Der Corporate-Governance-Rahmen sollte die strategische Ausrichtung des Unternehmens, die effektive Überwachung der Geschäftsführung durch das Board als Aufsichtsorgan sowie dessen Rechenschaftspflicht gegenüber dem Unternehmen und seinen Aktionären gewährleisten.
Aufbau und Funktionsweise von Boards unterscheiden sich sowohl von Land zu Land als auch innerhalb einzelner Länder. Einige Staaten haben dualistische Leitungssysteme, in denen die Aufsichts- und die Geschäftsführungsfunktion von unterschiedlichen Organen wahrgenommen wird. Diese Systeme haben in der Regel einen „Aufsichtsrat“ aus nicht geschäftsführenden Mitgliedern, zu denen häufig auch Arbeitnehmervertreter*innen zählen, und einen „Vorstand“, dem ausschließlich Mitglieder der Geschäftsführung angehören. Andere Länder haben ein monistisches Board-System, bei dem sich das Board sowohl aus Vertreter*innen der Geschäftsführung als auch aus nicht geschäftsführenden Mitgliedern zusammensetzt. In einigen Ländern gibt es noch ein zusätzliches satzungsmäßiges Organ, das für Fragen der Rechnungsprüfung zuständig ist. Die Grundsätze sind jedoch allgemein anwendbar, unabhängig davon, wie die mit der Leitung des Unternehmens und der Überwachung der Geschäftsführung betrauten Organe aufgebaut sind.
Neben der Ausrichtung der Unternehmensstrategie ist das Board in erster Linie dafür verantwortlich, die Leistung der Geschäftsführung zu überwachen und angemessene Erträge für die Aktionäre zu gewährleisten. Dabei gilt es, Interessenkonflikte zu verhindern und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen verschiedenen konkurrierenden Anforderungen an das Unternehmen sicherzustellen. Damit das Board seinen Pflichten effektiv nachkommen kann, muss es in der Lage sein, sich ein objektives und unabhängiges Urteil zu bilden. Eine andere wichtige Aufgabe des Boards ist die Beaufsichtigung des Risikomanagementsystems und der Mechanismen, die gewährleisten sollen, dass das Unternehmen die geltenden Gesetze einhält, u. a. in den Bereichen Steuern, Wettbewerb, Arbeit, Menschenrechte, Umwelt, Chancengleichheit, digitale Sicherheit, informationelle Selbstbestimmung und Schutz personenbezogener Daten sowie Gesundheit und Sicherheit. In einigen Staaten halten es die Unternehmen für sinnvoll, ausdrücklich festzulegen, welche Aufgaben dem Board obliegen und welche in den Zuständigkeitsbereich der Geschäftsführung fallen.
Das Board ist nicht nur rechenschaftspflichtig gegenüber dem Unternehmen und dessen Aktionären, sondern es ist auch verpflichtet, in deren größtmöglichem Interesse zu handeln. Darüber hinaus wird vom Board erwartet, dass es den Interessen von Stakeholdern, wie z. B. Beschäftigten, Gläubigern, Kunden, Zulieferern und betroffenen Gemeinschaften, Rechnung trägt und sie in angemessener Weise berücksichtigt.
V.A. Die Mitglieder des Boards sollten in voller Sachkenntnis, nach Treu und Glauben, mit gebührender Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit und im besten Interesse des Unternehmens und seiner Aktionäre handeln und zugleich den Interessen der Stakeholder Rechnung tragen.
In diesem Grundsatz sind die beiden Hauptkomponenten der treuhänderischen Pflichten des Boards verankert: die Sorgfaltspflicht und die Treuepflicht. Die Sorgfaltspflicht verlangt von den Mitgliedern des Boards, in voller Sachkenntnis, nach Treu und Glauben und mit gebührender Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit zu handeln. In einigen Staaten gilt hier das Verhalten als Richtlinie, das von einem besonnen und gewissenhaft handelnden Menschen unter ähnlichen Umständen zu erwarten wäre. Gute Praxis ist, das Konzept der vollen Sachkenntnis so auszulegen, dass sich die Board-Mitglieder davon überzeugen sollten, dass die wichtigsten Informations- und Compliance-Systeme des Unternehmens grundsätzlich zuverlässig sind und das Board bei der ihm in den Grundsätzen zugewiesenen wesentlichen Aufsichtsfunktion unterstützen. In vielen Staaten ist diese Auslegung bereits in der Definition der Sorgfaltspflicht enthalten. In anderen Staaten ist sie in den Wertpapiergesetzen, den Rechnungslegungsgrundsätzen usw. verankert.
Die Treuepflicht ist von zentraler Bedeutung, da sie zur effektiven Umsetzung anderer Grundsätze, z. B. in Bezug auf die Gleichbehandlung der Aktionäre, die Überwachung von Geschäften mit nahestehenden Unternehmen und Personen sowie die Festlegung der Vergütungspolitik für Mitglieder der Geschäftsführung und des Boards, beiträgt. Sie bildet auch einen der Kerngrundsätze für innerhalb einer Konzernstruktur tätige Board-Mitglieder: Selbst wenn ihr Unternehmen von einem anderen Unternehmen beherrscht wird, sind die Board-Mitglieder nicht dem beherrschenden Unternehmen, sondern ihrem Unternehmen und der Gesamtheit seiner Aktionäre gegenüber zu Loyalität verpflichtet.
Die Board-Mitglieder sollten bei geschäftlichen Entscheidungen im Interesse des langfristigen Erfolgs und der langfristigen Leistungsfähigkeit des Unternehmens sowie im Interesse seiner Aktionäre u. a. auch Stakeholder-Interessen berücksichtigen. Dies kann den Unternehmen beispielsweise helfen, Beschäftigte zu gewinnen und zu halten und die Produktivität der Beschäftigten zu fördern, größere Akzeptanz und Unterstützung durch die lokalen Gemeinschaften an ihren Standorten zu erreichen und die Kundenloyalität zu steigern, was wiederum die Wertschöpfung für ihre Aktionäre verbessert.
V.A.1. Board-Mitglieder sollten gegen Prozessrisiken abgesichert sein, wenn eine Entscheidung nach Treu und Glauben und mit gebührender Sorgfalt getroffen wurde.
Ein Schutz vor Prozessrisiken für Mitglieder des Boards und der Geschäftsführung, wenn sie eine unternehmerische Entscheidung gewissenhaft, mit gebührender Sorgfalt, angemessen informiert und ohne Interessenkonflikte getroffen haben, erleichtert es ihnen, das Risiko einer Entscheidung zu tragen, von der das Unternehmen erwartungsgemäß profitieren dürfte, die sich aber auch als Misserfolg erweisen könnte. Unter den genannten Voraussetzungen würde dieser Schutz auch dann gelten, wenn für das Unternehmen auf kurze Sicht definitive Kosten sowie auf lange Sicht ungewisse negative Auswirkungen entstehen, sofern gemäß sorgfältiger Prüfung durch die Geschäftsführung nach vernünftigem Ermessen davon auszugehen war, dass die Entscheidung zum langfristigen Erfolg und zur langfristigen Leistungsfähigkeit des Unternehmens beitragen würde.
V.B. Wenn sich Beschlüsse des Boards auf verschiedene Gruppen von Aktionären unterschiedlich auswirken können, sollte das Board auf eine faire Behandlung aller Aktionäre bedacht sein.
Bei der Wahrnehmung seiner Pflichten sollte das Board nicht als Versammlung von Vertreter*innen unterschiedlicher Interessengruppen betrachtet werden oder handeln. Zwar können einzelne Board-Mitglieder von bestimmten Aktionären nominiert oder berufen (und u. U. von anderen Aktionären abgelehnt) werden, es ist jedoch wichtig, dass die Board-Mitglieder bei der Ausübung ihrer Pflichten alle Aktionäre gleichberechtigt behandeln. Besonders entscheidend ist dies, wenn kontrollierende Aktionäre de facto in der Lage sein könnten, alle oder eine Mehrheit der Board-Mitglieder zu bestimmen.
V.C. Das Board sollte hohe ethische Standards einhalten.
Das Board trägt entscheidend zur generellen ethischen Ausrichtung des Unternehmens bei, die es nicht nur durch seine eigenen Handlungen vorgibt, sondern auch durch die Bestellung und Überwachung der Geschäftsführung und damit des Managements insgesamt. Hohe ethische Standards liegen insofern im langfristigen Interesse des Unternehmens, als sie für dessen Glaub- und Vertrauenswürdigkeit nicht nur im Tagesgeschäft, sondern auch im Hinblick auf seine längerfristigen Engagements sorgen. Damit die Ziele des Boards klar und operationell sind, haben viele Unternehmen interne Verhaltenskodizes entwickelt, die sich u. a. an beruflichen Standards und gelegentlich auch an allgemeineren Verhaltensregeln orientieren, und diese Verhaltenskodizes im gesamten Unternehmen kommuniziert. Dies kann auch eine Verpflichtung des Unternehmens (und seiner Tochtergesellschaften) umfassen, die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen sowie damit verbundene Sorgfaltspflichten zu erfüllen. Überdies verlangen die Staaten zunehmend, dass das Board die Aufsicht über Lobbying-, Finanz- und Steuerplanungsstrategien führt, um den Behörden zeitnahe und zielgenaue Informationen zu liefern und Praktiken wie z. B. aggressive Steuerplanungsstrategien zu verhindern, die nicht im langfristigen Interesse des Unternehmens und seiner Aktionäre liegen und zu rechtlichen und Reputationsrisiken führen können.
Unternehmensweit geltende Kodizes dienen als Verhaltensmaßstab sowohl für das Board als auch für die Geschäftsführung, indem sie den Rahmen für die Ausübung des Ermessensspielraums im Umgang mit unterschiedlichen und oft miteinander in Konflikt stehenden Interessengruppen vorgeben. Als Mindestanforderung sollte der Verhaltenskodex der Verfolgung von Eigeninteressen, einschließlich Transaktionen mit Aktien des Unternehmens, klare Grenzen setzen. Ein allgemeiner Rahmen für ethisches Verhalten geht über die Einhaltung der Gesetze hinaus, die natürlich stets Grundvoraussetzung sein sollte.
V.D. Das Board sollte bestimmte Schlüsselfunktionen ausüben, insbesondere:
V.D.1. Überprüfung und Ausrichtung der Unternehmensstrategie, wichtiger Handlungspläne, der Jahresbudgets und Geschäftspläne, Festlegung von Erfolgszielen, Überwachung der Umsetzung dieser Ziele und des Unternehmenserfolgs sowie Kontrolle wesentlicher Investitionen, Akquisitionen und Veräußerungen
Das Board hat die Aufgabe, die Gesamtstrategie des Unternehmens festzulegen, die Unternehmenspolitik zu bestimmen, die Leistung des Unternehmens zu beurteilen und zu steuern und die Finanzen des Unternehmens zu überwachen. Es trifft treuhänderisch wichtige Entscheidungen im Namen des Unternehmens und seiner Aktionäre. Die Strukturen und Prozesse für die Ausübung dieser Funktionen können sich in den einzelnen Unternehmen unterscheiden, beispielsweise aufgrund der Größe und Branche des Unternehmens oder der Aufgabenverteilung zwischen Aufsichtsrat und Vorstand in dualistischen Systemen. Einige Staaten empfehlen im Interesse der Transparenz, die Aufgaben des Boards in der Geschäftsordnung des Boards, der Satzung oder der Geschäftsordnung des Unternehmens zu verankern.
V.D.2. Prüfung und Bewertung der Risikomanagementpolitik und -prozesse
Die Bestimmung des Risikoprofils und der Risikokultur des Unternehmens und die Überwachung seines Risikomanagements, einschließlich interner Kontrollmechanismen, sind von wesentlicher Bedeutung für das Board und eng mit der Unternehmensstrategie verknüpft. Dies beinhaltet die Aufsicht über die Rechenschaftspflichten und Zuständigkeiten für die Risikosteuerung, sowie die Bestimmung von Art und Umfang der Risiken, die das Unternehmen bei der Verfolgung seiner Ziele einzugehen bereit ist, und der Methoden zur Steuerung der Risiken, die sich aus der Geschäftstätigkeit und den Beziehungen des Unternehmens ergeben. Die Aufsicht durch das Board liefert der Geschäftsführung somit entscheidende Leitlinien für den Umgang mit Risiken, um dem angestrebten Risikoprofil des Unternehmens zu entsprechen.
Bei der Erfüllung dieser Schlüsselfunktionen sollte das Board sicherstellen, dass wesentliche Nachhaltigkeitsfragen berücksichtigt werden. Zur Stärkung der Resilienz sollten die Boards auch sicherstellen, dass ihre Risikomanagementrahmen geeignete Mechanismen umfassen, um maßgebliche externe Risiken zu bewältigen, die das Unternehmen beeinträchtigen könnten, wie z. B. Gesundheitskrisen, Störungen der Lieferketten und geopolitische Spannungen. Diese Rahmen sollten sowohl ex ante als auch ex post wirken, da die Unternehmen einerseits ihre Resilienz für den Fall zukünftiger Krisen stärken sollten und andererseits in der Lage sein sollten, bei Eintreten eines plötzlichen Negativereignisses Krisenbewältigungsmechanismen umzusetzen.
Von entscheidender Bedeutung ist die Steuerung digitaler Sicherheitsrisiken, die dynamisch sind und sich rasch verändern können. Dabei kann es sich u. a. um Risiken im Zusammenhang mit Datensicherheit und Datenschutz, Cloud-Lösungen, Authentifizierungsmethoden und Sicherheitsvorkehrungen für Beschäftigte, die von außerhalb auf die IT-Systeme des Unternehmens zugreifen, handeln. Diese Risiken sollten, ebenso wie andere Risiken, in die Gesamtstrategie für das zyklische Risikomanagement des Unternehmens integriert werden.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Entwicklung einer Risikomanagementpolitik für Steuerrisiken. Die Boards sollten bei Einführung umfassender Risikomanagementstrategien und -systeme auch Risiken im Zusammenhang mit dem Steuermanagement und der Einhaltung steuerrechtlicher Bestimmungen berücksichtigen, um sicherzustellen, dass steuerbezogene finanzielle, regulatorische und Reputationsrisiken vollumfänglich erfasst und evaluiert werden.
In Reaktion auf regulatorische Anforderungen oder Empfehlungen zum Risikomanagement sowie neuartige Risiken haben einige Unternehmen einen Risikoausschuss eingerichtet und/oder die Rolle des Prüfungsausschusses ausgeweitet, um das Board bei der Überwachung des Risikomanagements zu unterstützen. Die Sorgfaltsgrundsätze der OECD für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln sollen den Unternehmen ebenfalls dabei helfen, ökologische und soziale Risiken und Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit und Lieferketten zu erkennen und darauf zu reagieren.
V.D.3. Überwachung der Wirksamkeit der Corporate-Governance-Praktiken des Unternehmens und Durchführung gegebenenfalls erforderlicher Korrekturen
Die Überwachung der Unternehmensführung durch das Board umfasst laufende Prüfungen der internen Unternehmensstruktur, um sicherzustellen, dass die Rechenschaftspflichten des Managements unternehmensweit klar definiert sind. Dabei sollte auch überwacht werden, ob der Corporate-Governance-Rahmen des Unternehmens bei wesentlichen Änderungen der Größe, Komplexität, Geschäftsstrategie, Märkte und regulatorischen Anforderungen des Unternehmens weiterhin geeignet ist. Viele Staaten schreiben nicht nur eine regelmäßige Überprüfung und zumindest überblicksartige Offenlegung der Corporate-Governance-Praktiken vor, sondern empfehlen bzw. fordern inzwischen auch, dass das Board seine eigene Leistung sowie die Leistung seiner Ausschüsse, der einzelnen Board-Mitglieder sowie des*der Board-Vorsitzenden und des*der Vorsitzenden der Geschäftsführung (CEO) bewertet.
V.D.4. Bestellung und Überwachung von Mitgliedern der Geschäftsführung, Überprüfung ihrer Leistungen sowie gegebenenfalls Neubesetzung und Aufsicht über die Nachfolgeplanung
Das Board sollte die Leistung von Mitgliedern der Geschäftsführung überwachen und kontrollieren, ob ihr Handeln mit der Strategie und den Maßnahmen in Einklang steht, die vom Board beschlossen wurden. Das Board sollte den*die Vorsitzende*n der Geschäftsführung (CEO) bestellen; auch andere Mitglieder der Geschäftsführung können vom Board bestellt werden. Bei der Ausübung dieser wesentlichen Funktion kann das Board von einem Nominierungsausschuss unterstützt werden, der damit betraut werden kann, die Anforderungsprofile für den*die CEO und die Board-Mitglieder zu definieren und dem Board Vorschläge für die Besetzung dieser Positionen zu unterbreiten. Viele Staaten empfehlen oder verlangen, dass alle oder die Mehrheit der Mitglieder des Nominierungsausschusses unabhängige Board-Mitglieder sind. Der Nominierungsausschuss kann zudem das Talentmanagement unterstützen und die Regeln für die Bestellung von Mitgliedern der Geschäftsführung überprüfen. In den meisten dualistischen Board-Systemen ist der Aufsichtsrat für die Bestellung des Vorstands verantwortlich, der in der Regel die Mehrheit der Geschäftsführung umfasst. Das Board sollte außerdem dafür verantwortlich sein, die Nachfolge für den*die CEO sowie möglicherweise für andere Mitglieder der Geschäftsführung zu planen, um die Unternehmenskontinuität zu sichern. Nachfolgeplanung umfasst nicht nur Vorkehrungen für Eventualitäten, sondern könnte auch als langfristiges strategisches Instrument zur Talent- und Diversitätsförderung eingesetzt werden.
V.D.5. Anpassung des Vergütungssystems für Geschäftsführung und Board an die längerfristigen Interessen des Unternehmens und der Aktionäre
Es gilt als gute Praxis für Boards, eine Erklärung über die Vergütungspolitik für Mitglieder des Boards und der Geschäftsführung auszuarbeiten und zu veröffentlichen und ihre im Einklang mit dieser Vergütungspolitik festgelegten Vergütungsniveaus offenzulegen. Diese Erklärungen können – insbesondere für Mitglieder der Geschäftsführung – den Zusammenhang zwischen Vergütung und Leistung anhand leistungsbezogener Ex-ante-Kriterien festschreiben und messbare Erfolgskriterien umfassen, die den langfristigen Interessen des Unternehmens und der Aktionäre Priorität gegenüber kurzfristigen Erwägungen einräumen. Diese messbaren Erfolgskriterien können sich u. a. auf die Aktionärsrendite (Total Shareholder Return) und geeignete Nachhaltigkeitsziele und -maßstäbe beziehen. Die Erklärungen zur Vergütungspolitik regeln zumeist die Bedingungen, die für die Vergütung der Board-Mitglieder für außerhalb ihrer Board-Tätigkeit erbrachte Leistungen, z. B. Beratungsleistungen, gelten. Häufig werden darin auch die Bedingungen für den Besitz von und den Handel mit Aktien des Unternehmens durch Mitglieder des Boards und der Geschäftsführung sowie die Verfahren für Zuteilung und Neubewertung von Aktienoptionen erläutert. In einigen Staaten liefern die Erklärungen zudem Leitlinien für die Zahlungen, die bei der Einstellung und/oder der Beendigung des Arbeitsverhältnisses von Angehörigen der Geschäftsführung zu leisten sind. Das Board kann auch die Umsetzung der Erklärung zur Vergütungspolitik überwachen.
Viele Staaten empfehlen oder verlangen, die Zuständigkeit für die Vergütungen und Verträge der Mitglieder des Boards und der Geschäftsführung einem speziellen Ausschuss des Boards zu übertragen, der sich entweder ganz oder mehrheitlich aus unabhängigen Board-Mitgliedern zusammensetzt und keine geschäftsführenden Mitglieder umfasst, bei denen eine Überkreuzmitgliedschaft in anderen Vergütungsausschüssen besteht, was zu Interessenkonflikten führen könnte. Die Einführung von Malus-Regelungen und Clawback-Klauseln gilt als gute Praxis. Solche Bestimmungen gestatten es dem Unternehmen, Vergütungen von Manager*innen einzubehalten bzw. zurückzufordern, wenn sie sich des Betrugs schuldig gemacht haben oder andere Unregelmäßigkeiten auftreten, z. B. wenn das Unternehmen gezwungen ist, seinen Jahresabschluss aufgrund wesentlicher Verstöße gegen die Rechnungslegungsvorschriften neu aufzustellen.
Die Ausgestaltung der Vergütungspolitik und der Verträge für die Mitglieder des Boards und der Geschäftsführung ist maßgeblich, um die Anreize für Entscheidungsträger*innen auf die Geschäftsstrategie, den Corporate-Governance-Rahmen und das Risikomanagement des Unternehmens abzustimmen. Diese Politik könnte jedoch ihr Ziel verfehlen, wenn sie allzu häufig angepasst wird, obwohl weder eine wesentliche Veränderung der Geschäftsstrategie noch eine strukturelle Transformation des Geschäftsumfelds eingetreten ist. Insbesondere die Wahrscheinlichkeit eines bedeutenden Konjunkturabschwungs ist ein Faktor, den die Unternehmen bei der Ausgestaltung ihrer Vergütungspolitik vernünftigerweise berücksichtigen sollten und der nicht zwangsläufig eine Anpassung dieser Politik rechtfertigt.
V.D.6. Gewährleistung eines formellen, transparenten Verfahrens für die Nominierung und Wahl der Board-Mitglieder
Die Grundsätze sehen eine aktive Rolle der Aktionäre bei der Nominierung und Wahl der Board-Mitglieder vor. Das Board – falls vorhanden, unterstützt durch einen Nominierungsausschuss – trägt maßgeblich dazu bei, die Einhaltung der Nominierungs- und Wahlverfahren sicherzustellen. Auch wenn sich die konkreten Nominierungsverfahren in den einzelnen Staaten unterscheiden können, ist das Board erstens dafür verantwortlich, die Transparenz und Einhaltung der geltenden Verfahrensregeln zu gewährleisten. Zweitens spielt das Board eine entscheidende Rolle bei der Festlegung des Profils, das die Board-Mitglieder insgesamt oder individuell gemäß dem jeweiligen Bedarf des Unternehmens aufweisen müssen, um die im Board vorhandenen Kompetenzen durch geeignete Kenntnisse, Fähigkeiten und fachliche Erfahrungen zu ergänzen. Drittens obliegt es dem Board oder dem Nominierungsausschuss, potenzielle Kandidat*innen zu identifizieren, die diesem Profil entsprechen, und sie den Aktionären vorzuschlagen, und/oder die Kandidat*innen zu prüfen, die von Aktionären vorgeschlagen wurden. Die Interaktion und der Dialog des Boards mit den Aktionären können die effektive Umsetzung dieser Verfahren fördern, sofern das Board dafür sorgt, dass Transparenz und Gleichbehandlung gewährleistet sind und keine internen und geschäftskritischen Informationen offengelegt werden. Als gute Praxis für die Besetzung von Board-Positionen gelten offene Verfahren, die ein breites Spektrum von Kandidat*innen mit unterschiedlichstem persönlichem Hintergrund ansprechen, um den Diversitätszielen und den sich verändernden Risiken für das Unternehmen Rechnung zu tragen.
V.D.7. Überwachung und Regelung potenzieller Interessenkonflikte von Mitgliedern der Geschäftsführung und des Boards sowie Aktionären, u. a. in Bezug auf die missbräuchliche Nutzung von Gesellschaftsvermögen sowie Missbrauch bei Geschäften mit nahestehenden Unternehmen und Personen
Das Board sollte die Aufsicht über die Einführung und Anwendung von Maßnahmen zur Aufdeckung potenzieller Interessenkonflikte führen. Wenn sich diese Konflikte nicht vermeiden lassen, sollten sie ordnungsgemäß geregelt werden. Eine wichtige Aufgabe des Boards ist die Aufsicht über die internen Systeme zur Kontrolle der Rechnungslegung und der Verwendung des Gesellschaftsvermögens sowie die Verhinderung von Missbrauch bei Geschäften mit nahestehenden Unternehmen und Personen. Diese Aufgabe wird häufig der Innenrevision übertragen, die direkte Kontakte zum Board unterhalten sollte. Wenn andere Führungskräfte des Unternehmens, wie z. B. der Syndikus, für diese Aufgabe zuständig sind, ist es wichtig, dass für sie ähnliche Berichtspflichten gelten wie für die Innenrevision.
Es ist wichtig, dass das Board im Rahmen seiner Aufsichtspflichten auch die Whistleblowing-Politik des Unternehmens überwacht, um die Integrität, Unabhängigkeit und Vertraulichkeit der Whistleblowing-Verfahren sicherzustellen und Hinweisgeber*innen zu ermutigen, unethisches oder rechtswidriges Verhalten zu melden, ohne Repressalien befürchten zu müssen. Die Existenz eines öffentlich einsehbaren Verhaltenskodex für das Unternehmen dürfte diesen Prozess erleichtern, der zudem durch gesetzliche Schutzmaßnahmen für die betroffenen Personen ergänzt werden sollte. Der Prüfungsausschuss, ein Ethikausschuss oder ein vergleichbares Organ sollte eine Kontaktstelle für Beschäftigte einrichten, die Probleme im Zusammenhang mit unethischem oder rechtswidrigem Verhalten, das auch die Integrität der Rechnungslegung gefährden könnte, vertraulich melden möchten.
V.D.8. Gewährleistung der Integrität der Rechnungslegungs- und Berichtssysteme des Unternehmens für Offenlegungszwecke, einschließlich der unabhängigen Abschlussprüfung, sowie der Anwendung geeigneter Kontrollsysteme, die den geltenden Gesetzen und Standards entsprechen
Das Board sollte Führungsinitiative zeigen, um zu gewährleisten, dass ein wirkungsvoller Mechanismus der Risikoaufsicht gegeben ist. Um die Integrität der wesentlichen Berichts- und Überwachungssysteme zu gewährleisten, muss das Board für das gesamte Unternehmen klare Zuständigkeiten und Rechenschaftspflichten festlegen und deren Einhaltung durchsetzen. Das Board muss ferner sicherstellen, dass eine geeignete Aufsicht durch die Unternehmensleitung gewährleistet ist.
Dies beinhaltet in der Regel die Einrichtung einer internen Revisionsabteilung (Innenrevision). Sie kann einen entscheidenden und kontinuierlichen Beitrag zur umfassenden Überwachung der internen Kontrollmechanismen und Geschäftsabläufe des Unternehmens durch den Prüfungsausschuss des Boards oder ein äquivalentes Organ leisten. Die Rolle und die Funktionen der Innenrevision unterscheiden sich in den einzelnen Staaten, sie können aber die Prüfung und Evaluierung der Unternehmensführung, des Risiko-managements und der internen Kontrollverfahren umfassen. Es gilt als gute Praxis, dass die internen Prüfenden einem unabhängigen Prüfungsausschuss des Boards oder einem äquivalenten Organ berichten, der bzw. das auch für die Beziehungen zum externen Abschlussprüfer zuständig ist, um so eine koordinierte Reaktion des Boards zu ermöglichen. Sowohl die Funktionen der Innenrevision als auch der externen Abschlussprüfer sollten klar artikuliert werden, damit das Board dafür sorgen kann, die bestmögliche Prüfungsqualität zu erhalten. Es sollte zudem als gute Praxis für den Prüfungsausschuss bzw. das äquivalente Organ gelten, die wichtigsten Grundsätze, auf denen die Finanzberichte und andere Unternehmensberichte beruhen, zu prüfen und dem Board darüber zu berichten. Das Board selbst sollte jedoch in letzter Instanz für die Aufsicht über das Risikomanagementsystem des Unternehmens und die Sicherung der Integrität der Berichtssysteme verantwortlich sein. In einigen Staaten ist eine Berichterstattung des*der Board-Vorsitzenden über den internen Kontrollprozess vorgesehen. Unternehmen mit hohen bzw. komplexen Risiken (finanzieller und nichtfinanzieller Art), wie etwa Konzerne, sollten die Einführung ähnlicher Berichtssysteme, z. B. eine direkte Berichterstattung gegenüber dem Board, für das konzernweite Risikomanagement und die Aufsicht über Kontrollmechanismen in Betracht ziehen.
Den Unternehmen wird ferner angeraten, interne Kontrollmechanismen, Ethikregeln und Compliance-Programme oder Maßnahmen zur Förderung der Einhaltung der geltenden Gesetze, Vorschriften und Standards, wie z. B. Bestimmungen, die die Bestechung ausländischer Amtsträger – wie im OECD-Übereinkommen zur Bekämpfung der Bestechung gefordert – sowie andere Formen von Bestechung und Korruption zum Straftatbestand erklären, einzuführen und deren Wirksamkeit zu gewährleisten. Die Compliance-Kontrolle muss sich auch auf andere Gesetze und Vorschriften, z. B. zu Wertpapieren, Steuern, Wettbewerb sowie Arbeitsbedingungen und Arbeitsschutz, beziehen. Zudem muss sie sich möglicherweise auf gesetzliche Regelungen zu Menschenrechten, Umweltschutz, Betrug und Geldwäsche erstrecken. Derartige Compliance-Programme stärken auch den Verhaltenskodex des Unternehmens. Um wirkungsvoll zu sein, muss die Anreizstruktur des Unternehmens mit dessen ethischen und professionellen Grundsätzen in Einklang stehen, sodass die Beachtung dieser Grundsätze belohnt und Gesetzesverstößen mit Abschreckungs- bzw. Strafmaßnahmen begegnet wird. Die Compliance-Programme sollten sich auch auf Tochtergesellschaften und soweit möglich auf Dritte, wie z. B. Bevollmächtigte und andere Intermediäre, Berater, Vertreter, Vertriebshändler, Auftragnehmer und Lieferanten, Konsortialpartner und Joint-Venture-Partner, erstrecken.
V.D.9. Aufsicht über den Prozess der Offenlegung und der Unternehmenskommunikation
Die Aufgaben und Pflichten von Board und Geschäftsführung im Hinblick auf Offenlegung und Kommunikation müssen vom Board klar festgelegt werden. In einigen Staaten gilt die Bestellung eines*einer Investor-Relations-Beauftragten, der*die direkt dem Board berichtet, als empfehlenswerte Praxis für börsennotierte Unternehmen.
V.E. Das Board sollte in der Lage sein, sich ein objektives, unabhängiges Urteil über Unternehmensangelegenheiten zu bilden.
Um seine Pflichten in Bezug auf die Überwachung der Geschäftsführung, die Verhinderung von Interessenkonflikten und den Ausgleich zwischen miteinander konkurrierenden Unternehmensanforderungen erfüllen zu können, muss das Board in der Lage sein, sich ein objektives Urteil zu bilden. An erster Stelle bedeutet dies Unabhängigkeit und Objektivität gegenüber der Geschäftsführung, was wichtige Kon-sequenzen für die Zusammensetzung und den Aufbau des Boards hat. Um die Unabhängigkeit des Boards in diesem Kontext zu gewährleisten, muss in der Regel ein hinreichender Anteil der Board-Mitglieder sowie der Mitglieder wichtiger Ausschüsse von der Geschäftsführung unabhängig sein.
In Staaten mit monistischen Board-Systemen kann die Objektivität des Boards und seine Unabhängigkeit von der Geschäftsführung durch die Trennung der Aufgaben des*der Vorsitzenden der Geschäftsführung (CEO) von denen des*der Board-Vorsitzenden (Chair) gestärkt werden. Die Trennung der beiden Ämter gilt als gute Praxis, da damit das erforderliche Kräftegleichgewicht gefördert, die Rechenschaftspflicht verstärkt und dem Board bei der Entscheidungsfindung zu mehr Unabhängigkeit gegenüber der Geschäftsführung verholfen wird. Als empfehlenswerte Alternative hierzu gilt in einigen Staaten die Ernennung eines Lead Director, d. h. eines federführenden Board-Mitglieds, das unabhängig von der Geschäftsführung ist. Diese Rolle muss jedoch mit hinreichender Autorität ausgestattet sein, um in Fällen, in denen für die Geschäftsführung ein klarer Konflikt besteht, die Führung des Boards wahrzunehmen. Solche Mechanismen können auch dazu beitragen, eine gute Unternehmensführung und ein wirksames Funktionieren des Boards zu gewährleisten. Der*die Board-Vorsitzende bzw. unabhängige Lead Director kann in einigen Staaten durch eine*n Gesellschaftssekretär*in unterstützt werden.
In dualistischen Systemen wird die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats von der Geschäftsführung dadurch gestärkt, dass ihm keine Mitglieder der Geschäftsführung angehören. In diesen Systemen sollte geprüft werden, inwieweit es zu Corporate-Governance-Problemen kommen kann, falls es üblich ist, dass der*die Vorstandsvorsitzende nach dem Ausscheiden aus der Geschäftsführung den Vorsitz des Aufsichtsrats übernimmt.
Wie die Objektivität des Boards gefördert werden kann, hängt auch von der Eigentumsstruktur des Unternehmens ab. Ein kontrollierender Aktionär hat erheblichen Einfluss auf die Bestellung des Boards und indirekt auch der Geschäftsführung. Das Board hat gleichwohl eine treuhänderische Verantwortung gegenüber dem Unternehmen und der Gesamtheit seiner Aktionäre, einschließlich der Minderheitsaktionäre.
Aufgrund der Verschiedenartigkeit der Board-Strukturen, der Eigentumsverhältnisse und der gängigen Praxis sind in den einzelnen Staaten unterschiedliche Ansätze erforderlich, um die Objektivität des Boards zu gewährleisten. Voraussetzung hierfür ist in vielen Fällen, dass eine hinreichende Zahl von Board-Mitgliedern weder von dem betreffenden Unternehmen oder dessen Konzerngesellschaften beschäftigt wird noch zu dem Unternehmen oder seiner Geschäftsleitung enge wirtschaftliche, familiäre oder sonstige Beziehungen unterhält. Dies steht einer Mitgliedschaft von Aktionären des Unternehmens im Board nicht entgegen. In anderen Fällen muss besonderes Gewicht auf die Unabhängigkeit von kontrollierenden Aktionären und Großaktionären gelegt werden, insbesondere wenn die Ex-ante-Rechte der Minderheitsaktionäre gering und ihre Möglichkeiten, Entschädigung zu erhalten, begrenzt sind. Daher verlangen sowohl die Verhaltenskodizes als auch gesetzliche Bestimmungen in den meisten Staaten, dass zumindest einige Board-Mitglieder von kontrollierenden Aktionären und Großaktionären unabhängig sind, was u. a. bedeutet, dass sie weder als deren Vertreter*innen agieren noch enge Geschäftsbeziehungen mit ihnen unterhalten dürfen. In wieder anderen Fällen können Dritte, so z. B. bestimmte Gläubiger, ebenfalls erheblichen Einfluss ausüben. Die Definition eines Großaktionärs ist zwar in den einzelnen Staaten unterschiedlich, orientiert sich jedoch üblicherweise an bestimmten Mindestbeteiligungsschwellen. Befindet sich ein Akteur in einer besonderen Position der potenziellen Einflussnahme auf das Unternehmen, so sollte durch strenge Tests sichergestellt werden, dass die objektive Urteilsfähigkeit des Boards gewährleistet ist.
In den Corporate-Governance-Kodizes oder Börsenzulassungskriterien einiger Länder umfasst die Definition der Unabhängigkeit von Board-Mitgliedern detaillierte Ausführungen dazu, wann nicht von Unabhängigkeit auszugehen ist. Solche „Negativkriterien“, mit denen definiert wird, in welchen Fällen eine Person nicht als unabhängig zu betrachten ist, können durch „Positivbeispiele“ für Merkmale ergänzt werden, durch die sich die Wahrscheinlichkeit einer effektiven Unabhängigkeit erhöht. Die einzelnen Staaten haben unterschiedliche Ansätze für die Definition von Unabhängigkeit, sie orientieren sich jedoch generell an einer Reihe von Kriterien. Als unabhängig gelten beispielsweise Personen, die keine Beziehungen zu dem Unternehmen, der Unternehmensgruppe und der Geschäftsleitung, dem Abschlussprüfer und den Großaktionären unterhalten, und die außer der Vergütung für ihr Board-Mandat weder direkte noch indirekte Vergütungen von dem Unternehmen oder der Unternehmensgruppe erhalten. Möglicherweise ist das Board auch verpflichtet, ausdrücklich festzustellen, dass ein Board-Mitglied von dem Unternehmen unabhängig ist, weil es keine wesentliche Beziehung zu dem Unternehmen unterhält, oder dass das Board-Mitglied keine Beziehung unterhält, die es ihm erschweren würde, sich bei der Ausübung seiner Aufgaben als Board-Mitglied ein unabhängiges Urteil zu bilden. In vielen Staaten gilt zudem eine begrenzte Mandatsdauer für Board-Mitglieder, um als unabhängig erachtet zu werden.
Unabhängige Board-Mitglieder können eine wichtige Rolle bei der Entscheidungsfindung des Boards spielen. Sie können eine objektive Perspektive in die Leistungsbewertung von Board und Geschäftsführung einbringen. Zudem können sie einen wichtigen Beitrag in Bereichen leisten, in denen die Interessen von Geschäftsführung, Unternehmen und Aktionären u. U. voneinander abweichen, wie z. B. Vergütung des geschäftsführenden Personals, Nachfolgeplanung, etwaige Änderungen der Unternehmenskontrolle, Maßnahmen zur Abwehr von Übernahmen, große Akquisitionen und Rechnungsprüfung. Um diese entscheidende Rolle wahrnehmen zu können, sollte das Board bekannt geben, welche seiner Mitglieder es als unabhängig betrachtet und auf welche Kriterien sich diese Beurteilung stützt. Manche Staaten schreiben auch regelmäßige getrennte Sitzungen der unabhängigen Board-Mitglieder vor.
V.E.1. Das Board sollte erwägen, für Aufgaben, bei denen die Möglichkeit von Interessenkonflikten besteht, eine hinreichende Zahl von unabhängigen Board-Mitgliedern zu benennen, die zu einer unabhängigen Urteilsbildung in der Lage sind. Zu solchen Kernaufgaben gehören die Sicherung der Integrität der finanziellen und anderweitigen Unternehmensberichterstattung, die Prüfung von Geschäften mit nahestehenden Unternehmen und Personen sowie die Nominierung und Vergütung von Mitgliedern des Boards und der Geschäftsführung.
Auch wenn die Verantwortung für die Unternehmensberichterstattung sowie Vergütungs- und Nominierungsentscheidungen häufig beim Board als Ganzes liegt, können unabhängige Board-Mitglieder den Marktteilnehmern eine zusätzliche Gewähr dafür bieten, dass ihre Interessen gewahrt werden. Das Board sollte die Einrichtung spezieller Ausschüsse zur Prüfung von Fragen erwägen, bei denen die Möglichkeit von Interessenkonflikten besteht. Diese Ausschüsse sollten sich zu einem bestimmten Teil oder vollständig aus unabhängigen Board-Mitgliedern zusammensetzen. In einigen Staaten gilt es als gute Praxis, dass der Vorsitz in diesen Ausschüssen von unabhängigen nicht der Geschäftsführung angehörenden Board-Mitgliedern übernommen wird. In manchen Staaten liegt die Zuständigkeit für die Nominierung und Bestellung unabhängiger Board-Mitglieder für diese besonderen Funktionen unmittelbar bei den Aktionären.
V.E.2. Boards sollten die Einrichtung von Fachausschüssen in Betracht ziehen, um das Board als Ganzes bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen, vor allem einen Prüfungsausschuss – oder ein äquivalentes Organ – zur Überwachung der Offenlegung, der internen Kontrollmechanismen und prüfungsbezogener Angelegenheiten. Je nach Größe, Struktur, Komplexität und Risikoprofil des Unternehmens kann das Board auch durch andere Ausschüsse, wie z. B. einen Vergütungsausschuss, Nominierungsausschuss oder Risikomanagementausschuss, unterstützt werden. Die Mandate, Zusammensetzung und Arbeitsprozesse der Ausschüsse sollten klar definiert und vom Board offengelegt werden. Die volle Verantwortung für die getroffenen Entscheidungen verbleibt beim Board.
Sofern es angesichts der Größe, der Struktur, des Sektors oder des Entwicklungsstands des Unternehmens sowie der Anforderungen des Boards und des Profils seiner Mitglieder gerechtfertigt ist, kann die Nutzung von Ausschüssen die Arbeit des Boards verbessern und eine stärkere Fokussierung auf bestimmte Bereiche ermöglichen. Damit der Markt die Vorteile von Board-Ausschüssen besser evaluieren kann, ist es wichtig, ihm ein vollständiges und klares Bild von deren Mandat, Zuständigkeitsbereich, Arbeitsprozessen und Zusammensetzung zu vermitteln. Besonders wichtig sind derartige Informationen in den zahlreichen Ländern, in denen die Boards verpflichtet sind, unabhängige Prüfungsausschüsse einzurichten, die ermächtigt sind, die Beziehungen zum externen Prüfer zu überwachen. Die Prüfungs-ausschüsse sollten zudem in der Lage sein, die Wirksamkeit und Integrität des internen Kontrollsystems, das die Innenrevision einschließen kann, zu überwachen.
Die meisten Staaten geben verbindliche Regeln für die Verfahrensweisen und Funktionen eines unabhängigen Prüfungsausschusses vor und empfehlen die Einrichtung von Nominierungs- und Vergütungsausschüssen auf „Comply or Explain“-Basis. Für Unternehmen im Finanzsektor sind Risikoausschüsse in der Regel vorgeschrieben. Einige Staaten regulieren auch das Risikomanagement von nichtfinanziellen Unternehmen, indem sie verlangen oder empfehlen, dass diese Aufgabe entweder dem Prüfungsausschuss oder einem speziellen Risikoausschuss übertragen wird. Eine Aufgabenteilung zwischen Prüfungsausschuss und Risikoausschuss kann in Anbetracht des größeren Bewusstseins für Risiken, die über das finanzielle Risiko hinausgehen, zweckmäßig sein, damit eine Überlastung des Prüfungsausschusses vermieden wird und mehr Zeit für die Befassung mit Risikomanagementaspekten zur Verfügung steht.
Die Einrichtung von Ausschüssen für weitere Bereiche sollte den Unternehmen selbst überlassen bleiben und sollte flexibel und den Bedürfnissen des Boards entsprechend gestaltet werden. Einige Boards haben einen Nachhaltigkeitsausschuss geschaffen, der das Board im Hinblick auf soziale und ökologische Risiken, Chancen, Ziele und Strategien, z. B. im Zusammenhang mit dem Klimawandel, berät. Manche Boards haben zudem einen Ausschuss eingerichtet, der sie bei der Steuerung digitaler Sicherheitsrisiken und der digitalen Transformation des Unternehmens berät. Als Reaktion auf besondere Erfordernisse oder Unternehmenstransaktionen können auch temporäre Ad-hoc- oder Sonderausschüsse eingerichtet werden. Die Offenlegungspflichten müssen sich nicht auf Sonderausschüsse erstrecken, die eingerichtet wurden, um sich beispielsweise mit vertraulichen geschäftlichen Transaktionen zu befassen. Ausschüsse sollten Zugang zu den für ihre Aufgaben erforderlichen Informationen haben, eine angemessene Finanzierung erhalten und externe Sachverständige oder Berater engagieren.
Ausschüsse haben eine Überwachungs- und Beratungsfunktion. Es muss jedoch klar sein, dass die Verantwortung für Entscheidungen – sofern nicht gesetzlich anderweitig festgelegt – in vollem Umfang beim gesamten Board verbleibt, und die Aufsicht und Rechenschaftspflicht des Boards sollte unmissverständlich sein.
V.E.3. Board-Mitglieder sollten in der Lage sein, ihren Verpflichtungen effektiv nachzukommen.
Eine Tätigkeit in zu vielen Boards oder Ausschüssen kann die Leistung eines Board-Mitglieds beeinträchtigen. In einigen Ländern wurde die Zahl der pro Kopf zulässigen Board-Mandate beschränkt. Wichtiger als pauschale Beschränkungen könnte aber sein, dass die Board-Mitglieder in den Augen der Aktionäre hinreichend legitimiert sind und deren Vertrauen besitzen. Die Offenlegung von Mitgliedschaften und Vorsitzen in anderen Boards und Ausschüssen gegenüber den Aktionären ist daher ein wichtiges Instrument, um die Besetzung von Boards und Ausschüssen zu verbessern. Für den Legitimitätsanspruch der einzelnen Board-Mitglieder dürfte es auch von Vorteil sein, wenn die Anwesenheitsprotokolle (aus denen ersichtlich ist, ob ein Board-Mitglied häufig bei Sitzungen gefehlt hat) sowie etwaige andere im Auftrag des Boards durchgeführte Arbeiten einzelner Mitglieder einschließlich der entsprechenden Vergütung offengelegt werden.
V.E.4. Die Boards sollten regelmäßige Evaluierungen durchführen, um ihre eigene Leistung zu beurteilen und zu untersuchen, ob sie über die richtige Kombination an persönlichen und Kompetenzprofilen verfügen, u. a. im Hinblick auf die Geschlechtergleichstellung und andere Formen von Diversität.
Um die Funktionsweise des Boards und die Leistung seiner Mitglieder zu verbessern, halten mittlerweile immer mehr Staaten die Unternehmen zu Evaluierungen und Schulungen ihrer Boards und Ausschüsse an. Viele Corporate-Governance-Kodizes empfehlen eine jährliche Evaluierung des Boards, die bisweilen durch externe Akteure unterstützt werden kann, um die Objektivität zu erhöhen.
Sofern nicht bestimmte Qualifikationen vorausgesetzt werden, wie z. B. bei Finanzinstituten, müssen sich die Board-Mitglieder u. U. nach ihrer Mandatsübernahme durch Schulungen oder anderweitige Maßnahmen die nötigen Kompetenzen aneignen. Anschließend können solche Maßnahmen den Board-Mitgliedern helfen, sich über einschlägige neue Gesetze und Vorschriften sowie sich verändernde Geschäfts- und sonstige Risiken auf dem Laufenden zu halten.
Um Gruppendenken zu vermeiden und eine größere Ideenvielfalt in die Beratungen des Boards einzubringen, können Boards auch mithilfe von Evaluierungsmechanismen prüfen, ob sie insgesamt über die richtige Kombination an persönlichen und Kompetenzprofilen verfügen. Dies kann sich auf Diversitätskriterien wie Geschlecht, Alter oder andere demografische Merkmale beziehen sowie auf die Erfahrung und Expertise in Bereichen wie beispielsweise Rechnungswesen, Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Risikomanagement oder in bestimmten Sektoren.
Um die Geschlechterdiversität zu fördern, verlangen oder empfehlen viele Staaten, dass börsennotierte Unternehmen die Geschlechterzusammensetzung des Boards und des Topmanagements offenlegen. Einige Staaten haben verbindliche Quoten oder freiwillige Ziele für die Besetzung von Board-Mandaten mit Frauen eingeführt und konkrete Ergebnisse erzielt. Staaten und Unternehmen sollten darüber hinaus zusätzliche, komplementäre Maßnahmen in Betracht ziehen, um den weiblichen Führungsnachwuchs innerhalb des Unternehmens zu fördern, und andere Politikmaßnahmen verstärken, die auf eine Verbesserung der Diversität von Board und Geschäftsführung abzielen. Komplementäre Maßnahmen können von staatlichen, privaten und öffentlich-privaten Initiativen ausgehen. Sie umfassen beispielsweise Advocacy- and Sensibilisierungsmaßnahmen, Netzwerk-, Mentoring- und Schulungsprogramme, die Gründung von Förderverbänden (z. B. Branchenverbände für Frauen) oder Peer-Pressure durch Zertifizierungen, Auszeichnungen oder Listen von gleichstellungskonformen Unternehmen sowie eine Überprüfung der Rolle des Nominierungsausschusses und der Methoden für die Personalgewinnung. Einige Staaten haben auch Leitlinien oder Vorschriften entwickelt, um andere Formen von Diversität zu fördern, z. B. im Hinblick auf Erfahrung, Alter und andere demografische Merkmale.
V.F. Die Mitglieder des Boards sollten, damit sie ihren Pflichten angemessen nachkommen können, über exakte, relevante und zeitnahe Informationen verfügen.
Die Board-Mitglieder sind darauf angewiesen, rechtzeitig mit den als Entscheidungsgrundlage notwendigen Informationen versorgt zu werden. Nicht geschäftsführende Board-Mitglieder verfügen in der Regel nicht über denselben Zugang zu Informationen wie das Topmanagement des Unternehmens. Der Beitrag der nicht geschäftsführenden Board-Mitglieder zum Unternehmenserfolg kann erhöht werden, indem sie Zugang zu bestimmten Mitgliedern der Geschäftsführung, wie z. B. dem*der Gesellschaftssekretär*in, dem*der Leiter*in der Innenrevision oder dem*der Leiter*in des Risikomanagements bzw. Chief Risk Officer, erhalten und auf Kosten des Unternehmens unabhängige externe Beratung in Anspruch nehmen können.
Damit sie ihren Verpflichtungen angemessen nachkommen können, sollten die Board-Mitglieder Zugang zu exakten, relevanten und zeitnahen Informationen haben und den Erhalt dieser Informationen sicherstellen. Ist ein börsennotiertes Unternehmen die Muttergesellschaft eines Konzerns, sollte der Regulierungsrahmen auch dafür sorgen, dass die Board-Mitglieder Zugang zu wesentlichen Informationen über die Aktivitäten der Tochtergesellschaften haben, um konzernweite Risiken steuern und konzernweite Ziele umsetzen zu können. Bei der Einrichtung von Board-Ausschüssen sollten wirksame Mechanismen eingeführt werden, die gewährleisten, dass das gesamte Board Zugang zu relevanten Informationen hat. Gleichzeitig sollte der Regulierungsrahmen Schutzmechanismen vorsehen, damit diese Informationen von Eingeweihten nicht zu ihrem eigenen Vorteil oder zum Vorteil anderer genutzt werden. Wenn Unternehmen mit komplexen Risikomanagementmodellen arbeiten, sollten die Board-Mitglieder auf eventuelle Mängel dieser Modelle hingewiesen werden.
V.G. Wenn eine Arbeitnehmervertretung im Board vorgeschrieben ist, sollten Mechanismen entwickelt werden, um den Zugang der Arbeitnehmervertreter*innen zu Informationen und Weiterbildungen zu erleichtern, damit gewährleistet ist, dass diese Vertretung effektiv wahrgenommen wird und optimal zur Kompetenz, zum Informationsstand und zur Unabhängigkeit des Boards beiträgt.
Wenn eine Vertretung der Arbeitnehmer*innen im Board gesetzlich oder tarifvertraglich vorgeschrieben ist oder auf freiwilliger Basis eingeführt wurde, sollte sie so organisiert sein, dass sie einen größtmöglichen Beitrag zur Unabhängigkeit, zur Kompetenz, zum Informationsstand und zur Diversität des Boards leistet. Die Arbeitnehmervertreter*innen sollten dieselben Pflichten und Aufgaben haben wie alle anderen Board-Mitglieder und im besten Interesse des Unternehmens handeln.
Es sollten Verfahren eingerichtet werden, um den Arbeitnehmervertreter*innen im Board den Zugang zu Informationen, Weiterbildungen und Fachwissen zu erleichtern und ihre Unabhängigkeit von dem*der CEO und der Geschäftsführung zu sichern. Dies beinhaltet geeignete und transparente Bestellungsverfahren, das Recht zur regelmäßigen Berichterstattung gegenüber den Arbeitnehmer*innen – vorausgesetzt die Vertraulichkeitsanforderungen des Boards werden gebührend beachtet –, Weiterbildungen sowie klare Verfahren zur Regelung von Interessenkonflikten. Voraussetzung dafür, dass die Arbeitnehmer-vertreter*innen einen positiven Beitrag zur Arbeit des Boards leisten, sind auch Akzeptanz und konstruktive Kooperation seitens der anderen Board-Mitglieder und der Geschäftsleitung.