-post-Evaluierungen wurden gestärkt.
In Italien wurden 2018 unverbindliche Leitlinien für Ex-post-Evaluierungen beschlossen. Es wurden erste Schritte unternommen, um schon bei der Vorbereitung von GFA für wichtige Gesetzestexte eine Ex-post-Evaluierung einzuplanen. Die Ministerien veröffentlichen nun alle zwei Jahre eine Übersicht der zu evaluierenden Regelungen.
In Japan ist die Zahl der Ex-post-Evaluierungen sowohl bei Gesetzen als auch bei untergesetzlichen Regelungen seit 2017 gestiegen. Wurde im Rahmen der Politikentwicklung eine GFA durchgeführt, findet automatisch eine Ex-post-Evaluierung statt.
Kanada aktualisierte vor kurzem seine Cabinet Directive on Regulation und verlangt nun von allen Ministerien und sonstigen regulatorisch tätigen Behörden, untergesetzliche Regelungen einer Ex-post-Evaluierung zu unterziehen. Darüber hinaus werden die Verantwortlichen darin unterstützt und geschult, wie sie die Evaluierungen umsetzen können.
In Korea muss eine Ex-post-Evaluierung bei allen Regelungen erfolgen, die von der Exekutive oder einem Zentralministerium erarbeitet wurden. Diese müssen ihren Evaluierungsplan als Teil der GFA vorlegen. Sammelprüfungen von Ex-post-Evaluierungen unterliegen nun einer Qualitätskontrolle.
In Lettland wurde als Teil eines weitreichenden Reformpakets beschlossen, Ex-post-Evaluierungen für bestimmte untergesetzliche Regelungen verpflichtend zu machen. Außerdem wurden vor Kurzem alle Strategiepapiere evaluiert, die im Zusammenhang mit den SDG stehen.
In Litauen wurden allgemeine Vorgaben beschlossen, die ein Monitoring und eine Ex-post-Evaluierung bestehender Gesetze vorsehen. 2020 wurden zudem Bestimmungen eingeführt, um die Aufsichtsfunktionen und Transparenz von Ex-post-Evaluierungen zu stärken.
Mexiko verabschiedete 2018 ein neues Allgemeines Gesetz für bessere Rechtsetzung mit Bestimmungen zur Durchführung von Ex-post-Evaluierungen für Rechtsvorschriften, die Erfüllungskosten verursachen. Für die Prüfung dieser Ex-post-Evaluierungen ist nun die mexikanische Aufsichtsbehörde zuständig.
In den Niederlanden wurde die Aufsicht und Qualitätskontrolle der regelmäßig durchzuführenden Ex-post-Evaluierungen verbessert, die die Wirksamkeit und Effizienz der Regelungen sichern sollen. Die Haushaltsinspektionsbehörde ist dafür zuständig, die Qualität der Ex-post-Evaluierungen zu prüfen. Sie entwickelte dafür eine Toolbox zur Unterstützung der mit den Evaluierungen betrauten Bediensteten.
In Portugal wurde 2017 eine zentrale Regulierungsaufsichtsbehörde gegründet. Sie koordiniert die Ex-post-Evaluierungen untergesetzlicher Regelungen in der gesamten öffentlichen Verwaltung und unterstützt die zuständigen Bediensteten bei ihrer Durchführung. Während der Coronapandemie führte Portugal für bestimmte Regelungen Auslaufklauseln ein („Sunsetting“).
Das Ex-post-Evaluierungssystem der Europäischen Union verbindet systematische Evaluierungen einzelner Regelungen mit umfassenden Eignungsprüfungen der betreffenden Politikbereiche. Dabei dürfen auch Stellungnahmen zu den Evaluation-Roadmaps abgegeben werden. Die Bewertungen der Evaluierungen werden vom Ausschuss für Regulierungskontrolle der EU als Zusammenfassung veröffentlicht, zusammen mit den dazugehörigen Compliance-Statistiken.
Regulierung erfordert Evaluierung
In den meisten Ländern nimmt der Regelungsbestand rasch zu. Jedoch wird nicht für alle Rechtsvorschriften ex ante eine gründliche Folgenabschätzung durchgeführt, und selbst wenn dies der Fall ist, können im Vorfeld nicht alle Auswirkungen verlässlich erkannt werden. Daher sollten Rechtsvorschriften regelmäßig geprüft werden, nicht zuletzt weil sich das Umfeld, in dem eine Regelung notwendig wurde, seitdem geändert haben kann. Außerdem ist eine solche Überprüfung eine Gelegenheit zu sehen, wie die Regelung in der Praxis funktioniert.
Angesichts des großen Regelungsbestands, mit dem wir es heute zu tun haben, bieten sich entsprechend große Möglichkeiten, den Nutzen dieser Regelungen zu steigern und den Erfüllungsaufwand zu minimieren. Evaluierungen bestehender Rechtsvorschriften können darüber hinaus wichtige Erkenntnisse darüber liefern, wie sich die Ausgestaltung und die Verwaltung neuer Regelungen verbessern lässt, um z. B. das Verhalten wirksamer zu verändern. Außerdem findet die Ex-ante-Evaluierung von Gesetzesfolgen häufig unter der Annahme eines statischen wirtschaftlichen Gleichgewichts statt. In der Praxis ist es aber so, dass auch Rechtsvorschriften komplexen Dynamiken unterliegen und sowohl mit diesen als auch miteinander interagieren. Ex-post-Evaluierungen schließen somit den Rechtsetzungskreislauf, der mit einer Ex-ante-Evaluierung der Regelungsvorhaben beginnt und sich mit der Umsetzung und Verwaltung der Rechtsvorschriften fortsetzt.
Aus diesem Grund werden die Länder in der Empfehlung von 2012 aufgerufen, „den Bestand an wichtigen Regelungen unter Berücksichtigung von Kosten und Nutzen systematisch in Bezug auf klar definierte politische Ziele zu überprüfen, um sicherzustellen, dass die Regelungen auf dem neuesten Stand bleiben, dass ihre Kosten gerechtfertigt sind, dass sie kosteneffektiv und konsistent sind und dass sie die beabsichtigten politischen Ziele erreichen“. Die OECD-Publikation Best Practice Principles on Reviewing the Regulatory Stock (OECD, 2020[23]) knüpft an die Empfehlung von 2012 (OECD, 2012[2]) an und geht auf wichtige Aspekte der Ex-post-Evaluierung ein (Kasten 2.12).
Kasten 2.12. Best-Practice-Grundsätze der OECD für die Prüfung des Regelungsbestands
Folgende Grundsätze gelten übergreifend für alle Ex-post-Evaluierungen:
Im regulierungspolitischen Rahmen sollten Ex-post-Prüfungen ausdrücklich als ein fester und dauerhafter Bestandteil des Rechtsetzungskreislaufs verankert sein.
Ein solides System für die Ex-post-Prüfung von Rechtsvorschriften stellt sicher, dass mit der Zeit der gesamte Regelungsbestand einer Prüfung unterzogen wird, während wichtige Prüfungen auf ihre Qualität hin kontrolliert werden und das Gesamtsystem im Rahmen eines Monitorings beobachtet wird.
Die Prüfungen sollten eine evidenzbasierte Beurteilung der tatsächlichen Wirkung der Rechtsvorschriften gemessen an den ursprünglichen Beweggründen und Zielen umfassen, wobei sämtliche Erkenntnisse vermerkt und Empfehlungen formuliert werden sollten, um etwaige Defizite zu beheben.
Spezifische Grundsätze betreffen Folgendes:
Systemgovernance
breites Spektrum an Prüfungsmethoden: programmierte Prüfungen, Ad-hoc-Prüfungen und laufendes Management des Regelungsbestands
Governance individueller Prüfungen
wichtige bei den Prüfungen zu klärende Fragen: Angemessenheit, Wirksamkeit, Effizienz und Alternativen
Methodik
öffentliche Konsultation
Priorisierung und zeitliche Abfolge
Kapazitätsaufbau
engagierte Führungsebene
Quelle: OECD (2020[23]).
Eine klare Botschaft der Best-Practice-Grundsätze ist, dass unbedingt bereits bei der Gestaltung der Regelungen überlegt werden muss, wie die Prüfung erfolgen soll – auch um zu wissen, welche Daten erfasst werden müssen, um die Auswirkungen der Regelungen zu messen. In der Vergangenheit hat sich oft gezeigt, dass häufig keine Überlegungen zu den erforderlichen Daten angestellt werden oder dass dies bei der Gestaltung der Regelungen nicht voll berücksichtigt wird (OECD, 2018[24]). So ist es oft schwierig, Ex-post-Evaluierungen durchzuführen, da es aufgrund fehlender Daten u. U. nicht möglich ist, Gegenszenarien unter unveränderten Bedingungen zu erstellen. Zudem bedeutet ein Mangel an angemessenen Daten in der Ex-ante-Phase, dass die Kosten einer Regelung im entsprechenden Regelungsvorschlag nicht vollständig abgebildet werden. Manche OECD-Länder haben versucht, durch die Formalisierung von Verfahren sicherzustellen, dass Ex-post-Evaluierungen stärker in den Rechtsetzungskreislauf eingebunden werden (Kasten 2.13).
Kasten 2.13. Sicherstellen, dass Ex-post-Evaluierungen in einem früheren Stadium des Rechtsetzungskreislaufs berücksichtigt werden – konkrete Beispiele
Neuseeland
Im neuseeländischen Public Service Act sind fünf Grundsätze des öffentlichen Dienstes verankert. Einer davon ist das „Stewardship“, die Gesamtsteuerung der Rechtsvorschriften für den öffentlichen Dienst. Die Regelungstätigkeit und der Regelungsbestand werden dabei als nationale Güter begriffen, deren Entwicklung es aktiv zu beobachten gilt und die gewahrt und gepflegt werden müssen, damit sie langfristig wirksam bleiben.
Zu einem guten regulatorischen Stewardship gehört
das Monitoring der Leistungsfähigkeit und des Zustands der Rechtsetzungssysteme sowie des regulatorischen Umfelds, die Bewertung und Evaluierung dieser Systeme im Hinblick darauf, ob sie ihren Zielen gerecht werden, sowie die Berichterstattung über die regulatorischen Systeme,
die systematische Bewertung der Risiken und Auswirkungen von Rechtsvorschriften vor etwaigen Änderungen sowie die Befähigung interessierter Gruppen, sich an der Gestaltung der Rechtsvorschriften zu beteiligen,
die Bereitstellung von Informationen und Unterstützung für die betroffenen Akteure und
die Durchführung von Schulungen für die zuständigen Bediensteten.
Europäische Kommission
Der Grundsatz der Europäischen Kommission, zunächst eine Evaluierung durchzuführen (evaluate first), ist wesentlicher Bestandteil ihres Regulierungsrahmens. Dieser Grundsatz besagt, dass erst die bestehenden Regelungen geprüft werden müssen, bevor im betreffenden Politikbereich ein neuer Vorschlag unterbreitet werden darf, und dass Regulierungsstellen rasch relevante Empfehlungen erhalten sollten, um sie bei ihren Entscheidungen zu unterstützen. Darüber hinaus unterstützt die Evaluierung von Regelungen den Entscheidungsprozess, indem sie die Gestaltung künftiger Maßnahmen erleichtert.
Quelle: Indicators of Regulatory Policy and Governance (iREG) Survey 2021.
Obwohl der Regelungsbestand weit größer ist als die Zahl neu dazukommender Rechtsvorschriften, sind die Ex-post-Evaluierungen in vielen OECD-Ländern nach wie vor das fehlende Glied bei den Bemühungen um bessere Rechtsetzung. In nur jedem vierten OECD-Land sind Ex-post-Evaluierungen systematisch vorgeschrieben, was sich seit 2014 kaum verändert hat. In manchen dieser Länder wurde die Pflicht zur Durchführung von Ex-post-Evaluierungen indessen erweitert. So gilt in Mexiko seit der Änderung des Allgemeinen Gesetzes für bessere Rechtsetzung von 2018 die Vorschrift, dass auch über technische Vorschriften hinaus Ex-post-Evaluierungen durchgeführt werden müssen. Ex-post-Evaluierungen sind für viele Länder noch relatives Neuland im Bereich des Regulierungsmanagements. Seit 2014 haben vier zusätzliche Mitgliedsländer eine Pflicht zur Durchführung von Ex-post-Evaluierungen eingeführt.
Wie bereits in den letzten Ausgaben dieses Berichts erwähnt, fanden im OECD-Raum in den letzten fünf Jahren verschiedene Ex-post-Evaluierungen statt. Am häufigsten führten die OECD-Länder prinzipienorientierte Prüfungen zu Themen wie Wettbewerb, Verwaltungsaufwand, Einhaltung internationaler Vereinbarungen und Überschneidungen zwischen lokalen, regionalen und staatlichen Rechtsvorschriften durch. Bestandsaufnahmen geltender Regelungen fanden in den vergangenen fünf Jahren in fast zwei Dritteln der OECD-Länder statt, eingehende Prüfungen wurden etwas seltener durchgeführt (Abbildung 2.20).
In manchen OECD-Ländern wurde die Pflicht zur Prüfung von Gesetzen und anderen Rechtsvorschriften durch Auslaufklauseln oder Bestimmungen formalisiert, die eine automatische Überprüfung der betreffenden Regelungen vorsehen. Auch wenn solche Klauseln hilfreich sind, werden sie nicht immer in vollem Umfang genutzt, selbst bei Eingriffen in Bereichen, die zum Zeitpunkt der Ausarbeitung der Regelungen von großer Ungewissheit geprägt waren. Solche Klauseln können einen disziplinierenden Effekt auf den Gesetzgeber haben und den betroffenen Akteuren gleichzeitig transparent signalisieren, dass sie in Zukunft die Möglichkeit haben werden, sich zur Beibehaltung, Änderung oder Abschaffung bestimmter Aspekte der jeweiligen Regelungen zu äußern. Auslaufklauseln sind im OECD-Raum etwas häufiger als Klauseln, die eine automatische Überprüfung vorschreiben. Beide werden allerdings zumeist ad hoc angewandt. Rund die Hälfte der OECD-Länder nutzen derzeit keine Klauseln, die zu einer automatischen Überprüfung verpflichten, und rd. 40 % nutzen keine Auslaufklauseln, wobei diese Zahlen seit 2014 praktisch unverändert sind. Beide Arten von Klauseln sind wichtig, um dafür zu sorgen, dass die geschaffenen Regelungen einer Form von Prüfung unterliegen. So kann sichergestellt werden, dass sie auch langfristig angemessen sind (OECD, 2020[23]).
Um die Prüfung von Rechtsvorschriften effizienter zu gestalten, können die OECD-Länder flexibel vorgehen und die Prüfungen z. B. eine Zeit lang aufschieben und dann bündeln, um die Auswirkungen auf die Bevölkerung und Unternehmen ganzheitlicher zu betrachten. Durch die Bündelung der Prüfungen kann der Staat ein besseres Verständnis dafür entwickeln, wie sich die Rechtsetzung insgesamt auswirkt. Zudem können sich betroffene Akteure bei solchen Überprüfungen möglicherweise besser einbringen und wertvolles Feedback zum Zusammenspiel der einzelnen Rechtsvorschriften geben, während gleichzeitig einer möglichen „Konsultationsmüdigkeit“ entgegengewirkt wird. In der Praxis finden gebündelte Prüfungen im OECD-Raum zumeist nur ad hoc statt und 40 % der Mitgliedsländer führen überhaupt keine Prüfungen in gebündelter Form durch.
Laut iREG Survey schreiben manche OECD-Länder vor, dass bereits bei der Erstgestaltung von Regelungen ein Prozess für die Erreichung der Regelungsziele ausgearbeitet werden muss. Was die Prüfung der Regelungen mittels Ex-post-Evaluierungen betrifft, gibt es im OECD-Raum allerdings kaum Vorgaben dazu, wie beurteilt werden soll, ob die Politikziele erreicht wurden (Tabelle 2.2).
Tabelle 2.2. In manchen OECD-Ländern muss ex ante festgelegt werden, wie bestimmte regulatorische Ziele erreicht werden sollen – in den Ex-post-Evaluierungen wird jedoch oft nicht beurteilt, ob diese Ziele erreicht wurden
Müssen die zuständigen Stellen bei der Ausarbeitung von Rechtsvorschriften einen Prozess vorgeben, um die Fortschritte beim Erreichen der regulatorischen Ziele zu bewerten? |
Wird im Rahmen von Ex-post-Evaluierungen standardmäßig bewertet, ob die regulatorischen Ziele erreicht wurden? |
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Gesetzliche Regelungen |
Untergesetzliche Regelungen |
Gesetzliche Regelungen |
Untergesetzliche Regelungen |
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Australien |
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Belgien |
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Chile |
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Costa Rica |
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Dänemark |
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Deutschland |
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Estland |
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Finnland |
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Frankreich |
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Griechenland |
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Irland |
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Island |
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Israel |
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Italien |
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Japan |
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Kanada |
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Kolumbien |
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Korea |
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Lettland |
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Litauen |
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Luxemburg |
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Mexiko |
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Neuseeland |
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Niederlande |
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Norwegen |
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Österreich |
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Polen |
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Portugal |
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Schweden |
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Schweiz |
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Slowak. Rep. |
||||
Slowenien |
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Spanien |
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Tschech. Rep. |
||||
Türkei |
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Ungarn |
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Ver. Königreich |
||||
Ver. Staaten |
||||
Europäische Union |
Bei allen Regelungen/allen Ex-post-Evaluierungen
Bei wichtigen Regelungen/bei Ex-post-Evaluierungen wichtiger Regelungen
Bei manchen Regelungen/bei manchen Ex-post-Evaluierungen
Nie
Nicht anwendbar
Keine Angaben*
Anmerkungen: Die Daten beziehen sich auf 38 OECD-Länder und die Europäische Union. * Aufgrund einer Veränderung im politischen System während des Untersuchungszeitraums, die sich auch auf die Gesetzgebungsverfahren auswirkt, liegen für die Türkei keine Daten zur Akteursbeteiligung bei der Ausarbeitung von Rechtsvorschriften oder bei GFA für gesetzliche Regelungen vor.
Quelle: Indicators of Regulatory Policy and Governance (iREG) Survey 2021.
Entsprechend den Best-Practice-Grundsätzen sollten Ex-post-Evaluierungen immer Empfehlungen darüber enthalten, ob eine Regelung in ihrer aktuellen Form noch zweckdienlich ist (OECD, 2020[23]). Ein wichtiger Aspekt für die Transparenz von Ex-post-Evaluierungen ist auch die Frage, inwiefern die zuständigen Stellen diese Empfehlungen aufgreifen. In der Praxis werden diese Grundsätze in den wenigsten OECD-Ländern derzeit umgesetzt (Kasten 2.14).
Kasten 2.14. Bei Ex-post-Evaluierungen ausgesprochene Empfehlungen werden nur selten aufgegriffen, auch wenn evaluierte Rechtsvorschriften z. T. nachgebessert werden
In den meisten OECD-Ländern werden die Ergebnisse und Empfehlungen aus Ex-post-Evaluierungen an Regierung oder Parlament weitergeleitet. In einigen Fällen werden die zuständigen Ministerien über die Ergebnisse der Ex-post-Evaluierungen informiert. Anhand dieser Informationen und ihrer eigenen Bewertung entscheiden sie dann, ob eine Änderung der betreffenden Regelung erforderlich ist.
In der Praxis werden die im Rahmen von Ex-post-Evaluierungen ausgesprochenen Empfehlungen allerdings nur in einer Minderheit der OECD-Länder öffentlich von den zuständigen Stellen beantwortet. Als Beispiel sei hier das Lebensversicherungsreformgesetz angeführt, das 2014 in Deutschland in Kraft trat. Inhalt der Reform war es, die Regulierung privater Versicherungsgesellschaften an das Niedrigzinsumfeld anzupassen. 2018 wurde die Gesetzesänderung vom Bundesministerium der Finanzen evaluiert. Laut dem öffentlich zugänglichen Ex-post-Evaluierungsbericht half das Gesetz der Versicherungsbranche, die Markterwartungen zu übertreffen. Dieser Bericht wurde genutzt, um weitere Änderungen zur Unterstützung der Branche zu erreichen.
Auch aus Kanada, Finnland, Norwegen und Neuseeland gibt es Beispiele dafür, wie im Rahmen von Ex-post-Evaluierungen ausgesprochene Empfehlungen zu konkreten Verbesserungen führten. In Kanada ergab eine Ex-post-Evaluierung im Bereich der Lebensmittelkennzeichnung beispielsweise, dass einschlägige Änderungen des nationalen Gesundheitsministeriums (Health Canada) und der kanadischen Lebensmittelkontrollbehörde (CFIA) aufseiten der betroffenen Branchen zu mehr Kosten und Bürokratie führten. Ausgehend von dieser Evaluierung erarbeiteten Health Canada und die CFIA einen Plan, um die Änderungen bei der Lebensmittelkennzeichnung zeitlich besser abzustimmen. Health Canada richtete außerdem ein Reallabor (regulatory sandbox) für neue und innovative medizinische Produkte ein, wodurch Doppelprüfungen für risikoärmere Arzneimittel aus dem Ausland verringert werden konnten.
Quelle: Indicators of Regulatory Policy and Governance (iREG) Survey 2021.
Bestimmte Aspekte der Ex-post-Evaluierung müssen verbessert werden
Internes Fachwissen über Evaluierungs- und Prüfmethoden ist von wesentlicher Bedeutung, um intern Prüfungen durchführen zu können und extern beauftragte Prüfungen zu beaufsichtigen (OECD, 2020[23]). Um die zuständigen Stellen bei der Durchführung von Ex-post-Evaluierungen zu unterstützen, haben einige OECD-Mitglieder Leitlinien für ihre Evaluierungsteams zusammengestellt. Während 2014 nur ca. 40 % der OECD-Länder über solche Leitlinien verfügten, gibt es sie inzwischen in rd. 60 % der Länder, was zeigt, dass immer mehr Länder Ex-post-Evaluierungen durchführen.
Bei den verschiedenen Evaluierungstechniken und den entsprechenden Schulungen gab es seit 2014 hingegen kaum Veränderungen. Maßgeschneiderte Schulungsprogramme für Ex-post-Evaluierungen gibt es nur in acht OECD-Ländern (Kasten 2.15).
Kasten 2.15. Schulungsprogramme zu Ex-post-Evaluierungen sind im OECD-Raum selten
Von den 38 OECD-Mitgliedern und den Ländern der Europäischen Union gaben nur acht Staaten an, eigene Schulungsprogramme zu Ex-post-Evaluierungen durchzuführen: Australien, Frankreich, Griechenland, Kanada, Kolumbien, Italien, Österreich und das Vereinigte Königreich.
Bediensteten in Frankreich wird eine Schulung zu Ex-post-Evaluierungen angeboten, um sich mit den einschlägigen Theorien und Methoden vertraut zu machen. Zusätzlich gibt es Ad-hoc-Seminare zur Ex-post-Evaluierung von Maßnahmen, die in Zusammenarbeit mit nationalen Forschungsinstitutionen durchgeführt werden.
Das Schulungsprogramm in Griechenland erstreckt sich auf den gesamten Rahmen für bessere Rechtsetzung, wozu auch Ex-post-Evaluierungen gehören. Die Schulung dauert mehrere Tage und neben wichtigen anderen Instrumenten des Regulierungsmanagements – wie Akteursbeteiligung und GFA – sind auch Ex-post-Evaluierungen fester Bestandteil des Programms.
In Italien veranstaltet die Nationale Verwaltungsschule (SNA) einen Kurs zum Aufbau von GFA und Ex-post-Evaluierungen. Ziel der Schulung ist es, Führungskräfte und andere Bedienstete, die an der Entwicklung von GFA und Ex-post-Evaluierungen beteiligt sind, auf den neuesten Stand zu bringen. Schwerpunkt sind operative und praktische Fragen, wobei auch Übungen zu Konsultationsmethoden, zur Analyse verschiedener Politikoptionen sowie zur Folgenabschätzung durchgeführt werden. In interaktiven Sessions werden zudem Fallstudien vorgestellt.
Die kanadische Aufsichtsbehörde, das Treasury Board of Canada Secretariat, entwickelte in Zusammenarbeit mit der Canada School of Public Service eine Reihe spezifischer Schulungen zu Ex-post-Evaluierungen für Führungskräfte. Die Veranstaltungsreihe umfasst vier Seminare, die ein breites Themenspektrum abdecken, von der Planung und Durchführung von Ex-post-Evaluierungen bis zur Kommunikation der Ergebnisse.
Das Schulungsangebot in Österreich ist speziell auf Ex-post-Evaluierungen und die Monitoring-Instrumente zugeschnitten, die dafür von der österreichischen Regierung verwendet werden. Auch Evaluierungsgrundsätze und Informations- und Meldepflichten sind Gegenstand der Schulungen.
Quelle: Indicators of Regulatory Policy and Governance (iREG) Survey 2021.
Anders als bei Ex-ante-Folgenabschätzungen ist es bei Ex-post-Evaluierungen möglich, die tatsächlichen Auswirkungen einer Regelung zu erfassen (OECD, 2020[23]). Die Folgenabschätzung sollte bei Ex-post-Evaluierungen anhand eines breit abgesteckten Rahmenkonzepts erfolgen, das eine Beurteilung von Kosten und Nutzen umfasst (OECD, 2020[23]). Seit 2014 sind in fünf zusätzlichen OECD-Ländern Ex-post-Evaluierungen von Kostenaspekten vorgeschrieben, und in sechs weiteren Ländern müssen jetzt auch die Nutzeffekte von Rechtsvorschriften beurteilt werden. So schreiben inzwischen insgesamt 60 % der OECD-Länder vor, dass bei Ex-post-Evaluierungen die Kosten und Nutzen von Regelungen untersucht werden müssen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass sich Stellen, die Ex-post-Evaluierungen durchführen, an bestimmte Methoden halten. So können die tatsächlich beobachteten Auswirkungen den bei der Ausarbeitung der Regelungen erwarteten Auswirkungen gegenübergestellt werden. Das unterstreicht nochmal, wie wichtig es in der Ex-ante-Phase ist, die nötigen Daten zu sammeln, um später ein Monitoring und eine Evaluierung der Regelungen zu ermöglichen. Die diesbezüglich seit 2014 erzielten Fortschritte halten sich in Grenzen, sowohl was die Prüfung der tatsächlichen Auswirkungen im Vergleich zu den erwarteten als auch was die Bewertung eventueller unbeabsichtigter Folgen betrifft. Die Zahl der OECD-Länder, die bei einigen Ex-post-Evaluierungen GFA durchführen, ist seit 2014 leicht gestiegen. Das hat bei diesen Ex-post-Evaluierungen zu mehr Disziplin und Fokus geführt.
Japan ist eines der neun OECD-Länder, die sich systematisch auf die GFA beziehen, die bei der Ausarbeitung der Regelung erstellt wurde. So lässt sich feststellen, ob die Auswirkungen tatsächlich wie erwartet eingetreten sind, und gleichzeitig prüfen, ob der ursprüngliche Beweggrund für den regulatorischen Eingriff immer noch dem öffentlichen Interesse entspricht.
Akteursbeteiligung ist während des gesamten Rechtsetzungszyklus einschließlich der Ex-post-Evaluierung wichtig, um Feedback zu den tatsächlichen Auswirkungen einer Regelung in der Praxis einzuholen, um das Vertrauen in sie zu stärken und ihre Einhaltung zu erleichtern (OECD, 2018[20]). Inzwischen führen dreizehn OECD-Länder im Rahmen von Ex-post-Evaluierungen systematisch Konsultationen durch – und zeigen damit, dass sie erkannt haben, wie wichtig und wertvoll dies ist. Dennoch finden Konsultationen ex post weniger systematisch statt als in der Anfangsphase der regulatorischen Gestaltung (siehe Abschnitt zur Akteursbeteiligung). Die Vorabinformation betroffener Akteure über anstehende Ex-post-Evaluierungen ist im OECD-Raum nach wie vor selten.
Ex-post-Evaluierungen in Krisenzeiten
Viele Rechtsetzungsverfahren haben sich durch die Covid-19-Pandemie enorm verändert, da angesichts des Notstands ein ständiger Handlungsbedarf bestand. Mit Blick auf die Konjunkturerholung nach der Krise sind Ex-post-Evaluierungen von großer Bedeutung, denn ein systematischer Prozess um zu prüfen, was funktioniert hat, was nicht und was vielleicht hätte besser funktionieren können, ist entscheidend, um künftig Verbesserungen zu erzielen.
Bei Ex-post-Evaluierungen kann sich u. U. auch zeigen, dass Notstandsregelungen unbeabsichtigte positive Auswirkungen hatten und deshalb beibehalten werden sollten. Ex-post-Evaluierungen sind umso wichtiger, wenn aufgrund des krisenbedingten Zeitdrucks ex ante überhaupt keine oder nur eine eingeschränkte Folgenabschätzung durchgeführt wurde und die Informationslage zu diesem Zeitpunkt noch unsicher war. Ex-post-Evaluierungen gestatten es den zuständigen Stellen außerdem, im Nachhinein zu prüfen, ob andere während der Krisenphase erlassene Vorschriften noch im öffentlichen Interesse liegen. Dennoch schreiben derzeit nur vier OECD-Länder eine Ex-post-Evaluierung vor, wenn bei einem Gesetzesvorschlag aufgrund einer Notstandssituation keine Ex-ante-Folgenabschätzung durchgeführt wurde (siehe vorstehenden Abschnitt zu GFA). Die meisten OECD-Länder mussten die Vorgabe, bei solchen Gesetzen eine Ex-post-Evaluierung durchzuführen, also zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Gesetze eigens schaffen (d. h. in Form von Auslaufklauseln oder Klauseln zur Durchführung einer automatischen Prüfung), sei es durch eine Ad-hoc-Entscheidung bei sehr folgenträchtigen Gesetzen oder im Rahmen der üblichen Anforderungen für Ex-post-Evaluierungen (sofern solche Anforderungen bestehen).
Nach eigenen Angaben hatten die OECD-Länder zur Bewältigung der Coronapandemie bis zur Abgabefrist des iREG Survey am 18. September 2020 (Tabelle 2.3) 190 spezifische Regelungen verabschiedet. Ungefähr die Hälfte dieser Regelungen enthielt eine Auslaufklausel. Automatische Evaluierungen wurden hingegen deutlich seltener vorgeschrieben. Angesichts der andauernden Ungewissheit und der sich länger als erwartet hinziehenden Pandemie musste fast ein Fünftel der ursprünglich befristeten Regelungen nach Ablauf ihrer ursprünglichen Geltungsdauer verlängert werden. In einigen Fällen wurden Forderungen zur Einführung von Überprüfungsklauseln abgelehnt. In Australien versuchte das Parlament z. B., die Überprüfung zumindest einiger Gesetze im Zusammenhang mit Covid-19 vorzuschreiben. Der Vorschlag wurde allerdings von der Regierung abgelehnt.
In einigen OECD-Ländern kamen allgemeine Überprüfungsvorgaben im Kontext der Coronapandemie zum ersten Mal zum Einsatz. Finnland führte z. B. eine Maßnahme ein, um während der Pandemie einen Kostenausgleich für Unternehmen zu schaffen. Erstmals wurde dafür eine automatische Überprüfung vorgesehen, was in Finnland bislang nicht üblich war. Ähnlich berichtete auch Israel, dass es fünf zeitlich befristete Regelungen verabschiedete, obwohl solche Auslaufklauseln dort unüblich sind.
Diese Angaben lassen vermuten, dass demnächst eine große Zahl von Rechtsvorschriften überprüft werden wird, die ansonsten automatisch auslaufen würden. Daher ist es enorm wichtig, dass im öffentlichen Dienst die nötigen Kernkompetenzen vorhanden sind, um hochwertige Ex-post-Evaluierungen durchzuführen. Die Koordinierung zwischen den Stellen, die die Ex-post-Evaluierungen durchführen, und den zuständigen Aufsichtsbehörden muss verbessert werden, um eine rasche und priorisierte Überprüfung der während der Coronakrise verabschiedeten Regelungen sicherzustellen. Außerdem ist es wichtig, dass die Aufsichtsbehörden und die Stellen, die die Ex-post-Evaluierungen durchführen, finanziell und personell angemessen ausgestattet sind.
Viele Sofortmaßnahmen, die von den Regierungen zur Bewältigung der Covid-19-Pandemie beschlossen wurden, dienten der Gesundheitssicherung. Schon allein aufgrund der großen Zahl der während der Coronakrise verabschiedeten Maßnahmen ist in den nächsten Jahren ein erheblicher Ex-post-Evaluierungsaufwand zu erwarten. Laut den Best-Practice-Grundsätzen sollten vorrangig Regelungen mit sowohl weitgreifenden als auch starken Auswirkungen auf bestimmte gesellschaftliche Gruppen überprüft werden (OECD, 2020[23]). In einigen OECD-Ländern wurden die Coronamaßnahmen im Omnibusverfahren umgesetzt, d. h. mit einer Regelung sollten gleich mehrere Bereiche abgedeckt werden. In solchen Fällen kann es sinnvoll sein, die Gesetze gebündelt zu überprüfen, damit alle Bereiche ganzheitlich untersucht werden (OECD, 2020[23]).
Der Zeitpunkt der Durchführung der Ex-post-Evaluierungen und Post Implementation Reviews (PIR) im Zusammenhang mit Coronamaßnahmen ist entscheidend. Grundsätzlich sollten Ex-post-Evaluierungen (genauso wie PIR – siehe Abschnitt zu GFA) erst dann erfolgen, wenn genügend Daten vorliegen, um zu bewerten, ob die beabsichtigte Wirkung der betreffenden Regelung erreicht wurde (OECD, 2020[23]). So finden PIR in Australien beispielsweise zwei Jahre nach Abschluss der Umsetzung der betreffenden Maßnahmen statt (bzw. nach fünf Jahren bei Entscheidungen mit weitgreifenden und starken Auswirkungen auf die australische Wirtschaft) (Australian Government, 2020[25]). Die Umsetzungsdauer ist bei einigen Maßnahmen naturgemäß lang, vor allem bei bedeutenden Entscheidungen mit weitreichenden Folgen. So kann teilweise sehr viel Zeit verstreichen, bevor eine Entscheidung überprüft wird. Diese Zeit kann zwar für die Datenerhebung genutzt werden (und tatsächlich sollte die große Datenmenge, die dadurch entsteht, eine umfassendere Evaluierung ermöglichen), doch sie kann auch dazu führen, dass die beschlossenen Maßnahmen bis dahin dermaßen etabliert sind, dass sie – auch wenn die Evaluierung mögliche Mängel ergeben würde – kaum noch verändert werden können (oder dies im Vergleich zu dem Nutzen, den man sich von ihrer Abschaffung oder Änderung verspricht, zu teuer wäre).
Tabelle 2.3. Viele zur Pandemiebewältigung verabschiedete Vorschriften enthielten Auslaufklauseln, automatische Überprüfungen wurden deutlich seltener vorgeschrieben
|
Sind bei Rechtsvorschriften üblicherweise Auslauf-klauseln vorgesehen („Sunsetting“)? |
Sind bei Rechtsvorschriften üblicherweise automatisch Evaluierungen vorgesehen? |
Anzahl speziell zur Pandemiebewältigung verabschiedeter Rechtsvorschriften (laut Angaben in der iREG-Erhebung) |
Anzahl der vorgesehenen Auslaufklauseln |
Anzahl der vorgesehenen Klauseln zur automatischen Durchführung von Evaluierungen |
Anzahl der pandemiebedingten Rechtsvorschriften, deren Geltungsdauer bzw. Frist bis zur automatischen Evaluierung nach-träglich verlängert wurde |
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|
Gesetzliche Regelungen |
Untergesetzliche Regelungen |
Gesetzliche Regelungen |
Untergesetzliche Regelungen |
|
|
|
|
|||||||||
Belgien |
6 |
1 |
0 |
1 |
|||||||||||||
Chile |
18 |
0 |
0 |
0 |
|||||||||||||
Dänemark |
7 |
2 |
1 |
2 |
|||||||||||||
Deutschland |
17 |
14 |
1 |
7 |
|||||||||||||
Estland |
4 |
0 |
0 |
0 |
|||||||||||||
Finnland |
6 |
4 |
1 |
1 |
|||||||||||||
Frankreich |
6 |
2 |
0 |
4 |
|||||||||||||
Island |
5 |
3 |
0 |
1 |
|||||||||||||
Israel |
5 |
5 |
0 |
0 |
|||||||||||||
Italien |
6 |
4 |
0 |
1 |
|||||||||||||
Kanada |
11 |
6 |
1 |
1 |
|||||||||||||
Korea |
4 |
2 |
0 |
2 |
|||||||||||||
Luxemburg |
17 |
1 |
0 |
0 |
|||||||||||||
Mexiko |
6 |
0 |
0 |
1 |
|||||||||||||
Neuseeland |
7 |
6 |
0 |
0 |
|||||||||||||
Niederlande |
3 |
2 |
0 |
0 |
|||||||||||||
Norwegen |
4 |
4 |
0 |
0 |
|||||||||||||
Polen |
3 |
3 |
1 |
1 |
|||||||||||||
Portugal |
5 |
4 |
0 |
4 |
|||||||||||||
Schweden |
8 |
3 |
0 |
2 |
|||||||||||||
Schweiz |
3 |
3 |
0 |
0 |
|||||||||||||
Slowak. Rep. |
6 |
4 |
0 |
3 |
|||||||||||||
Slowenien |
9 |
0 |
0 |
1 |
|||||||||||||
Spanien |
6 |
6 |
0 |
3 |
|||||||||||||
Tschech. Rep. |
6 |
6 |
0 |
1 |
|||||||||||||
Ungarn |
5 |
1 |
0 |
0 |
|||||||||||||
Ver. Königreich |
7 |
6 |
6 |
0 |
|||||||||||||
Gesamtanzahl spe-ziell zur Pandemie-bewältigung ver-abschiedeter Rechtsvorschriften (laut Angaben in der iREG-Erhebung) |
Gesamtanzahl der Auslaufklauseln in diesen Rechts-vorschriften |
Gesamtanzahl der Klauseln zur automatischen Durchführung von Evaluierungen in diesen Rechts-vorschriften |
Gesamtanzahl der Rechtsvorschriften, deren Geltungs-dauer bzw. Frist bis zur automatischen Evaluierung nachträglich verlängert wurde |
||||||||||||||
190 |
92 (48 %) |
11 (6 %) |
36 (19 %) |
Für alle Rechtsvorschriften
Für wichtige Rechtsvorschriften
Für manche Rechtsvorschriften
Nie
Anmerkung: Die Zahl der Vorschläge kann damit zusammenhängen, wie die Rechtsetzung in einem bestimmten Land organisiert ist, und sollte nicht als Indikator für das Ausmaß der staatlichen Eingriffe oder die Schwere der Covid-19-Pandemie gewertet werden. Die Daten beruhen auf den Eigenangaben von 27 OECD-Ländern, die bis 18. September 2020 eingingen. Die Zahl der Rechtsvorschriften, die zur Bewältigung der Covid-19-Pandemie verabschiedet wurden, kann seitdem gestiegen sein.
Quelle: Indicators of Regulatory Policy and Governance (iREG) Survey 2021.
Wie in Kasten 2.14 angesprochen, bieten Ex-post-Evaluierungen die Chance, aus Fehlern zu lernen und aufzuzeigen, was gut funktioniert. Ex-post-Evaluierungen aus der Zeit der Coronapandemie können wertvolle Erkenntnisse liefern, um künftige Krisen möglichst gut zu meistern. Die OECD führt derzeit eine Metaanalyse aller Evaluierungen durch, die im Kontext der Covid-19-Pandemie in den einzelnen Ländern stattfanden (einschließlich der Evaluierungen der Regulierungspolitik).
Weitere Monitoring-Bereiche der Empfehlung von 2012
Zugang zur Justiz
Im Alltag kommt es immer wieder vor, dass Bürger*innen und Unternehmen eine amtliche Entscheidung für Tätigkeiten benötigen, denen sie nachgehen müssen oder wollen. Beispielsweise brauchen sie eine Zulassung, um in einem regulierten Sektor tätig zu werden oder auch einfach, um ein Auto zu fahren. Eine amtliche Entscheidung ist auch nötig, wenn eine Regulierungsstelle eine Sanktion verhängt, weil gegen eine bestehende Vorschrift verstoßen wurde. Bei der Beurteilung von Einzelfällen im Sinne der geltenden Bestimmungen sind die zuständigen öffentlich Bediensteten verpflichtet, im Rahmen ihrer rechtlichen Befugnisse vernünftig und verhältnismäßig zu handeln. Auch wenn bei solchen Entscheidungen grundsätzlich davon ausgegangen wird, dass sie unparteiisch und rechtmäßig sind, kann es vorkommen, dass die Betroffenen ihnen nicht zustimmen und ihre Rechtmäßigkeit bzw. die Gerechtigkeit oder Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens anfechten.
Unternehmen und Bürger*innen sollten die Möglichkeit haben, Entscheidungen, die auf der Grundlage bestehender Rechtsvorschriften ergangen sind, anzufechten oder Rechtsmittel gegen sie einzulegen, wie in der Empfehlung von 2012 beschrieben. Die Tatsache, dass solche Mechanismen existieren und die Öffentlichkeit sie in Anspruch nimmt, verhindert Ermessensmissbrauch und wahrt die Integrität des Regulierungssystems, was wiederum die Wirksamkeit gut durchdachter Regelungen verstärkt.
Mechanismen zur Anfechtung einzelner Entscheidungen gibt es in jedem Land der OECD. In fast allen Ländern können Bürger*innen und Unternehmen solche Entscheidungen von einem Gericht (in 38 Ländern) oder von der Behörde, die für die Durchsetzung der betreffenden Regelung zuständig ist (in 34 Ländern), prüfen lassen. In manchen Ländern gibt es andere Mechanismen, um Entscheidungen anzufechten. So kann es z. B. möglich sein, eine Einzelentscheidung vor einer unabhängigen Stelle anzufechten (in 26 Ländern) oder sie vom zuständigen Ministerium (in 25 Ländern) bzw. einem spezialisierten Verwaltungsgericht prüfen zu lassen (in 22 Ländern) (Abbildung 2.21). Darüber hinaus gaben 24 OECD-Länder an, dass Unternehmen und Bürger*innen bei der zuständigen Behörde einen Antrag auf Neubeurteilung stellen können (z. B. bei abgelehnter Gewerbeerlaubnis).
Die Möglichkeit, die Anwendung einzelner Regelungen anzufechten, ist von wesentlicher Bedeutung. Genauso wichtig ist aber auch, dass die Entscheidungen rasch erfolgen. Nur so können Unternehmen und Bürger*innen entsprechend planen und die Risiken und Kosten eines Negativ- bzw. Positivbescheids rechtzeitig abschätzen. Deshalb sollten möglichst Regelfristen vorgegeben werden, innerhalb derer die Unternehmen bzw. betroffenen Personen eine Entscheidung erwarten können (OECD, 2012[2]). In zehn der befragten Länder gilt eine solche Regelfrist zumindest bei einem Anfechtungsmechanismus für Einzelentscheidungen. Die meisten Länder gaben allerdings an, dass die Fristen von unterschiedlichen Faktoren abhängen, z. B. vom Mechanismus selbst, den gesetzlichen Bestimmungen, denen die Prüfung unterliegt, der Komplexität des jeweiligen Falls oder der Arbeitsbelastung des Entscheidungsgremiums. In Kanada gilt für gerichtliche Prüfungen z. B. keine Frist, da dies die Ermessensausübung der Gerichte beeinträchtigen könnte. Allerdings gibt es sektorspezifische Verwaltungsvorschriften, die Fristen enthalten, wie z. B. der Canada Transportation Act.
Darüber hinaus sollten die Unternehmen bzw. gegebenenfalls die Bürger*innen Zugang zu Mechanismen haben, um die Regelungen anzufechten, die den Einzelentscheidungen zugrunde liegen. So können Regelungen, bei deren Ausarbeitung rechtliche bzw. verfassungsrechtliche Mängel übersehen wurden und die dem Rechtsrahmen des jeweiligen Landes daher nicht entsprechen, aufgehoben werden. Zudem können so zumindest einige Regelungen, die einer Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht standhalten, ausgemerzt werden. Regelungen, die sich als unrechtmäßig oder verfassungswidrig erweisen, sind dann nicht mehr auf andere Bürger*innen und Unternehmen anwendbar, was der Einheitlichkeit und Wirksamkeit des Regelungssystems zugutekommt.
In 27 der befragten Länder können Bürger*innen und Unternehmen zumindest einen Mechanismus in Anspruch nehmen, um die Rechtmäßigkeit bestehender Regelungen anzufechten. Am weitesten verbreitet sind Rechtsmittel zur Anfechtung der Rechtmäßigkeit von Vorschriften vor Gericht. In 15 der befragten Länder haben die Bürger*innen die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit von Regelungen vor einem Verwaltungsgericht anzufechten. In einigen Ländern kann die Rechtmäßigkeit von Vorschriften vor einer Regulierungsbehörde angefochten werden, was heißt, dass Regelungen, die von der für die Regulierung des jeweiligen Sektors zuständigen Stelle erlassen werden, bei ebendieser Stelle angefochten werden können. Zusätzlich gibt es in 26 Ländern Mechanismen, über die die Öffentlichkeit, d. h. Bürger*innen oder Unternehmen, eine Verfassungsbeschwerde gegen einzelne Regelungen einlegen können (Abbildung 2.22). Wie die Mechanismen zur Anfechtung der Rechtmäßigkeit von Entscheidungen oder Regelungen trägt auch die Möglichkeit der Einreichung von Verfassungsbeschwerden zur Kohärenz des Regulierungsrahmens und zur gerechten Behandlung aller Bürger*innen und Unternehmen bei.
Kohärenz der Rechtsetzung auf verschiedenen staatlichen Ebenen
Laut der Empfehlung des Rates zu Regulierungspolitik und Governance von 2012 sollten die Mitgliedsländer „die regulatorische Kohärenz auf supranationaler, nationaler und subnationaler Regierungsebene gegebenenfalls mit Hilfe von Koordinierungsmechanismen fördern“. Außerdem sollten sie „auf allen Regierungsebenen übergreifende Regulierungsthemen benennen, um die Kohärenz der verschiedenen Regulierungskonzepte zu fördern und Überschneidungen oder Konflikte bei den Regelungen zu vermeiden“. Darüber hinaus werden die Länder in der Empfehlung aufgefordert, „die Entwicklung von Regulierungsmanagementkapazitäten und die Leistungsfähigkeit des Regulierungsmanagements auf subnationaler Regierungsebene zu fördern“ (OECD, 2012[2]).
Der folgende Abschnitt enthält einen Überblick über die Auswertung der Daten, die in den verschiedenen OECD-Ländern erhoben wurden, um die Fortschritte bei der Umsetzung wichtiger Elemente dieser Empfehlungen zu messen.
Subnationale Regierungsebenen spielen eine entscheidende Rolle bei der Verwirklichung öffentlicher Politikziele durch Rechtsvorschriften. In föderalen Staaten beispielsweise können sie befugt sein, innerhalb ihres Gebiets selbst Regelungen zu erlassen und durchzusetzen oder mit der Um- und Durchsetzung von Regelungen betraut sein, die auf höherer staatlicher Ebene beschlossen wurden. Dazu setzen sie untergesetzliche Rechtsinstrumente wie Verordnungen, Handbücher und Leitlinien ein, flankiert von Maßnahmen zur Durchsetzung und Einhaltung der betreffenden Regelung, z. B. Inspektionen. Letzteres ist sowohl in föderalen als auch unitarisch verfassten Staaten üblich.
Die nationalen bzw. zentralen Ebenen sollten für Mechanismen zur Sicherung der Kohärenz der Rechtsetzung sorgen, um etwaige Lücken, Überschneidungen und Konflikte zu vermeiden, und zwar sowohl im Hinblick auf die Inhalte der Regelungsinstrumente als auch was die Durchsetzungsmethoden der verschiedenen staatlichen Ebenen betrifft. Darüber hinaus sollten subnationale Gebietskörperschaften als Teil des öffentlichen Verwaltungsapparats in der Lage sein, die erforderlichen Grundsätze einzuhalten und die jeweils am besten geeigneten Instrumente auszuwählen, um die Qualität der von ihnen festgelegten Regelungen sicherzustellen. Sie sollten zudem Sorge tragen, dass sie den Regulierungsrahmen wirksam durch- und umsetzen können. Damit dies möglich ist, sollten die nationalen bzw. zentralen Ebenen unterstützend darauf hinwirken, dass auf den nachgeordneten Regierungsebenen die nötigen Kapazitäten vorhanden sind.
Dies lässt sich an einem konkreten Beispiel erläutern: Ein kleiner Gastronomiebetrieb kann aufgrund der Coronapandemie strengeren Gesundheitsvorschriften unterliegen und u. a. gezwungen sein, in der Küche spezifische Hygienebestimmungen einzuhalten, die in einem nationalen Gesundheitsgesetz festgeschrieben sind. Die Leitlinien und Verfahren zur Einhaltung der Vorschriften werden von der Regionalverwaltung festgelegt, während die betreffende Kommune die nötigen Inspektionen durchführt, um die Einhaltung der Verfahren und Standards zu überprüfen. Das öffentliche Politikziel in diesem Beispiel ist eindeutig: Es geht darum, die Gesundheit der Restaurantbesucher*innen zu schützen. Dieses Ziel kann effektiv aber nur erreicht werden, wenn die Leitlinien und Verfahren der Regionalverwaltung in allen Teilen mit dem nationalen Gesundheitsgesetz im Einklang stehen. Sehr von Vorteil ist es zudem, wenn bei der Erarbeitung und Veröffentlichung dieser untergesetzlichen Regelungen regulierungspolitische Instrumente (GFA und Akteursbeteiligung) zum Einsatz kommen, um die Qualität der Rechtsetzungs- und Rechtsdurchsetzungsprozesse zu verbessern. Dies ist aber nur möglich, wenn die regionale Gebietskörperschaft über die Kapazitäten verfügt, solche Instrumente anzuwenden. Dasselbe gilt für die Kommune, die für die Durchsetzung des Regulierungsrahmens und die entsprechenden Inspektionen verantwortlich ist. Sinnvoll sind hier zudem Koordinierungsmechanismen, die sich auf mehrere staatliche Ebenen erstrecken, damit die Ergebnisse aus der Durchsetzungs- und Inspektionspraxis in die Ex-post-Evaluierung der betreffenden Gesetze, Verfahren oder Leitlinien einfließen können. So kann beurteilt werden, ob das öffentliche Politikziel erreicht wurde.
Ähnliche Beispiele finden sich in unterschiedlicher Art und Weise in allen OECD-Ländern, unabhängig davon, ob sie föderal oder unitarisch verfasst sind. Daher ist es auch so wichtig, die Fortschritte zu messen, die bei der Umsetzung der Empfehlung von 2012 im Hinblick auf die Kohärenz der Rechtsetzung auf verschiedenen staatlichen Ebenen erzielt wurden, und die Regulierungspolitik auf den subnationalen Ebenen zu fördern. Die erhobenen Daten zeigen allerdings, dass in den OECD-Ländern bislang noch nicht viel unternommen wird, um dieses Ziel zu erreichen – obwohl Instrumente wie GFA und Akteursbeteiligung allgemein gut angenommen wurden. Bei der Intensivierung der Zusammenarbeit mit den subnationalen Gebietskörperschaften, um die Wirksamkeit des Regulierungsrahmens bei der Verwirklichung von Politikzielen insgesamt zu verbessern, gibt es also noch viel zu tun.
Abbildung 2.23 zeigt die Antworten auf die Frage, ob die Länder über Mechanismen für die Koordinierung zwischen der nationalen und den subnationalen Ebenen bzw. den Kommunen verfügen, die dazu dienen, die Kohärenz der Regulierungsansätze zu fördern und Doppelarbeit bzw. Konflikte im Bereich der Rechtsetzung zu vermeiden. Wurde die Frage mit Ja beantwortet, ist auch die Art des Mechanismus angegeben. 26 der 38 teilnehmenden Länder bestätigten, dass es einen solchen Mechanismus gibt. Am häufigsten sind dabei ständige Koordinierungsmechanismen. Der National Federation Reform Council in Australien und der Nationalrat für bessere Rechtsetzung in Mexiko sind Beispiele solcher ständigen Koordinierungsmechanismen zur Förderung der Kohärenz der Rechtsetzung zwischen verschiedenen staatlichen Ebenen (Kasten 2.16 und Kasten 2.17).
Wie aus Abbildung 2.23 ersichtlich, verfügen alle föderal verfassten Länder über Mechanismen zur Förderung der ebenenübergreifenden Kohärenz der Rechtsetzung. Gleichzeitig zeigen die Daten, dass auch 18 als unitarisch geltende Länder über solche Mechanismen verfügen. Demnach erachten zwei Drittel aller befragten Länder Maßnahmen zur Förderung eines einheitlichen Regulierungssystems für wichtig – unabhängig davon, ob sie föderal oder unitarisch verfasst sind. Daraus lässt sich schließen, dass auch in den übrigen OECD-Ländern Systeme zur Zusammenarbeit mit subnationalen Regierungen möglich sind, um die Qualität der Rechtsetzung zu verbessern.
Die Entwicklung von Regulierungsmanagementkapazitäten und die Leistungsfähigkeit des Regulierungsmanagements auf subnationaler Ebene lassen sich u. a. fördern, indem für einen stärkeren Austausch über empfehlenswerte Praktiken zwischen den verschiedenen nachgeordneten Gebietskörperschaften sowie zwischen der subnationalen und der nationalen Ebene gesorgt wird. Der Austausch von Erkenntnissen, Erfolgsbeispielen und „Dos und Don’ts“ bei der Konzipierung, Umsetzung und Evaluierung der Regulierungspolitik und ihrer Instrumente kann eine wirksame Methode sein, um die Nutzung dieser Instrumente zu unterstützen. Abbildung 2.24 zeigt, dass nur 17 von 38 Ländern über Mechanismen für einen solchen Austausch verfügen. Die häufigsten Formate sind dabei Workshops, Seminare und Tagungen, gefolgt von Berichten über empfehlenswerte Praktiken und gewonnene Erkenntnisse. Vielen – sowohl föderal als auch unitarisch verfassten – OECD-Ländern bieten sich somit noch reichlich Möglichkeiten, Mechanismen zum Austausch empfehlenswerter Praktiken im Bereich des Regulierungsmanagements auf- und auszubauen.
Kasten 2.16. Koordinierung zwischen den verschiedenen Gebietskörperschaften in Australien über den National Federation Reform Council
Am 29. Mai 2020 vereinbarten das National Cabinet of Australia, bestehend aus dem Premierminister, den Premiers und den Chief Ministers, die Gründung des National Federation Reform Council (NFRC), um sich über die Maßnahmen zur Bewältigung der Coronapandemie abzustimmen. Die Einrichtung des NFRC wurde vom National Cabinet beschlossen, um den Council of Australian Governments (COAG) zu ersetzen und den First Ministers und Finanzminister*innen aller australischen Bundesstaaten und Territorien sowie dem Vorsitz der Australian Local Government Association (ALGA) ein gemeinsames Forum zur Besprechung föderaler Fragen zu bieten.
Der NFRC tritt einmal jährlich zusammen. Dies wird vom Department of the Prime Minister and Cabinet (DPMC) koordiniert, dessen Aufgabe es u. a. ist, für ein wirksames Zusammenspiel zwischen dem Commonwealth und den verschiedenen nachgeordneten Gebietskörperschaften zu sorgen.
National Federation Reform Council
Die konstituierende Sitzung des NFRC fand am 11. Dezember 2020 statt. Seine allererste Aufgabe – und sein erster Erfolg – war es, gemeinsam die Verbreitung des Coronavirus aufzuhalten, Leben zu retten und dafür zu sorgen, dass die Menschen weiterhin ihrer Arbeit nachgehen können und eine Konkurswelle verhindert wird. Schwerpunkt der Diskussionen waren gebietsübergreifende Reformen in wichtigen Bereichen wie psychische Gesundheit und nationale Notstandsbewältigung. Laut der Erklärung des NFRC wurden die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung vom Commonwealth, d. h. von der zentralen Ebene, und den Regierungen der Bundesstaaten und Territorien gemeinsam über das National Cabinet umgesetzt. Dabei wurde die ebenenübergreifende Struktur wirksam reformiert:
Reformausschüsse des National Cabinet unterstützen dessen Programm zur Schaffung neuer Arbeitsplätze.
Der National Federation Reform Council und seine Taskforces kümmern sich um drängende föderale Fragen, die nicht unter den Beschäftigungsförderungsauftrag des National Cabinet fallen.
Die Sitzungen der Minister*innen werden flexibler organisiert, um schneller handeln zu können, womit sich der bürokratische Aufwand deutlich verringert.
Taskforces des National Federation Reform Council
Der NFRC hat drei Taskforces ins Leben gerufen, um wesentliche Aspekte der nationalen Agenda schneller voranzubringen:
Frauensicherheit
Belange der indigenen Bevölkerung
Wohlergehen ehemaliger Mitglieder der Streitkräfte
Auf der konstituierenden Sitzung des NFRC verkündete der Premierminister die Terms of Reference (TOR) der Taskforce für Frauensicherheit. In den TOR sind die Häufigkeit der Sitzungen, die Zusammensetzung der Taskforce (Frauensicherheitsminister*innen auf Commonwealth-, bundesstaatlicher und territorialer Ebene) sowie deren Funktionsweise, die Entscheidungsbefugnisse und Zuständigkeiten sowie die Berichtspflichten festgelegt. Laut den TOR ist die Taskforce zwar entscheidungsbefugt und darf über gemeinsame Grundsätze abstimmen, doch was die Umsetzung anbelangt, können die einzelnen Gebietskörperschaften flexibel den jeweiligen Gegebenheiten Rechnung tragen.
Quelle: Australian Government (2020[26]).
Mexiko liefert ein Beispiel dafür, wie Praktiken des Regulierungsmanagements auf subnationaler Ebene verglichen werden können. Die Ergebnisse dieses Benchmarkings werden in Berichten der nationalen Beobachtungsstelle für bessere Rechtsetzung festgehalten (Kasten 2.17).
In Abbildung 2.25 sind die Daten dargestellt, die erhoben wurden, um zu untersuchen, inwieweit andere Mechanismen zur Entwicklung und Förderung der Leistung der Regulierungspolitik auf subnationaler Ebene vorhanden sind bzw. genutzt werden. 15 Länder antworteten z. B., dass sie die Umsetzung der Regulierungspolitik auf dieser Ebene aktiv unterstützen. Das „Primary Authority“-Programm im Vereinigten Königreich ist ein gutes Beispiel dafür, wie die zentrale staatliche Ebene die Kommunen bei der Um- und Durchsetzung von Rechtsvorschriften unterstützen kann (Kasten 2.18).
Hilfreich für eine wirksame Gestaltung und Umsetzung des Regulierungsmanagements sind auch Gremien, die sich für die Förderung guter Rechtsetzungspraktiken und einer evidenzbasierten Politikgestaltung einsetzen. Wie aus Abbildung 2.25 ersichtlich, gibt es solche Gremien in 15 Ländern in allen oder einigen Regionen und in 12 Ländern auf kommunaler Ebene.
Ein weiteres wichtiges Instrument für den Aufbau eines wirksamen Systems, das auf evidenzbasierten Regelungen beruht, ist die Akteursbeteiligung. Wie aus Abbildung 2.25 hervorgeht, gibt es nur in 14 Ländern spezielle Kommunikationsmechanismen zwischen der nationalen und der subnationalen Ebene, um die Meinungen der Bürger*innen und Unternehmen vor Ort weiterzuleiten und in die Gestaltung der Rechtsvorschriften einfließen zu lassen.
Abbildung 2.25 zeigt zudem, dass bislang nur wenig von Maßnahmen zur Förderung alternativer Optionen und einer gewissen Experimentierfreudigkeit bei Regulierungskonzepten Gebrauch gemacht wird. Nur vier Länder gaben an, solche Vorgehensweisen wie z. B. die Auslotung nichtregulatorischer Alternativen oder die Nutzung von IKT-Tools wie maschinellem Lernen oder von Reallaboren aktiv zu unterstützen.
Kasten 2.17. Das nationale System und die nationale Beobachtungsstelle für bessere Rechtsetzung in Mexiko
2018 wurde in Mexiko das Allgemeine Gesetz für bessere Rechtsetzung verabschiedet, das u. a. darauf abzielt, die Rechtsvorschriften der drei staatlichen Ebenen (zentrale, bundesstaatliche und kommunale Ebene) zu harmonisieren. Dazu wurde das nationale System für bessere Rechtsetzung geschaffen. Dieses soll die Abstimmung zwischen den verschiedenen Organen aller staatlichen Ebenen erleichtern, und zwar mithilfe einer nationalen Strategie für bessere Rechtsetzung, speziellen Rechtsvorschriften, Grundsätzen, Zielen, Plänen, Leitlinien, Gremien, Instanzen, Verfahrensregeln und einer nationalen Politik für bessere Rechtsetzung. Das nationale System für bessere Rechtsetzung besteht aus
dem Nationalrat für bessere Rechtsetzung,
der nationalen Strategie für bessere Rechtsetzung,
der nationalen Kommission für bessere Rechtsetzung (CONAMER),
den Systemen für bessere Rechtsetzung auf subnationaler Ebene sowie
der nationalen Beobachtungsstelle für bessere Rechtsetzung.
Der Nationalrat für bessere Rechtsetzung
Der Nationalrat für bessere Rechtsetzung ist für die Koordinierung der nationalen Politik und damit auch für die Abstimmung mit den Dienststellen für bessere Rechtsetzung der einzelnen Bundesstaaten zuständig. Jeder Bundesstaat hat ein eigenes Gesetz über bessere Rechtsetzung, mit dem die Inhalte der nationalen Strategie umgesetzt werden. Der Nationalrat trifft sich mindestens zweimal im Jahr. Im Rahmen der ordentlichen Sitzungen wurde inzwischen auch die Einrichtung zweier spezialisierter Arbeitsgruppen beschlossen: eine Gruppe für die Verwaltungsvereinfachung der Rechtsvorschriften für Benzin-, Flüssiggas- und Erdgastankstellen und eine Gruppe für die Regulierungsreform auf subnationaler Ebene. Auf einer eigenen Website informiert CONAMER über die Sitzungen und die Funktionsweise des Nationalrats für bessere Rechtsetzung: https://conamer.gob.mx/cnmr/Home.
Die nationale Beobachtungsstelle für bessere Rechtsetzung
Als Instrument der Bürgerbeteiligung kümmert sich die nationale Beobachtungsstelle um das Monitoring und die Evaluierung der Maßnahmen für bessere Rechtsetzung auf subnationaler Ebene. Dabei richtet sie den Blick auf drei Aspekte: Politik, Institutionen und Instrumente. Bislang sind zwei Berichte der Beobachtungsstelle erschienen, die unter folgendem Link abrufbar sind: http://onmr.org.mx/. In der Kategorie „Politik“ wird der Regulierungsrahmen analysiert, der den Reformbemühungen des jeweiligen Bundesstaats und dessen Kommunen zugrunde liegt. Dazu gehören z. B. die Gesetze für bessere Rechtsetzung der einzelnen Bundesstaaten. In der Kategorie „Institutionen“ geht es um die Durchsetzungskraft und die Maßnahmen bundesstaatlicher und kommunaler Gremien (z. B. der Staatsräte für bessere Rechtsetzung) bei der Umsetzung und Förderung von Regulierungsreformen. In der Kategorie „Instrumente“ wird untersucht, inwiefern auf bundesstaatlicher und kommunaler Ebene Instrumente für bessere Rechtsetzung (z. B. Maßnahmen zur Unterstützung von Start-ups) eingesetzt werden. Die Beobachtungsstelle wird derzeit vom mexikanischen Rat für Wirtschaftskoordinierung (CEE) und der Internationalen Entwicklungsbehörde der Vereinigten Staaten (USAID) betrieben.
Quelle: CNMR (2021[27]), Congreso de la Unión (2018[28]), ONMR (o. J.[29]).
Insgesamt verdeutlicht Abbildung 2.25, dass es in den OECD-Ländern noch einige Lücken gibt, die geschlossen werden könnten, um die Leistungsfähigkeit des Regulierungsmanagements auf subnationaler Ebene und den Aufbau entsprechender Kapazitäten zu verbessern. Diese Feststellung gilt sowohl für föderal als auch unitarisch verfasste Staaten. Eine Möglichkeit wäre z. B. die Einrichtung eines Gremiums auf subnationaler Ebene, das mit der Aufsicht der Regulierungspolitik betraut wird. Zudem sollten mehr Verfahren geschaffen werden, um Feedback und Meinungen von Bürger*innen und Unternehmen vor Ort einzuholen und diese zur Stärkung der Regulierungspolitik auf subnationaler und nationaler Ebene zu nutzen.
Kasten 2.18. „Primary Authority“ im Vereinigten Königreich: ein Mechanismus zur Verbesserung der Rechtsumsetzung auf subnationaler Ebene
Das Konzept der „Primary Authority“ geht auf den Regulatory Enforcement and Sanctions Act von 2008 zurück, der inzwischen durch das Unternehmensgesetz (Enterprise Act) von 2016 ersetzt wurde. Ziel ist es, eine hauptverantwortliche Stelle auf kommunaler Ebene zu benennen, die für die Beratung lokaler Unternehmen über die für sie geltenden Rechtsvorschriften zuständig ist. Dies betrifft insbesondere die Rechtsvorschriften in den Bereichen Umweltschutz, Verbraucherschutz und Brandschutz.
Das Konzept beruht auf einer Partnerschaft zwischen den Unternehmen und einer ausgewählten öffentlichen Stelle vor Ort. Ist die „Primary Authority“, also die hauptverantwortliche Stelle, nicht in der Lage, alle Rechtsbereiche abzudecken, von denen ein Unternehmen betroffen ist, kann sie sich Unterstützung von weiteren Partnern holen. Unternehmen, die in England und Wales tätig sind, können sich in Rechtsbereichen, die an die walisische Regierung delegiert wurden, zudem an hauptverantwortliche Stellen in beiden Landesteilen wenden. Als „Primary Authority“ können die Räte von Landkreisen, Bezirken und kreisfreien Städten sowie Feuerwehrbehörden benannt werden.
Auf nationaler Ebene ist das Office for Product Safety & Standards (OPSS) im Ministerium für Wirtschaft, Energie und Industrie (BEIS) für das Programm und die Verwaltung des Registers der hauptverantwortlichen Stellen zuständig. Darüber hinaus sind auch nationale Regulierungsstellen am Programm beteiligt, indem sie die hauptverantwortlichen Stellen in ihrer Beratungstätigkeit unterstützen. Die nationalen Regulierungsbehörden dienen als Kompetenzquelle für die hauptverantwortlichen Stellen, die ihnen wiederum helfen, sich ein besseres Bild von den Unternehmen vor Ort zu verschaffen und mit ihnen in den Dialog zu treten.
Vorteile für die Unternehmen:
Die Unternehmen erhalten bei der hauptverantwortlichen Stelle einschlägige und maßgebliche Informationen.
Belastbare Konformitätssysteme werden anerkannt.
Die Einhaltung der geltenden Regeln wird erleichtert.
Die Unternehmen haben die Gewissheit, ihre Belegschaft und ihre Kund*innen ausreichend zu schützen.
Vorteile für die zuständigen Stellen:
Es herrscht Klarheit über die Zuständigkeiten.
Durch stärkere Verbindungen zu den örtlichen Unternehmen wird das lokale Wirtschaftswachstum gefördert.
Die Regelungstätigkeit vor Ort ist kohärenter und Ressourcen können gezielter in risikoträchtigen Bereichen eingesetzt werden.
Die Kompetenzen der Beschäftigten werden durch Partnerschaften gestärkt.
Die öffentliche Daseinsvorsorge ist gesichert, da die betreffenden Behörden zur Aufwandserstattung eine Gebühr für ihre Tätigkeit als hauptverantwortliche Stelle erheben können.
Vorteile für die Bürger*innen:
Die Bürger*innen sind besser geschützt, da die Unternehmen die geltenden Rechtsvorschriften zuverlässiger einhalten.
Durch ein besseres Verständnis der Unternehmensrealitäten und die Fokussierung auf risikoträchtige Bereiche verringern sich die Risiken.
Quelle: BEIS (2017[30]).
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Maßnahmen zur Förderung der Kohärenz der Rechtsetzung auf den verschiedenen staatlichen Ebenen sowie zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit des Regulierungsmanagements und zum Aufbau entsprechender Kapazitäten auf subnationaler Ebene bislang noch nicht stark verbreitet sind. Wie in der Empfehlung zu Regulierungspolitik und Governance von 2012 beschrieben, sollten die OECD-Länder Mechanismen zur Einbeziehung der nachgeordneten Gebietskörperschaften in die Gestaltung und Umsetzung ihrer Strategien für bessere Rechtsetzung schaffen. Die Ergebnisse von iREG 2020 zeigen, dass einige – föderal ebenso wie unitarisch organisierte – Länder diesbezüglich bereits Fortschritte erzielt haben. An diesen Fortschritten gilt es nun anzuknüpfen.
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