In diesem Kapitel wird analysiert, wie Deutschland das Humankapital im öffentlichen Auftragswesen steuert. Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung profitieren von einer fundierten Ausbildung. Der derzeitige Ansatz der öffentlichen Hand in Deutschland zielt auf Ausbildung und Beschäftigung von Generalisten ab. Allerdings erfordern die zu erwartenden Herausforderungen in den kommenden Jahren zunehmend spezialisierte Mitarbeiter für öffentliche Beschaffungsverfahren. Zur Erzielung der größtmöglichen Wirkung der öffentlichen Beschaffung könnte Deutschland einen strategischen Ansatz verfolgen, um öffentliche Beschaffung als Beruf zu etablieren. Die Entwicklung einer systematischen Ausbildung für Beschaffer könnte eine weitere Spezialisierung ermöglichen und Beschaffer in die Lage versetzen, sich den Herausforderungen immer komplexerer strategischer Beschaffungsprozesse zu stellen.
Öffentliche Vergabe in Deutschland
6. Humankapital im öffentlichen Auftragswesen in Deutschland
Abstract
Die statistischen Daten für Israel wurden von den zuständigen israelischen Stellen bereitgestellt, die für sie verantwortlich zeichnen. Die Verwendung dieser Daten durch die OECD erfolgt unbeschadet des völkerrechtlichen Status der Golanhöhen, von Ost-Jerusalem und der israelischen Siedlungen im Westjordanland.
Wie jede staatliche Tätigkeit hängen die Ergebnisse der öffentlichen Beschaffung von den Fähigkeiten der Personen ab, die sie umsetzen. Daher ist es für die Erreichung strategischer Beschaffungsziele von größter Bedeutung, Beschaffer mit den erforderlichen Fähigkeiten auszurüsten.
In Deutschland besteht eine allgemeine Spannung zwischen zwei Aspekten der öffentlichen Verwaltung. Einerseits erfordert Deutschlands zunehmendes Bestreben nach strategischerer Beschaffung und einer stärkeren Zentralisierung der öffentlichen Beschaffung hochspezialisierte Beschaffungsexperten. Andererseits basiert der traditionelle und bewährte Ansatz des Personalmanagements in der deutschen Verwaltung auf Generalisten. Wie die meisten deutschen Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung sind auch die Beschaffer eher Generalisten. In diesem Kapitel wird untersucht, wie diese beiden Ansätze am vorteilhaftesten kombiniert werden können.
Wie viele andere Länder steht auch Deutschland vor der Herausforderung, im öffentlichen Dienst möglichst wirtschaftlich zu agieren. Angesichts dieser Herausforderung legen OECD-Mitgliedstaaten einen verstärkten Fokus auf die wirtschaftliche Dimension der öffentlichen Verwaltung und ihrer Auswirkungen. In den letzten zehn Jahren sah sich die Mehrheit der OECD-Länder mit steigenden Ausgaben für die Erbringung ihrer Leistungen konfrontiert. Den größten Anteil an diesen erhöhten Ausgaben haben Gehälter für Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung (siehe Abbildung 6.1). Auf der Suche nach Wegen aus dieser Situation heraus streben viele Staaten danach, die Effektivität ihrer Mitarbeiter zu erhöhen und gleichzeitig zu versuchen, ihre Ausgaben zu senken (OECD, 2016[1]).
Während einige Länder nach der Wirtschaftskrise von 2007 und 2008 ihre Ausgaben senken, müssen die meisten Länder derzeit ihre Effizienz steigern um die Wirtschaftlichkeit öffentlicher Beschaffung und ihres Einflusses sicherzustellen. Die Ausgaben für Beschaffer werden statistisch als Teil der Gehälter für Beschäftigte der öffentlichen Verwaltung erfasst. Darüber hinaus wirkt sich die Effektivität der Beschaffer auf den Rest der Produktionskosten der Verwaltung aus. Die wirtschaftlichen Auswirkungen einer öffentlichen Vergabe hängen in hohem Maße von der individuellen Fähigkeit der Beschaffer ab, Beschaffungsvorhaben intelligent umzusetzen. Der Aufbau von Kapazitäten, also Kenntnissen, Fähigkeiten und Personalstärke von Beschaffern, ist daher von zentraler Bedeutung, um einen angemessenen Mehrwert für das Geld der Steuerzahler zu erzielen. Beschaffer verwalten heute oft komplexe Prozesse, die breitere Fähigkeiten erfordern als die Kenntnisse die zur Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften nötig sind. Die Entscheidungsfindung bei der Berücksichtigung strategischer, komplementärer Beschaffungsziele erfordert beispielsweise eine strategische Herangehensweise (OECD, 2017[3]). Darüber hinaus zeigt sich, dass Orientierungshilfen und Schulungen für Beschaffer dafür sorgen, dass die Beschaffer verfügbare zentrale Beschaffungsmöglichkeiten häufiger und effizienter nutzen. Orientierungshilfen und Schulungen können Staaten daher helfen, auch jene wirtschaftlichen Ziele zu erreichen, die durch eine verstärkt genutzte zentralisierte öffentliche Beschaffung verfolgt werden (Kauppi and van Raaij, 2015[4]).
Da das deutsche öffentliche Auftragswesen über Vergabestellen auf mehreren staatlichen Ebenen verfügt, ist die Verbreitung von Kompetenzen im gesamten System ein Weg, um hohe Leistungsfähigkeit auf breiter Front zu gewährleisten. Die Erfahrungen Neuseelands bei der Umsetzung einer Strategie zum Ausbau von Vergabekapazität könnten ein Vorbild für Deutschland sein. Neuseelands Strategie hat ihren Ursprung in der Erkenntnis, dass eine Zentralisierung der Gesamtheit aller Beschaffungsvorhaben nicht umsetzbar war. Infolgedessen arbeitete Neuseeland daran, die Fähigkeiten der Vergabestellen auf zentraler Ebene zu verbessern und den Beschaffern auf dieser Ebene Orientierungshilfen zu geben.
Neben den oben genannten Anreizen für Kosteneinsparungen durch eine erhöhte Kapazität der Beschaffer haben Studien gezeigt, dass strukturiertes und spezialisiertes Personalmanagement in der öffentlichen Verwaltung von entscheidender Bedeutung für eine verbesserte öffentliche Beschaffung ist. Meritokratie in der öffentlichen Beschaffung trägt dazu bei Korruption zu verringern – was wiederum in einem geringeren Risiko für Vergeudung öffentlicher Mittel resultiert (Charron, Dahlström and Lapuente, 2017[5]).
In der OECD Recommendation of the Council on Public Procurement (OECD-Empfehlung des Rates über die öffentliche Beschaffung) wird betont, dass der Aufbau von Vergabekapazitäten und die Professionalisierung der öffentlichen Beschaffung wichtig sind, um die Wirksamkeit der öffentlichen Verwaltung zu erhalten. Darüber hinaus wird in der Empfehlung die Kapazität als einer der Grundsätze eines wirksamen öffentlichen Beschaffungssystems genannt. Gemäß der Empfehlung definieren drei Merkmale die Kapazität der öffentlichen Beschaffung (OECD, 2016[6]; OECD, 2015[7]):
hohe professionelle Standards für Wissen, praktische Umsetzung und Integrität
attraktive, wettbewerbsfähige und leistungsorientierte Karrieremöglichkeiten speziell für Mitarbeiter in der öffentlichen Beschaffung
kollaborative Ansätze mit Wissenszentren.
Feld 6.1 beschreibt das Prinzip „Kapazität“ der OECD Recommendation of the Council on Public Procurement.
Feld 6.1. OECD Recommendation of the Council on Public Procurement – Das Prinzip der Kapazität
Der Rat:
EMPFIEHLT, dass teilnehmende Regierungen eine Vergabebelegschaft entwickeln, die ein dauerhaftes Preis-Leistungs-Verhältnis effizient und effektiv anbieten kann.
Zu diesem Zweck sollten die Staaten, die der Empfehlung nachkommen, Folgendes tun:
i) Sicherstellen, dass Beschaffer hohe professionelle Standards im Bereich ihrer Kenntnisse, für praktische Umsetzung und Integrität erfüllen, indem ein spezielles und regelmäßig aktualisiertes Instrumentarium zur Verfügung gestellt wird, z. B. ausreichend Kapazität in Bezug auf Personaldichte und Fähigkeiten, Anerkennung der öffentlichen Beschaffung als spezifischer Beruf, Zertifizierung und regelmäßige Schulungen, Integritätsstandards für Beschaffer und das Vorhandensein einer Einheit oder eines Teams, das Informationen über die öffentliche Beschaffung analysiert und die Leistung der öffentlichen Beschaffung überwacht.
ii) Attraktive, wettbewerbsfähige und leistungsorientierte Karrieremöglichkeiten für Beschaffer bereitstellen durch ein Angebot klarer Aufstiegsmöglichkeiten, den Schutz vor politischer Einflussnahme in den Beschaffungsprozess und die Förderung nationaler und internationaler bewährter Praktiken bei der Laufbahnentwicklung, um die Leistung der Beschaffer zu verbessern.
iii) Kooperative Ansätze mit Wissenszentren wie Universitäten, Ideenfabriken oder Politikzentren fördern, um die Fähigkeiten und Kompetenzen der Beschaffer zu verbessern. Das Fachwissen und die pädagogische Erfahrung der Wissenszentren sollten als wertvolles Mittel zur Erweiterung des Beschaffungsfachwissens und zur Aufrechterhaltung eines wechselseitigen Kanals zwischen Theorie und Praxis genutzt werden, der in der Lage ist, Innovationen im öffentlichen Auftragswesen zu fördern.
Quelle: (OECD, 2015[7]), OECD Recommendation of the Council on Public Procurement, http://www.oecd.org/gov/ethics/OECD-Recommendation-on-Public-Procurement.pdf.
Neben der OECD-Empfehlung ist ein weiterer internationaler Standard für die öffentliche Beschaffung zu nennen, der die Bedeutung der Professionalisierung der öffentlichen Beschaffung hervorhebt: die Methodologie zur Analyse von Vergabesystemen (Methodology for Assessing Procurement Systems, MAPS). MAPS ist eine Methodologie zur Analyse des öffentlichen Auftragswesens als Ganzes. Die Methodologie umfasst Indikatoren für Vergabekapazität, um zu überprüfen, ob ein bestimmtes Vergabesystem über geeignete Mittel zur Erreichung der jeweiligen Beschaffungsziele verfügt. MAPS verknüpft die Kapazität der Beschaffer mit der Kapazität des gesamten Vergabesystems, insbesondere mit der Fähigkeit des Systems, seine Performanz weiterzuentwickeln und zu verbessern. Die MAPS-Suite beinhaltet ein zusätzliches Modul zur Professionalisierung, das eine tiefergehende Analyse dieses wichtigen Themenbereichs ermöglicht. (MAPS, 2018[8])
Im Folgenden werden Elemente international bewährter Praxis aufgezählt, die als Teil eines systematischen Ansatzes regelmäßig angewandt werden, um diese übergreifenden Konzepte in konkrete Maßnahmen zu überführen (OECD, 2016[6]).
Strategien, um Maßnahmen zum Kapazitätsaufbau und zur Professionalisierung zu skizzieren, unterstützt durch einen konkreten Aktionsplan, der Umsetzungsschritte definiert
Instrumente zur Definition und Nachverfolgung von Profilen und damit verbundenen Kenntnissen oder Fähigkeiten, wie Kompetenzmodelle („Competency Frameworks“), Stellenprofile und Zertifizierungssysteme
Klare Verantwortlichkeiten (d. h. wer für den Aufbau von Kapazitäten im Bereich der öffentlichen Beschaffung zuständig ist)
Instrumente und Maßnahmen zur Verbesserung der Kenntnisse oder Fähigkeiten der Mitarbeiter der öffentlichen Beschaffung (z. B. Schulungen)
Anreize, einschließlich der Definition eines klaren Karriereverlaufs in Kombination mit einer attraktiven und leistungsgerechten Vergütung und Progression
Analysesysteme zur Bedarfsermittlung und Wirkungskontrolle
angemessene finanzielle Mittel für den Aufbau von Kapazitäten
Beratungsdienste oder Helpdesks
Austausch mit Wissenszentren außerhalb öffentlicher Beschaffungsinstitutionen.
In diesem Kapitel wird eine Bestandsaufnahme des Personalmanagements im Bereich der öffentlichen Beschaffung vorgenommen, um Bereiche zu identifizieren, in denen bewährte Verfahren für eine größere Wirkung erweitert werden können. Zuerst analysiert das Kapitel den Status der öffentlichen Beschaffung als Beruf in Deutschland in Übereinstimmung mit der OECD-Empfehlung und international bewährter Praxis. Zweitens erörtert das Kapitel Möglichkeiten zur Leistungssteigerung durch Monitoring und Evaluierung. Drittens untersucht das Kapitel Wege zum Aufbau der Kapazitäten der Beschaffer in Deutschland. Schließlich veranschaulichen zusätzliche Abschnitte die Professionalisierung der öffentlichen Beschaffung auf subnationaler Ebene und fassen Handlungsfelder zusammen.
6.1. Die öffentliche Beschaffung als Beruf
In Deutschland richten sich die meisten Fragen des Personalwesens und des Berufsstandes der Beschaffer im öffentlichen Auftragswesen nach den allgemeinen Personalvorschriften des öffentlichen Dienstes. Daher gibt es nur wenige Vorkehrungen, die speziell für Beschaffer gelten. Dieser Unterabschnitt des Kapitels untersucht die allgemeinen Vorgaben für Personalmanagement im öffentlichen Dienst, als Teil dessen Beschaffer normalerweise eingestellt und geführt werden. Das Kapitel schlägt dann Maßnahmen vor, die dazu dienen könnten, Mitarbeiter im öffentlichen Auftragswesen innerhalb des übergreifenden Rahmenwerks zu professionalisieren.
Die Professionalisierung öffentlicher Beschaffung umfasst mehrere Aktivitäten. Diese Aktivitäten zielen alle darauf ab, 1) die öffentliche Beschaffung zu einem eigenständigen Beruf zu machen, der innerhalb des öffentlichen Dienstes eines Landes gesondert betrachtet wird (MAPS, 2018[8]); und 2) die Beschaffer professioneller zu machen (d. h. die individuellen und systemischen Fähigkeiten der Beschaffer zu erhöhen). Staaten erhöhen die individuellen und systemischen Kapazitäten unter anderem durch Maßnahmen wie Schulungen und Beratung (MAPS, in Kürze erscheinend[9]).
Im Oktober 2017 verabschiedete die EU eine Empfehlung zur Professionalisierung der Beschaffer im öffentlichen Auftragswesen als Teil ihres Beschaffungspakets. Angesichts der strategischen Bedeutung der öffentlichen Beschaffung und ihrer Fähigkeit, die politischen Ergebnisse zu beeinflussen, zielt die Empfehlung darauf ab, die Professionalität zu erhöhen, mit der Beschaffer in der EU Waren, Arbeiten und Dienstleistungen kaufen. In der Empfehlung wird vorgeschlagen, dass die EU-Länder die Professionalisierung der öffentlichen Beschaffung auf den folgenden drei Wegen angehen (Europäische Union, 2017[10]):
1. Politikarchitektur – Entwicklung einer Strategie zur Steigerung der Professionalität der öffentlichen Beschaffung;
2. Personalwesen – Schulungen und ein Karriereweg für Beschaffer;
3. Systeme – Bereitstellung strukturierter Instrumente, Methoden und Prozesse zur Unterstützung der Professionalisierung der öffentlichen Beschaffung.
Die in der EU-Empfehlung dargelegten konkreten Schritte können als Grundlage für eine Strategie zum Aufbau von Kapazitäten dienen, da die drei von der EU hervorgehobenen Bereiche alle Aspekte von Vergabekapazität betreffen. Die EU-Empfehlung, die von einem der wichtigsten Standardsetzer im Bereich der öffentlichen Beschaffung herausgegeben wurde, verdeutlicht die immense Bedeutung einer Personalstärke im öffentlichen Auftragswesen und die Bedeutung der Fähigkeiten der Beschaffer. Weltweit folgen andere Institutionen einem globalen Trend, indem sie sich für eine stärkere Professionalisierung der öffentlichen Beschaffung einsetzen. Die Weltbank hat beispielsweise koordinierte Professionalisierungsaktivitäten für interessierte Länder organisiert, die von der Ausbildung bis zu Orientierungshilfen reichen.1
6.1.1. Die Beschäftigten der öffentlichen Beschaffung in Deutschland gehören zum öffentlichen Dienst, der nach einem generalistischen Modell arbeitet
In diesem Abschnitt wird untersucht, wie das Profil der durchschnittlichen Beschaffer in der deutschen Bundesverwaltung aussieht und inwieweit es Raum gibt, Berufsanfänger mit Eigenschaften einzustellen, die geeignet sind, um erfolgreiche Beschaffer zu werden. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung der strategischen und zentralen Beschaffung in Deutschland ist ein auf Spezialisierung ausgerichtetes Modell des Personalmanagements in der öffentlichen Beschaffung erforderlich. Nur mit den richtigen Fähigkeiten können Beschaffer den anstehenden Herausforderungen begegnen.
Die Spezialisierung auf öffentliche Beschaffung kann Angestellten des öffentlichen Dienstes mit unterschiedlichem Hintergrund helfen, Beschaffungsziele zu erreichen. Berufsanfänger müssen über eine adäquate Ausbildung verfügen, um erfolgreiche Beschaffer zu werden. Klare Erwartungen an diese Mitarbeiter zu stellen, kann ihnen zum Erfolg verhelfen. Sobald diese Grundlinien festgelegt sind, kann eine Spezialisierung auf verschiedene Weise erreicht werden. Die öffentliche Verwaltung kann spezielle Laufbahnen einrichten, Mitarbeiter ausbilden und ihnen zu Berufspraxis verhelfen, indem er sie auf spezielle vergabebezogene Stellen zuweist. Nach international bewährter Praxis wird Spezialisierung als ein wichtiger Aspekt einer professionellen öffentlichen Beschaffung betrachtet (Europäische Union, 2017[10]; MAPS, 2018[8]; OECD, 2015[7]).
Die Belegschaft im Bereich der öffentlichen Beschaffung in Deutschland ist vielfältig – insbesondere im Hinblick auf die Profile der einzelnen Beschaffer. Eine Umfrage von Forschern im Jahr 2015 ergab, dass Beschaffer im öffentlichen Auftragswesen in Deutschland unterschiedliche Bildungshintergründe haben, aber nur eine begrenzte Spezialisierung auf die öffentliche Beschaffung. Diese Vielfalt ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass es in Deutschland kein eigenes Profil für öffentliche Auftraggeber gibt und die Auftraggeber aus dem allgemeinen öffentlichen Dienst heraus eingestellt werden. Darüber hinaus hat etwas mehr als die Hälfte der Beschaffer in Deutschland ein Studium auf Hochschulniveau durchgeführt; etwa die andere Hälfte hat eine Ausbildung absolviert, wie in Abbildung 6.2 dargestellt.
Der Bildungsstand von Beschaffern im öffentlichen Auftragswesen in Deutschland ist im Hinblick auf die Fachrichtung unterschiedlich. Die Mehrheit der Befragten der oben genannten wissenschaftlichen Umfrage erhielt eine Ausbildung in einem technischen Bereich (d. h. Spezialisierung auf ein bestimmtes Thema) oder in der allgemeinen öffentlichen Verwaltung (siehe Abbildung 6.3).
Die Ergebnisse der obigen Umfrage scheinen für die Mehrheit der öffentlichen Auftraggeber in Deutschland repräsentativ zu sein. Laut OECD- Befragungen führen beispielsweise beim deutschen Zoll Mitarbeiter mit Erfahrungen aus speziellen Schulungen und aus der Berufspraxis („Learning by Doing“) Beschaffungsvorhaben durch. Darüber hinaus wird ein eigener technischer Dienst mit Marktanalysen beauftragt. Führungspositionen werden oft von Anwälten besetzt. In jüngster Zeit ist die Führungsebene jedoch allmählich für Bewerber mit anderem Hintergrund geöffnet worden.
In Deutschland ist die öffentliche Beschaffung Teil der allgemeinen Ausbildung, die Neueinsteiger im allgemeinen öffentlichen Dienst erhalten, wenn auch in begrenztem Umfang. Auch wenn es möglich ist, als Seiteneinsteiger in den öffentlichen Dienst einzutreten (d. h. von einer Stelle außerhalb des öffentlichen Dienstes), tritt eine große Anzahl von Mitarbeitern auf Bundesebene durch ein Studium an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung (HS Bund) in den öffentlichen Dienst ein. Die HS Bund bietet mehrere Bachelor- und Masterstudiengänge an, die auf eine Karriere im öffentlichen Dienst der Bundesverwaltung vorbereiten. Rund 50% der Neueinsteiger im öffentlichen Dienst auf Bundesebene haben die HS Bund absolviert. Neben mehreren Spezialisierungen wie IT-Ingenieur oder einem Meteorologiestudium verfügt die HS Bund auch über allgemeine Studiengänge. Ziel dieses Programms ist es, die Mitarbeiter so auszubilden, dass sie in der Lage sind, in der gesamten Bundesverwaltung erfolgreich einer Vielzahl von Aufgaben nachzugehen.
Die HS Bund bietet in den meisten ihrer Studiengänge Kurse zu öffentlicher Beschaffung an, zum Beispiel im Studiengang für den allgemeinen öffentlichen Dienst und das Studium zum IT Ingenieur, in dem besonders auf elektronische Vergabe eingegangen wird. Studierende, die in den allgemeinen Studiengängen eingeschrieben sind, beschäftigen sich nur während weniger Unterrichtseinheiten mit öffentlicher Beschaffung. In diesen Einheiten werden rechtliche Inhalte und Praxisbeispiele kombiniert und geben einen allgemeinen Überblick über öffentliche Beschaffung. Sie sind für alle Studierenden verpflichtend, die im Rahmen ihrer Spezialisierung mit öffentlicher Beschaffung in Berührung kommen können.
An der HS Bund lehren mehrere Professoren und Dozenten das Thema Beschaffung, sowohl auf Bachelor- als auch auf Masterniveau. Der Schwerpunkt der Schulung liegt auf Vergaben, deren Wert unter den in den EU-Vorschriften festgelegten Schwellenwerten liegt, da dies die Art der Vergaben ist, die am häufigsten von regulären Mitarbeitern im öffentlichen Dienst durchgeführt wird. Die Kursinhalte reichen jedoch in der Regel nicht aus, um die Kursteilnehmer in die Lage zu versetzen, später Beschaffungsvorhaben durchzuführen, sobald sie in ihrer Laufbahn in eine entsprechende Position kommen. Daher sind Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes oft auf zusätzliche Schulungen angewiesen.
Es ist möglich, sich im Rahmen des Studiums des allgemeinen öffentlichen Dienstes informell auf die öffentliche Beschaffung zu spezialisieren, je nach persönlichem Interesse innerhalb der bestehenden Studiengänge. Es gibt jedoch keine Empfehlungen oder Leitlinien für die Art von Studium, die ein angehender Beschaffer durchführen sollte, oder für die Frage, wie diese Spezialisierung genutzt werden kann, um eine überzeugende Karriere aufzubauen. Mitarbeiter, die an einer Spezialisierung auf die öffentliche Beschaffung interessiert sind, werden in ihren Verwaltungen oft sehr geschätzt, da nicht viele Beschäftigte dieses Profil haben.
Eine gewisse Spezialisierung findet ad hoc statt, wenn Einzelpersonen beschließen, ihre weitere Karriere auf die öffentliche Beschaffung zu fokussieren. In Deutschland gibt es jedoch keinen strukturierten Karrierepfad für Bedienstete, den sie zu Beginn ihrer Karriere einschlagen könnten, und keine strukturierte Planung für das Beschaffungspersonal. So sind beispielsweise die Beschaffer in der zentralen Vergabeeinheit für IT-Vergabeverfahren in Deutschland auf die Beschaffung spezialisiert – allerdings nicht so sehr in Bezug auf die Art der Beschaffungsverfahren oder die Art der Produkte, die sie kaufen. Ziel in der Einheit ist es, Beschaffungsvorhaben je nach Auslastung im ganzen Team verteilen zu können.
Der vorherrschende Ansatz, dass Spezialisierung nach individuellen Interessen der Beschäftigten stattfindet, kann dem aktuellen Bedarf Deutschlands nicht gerecht werden. Die zunehmende Bündelung der öffentlichen Beschaffung in Deutschland hat zu einer komplexeren Beschaffung geführt; diese Situation erfordert qualifizierte Beschaffer für jede Vergabestelle, die Beschaffungsvorhaben zentral durchführt. Die zunehmende Betonung strategischer Beschaffung bedeutet, dass Vergabeprozesse für Beschaffer immer anspruchsvoller werden, da sie sowohl Aspekte jenseits des Anschaffungspreises als auch komplexere technische Spezifikationen berücksichtigen müssen. Darüber hinaus werden Nachhaltigkeitsthemen zu einem Schwerpunkt der deutschen Politik. Nachhaltigkeit ist oft mit den technischen Aspekten der Beschaffung verbunden – und muss von den Beschaffern verstanden werden. Während eine spezialisierte Ausbildung den Beschaffern helfen kann, für diese Herausforderungen gerüstet zu sein, liefert eine übermäßige Fokussierung auf Vorschriften bei der Ausbildung von Mitarbeitern nicht das Wissen, das in diesem Zusammenhang notwendig wäre.
Um sicherzustellen, dass die Mitarbeiter einer Vergabestelle über ein Mindestmaß an Kapazität verfügen, könnte es sinnvoll sein, Muster für Tätigkeitsbeschreibungen oder Profile für Beschaffer festzulegen. Diese Profile könnten von einer Einrichtung auf Bundesebene erstellt und bei Bedarf von Vergabestellen übernommen werden. In den Profilen sollten Mindestanforderungen für die Ausbildung, Berufserfahrung und Fähigkeiten festgelegt werden, die Beschaffer für jede spezifische Verantwortungsebene vorweisen müssen. Die Muster könnten dann als Orientierungshilfe für die Einstellung bei den öffentlichen Auftraggebern dienen, und sie könnten gegebenenfalls die Grundlage für eine strukturiertere Laufbahn in der Beschaffung bilden. Die EU arbeitet daran, diese Art von Herangehensweisen umzusetzen. Im Rahmen der Umsetzung ihrer Empfehlung zur Professionalisierung der öffentlichen Beschaffung bereitet die EU derzeit einen Kompetenzrahmen für die öffentliche Beschaffung vor. Der Kompetenzrahmen definiert die Kernfunktionen und -kompetenzen der Beschaffer und wird auf die EU-Mitgliedstaaten angewendet.
6.1.2. Strategische Beschaffung und Vergabe: Herausforderungen für Beschaffer
Wie die Beschaffer in vielen anderen Ländern stehen auch die deutschen Beschaffer vor Herausforderungen, die sich aus einem immer komplexeren politischen Rahmenwerk ergeben. Die Vergaberechtsreform 2016 brachte neue Regeln, wie Beschaffer ihre Arbeit verrichten müssen. Die Anpassung an diese neuen Regeln war eine Herausforderung, aber die Beschaffer stehen auch vor anderen, umfassenderen Herausforderungen. Diese breiteren Herausforderungen beinhalten steigende Anforderungen an die strategische Beschaffung, wie z. B. die Einbeziehung komplementärer, strategischer Ziele in die Beschaffungsvorhaben. Darüber hinaus hat sich durch das verstärkte Bestreben nach einer zentralisierten öffentlichen Beschaffung in Deutschland die Art der Fähigkeiten der einzelnen Beschaffer verändert. Diese Entwicklung begann vor der Vergaberechtsreform.
Die Herausforderungen für die Beschaffer in Deutschland beziehen sich auf verschiedene Aspekte der öffentlichen Beschaffung. Auf ganz allgemeiner Ebene berichteten die für diese Studie befragten Stellen, dass sie die öffentliche Beschaffung als einen Verwaltungsaufwand betrachten, der am besten um jeden Preis zu vermeiden ist. Diese Haltung steht im Widerspruch zum internationalen Trend, die Funktion der öffentlichen Beschaffung als eine strategische Funktion innerhalb des Staates zu betrachten, die erheblichen Einfluss ausüben und politische Ziele fördern kann. Eine strategische Beschaffung erfordert den qualifizierten Umgang mit komplexen Auswahl- und Vergabekriterien. Leider findet die geschickte Anwendung von Auswahl- und Vergabekriterien nicht immer statt. Beschaffer in kleineren Vergabestellen stehen vor größeren Herausforderungen, da sie selten über eine Kombination aus fundiertem technischem Wissen und vertieften Kenntnissen des öffentlichen Beschaffungsprozesses verfügen.
Im Rahmen des Monitorings zur Umsetzung der EU-Vergaberichtlinien 2014 hat die Bundesregierung Institutionen auf Bundes- und Landesebene aufgefordert, Probleme bei der Umsetzung des Vergaberechts 2016 aufzuzeigen. Während die Institutionen auf Landesebene die meisten Probleme berichteten, verzeichneten auch einige Bundesinstitutionen bestimmte Probleme. Insbesondere Vergabestellen auf Bundesebene und die Bedarfsträger verfügten oft nicht über ausreichend Personal, um die immer komplexer werdenden administrativen Anforderungen der Beschaffungsvorhaben zu bewältigen. Darüber hinaus stellten die Behörden fest, dass Unternehmen ein begrenztes Interesse an einer Teilnahme an Ausschreibungen hatten, was zu einem eingeschränkten Wettbewerb führte (Bundesregierung, 2017[12]). Die Berufungsgerichte für Beschaffungsverfahren haben noch keine Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Vergaberecht von 2016 erlassen, aber eingereichte Klagen deuten auf Themen hin, die mit einer praxisnahen Schulung hätten gelöst werden können. So haben Bieter beispielsweise die Verwendung von funktionalen Kriterien durch Vergabestellen ohne eine transparente Darstellung der zugrundeliegenden Auswahlmetode angefochten. Anstatt klare und detaillierte Auswahl- und Zuschlagskriterien zu entwickeln und zu veröffentlichen, benutzten die Beschaffer eine recht einfache Herangehensweise mit wenigen, weitgefassten Kategorien (die Kategorien waren zum Beispiel: Angebot entspricht den Bedürfnissen vollständig, Angebot entspricht mit wenigen Einschränkungen, Angebot entspricht mit starken Einschränkungen, usw.) (Bundeskartellamt, 2017[13]).
Anfang 2016 veröffentlichte die Europäische Kommission eine Studie über die Kapazität der öffentlichen Verwaltung in Mitgliedsländern im Bereich der öffentlichen Beschaffung. Danach benutzten die deutschen Vergabestellen im EU-Oberschwellenbereich weniger MEAT-Kriterien. Gleichzeitig nutzten die deutschen Vergabebehörden verstärkt die einfacheren, rein Preis-basierten Kriterien in ihren Beschaffungsvorhaben. Im Jahr 2014 wendete Deutschland in 48% seiner Beschaffungsvorhaben2 MEAT-Kriterien an. Im Gegensatz dazu wandte Frankreich MEAT-Kriterien bei 96% seiner Beschaffungsvorhaben an und die Niederlande bei 90% der Beschaffungsvorhaben (Europäische Kommission, 2016[14]). Diese Zahlen verdeutlichen, dass es in Deutschland ein großes Potenzial für eine weitere Verbesserung der strategischen Beschaffung gibt. Schließlich zeigten Befragungen mit deutschen Beschaffungsverantwortlichen, dass kleinere Vergabestellen mit geringeren Kapazitäten Schwierigkeiten haben, komplexere Beschaffungsverfahren wie das MEAT-Kriterium umzusetzen (allerdings insbesondere auf subnationaler Ebene)
Diese Ergebnisse deuten auf ein Leistungsgefälle im deutschen öffentlichen Auftragswesen hin. Fallstudien, wie sie in dieser Untersuchung enthalten sind, zeigen, dass es in der deutschen Beschaffungslandschaft Beispiele für hervorragende Leistungen gibt. Andere hinken jedoch hinterher, insbesondere in der Peripherie des Systems (d. h. bei kleineren Auftraggebern sowie auf Ebene der Länder und Kommunen). Wie bereits erwähnt, haben viele Beschaffer, nach den wenigen verfügbaren Informationen über den Professionalisierungsgrad der Beschaffer in Deutschland zu urteilen, Lücken in Bereichen, die Teil der Fähigkeiten der Beschaffer sein sollten. Während es Kontaktstellen und Unterstützung für spezialisierte Beschaffungsvorhaben gibt (z. B. für nachhaltige oder innovationsorientierte Beschaffungsvorhaben), gibt es kein solches Kompetenzzentrum oder keine solche Kontaktstelle für das durchschnittliche, aber komplexe Beschaffungsvorhaben. In einigen Institutionen könnte intern eine Kontaktstelle mit Ressourcen für Beschaffer vorhanden sein. Schwächere Institutionen haben jedoch oft keine Berater für öffentliche Beschaffung, die bei komplexen Fällen mit Rat und Tat zur Seite stehen könnten. Darüber hinaus gibt es in Deutschland keine Institution, die aufkommenden Herausforderungen der Beschaffer beobachten und entsprechende Unterstützungsmechanismen vorschlagen könnte.
6.1.3. Die Zahl der Beschäftigten in der öffentlichen Beschaffung in Deutschland ist groß und erfordert spezialisiertes Personalmanagement
Die Struktur der öffentlichen Beschaffung und des Personalwesens in Deutschland kann Aufschluss über die Ursachen der Herausforderungen für das öffentliche Auftragswesen in Deutschland geben. Wie bereits erwähnt, besteht in Deutschland ein zunehmender Bedarf an Beschaffern mit besonderen Fähigkeiten. Deutschland verfügt über eine große Zahl von Mitarbeitern im Bereich des Beschaffungswesens. Das bedeutet, dass der Aufbau von Fähigkeiten der gesamten Belegschaft einen strategischen Ansatz erfordert. Eine verbesserte Sichtbarkeit über die Arbeit und der Struktur der Beschaffer in Deutschland kann entscheidend zur Gestaltung dieses strategischen Ansatzes beitragen.
Deutschland hat einen der größten öffentlichen Dienste in der OECD. Im Jahr 2016 arbeiteten in Deutschland 4,69 Millionen Personen im öffentlichen Dienst auf allen Ebenen (Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungsträger). Siehe Abbildung 6.4 für einen Vergleich der Beschäftigung im öffentlichen Dienst einer Teilmenge der OECD-Länder.
Nur etwa 10% der Beschäftigten im öffentlichen Dienst in Deutschland sind auf Bundesebene tätig. Dieser geringe Prozentsatz zeigt die Bedeutung des Anteils der öffentlichen Leistungen, der von den subnationalen Regierungsebenen in Deutschland getragen wird. Damit verfügt Deutschland über einen der am stärksten dezentralen öffentlichen Dienste in der OECD, wie in Abbildung 6.5 dargestellt.
Bedienstete im Bereich Beschaffung werden nicht gesondert erfasst. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die allgemeinen Merkmale des gesamten deutschen öffentlichen Dienstes auch für die Beschäftigten im öffentlichen Beschaffungswesen gelten. Daraus lässt sich schließen, dass 1) die Belegschaft im öffentlichen Auftragswesen in Deutschland im Vergleich zu anderen OECD-Ländern relativ groß ist, und 2) die überwiegende Mehrheit der Beschaffer in Verwaltungen der Länder und Kommunen arbeitet.
Die Anzahl der Beschaffer in Deutschland zu beziffern ist schwierig, da die öffentliche Beschaffung in vielen Fällen, insbesondere in kleineren Vergabestellen und auf subnationaler Ebene, keine Vollzeitbeschäftigung ist. Das bedeutet, dass Mitarbeiter Beschaffung neben anderen Tätigkeiten ausführen. Grobe Schätzungen von Wissenschaftlern und zivilgesellschaftlichen Organisationen, die an der Vergabe öffentlicher Aufträge arbeiten, zeigen, dass es in Deutschland 30 000 öffentliche Auftraggeber gibt, von denen jeweils mehrere Mitarbeiter in einer Beschaffungsfunktion tätig sind. Tabelle 6.1 unten bietet einen Überblick über die Anzahl der Beschäftigten in den wichtigsten zentralen Vergabestellen auf Bundesebene in Deutschland sowie in den Kompetenzzentren mit Schwerpunkt auf Beschaffung. Das größte spezifische Beschaffungsteam gibt es in der Bundeswehr. (Die Bundeswehr hat im Bereich Beschaffung 670 Vollzeitkräfte.)
Tabelle 6.1. Überblick über die Größe der für die öffentliche Beschaffung zuständigen Einheiten in der deutschen Bundesverwaltung
Name der Einheit |
Anzahl der Mitarbeiter |
---|---|
Generalzolldirektion (GZD), zentrale Beschaffungsstelle |
200 |
Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw), zentrale Beschaffungsstelle |
946 Personen oder 670 Vollzeitäquivalente |
Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), zentrale Beschaffungsstelle |
14 |
Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern, BeschA |
268 |
Zentralstelle für IT-Beschaffung, ZIB |
78 (65 Beschaffer, 13 Verwalter), 72 zusätzliche Beschaffer, die 2018 eingestellt werden sollen |
Verwaltungsbüro der zentralen Einkaufseinheit Kaufhaus des Bundes (KdB) im Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern |
12 (darunter unter anderem 3 für den Katalog und seine Nutzer; 3 für die Geschäftsführung; 5 für die Unterstützung der Plattform) |
Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung (KNB) im Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern |
8 |
E-Procurement-Einheit (Z 14) im Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern |
15 insgesamt, davon 5 für den Helpdesk |
Zentrale Einkaufseinheit innerhalb der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) |
26, mit einer Anforderung für 28 |
Kompetenzzentrum für innovative Beschaffung (KOINNO) |
8 |
Quelle: Antworten von Institutionen des Bundes und der Länder auf einen OECD-Fragebogen und Befragungen.
Angesichts des generalistischen Ansatzes Deutschlands bei der Besetzung von Aufgaben im öffentlichen Beschaffungswesen gibt es nur begrenzte Informationen über Beschaffer. Keine der Statistiken über den deutschen öffentlichen Dienst enthält eine spezielle Kategorie für Beschaffer. Die Kenntnis der Größe und Verteilung der Arbeitskräfte in der öffentlichen Beschaffung in verschiedenen Institutionen und auf verschiedenen Ebenen könnte Aufschluss über die Wirksamkeit der Beschaffungseinrichtungen geben. Das könnte auch Entscheidungen im Personalbereich unterstützen. Deutschland könnte zum Beispiel bestimmte Kategorien einführen, die Beschaffer im öffentlichen Dienst differenzieren; einige Kategorien bestehen bereits, insbesondere solche, die sich auf allgemeine Aufgaben innerhalb einer Verwaltung beziehen. Ebenso könnte eine Unterkategorie für Beschaffer eingerichtet werden. Dies ist besonders wichtig, wenn man bedenkt, dass die einzelnen Beschaffer einen großen Anteil am Preis-Leistungs-Verhältnis öffentlicher Leistungen haben. Durch die Distinktion von Beschaffern in der Verwaltung kann eine spezialisierte Aus- und Weiterbildung bereitgestellt werden, die letztlich zu einer strategischeren Verwendung öffentlicher Mittel beitragen könnte.
Für Beschaffer in der allgemeinen Verwaltung Deutschlands gibt es kein eigenes Personalmanagement; es gelten die allgemeinen Regeln wie für den allgemeinen öffentlichen Dienst. Mitglieder des öffentlichen Dienstes werden auf zwei verschiedene Arten eingestellt. Beschaffer können als Beamte oder Tarifbeschäftigte eingestellt werden3. Beamte werden nach Artikel 33 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bestellt und haben besondere Pflichten und Rechte. Der Hauptunterschied zwischen Beamten und Tarifbeschäftigten besteht darin, dass Beamte auf Lebenszeit ernannt werden und nicht in einen Streik treten können. Sie sind außerdem verpflichtet, strenge Standards zu Rechtmäßigkeit, Neutralität, Dienstleistungen im öffentlichen Interesse und Loyalität zu ihren Institutionen einzuhalten. Das Bundesbeamtengesetz regelt die Beschäftigungsbedingungen.
Im Gegensatz zu Beamten werden Tarifbeschäftigte auf der Grundlage eines von vielen Tarifverträgen für den öffentlichen Dienst eingestellt. Diese Vereinbarungen unterscheiden sich im Umfang und gelten für bestimmte staatlichen Ebenen, Regionen und Berufe. Es gibt jedoch keine spezifische Gehaltsstaffel für Beschaffer.
Im Allgemeinen werden Mitarbeiter, die öffentliche Aufträge vergeben, nicht für diese spezielle Rolle eingestellt. Daher gibt es keine spezielle Rollenbeschreibung für diejenigen, die in Deutschland öffentliche Aufträge vergeben. Im Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern (BeschA) zum Beispiel sind rund 75% der Mitarbeiter Beamte, während rund 25% tariflich eingestellt werden. Die Beschaffer wechseln in der Regel aus dem allgemeinen Pool der Beamten in ihre Rolle. Sie werden auch im Rahmen von Tarifverträgen eingestellt, insbesondere, wenn sie für bestimmte Aufgaben eingestellt werden. Eine Umwandlung in den Beamtenstatus ist nach den allgemeinen Gesetzen für Beamte möglich und kann erfolgen, wenn eine entsprechende Position vakant ist. Die Gesamtzusammensetzung des deutschen öffentlichen Dienstes (auf allen Ebenen) ist leicht unterschiedlich, wobei die Mehrheit der Beschäftigten tarifvertraglich beschäftigt ist, wie in Abbildung 6.6 dargestellt.
Der Karriereverlauf von Beschaffern ist an ihrem Dienstgrad ausgerichtet; es gibt keinen eigenen Karriereweg der öffentlichen Beschaffung. Der deutsche öffentliche Dienst unterscheidet vier Laufbahngruppen nach der Komplexität der anstehenden Aufgaben. Diese sind:
1. einfacher Dienst;
2. mittlerer Dienst;
3. gehobener Dienst;
4. höherer Dienst.
Die Mehrheit der Beschaffer in Deutschland ist Teil der Stufen zwei und drei, also mittlerer und gehobener Dienst. Ein Karriereweg ist in der Regel für jede Laufbahngruppe spezifisch, aber Beamte können auch Zusatzqualifikationen und Prüfungen ablegen, um auf eine höhere Laufbahngruppe aufzusteigen. Zudem wechseln die Beamten im gleichen Bereich der Bundesverwaltung alle drei bis fünf Jahre zwischen den Stellen. Das bedeutet, dass die Person, die heute öffentliche Aufträge vergibt, morgen in einer davon völlig unabhängigen Funktion arbeiten kann.
Das Rotationssystem hat Auswirkungen auf die Struktur der Ausbildung und wirkt sich negativ auf eine stärkere Spezialisierung im Bereich der öffentlichen Beschaffung aus. Das System beseitigt die Notwendigkeit, eine Spezialisierung der Beschaffer über das zur Vermeidung grundlegender Verstöße erforderliche Wissen hinaus zu entwickeln. Das bedeutet, dass das für die strategische Beschaffung notwendige Spezialwissen wahrscheinlich nicht durch Schulungen erworben wird. Es bleibt unklar, inwieweit die Beschaffer in den zentralen Vergabeeinheiten Deutschlands auch innerhalb ihrer Organisation auf vergabefremde Stellen wechseln.
Aus Sicht der Korruptionsprävention bietet das Rotationssystem Vorteile. Mitarbeiter können außerdem durch den Wechsel durch verschiedene Abteilungen vielfältige Erfahrungen sammeln. Es könnte jedoch sinnvoll sein, ein System zu entwickeln, in dem die Beschaffer zwischen vergabebezogenen Positionen in verschiedenen Bereichen der Bundesregierung wechseln. Dies würde eine stärkere Professionalisierung der Beschaffer ermöglichen und gleichzeitig die Vorteile des Rotationsmechanismus erhalten.
6.2. Einsatz von Monitoring und Leistungsanalyse für den strategischen Kapazitätsaufbau
Für die Verwaltung in Deutschland und insbesondere für Personalressourcen öffentlicher Auftraggeber sind individuelle Institutionen zuständig. Aus diesem Grund existiert kein übergreifender Rahmen, um die Leistung und Kapazität von Beschaffern einzuordnen oder zu vergleichen. Die Leistung des öffentlichen Dienstes kann jedoch auf verschiedene Weise gemessen werden. In diesem Abschnitt des Kapitels werden mehrere Indikatoren vorgestellt, die veranschaulichen, wie ein strukturiertes Monitoring und eine strukturierte Analyse für die Ermittlung des deutschen Bedarfs an Kapazität im öffentlichen Auftragswesen von Vorteil sein kann. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass diese Indikatoren breit angelegt sind und sich nicht speziell auf die öffentliche Beschaffung beziehen.
Wie bereits erwähnt, steht Personalmanagement in engem Zusammenhang mit der staatlichen Funktion, die Performanz überprüft und entsprechende Aktivitäten organisiert. Der Grund dafür ist, dass das Personalmanagement durch Fakten beeinflusst wird (d. h. eine Analyse des Leistungsniveaus der Mitarbeiter im Vergleich zu den Erwartungen). Die OECD Recommendation of the Council on Public Procurement fordert, dass Staaten über eine „Einheit oder ein Team verfügen, die Informationen über das öffentliche Auftragswesen analysiert und die Leistung der öffentlichen Beschaffung überwacht“ (OECD, 2016[6]). Die überarbeitete Methodologie zur Analyse von Vergabesystemen (Methodology for Assessing Procurement Systems, MAPS) nimmt diese Empfehlung als Ausgangspunkt für die Analyse der Arbeitskräfte im öffentlichen Auftragswesen eines Landes (MAPS, 2018[8]).
Generell empfehlen Experten, Maßnahmen zum Kapazitätsaufbau auf eine Analyse von Kapazitätslücken oder der Beschaffungsleistung zu stützen. Experten empfehlen diese Vorgehensweise, da sie Behörden hilft, Maßnahmen zum Kapazitätsaufbau möglichst effektiv und effizient auszurichten (OECD, 2017[3]; OECD, 2016[15]). Indikatoren können Staaten helfen, eine strukturierte Analyse ihres Systems durchzuführen, wodurch die Analyse über Jahre hinweg und bei verschiedenen Gutachtern vergleichbar wird.
6.2.1. Die Messung des Mitarbeiterengagements durch Umfragen kann als Indikator für die quantitative Analyse der institutionellen Leistung herangezogen werden
OECD-Länder verfolgen zunehmend die Leistung ihrer öffentlichen Institutionen, indem sie das Engagement der Mitarbeiter als Maßstab für die Gesamtleistung der Institution verwenden. Diese Technik bietet einen datenbasierten Ansatz für Personalmanagement. Bei der Mitarbeiterbeteiligung geht es um die Verbindungen zwischen den Mitarbeitern und ihren Institutionen. Engagierte Mitarbeiter zeigen Engagement und Motivation, um zur Erreichung der Ziele einer Institution beizutragen und gleichzeitig Arbeitsaufwand und persönliches Wohlbefinden in Einklang zu bringen. Forscher haben gezeigt, dass hohes Engagement der Mitarbeiter mit einer hohen Leistung der Institution einhergeht. Motivierte und engagierte Mitarbeiter im öffentlichen Dienst sind somit produktiver, innovativer und vertrauenswürdiger – für die Bürger des jeweiligen Landes (OECD, 2016[1]).
Die Messung des Mitarbeiterengagements als Annäherungswert für die Gesamtleistung einer Organisation bietet Vorteile gegenüber anderen Annäherungswerten, die verschiedene Aspekte zusammenfassen und vor allem auf internationale Vergleiche abzielen. Ein Beispiel für einen Leistungsvergleich des öffentlichen Dienstes ist der International Civil Service Effectiveness Index (InCiSE)4, der von der Blavatnik School of Government der Universität Oxford und des Forschungsinstituts Institute for Government entwickelt wurde. Der InCiSE ist ein zusammengesetzter Indikator aus mehreren Dimensionen, der die Leistung des öffentlichen Dienstes im Allgemeinen beschreibt, basierend auf Funktionen, die normalerweise von der Verwaltung eines Landes bereitgestellt werden.
Zusammengesetzte Indikatoren müssen immer mit Vorsicht betrachtet werden, da sie komplexe Analysen zu einem übergreifenden Ergebnis zusammenfassen (und vereinfachen), das möglicherweise nicht die gesamte Tiefe und Komplexität der vorliegenden Ergebnisse vermittelt. Die Experteninterviews auf der Basis einiger Dimensionen des Index können jedoch einen ersten Eindruck davon vermitteln, wie man eine quantitative Umfrage entwickeln kann. Deutschland wurde zuletzt 2017 anhand vom InCiSE analysiert, auch im Hinblick auf die Personaldimension. Diese Dimension basiert auf Expertenanalysen, die von der Universität Göteborg für ihr Projekt Quality of Government (QoG) erstellt wurden. Für Deutschland wurden 35 Experten befragt. Dieser Ansatz ist im Zusammenhang dieses Kapitels deshalb relevant, weil er Erkenntnisse liefern kann, die Deutschlands Bestrebungen im Kapazitätsaufbau öffentlicher Beschaffung genauer definieren können.
Abbildung 6.7 stellt Deutschlands Werte zur durchschnittliche Leistung des öffentlichen Dienstes im Vergleich mit mehr als 30 Ländern dar.
Deutschlands Ergebnisse beim InCiSE-Indikator zeigen, dass das Land bei der Personalführung und -fähigkeit leicht überdurchschnittlich abschneidet. Die deutschen Werte erreichen 0,67 beim Personalmanagement (gegenüber durchschnittlich 0,54) und 0,59 bei den Fähigkeiten (gegenüber durchschnittlich 0,44).
Engagement der Mitarbeiter wird dagegen in der Regel durch Umfragen mit Mitarbeitern gemessen. Laut der OECD-Studie zum Mitarbeiterengagement im Jahr 2017 hat die Mehrheit der OECD-Länder Wert daraufgelegt, in regelmäßigen Abständen Umfragen zum Mitarbeiterengagement durchzuführen. Die Ergebnisse haben den Institutionen geholfen, Zusammenarbeit, Führungskultur und Attraktivität als Arbeitgeber in einem zunehmend wettbewerbsorientierten Markt zu verbessern (OECD, 2016[1]).
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat den Ansatz der Durchführung von Umfragen zur Mitarbeiterbindung genutzt, um die Leistung der eigenen Institution greifbar zu machen und zu steigern (siehe Feld 6.2). Dieser Ansatz könnte auch bei ausgewählten öffentlichen Auftraggebern angewandt werden, um ihre Leistung zu verbessern.
Feld 6.2. Verfolgung des Engagements der Mitarbeiter in der Bundesagentur für Arbeit zur Verbesserung der Organisationsleistung
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat einen spezifischen Engagement-Index entwickelt, dessen Ergebnisse in das Personalmanagement und die Geschäftsstrategie der Institution einfließen. Der Index wird aus einer Umfrage abgeleitet und fokussiert sich auf Teamarbeit, Werte und zielorientiertes Verhalten. Die Umfrage enthält 19 Fragen in den folgenden fünf Dimensionen (OECD, 2016, p. 72[1]):
1. Leistungsbereitschaft (inwieweit sich das tägliche Verhalten des Mitarbeiters bei der Arbeit an den individuellen und den Teamzielen orientiert);
2. Identifikation (inwieweit die Einstellung des Mitarbeiters mit den Zielen der BA übereinstimmt);
3. Psychologischer Vertrag (inwieweit der Mitarbeiter das Gefühl hat, dass er Ideen äußern und außerhalb seiner Arbeit als Mensch wahrgenommen werden kann);
4. Arbeitsfähigkeit (inwieweit der Arbeitnehmer in der Lage ist, am Arbeitsplatz Leistung zu zeigen und Arbeit und Privatleben zu vereinbaren);
5. Kommunikation (ob der Mitarbeiter das Team durch aktive Teilnahme an Meetings und den Austausch von Informationen und Ideen unterstützt).
Um sicherzustellen, dass die Ergebnisse der Umfrage in konkrete Verbesserungen für die BA umgesetzt werden, werden die Umfrageergebnisse in einem IT-Portal transparent ausgetauscht. Führungsworkshops unterstützen die Analyse der Ergebnisse. Top-Führungskräfte erhalten eine leistungsorientierte Vergütung, die an die Ziele gekoppelt ist, die durch den Engagement-Index vorgegeben sind. Im Laufe der Zeit haben Umfragen der BA zu einer höheren Kundenzufriedenheit geführt, und es wird erwartet, dass sie Einfluss auf die Gesamtergebnisse der Institution haben.
Quelle: (OECD, 2016[1]), Engaging Public Employees for a High‑Performing Civil Service, https://doi.org/10.1787/9789264267190-en.
6.2.2. Bestehende Ansätze zum Monitoring in Deutschland könnten die Grundlage für eine evidenzbasierte Personalstrategie bilden
In der deutschen Bundesverwaltung gibt es mehrere Beispiele dafür, wie evidenzbasierte Überwachung und Analyse die Entscheidungsfindung und Reform unterstützt. Neben dem oben genannten Beispiel der BA bieten mehrere weitere Initiativen eine gute Grundlage für den Aufbau einer beschaffungsbezogenen Überwachung zur Steigerung der Mitarbeiterleistung.
So hat beispielsweise die Generalzolldirektion (GZD) im Jahr 2010 eine Neuordnung ihrer Vergabefunktion mit dem Ziel der Zentralisierung vorgenommen. Vor Beginn der Restrukturierung führte die GZD eine Wirtschaftlichkeitsanalyse durch. Im Rahmen dieser Analyse wurden die Mitarbeiter gebeten, aufzuzeichnen, wie sie ihre Zeit vor und nach der Restrukturierung genutzt haben. Nach der Restrukturierung konnte die GZD vergleichen, wie viel Zeit die Mitarbeiter für bestimmte Aufgaben (vor und nach der Restrukturierung) aufgewendet haben. Dieser Vergleich erwies sich als hilfreich, um den Zweck der Zentralisierungsbemühungen zu demonstrieren, indem er die konkret erzielten Einsparungen hervorhob.
Über die öffentliche Beschaffung hinaus können zwei Beispiele für Monitoring für evidenzbasierte Evaluierungsansätze Deutschlands relevant sein. Deutschland unternimmt strukturierte Evaluationen im Rahmen des Bürokratieabbaus. Darüber hinaus befragt das Statistische Bundesamt Bürger zu ihren Erfahrungen mit öffentlichen Leistungen (OECD, 2015[16]).
Fachwissen in diesem Bereich der Evaluation von politischen Maßnahmen könnte für Deutschland nützlich sein, wenn es darum geht, einen strukturierteren Ansatz für die Leistungsevaluation im Bereich der öffentlichen Beschaffung zu entwickeln und künftige Bemühungen beim Kapazitätsaufbau zu unterstützen. Die Verantwortung für Personalmanagement im öffentlichen Auftragswesen liegt bei den einzelnen Institutionen, die ihre jeweilige Vergabefunktion unterschiedlich organisieren. Daher müssen alle Bemühungen zur Unterstützung der Entscheidungsfindung rund um das Personalmanagement mit einer erhöhten Evidenzgrundlage flexibel sein. Ein Beispiel dafür, wie man den Bedarf an Flexibilität mit dem Aufwand für den Leistungsvergleich in Einklang bringen kann, wurde in Neuseeland entwickelt, wo die Auftraggeber Eigenanalysen durchführen können, um die verschiedenen Vergabeeinheiten entsprechend ihrer Bedürfnisse zu professionalisieren (siehe Feld 6.3).
Feld 6.3. Der neuseeländische Procurement Capability Index (Kapazitätsindex zur Beschaffungsleistung)
Der neuseeländische Procurement Capability Index (PCI) ist ein Selbstbewertungsinstrument, mit dem Vergabestellen ihre Leistung einordnen können. Vergabestellen werden mit den besten Vergabestellen in der eigenen Kategorie („best in class“) verglichen, und mit Leistungserwartungen in der jeweiligen Kategorie. Der PCI ermöglicht es Behörden außerdem, vielversprechende Bereiche zu identifizieren, wo zusätzliche Maßnahmen entweder ein akzeptables Leistungsniveau hervorbringen können oder die eine leistungsstarke Agentur auf ein höheres Leistungsniveau bringen können. Durch den Einsatz des PCI-Tools zur Identifizierung von Stärken und Schwächen kann eine Vergabestelle Strategien entwickeln und umsetzen, die zu tatsächlich messbaren und sinnvollen Verbesserungen führen.
Auf der zentralen Ebene hat Neuseelands zentrale Beschaffungsstelle New Zealand Government Procurement (NZGP) weitere Verwendung für die PCI-Ergebnisse gefunden. Durch die Überprüfung der Ergebnisse verschiedener Vergabestellen kann die NZGP bestimmten Vergabestellen maßgeschneiderte Unterstützungsprogramme anbieten. In bestimmten Bereichen bietet die NZGP schwächeren Vergabestellen Partnerschaften mit besonders starken Vergabestellen an.
Die Analyse mit dem PCI-Tool basiert auf der eigenen Sichtweise der Vergabestelle auf die eigenen Beschaffungsfähigkeiten und muss über die Beschaffungsfunktion hinaus repräsentativ für den gesamten Auftraggeber sein. Damit die Selbsteinschätzung relevant und korrekt ist, müssen eine Reihe von Personen beim Auftraggeber einbezogen werden (z. B. das Beschaffungsteam, Führungskräfte, und andere Interessengruppen im Hinblick auf die Beschaffungsaktivitäten innerhalb des Auftraggebers). Der PCI-Prozess beinhaltet, obwohl er einer Eigenanalyse unterzogen wird, eine evidenzbasierte externe Moderation und Überprüfung.
Das PCI-Tool deckt den gesamten Vergabezyklus ab, von der strategischen Planungspraxis über Leitung, Politik, Auftragnehmer- und Personalmanagement, sowie Technologie und verwendete Systeme.
Mit den Ganzjahresergebnissen, die mithilfe des Procurement Capability Index erstellt werden, kann NZGP die Wirksamkeit ihrer Maßnahmen im Bereich des Kapazitätsaufbaus von Jahr zu Jahr vergleichen.
Quelle: New Zealand Government Procurement and Property (o.J.), Procurement Capability Index, https://www.procurement.govt.nz/procurement/improving-your-procurement/frameworks-reporting-and-advice/procurement-capability-index/.
6.3. Steigerung der Kapazität des Humankapitals in der öffentlichen Beschaffung
Die folgenden Abschnitte geben einen Überblick über die wichtigsten Ausbildungsmöglichkeiten für Beschaffer und wie diese besser genutzt werden können, um die Kapazität der Arbeitskräfte im öffentlichen Auftragswesen zu erhöhen. Ein strukturierter, strategischer und spezialisierter Ausbildungsansatz kann die Leistungsfähigkeit des deutschen öffentlichen Auftragswesens insgesamt verbessern.
Die Kapazitäten der Beschaffer – nicht nur in Bezug auf die Anzahl, sondern vor allem auch in Bezug auf ihre Fähigkeiten – müssen wachsen, um mit den wachsenden Herausforderungen Schritt zu halten. Kapazitätsaufbau wird zunehmend als Investition angesehen, insbesondere für Beschaffer, die einen großen Einfluss auf die Effizienz und Effektivität der öffentlichen Beschaffung im Hinblick auf politische Ziele und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis haben (OECD, 2017[3]). Studien haben sogar einen direkten Zusammenhang zwischen dem Wissen der Beschaffer und der Einhaltung von Vorschriften, Gesetzen, Richtlinien und Strategien gezeigt. Erfahrung ist einer der wichtigsten Faktoren, um Regeltreue zu gewährleisten (Hawkins and Muir, o.J.[17]).
Deutschland bietet eine Reihe von Möglichkeiten zum Aufbau von Kapazitäten für Beschaffer. Die Maßnahmen zielen zunächst darauf ab, die Kapazität der einzelnen Beschaffer durch Erweiterung ihres Wissens (durch Schulungen, Helpdesks, Leitfäden und Werkzeuge) zu erhöhen. Zweitens zielt Deutschland darauf ab, die Leistungsfähigkeit der Vergabestellen insgesamt zu steigern (z. B. durch Reorganisation der Arbeitsabläufe). Der strukturierte Kapazitätsaufbau in Deutschland lässt sich weitgehend in drei Kategorien einteilen: 1) allgemeine Ausbildung durch öffentliche Einrichtungen in den Verwaltungsakademien des Landes; 2) allgemeine Ausbildung durch Dritte, wie z. B. gewinnorientierte, private Anbieter oder gemeinnützige Organisationen; und 3) spezielle Anstrengungen zum Aufbau von Kapazitäten – zum Beispiel bei der Innovationsbeschaffung oder der nachhaltigen Beschaffung und Vergabe – durch die deutschen Kompetenzzentren.
Obwohl es sich um ein breites Ausbildungsangebot handelt, nutzt der durchschnittliche Beschaffer in Deutschland diese Angebote nicht so häufig, wie das wünschenswert wäre. Laut einer Umfrage 2015 der Forscher Eßig und Schaupp (Eßig and Schaupp, 2016[11]) scheinen mehr als zwei Drittel der Beschaffer in Deutschland nicht für die Durchführung öffentlicher Aufträge ausgebildet worden zu sein, wie in Abbildung 6.8 gezeigt wird.
In Deutschland gibt es eine Vielzahl von Herangehensweisen, die Kapazität von Beschaffern zu erhöhen. Das gilt auch für die Regeln, die Beschäftigungsverhältnisse bestimmen. Es gibt keinen zentralen, strukturierten Ansatz oder Richtlinien zur Entwicklung von Vergabekapazitäten. Die meisten für das öffentliche Beschaffungswesen zuständigen Institutionen bieten jedoch in der Regel Beratung und Unterstützung bei der Umsetzung von Gesetzen an. Häufig bieten die mit der öffentlichen Beschaffung beauftragten Institutionen auch einen Helpdesk-Service an, der für Fragen anderer Institutionen zur Verfügung steht. Verschiedene Ministerien auf verschiedenen staatlichen Ebenen haben ebenfalls Ad-hoc-Rundschreiben, Leitfäden und Handbücher entwickelt und verteilt. Alle diese Arten von Schulungen müssen jedoch von einzelnen Beschaffern mit Zustimmung ihrer Vorgesetzten durchgeführt werden. Während es in Deutschland keine direkten Barrieren für die Ausbildung gibt, gibt es auch keine strukturierte, allgemeine Anleitung, wie und wann die Ausbildung durchgeführt werden sollte. Da diese Entscheidungen auf Ad-hoc-Basis getroffen werden, sind die Ergebnisse uneinheitlich. Auch eine allgemeine gesetzliche Verpflichtung zur Weiterbildung besteht nicht. In der Ausbildung von Verwaltungspersonal der unteren Laufbahngruppe in Deutschland deckt öffentliche Beschaffung weniger als 10% der gesamten Unterrichtsstunden ab.
6.3.1. Verwaltungsakademien in Deutschland könnten das Bewusstsein für die Bedeutung der Professionalisierung des Beschaffungswesens und der Schulung in diesem Bereich schärfen
Im Berufsleben werden Mitarbeiter im öffentlichen Dienst weitgehend an Verwaltungsakademien weitergebildet. Diese Akademien bestehen auf Bundesebene in Form der Bundesakademie für Öffentliche Verwaltung (BAköV) und auf Landesebene. Der Ausbildungskatalog der BAköV beinhaltet Kurse zum öffentlichen Auftragswesen. Deutschland könnte auf bestehenden Weiterbildungsmöglichkeiten aufbauen und diese erweitern und an die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen der Beschaffer anpassen. Wenn Deutschland sich für diesen Ansatz entscheidet, muss das Bewusstsein dafür geschärft werden, dass eine hohe Leistung im öffentlichen Auftragswesen in hohem Maße von den individuellen Fähigkeiten der Beschaffer abhängt. Politische Führung ist notwendig, um die Wahrnehmung der Behörden über Schulungsmaßnahmen zu ändern. Die Ausbildung sollte als Investition in die Wirksamkeit der öffentlichen Beschaffung betrachtet werden.
Die BAköV bietet für Mitarbeiter der Bundesverwaltung Schulungen zu allen Aspekten der Verwaltung an. Einige Bundesländer haben ähnliche Institutionen, die Schulungen für Mitarbeiter in den Landesverwaltungen anbieten.
Die BAköV ist nur eine von vielen Ausbildungseinrichtung, die Schulungen zum Thema öffentliche Beschaffung anbietet. In diesem Kapitel wird diese Einrichtung näher beschrieben, da eine quantitative Analyse von BAköV-Ausbildungen auf der Grundlage des Online-Schulungskatalogs der Einrichtung für die letzten zehn Jahre möglich war. Eine umfassende Analyse aller Aus- und Weiterbildungsangebote in Deutschland ist zwar nicht möglich, aber das Ausbildungsprogramm der BAköV kann die aktuelle Situation beispielhaft veranschaulichen. Die BAköV ist außerdem für die Aus- und Weiterbildung der Bundesverwaltung zuständig und spielt daher eine wichtige Rolle bei der Professionalisierung der Beschaffer in der Bundesverwaltung.
Viele Programme der BAköV haben einen Beschaffungsbezug – einige direkt, andere indirekt. Laut BAköV-Online-Katalog5 vermitteln Kurse, die in den letzten zehn Jahren angeboten wurden, Themen wie die Grundlagen der Durchführung von Beschaffungsprozessen, die Ausrichtung von Beschaffungsprozessen an Bedürfnissen verschiedener Institutionen und die Durchführung von Wirtschaftlichkeitsanalysen. Andere Kurse behandeln die öffentliche Beschaffung als Exkurs zum Hauptthema, wie z. B. Kurse zum Haushaltsrecht oder zu Wettbewerbsregeln. Im Jahr 2017 besuchten 609 Personen beschaffungsbezogene Kurse der BAköV; die BAköV führte 84 Schulungstage durch. Die BAköV bildete 2010 die meisten Personen im Bereich Beschaffung aus (959 Personen). 2011 lieferte die BAköV die höchste Anzahl von Schulungstagen mit direktem Fokus auf dem Bereich Beschaffung (152 Schulungstage). Allerdings ist das Schulungsangebot der BAköV im Bereich des Beschaffungswesens in den letzten Jahren rückläufig. Das überrascht, denn der Ausbildungsbedarf in Deutschland ist höher denn je, da der Bedarf an Beschaffern, die strategische Beschaffungsprozesse umsetzen können, steigt. Abbildung 6.9 veranschaulicht die Entwicklung der Aus- und Weiterbildung im Bereich der öffentlichen Beschaffung der BAköV in den letzten zehn Jahren.
Obwohl die BAköV nicht die einzige Ausbildungsquelle für Beschaffer ist, lohnt ein Vergleich des Ausbildungsprogramms mit der Anzahl der Vergabestellen in der Bundesverwaltung. In Deutschland gibt es in der direkten und indirekten Bundesverwaltung fast 700 Institutionen mit Beschaffungsfunktion. Häufig haben diese Institutionen jeweils mehrere Beschaffer. Einkäufer in zentralen Vergabestellen werden in der Regel von erfahrenen Einkäufern intern geschult. Dennoch ist mit 600 Schulungsplätzen pro Jahr nur so viel Angebot vorhanden, dass ein einzelner Beschaffer nur einmal in mehreren Jahren an einem BAköV Kurs teilnehmen kann. Wie in Befragungen von Interessengruppen hervorgehoben wurde, ist die Nachfrage nach Schulungen im Bereich der öffentlichen Beschaffung hoch, und nicht jeder Wunsch nach Weiterbildung kann aufgrund des Mangels an geeigneten Trainern gedeckt werden. In der Regel führen diese Schulungen öffentliche Beschaffer durch. Allerdings müssen diese Ausbilder Urlaub nehmen, um die Schulungen durchführen zu können. Die Ausbilder benötigen auch eine formale Genehmigung ihrer Vorgesetzten. Wie in OECD- Befragungen geäußert, kamen die Behördenleitungen den Anfragen von Beschaffern, als Ausbilder für die BAköV tätig zu werden, nicht immer mit Begeisterung nach. Externe Ausbilder führten jedoch oft nicht die Art von Schulungen durch, die die Beschaffer benötigten. Darüber hinaus waren externe Ausbilder in der Regel unerschwinglich.
Betrachtet als Anteil an allen Schulungsangeboten des BAköV im Jahr 2017, war Vergabe das Hauptthema von nur 3% der gesamten Ausbildungstage und für 4% der Kursteilnehmer insgesamt. Dieser Anteil ist in den letzten Jahren zurückgegangen (siehe Abbildung 6.10). Da es keine Informationen darüber gibt, wie viele Personen in Deutschland in einer Beschaffungsfunktion arbeiten, ist es schwierig zu beurteilen, ob dieses Ausbildungsniveau ausreichend ist.
Die Zielgruppe für Schulungsprogramme bedarf einer Analyse. Wie bereits erwähnt, unterscheidet der deutsche öffentliche Dienst zwischen mehreren Laufbahngruppen. Beschaffer gehören überwiegend zu den beiden mittleren Kategorien, also dem mittleren und gehobenen Dienst. Die Kurse der BAköV mit Vergabebezug scheinen weniger auf diese beiden Laufbahngruppen ausgerichtet zu sein. Nur sieben von 447 Schulungen, die seit 2007 durchgeführt wurden, waren allein auf diese beiden Ebenen ausgerichtet. Die Mehrheit der Schulungen schien nicht auf eine bestimmte Laufbahngruppe ausgerichtet zu sein. Die BAköV hat 387 Kurse für die oberen drei Laufbahngruppen des öffentlichen Dienstes festgelegt. Im Durchschnitt können Mitarbeiter aus jeder der vier Laufbahngruppen aus mehr als 400 Kursen wählen. Angesichts der unterschiedlichen Aufgaben, die von den verschiedenen Laufbahngruppen des öffentlichen Dienstes gefordert werden, richten sich die meisten dieser Kurse jedoch an Mitarbeiter mit sehr unterschiedlichen Aufgaben. Es bleibt unklar, inwieweit die Kurse die Unterschiede im Schulungsbedarf dieser verschiedenen Gruppen wirklich überbrücken können.
Die Personalstrategie der Zentralstelle für IT-Beschaffung (ZIB) im Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern (BeschA) besteht darin, IT-Experten einzustellen und in Beschaffungsthemen auszubilden. Dieser Ansatz ist einfacher als der Versuch, IT-Wissen an Rechts- oder Verwaltungsexperten zu vermitteln. Die BAköV bildet dann Neueinstellungen nach dem Multiplikatoransatz aus, mit der Absicht, dass diese neu ausgebildeten Beschaffer bei Bedarf Wissen weitergeben.
In fast allen zentralen Vergabestellen in Deutschland erkennen die Führungskräfte die Vorteile der Einstellung spezialisierter Mitarbeiter an. So kauft beispielsweise die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) meist Artikel ein, die für die wissenschaftliche Anwendung in einem Forschungsumfeld benötigt werden. Das bedeutet, dass die für die Beschaffung zuständigen BAM-Mitarbeiter 1) Kenntnisse in Bezug auf das Beschaffungswesen, einschließlich Gesetze und Verfahren, und 2) Kenntnisse in Bezug auf die technischen Aspekte der gekauften Waren benötigen.
OECD- Befragungen ergaben, dass ein wesentliches Hindernis für eine effektive Schulung der Beschaffer die begrenzte Anzahl verfügbarer Ausbilder war. Dieses begrenzte Angebot an Ausbildern war zum Teil auf eine Kultur zurückzuführen, in der die Ausbildungstätigkeit außerhalb der alltäglichen Aufgaben des Beschaffungswesens als etwas Negatives und nicht als ein positiver Anteil der Arbeit von Experten auf diesem Gebiet angesehen wurde. Leistungsstarke Mitarbeiter im Rahmen des öffentlichen Auftragswesens sind unerlässlich, um bewährte Verfahren im gesamten System zu verbreiten. Deshalb sollten sie mehr Unterstützung erhalten.
Die Entscheidungsträger in Deutschland sollten sich der Vorteile professioneller öffentlichen Beschaffer bewusst sein und sich dafür einsetzen, öffentliche Beschaffung als Beruf zu etablieren. Deutschland könnte versuchen, dies zu erreichen, indem es 1) öffentliche Beschaffung als Beruf anerkennt und 2) die Sichtbarkeit der professionellen Beschaffer und ihres Beitrags aufzeigen, den sie zu den wirtschaftlichen Auswirkungen des Beschaffungswesens für die Bürger Deutschlands leisten. Die Professionalisierung der öffentlichen Beschaffung und dessen Sichtbarkeit kann auf verschiedene Weise erreicht werden. Allerdings erfordert diese Maßnahme eine engagierte und fundierte Führung auf Bundesebene. Engagierte Maßnahmen auf Bundesebene sind auch für die Gestaltung eines Karrierepfades im öffentlichen Beschaffungswesen von entscheidender Bedeutung, auch wenn dieser Karrierepfad informeller Natur sein sollte.
Deutschland könnte zunächst auf ein System hinarbeiten, bei dem eine bestimmte Person oder bestimmte Personen, die erfolgreich eine Reihe von Kursen mit der BAköV absolviert haben, als Ansprechpartner und Unterstützer zum Thema Vergabe in ihrer jeweiligen Institution offiziell eingesetzt werden könnten. Dieser „Vergabechampion“ könnte als Anlaufstelle und Unterstützungsquelle für andere innerhalb des Auftraggebers dienen. Ein langfristig weiterführender Schritt könnte darin bestehen, über eine Zertifizierung nachzudenken, auf deren Grundlage interessierte Beschaffer (wie die Vergabechampions) freiwillig hinarbeiten könnten, um sich weiter im Bereich der Vergabe zu spezialisieren. Der Beschaffer müsste eine Reihe von Schulungen durchführen, beginnend mit grundlegenderen Inhalten und hin zu spezialisierteren und fortgeschritteneren Inhalten. Nach erfolgreichem Abschluss des Programms erhalten die Beschaffer ein Zertifikat. Eine Zertifizierung hätte den Vorteil, den Stellenwert der Beschaffer innerhalb und außerhalb ihrer Institutionen zu erhöhen. Ein Zertifikat könnte den Mitarbeitern, die bereits während ihrer beruflichen Laufbahn immense Erfahrungen gesammelt haben und als Vergabechampions in ihren Organisationen tätig sind, mehr Sichtbarkeit verleihen. Im Einklang mit der EU-Empfehlung zur Professionalisierung der öffentlichen Beschaffung haben einige europäische Länder Schritte unternommen, um einen solchen Zertifizierungsmechanismus zu entwickeln.
6.3.2. Allgemeine Schulungen von Drittanbietern stehen zur Verfügung, um Schulungsbedarf im Einzelfall zu decken
In Deutschland gibt es eine Vielzahl von privaten Anbietern für die Ausbildung im öffentlichen Auftragswesen. Manche Unternehmen bieten Kurse auf Basis eines gewinnorientierten Konzeptes an (z. B. Anwaltskanzleien). Darüber hinaus bieten gemeinnützige Organisationen (z. B. Forum Vergabe, Deutsches Vergabe Netzwerk, regionale Industrie- und Handelskammern u. a.) Kurse an. Interessierte Beschaffer können das Kursangebot über eine Vielzahl von Online-Suchmaschinen recherchieren, die von privaten Portalen oder lokalen Industrie- und Handelskammern angeboten werden. Es gibt ein Hochschulprogramm, das eine Spezialisierung auf Vergabe ermöglicht und von der Universität der Bundeswehr München angeboten wird. Dieser Studiengang wurde kürzlich als Master of Business Administration in Public Management eingeführt.
Wie bei anderen Arten von Schulungen muss der einzelne Beschaffer die Initiative ergreifen und sich für eine Schulung entscheiden. Von Seiten der Behörden gibt es keine strukturierte Anleitung, wie Beschaffer Schulungen zu ihrer Professionalisierung nutzen können. Die Preise für Kurse von Privatanbietern sind sehr unterschiedlich. Darüber hinaus ist unklar, wer die Kosten für Schulungen übernimmt. Die meisten Kurse scheinen Rechtswissen zu vermitteln. Kurse mit eher praxisorientierten Inhalten sind selten. Der Markt scheint die Qualität und den Inhalt dieser Programme sowie den Zugang zu regeln. Es gibt keine unabhängige oder strukturierte Sicherung der Qualität dieser Kurse, und es gibt auch keine unabhängige oder strukturierte Sicherung ihrer Verfügbarkeit. Ein Beispiel für eine bekannte Institution die sich für die Professionalisierung öffentlicher Beschaffung einsetzt ist das Forum Vergabe; ein Überblick über diese Institution findet sich in Feld 6.4.
Feld 6.4. Austausch über das öffentliche Auftragswesen in Deutschland: Das Forum Vergabe
Das Forum Vergabe ist eine gemeinnützige Organisation zur Unterstützung von Beschaffern durch eine Plattform für den Austausch von Informationen, Erfahrungen und Meinungen über das öffentliche Auftragswesen in Deutschland und weltweit.
Das Forum Vergabe wurde 1993 gegründet. Es hat rund 500 institutionelle und persönliche Mitglieder, die aus dem privaten und öffentlichen Sektor stammen, darunter Interessengruppen, Unternehmen und Beschaffer. Die Organisation finanziert seine Aktivitäten ausschließlich durch Mitgliedsbeiträge, die sich auf 130 EUR für persönliche Mitglieder und 1 000 EUR für institutionelle Mitglieder pro Jahr belaufen. Das Forum Vergabe ist in acht Regionalgruppen organisiert.
Ein Schwerpunkt der Arbeit des Forum Vergabe liegt im Vergaberecht. Das Forum Vergabe bietet unter anderem Informationen zum Vergaberecht in verschiedenen Ländern an. Als solches bietet das Forum Vergabe:
einen monatlichen Newsletter über relevante Entwicklungen wie neue Gesetze, Gerichtsurteile und mehr
eine Reihe von praxisbezogenen, wissenschaftlichen Artikeln
alle Entscheidungen über Einsprüche und Berufungen von Vergabefällen auf Bundes-, Landes- und EU-Ebene sowie eine Datenbank mit Vergabegesetzen und -vorschriften
für Mitglieder Beratung zu den Vergabevorschriften auf nationaler und EU Ebene sowie Vorschriften im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO).
Das Forum Vergabe fördert außerdem den Dialog über das Vergaberecht und dessen Anwendung:
eine Seminarreihe mit dem Titel Forum Vergabe Talks und andere Seminare und Foren
Austausch mit Partnerorganisationen in Europa
Auszeichnungen für akademische Forschung im Bereich der öffentlichen Beschaffung.
Schließlich bietet das Forum Vergabe Schulungen zum Vergaberecht an. Seit 2015 bietet das Forum Vergabe strukturierte Schulungen zu den allgemeinen Grundlagen der öffentlichen Beschaffung an. Im Jahr 2016 nahmen 930 Personen an Kursen teil. Im Durchschnitt bildet das Forum Vergabe jährlich 500 bis 600 Personen aus. Ein zweitägiger Kurs kostet ca. 450 EUR.
Quelle: Forum Vergabe (2013), Das Forum Vergabe: gemeinnützig - interessenübergreifend - neutral, http://www.forum-vergabe.de/das-forum-vergabe/.
Angesichts der marktregulierten Landschaft in Deutschland und des Fehlens einer zentralen Vergabeaufsicht gibt es nur wenige Informationen darüber, wie viele Beschaffer die Vorteile externer Bildungseinrichtungen nutzen. Aus den gleichen Gründen ist es auch schwierig festzustellen, welches Profil die teilnehmenden Beschaffer haben und wie sie das erworbene Wissen nutzen. Dieser Informationsmangel macht es schwierig, die Auswirkungen der Schulungen auf die Professionalisierung der öffentlichen Beschaffung und des Humankapitals im Bereich der Beschaffung in Deutschland zu verfolgen. Es gibt jedoch einige Untersuchungen. Laut Forum Vergabe führten Beratungsstellen der regionalen Handelskammern zum Thema öffentliche Beschaffung im Jahr 2016 Schulungen für 8 135 Teilnehmer durch.
Um die potenziellen Auswirkungen von Schulungen auf das Personal im öffentlichen Beschaffungswesen zu maximieren, könnte es sinnvoll sein, die minimalen Inhalte eines solchen Kurses in Bezug auf rechtliche und praktische Kenntnisse festzulegen. Ein solcher Entwurf könnte als Orientierungsrahmen bezeichnet werden. Kurse, die den im Leitfaden dargelegten Mindestanforderungen entsprechen, könnten hervorgehoben und empfohlen werden. Dies würde den einzelnen Beschaffern Orientierung bieten und sicherstellen, dass sie sich nicht auf Gerüchte über die Qualität von Kursen oder Professoren verlassen müssen oder dass sie auf eine sachkundige Führung angewiesen sind, die sie bei der Wahl der Schulungsinhalte beraten kann. Die Anbieter dieser Schulungen hätten einen Anreiz, ihre Kurse an den Orientierungsrahmen anzupassen, wenn dies zu einer höheren Nachfrage führt.
6.3.3. Die deutschen Kompetenzzentren sind ein starkes Modell und stärken Kapazität im öffentlichen Auftragswesen
Die deutschen Kompetenzzentren haben wesentlich zur Kapazitätssteigerung der Beschäftigten im öffentlichen Beschaffungswesen beigetragen. Das Modell der Kompetenzzentren könnte auch in weiterer Hinsicht für das deutsche Vergabesystem von Vorteil sein.
Deutschland verfügt auf Bundesebene über zwei Kompetenzzentren für das öffentliche Beschaffungswesen. Diese beiden Zentren haben in den letzten Jahren erfolgreich die Kapazität der Beschaffer in ihren jeweiligen Bereichen erhöht (siehe Kapitel 5). Die Zentren heißen Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung (KNB) und Kompetenzzentrum Innovative Beschaffung (KOINNO). Beide Zentren bieten eine Mischung aus Unterstützung durch On-Demand-Dienste, ein Informationsportal und strukturierten Kapazitätsaufbau.
Ziel der KNB ist es, allen öffentlichen Vergabestellen gezielte Informationen und Schulungen zum Thema nachhaltige Beschaffung und Vergabe zur Verfügung zu stellen. Die KNB verbreitet dieses Wissen über verschiedene Kanäle, darunter eine Online-Plattform, Anlaufstellen für Nachfragen, Material und Schulungen (Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung, o.J.[18]).
Die Ausbildung für nachhaltige öffentliche Beschaffung durch die KNB folgt einem modularen Ansatz, um die Abdeckung spezifischer Interessen und Produkte zu ermöglichen. Die Module behandeln Themen wie klimafreundliche Beschaffung, Zertifikate und das Maßnahmenprogramm für die Bundesverwaltung (Kapitel 5.) Seit 2014 hat die KNB in 65 Kursen etwas mehr als 1 000 Personen geschult. Die Mehrheit dieser Kurse (36 von 65) wurde bei Institutionen auf kommunaler Ebene durchgeführt. Darüber hinaus wurden 20 von 65 Kursen bei Institutionen auf Bundesebene durchgeführt (Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung, o.J.[19]). Da der Großteil der Beschaffung auf subnationaler Ebene erfolgt, sind auf dieser Ebene mehr Schulungen erforderlich. Darüber hinaus könnte es für Deutschland von Vorteil sein, das Bewusstsein für den Bedarf an Kapazitäten dieser Ebenen zu stärken. Abbildung 6.11. veranschaulicht die Entwicklung von Kursen durch die KNB.
KOINNO ist ein weiteres Kompetenzzentrum, das die Professionalisierung der Beschaffer in Deutschland unterstützt. KOINNO ist seit 2014 tätig und hat die Aufgabe, die Auftraggeber bei der Umsetzung von innovationsorientierte Vergabe zu unterstützen. KOINNO ist ein Gemeinschaftsprojekt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) und des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME). Der BME hat einen Zweig für öffentliche Beschaffer (neben den Einkäufern aus der Privatwirtschaft).
KOINNO verfolgt einen anderen Ansatz als die KNB; es setzt vor allem auf konkrete, fallbezogene Beratung einzelner Vergabestellen. Damit arbeitet KOINNO in der Praxis ähnlich wie eine Beratungsfirma. KOINNO bietet außerdem eine Online-Plattform mit praktischen Leitfäden, sowie Veranstaltungen zur Ergänzung dieser Dienstleistungen.6 Die von KOINNO angebotenen Aktivitäten sind immer speziell auf die Bedürfnisse der einzelnen Vergabestellen ausgerichtet (KOINNO, o.J.[20]).
Der Erfolg von KOINNO zeigt sich am deutlichsten in seiner direkten Beratungsrolle für Vergabestellen (Berger et al., 2016[21]). KOINNO war an mehreren technisch komplexen Projekten beteiligt. So unterstützte KOINNO beispielsweise die sächsische Landespolizei bei der Einführung eines E-Mobilitätskonzepts für ihre Flotte. Darüber hinaus hat KOINNO zuletzt mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) zusammengearbeitet, um ein wassergekühltes Rechenzentrum zu beschaffen. Häufig bezieht sich die von KOINNO bereitgestellte Unterstützung jedoch auf allgemeine Aspekte des Managements und guter Praxis, wie z. B. Change Management. So hat KOINNO beispielsweise die Sächsische Aufbaubank bei der Zentralisierung ihrer Beschaffung beraten. Hauptziele dieses Projekts waren die Standardisierung und Bündelung der Beschaffung auf effektive und effiziente Weise bei gleichzeitiger Vermeidung von Einzelbeschaffungen. Ebenso hat KOINNO die Bundesanstalt für Arbeit bei der Entwicklung einer Beschaffungsstrategie im Rahmen einer neuen institutionellen Gesamtstrategie unterstützt. Schließlich ergaben OECD-Befragungen von KOINNO, dass eine erhebliche Nachfrage der Vergabestellen nach Unterstützung oft mit allgemeinen Managementfragen verbunden ist.
Insgesamt bieten Kompetenzzentren wie die KNB oder KOINNO ein wertvolles Modell, um die Kapazität der Beschaffer zu erhöhen und die Professionalität der Beschaffung zu erhöhen. KOINNO und KNB haben sich in ihren jeweiligen Bereichen der öffentlichen Beschaffung (Innovation und Nachhaltigkeit) engagiert und sind als Beratungsquellen und für strukturierten Kapazitätsaufbau bekannt (siehe Kapitel 5). Ähnlich wie diese Kompetenzzentren übernehmen auch einige der zentralen Vergabestellen in Deutschland eine beratende Funktion, wie die zentrale Vergabestelle der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE). Die größte Wertschöpfung dieser beratenden zentralen Vergabestellen liegt im Austausch von praktischem, fallbezogenem Wissen. Dieser Wissensaustausch kann über eine Sammlung von Know-how oder über die direkte, fallbezogene Beratung erfolgen. Letzteres, der direkte Austausch, ist häufiger.
Deutschland könnte sich dafür entscheiden, zentrale Vergabestellen zu nutzen, um die Kapazitäten der Beschaffer im Hinblick auf die allgemeine, tägliche Beschaffung (d. h. die Bereiche, in denen KOINNO und KNB nicht die zuständigen Stellen sind) zu erhöhen. Angesichts der erforderlichen Unterstützung könnte ein von einer Kontaktstelle auf Bundesebene koordiniertes Netzwerk für Beschaffer am nützlichsten sein, um Folgendes zu erreichen:
1. Beschaffer in verschiedenen Institutionen miteinander zu vernetzen und einen sicheren Raum für den Erfahrungsaustausch zwischen ihnen zu bieten;
2. als Helpdesk für Beschaffer auf allen Verwaltungsebenen zu fungieren;
3. den Wissensaustausch zwischen Beschaffern und Organisationen zu unterstützen, die sich mit dem Thema Beschaffung und Vergabe befassen, einschließlich Fachverbänden (z. B. Forum Vergabe, dem deutschen Netzwerk für das öffentliche Beschaffungswesen und BME) und akademischen Institutionen;
4. Training zu empfehlen und Anleitung zu geben, wie man die richtigen Informationen findet (z. B. von KOINNO oder der KNB);
5. als Quelle von Erfahrungen, Informationen und Standardisierung der Vergabepraxis in einem System zu dienen, in dem die Beschaffer innerhalb der öffentlichen Verwaltung rotieren;
6. einen Zertifizierungsmechanismus für diejenigen Beschaffer anzubieten, die ein bestimmtes Schulungsportfolio durchlaufen haben.
Ein solches Netzwerk sollte Beschaffern auf allen staatlichen Ebenen zugänglich sein und könnte ähnlich dem Bund-Länder-Ausschuss funktionieren. In diesem Ausschuss kommen Vertreter der Bundesebene und Vertreter der Länder zusammen, um sich über Themen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Auftragswesen auszutauschen. Für den Aufbau eines beschaffungsunterstützenden Netzwerks für Einkäufer sind unterschiedliche Strukturen möglich. Eine Studie aus dem Jahr 2016 schlug beispielsweise vor, KNB und KOINNO zusammen zu führen, was aufgrund der institutionellen Strukturen, die diese beiden Organe unterstützen, schwierig sein könnte (Berger et al., 2016[21]). Es könnte daher sinnvoller sein, den Aspekt der Vernetzung und des Wissensaustauschs zu betonen, und nicht den jeweiligen institutionellen Rahmen. Die Unterstützung eines solchen Netzwerks, das von einer zentralen Anlaufstelle koordiniert wird, könnte mit der Vergaberechtsreform 2016 verknüpft und vom BMWi unterstützt werden. Eine zweite Alternative könnte der Ausbau der Rolle des BeschA zu einer allgemeinen Beratungsfunktion für alle Beschaffungsvorhaben über den eigenen Bereich hinaus sein. Schließlich könnte Deutschland eine Ausweitung der administrativen Dimension der Arbeit von KOINNO in Betracht ziehen (d. h., die Nutzung von Innovationen im Vergabeprozess, um öffentliche Beschaffung effizienter und effektiver zu gestalten). Ein Beispiel für eine erfolgreiche Beratungsfunktion ist das niederländische PIANOo (Feld 6.5.).
Feld 6.5. Die niederländische Beratungsstelle für öffentliche Beschaffung, PIANOo
Die Niederlande haben 2005 das Professionelle und Innovative Vergabenetzwerk für Öffentliche Vergabestellen (PIANOo) als Netzwerk für öffentliche Auftraggeber mit dem Ziel der Verbreitung von Know-how gegründet. Seitdem hat sich die Rolle der Institution erweitert. PIANOo fungiert nun als Kompetenzzentrum für das öffentliche Auftragswesen der Niederlande und baut auf einem Netzwerk von 3 500 Beschaffern und Auftraggebern auf. Diese Beschaffer leisten einen Beitrag für die Arbeit von PIANOo, die als bedarfsorientierte Organisation konzipiert wurde.
Der Ansatz von PIANOo kombiniert verschiedene Aktivitäten. Zu diesen Aktivitäten gehören:
Veröffentlichungen: Basierend auf den Fragen und Anliegen der Mitglieder veröffentlicht PIANOo Leitfäden, die die Beschaffer bei ihrer täglichen Arbeit unterstützen können.
Austausch: PIANOo organisiert regelmäßig Foren, in denen sich die Mitglieder treffen, um aktuelle Herausforderungen zu diskutieren und bewährte Verfahren auszutauschen. Diese Treffen finden regional und für bestimmte Branchen oder Beschaffungsmärkte statt. PIANOo veranstaltet auch eine übergreifende jährliche PIANOo-Konferenz.
Online-Portal: PIANOo sammelt auf seiner Website Tools, Publikationen und Anleitungen. Dieses Kompendium dient als Enzyklopädie für das öffentliche Beschaffungswesen in den Niederlanden.
Trainings: PIANOo bietet Schulungen zum rechtlichen Rahmen für das öffentliche Beschaffungswesen in den Niederlanden an.
Quelle: PIANOo (2018), Über PIANOo, https://www.pianoo.nl/public-procurement-in-the-netherlands/about-pianoo.
6.3.4. Ansätze zur Kapazitätsstärkung über Trainings hinaus – intelligente Management- und Reorganisationslösungen zur Verbesserung des Humankapitals im öffentlichen Auftragswesen in Deutschland
Einige der Vergabestellen in Deutschland haben Kapazitätsprobleme durch eine Umstrukturierung ihrer Arbeitsabläufe gelöst. Während häufige und vertiefte Trainings der bestehenden Mitarbeiter oft eine Lösung für Lücken bei Fähigkeiten und spezifischen Kenntnissen ist, sind in einigen speziellen Bereichen der öffentlichen Beschaffung Schulungen nicht möglich. Dies ist der Fall, wenn Beschaffungsvorhaben komplexes technisches Wissen erfordert. Diese Themen können in Trainings weder in angemessener Dauer und Tiefe vermittelt werden, noch können sie am Arbeitsplatz erworben werden. Allerdings ist Spezialisierung oft sehr gefragt, und bei hoher Nachfrage gibt es gleichzeitig einem Mangel an Personal mit ausreichenden technischen Kenntnissen.
Der Personalbedarf bei der zentralen IT-Vergabestelle des BeschA, der Zentralstelle IT-Beschaffung (ZIB), verdeutlicht dieses Problem. Mit der Zentralisierung der Beschaffung stieg der Bedarf an IT-Spezialisten im BeschA. Gleichzeitig ist der Wettbewerb um diese Fachleute hoch. Häufig haben IT-Spezialisten sehr lukrative Angebote aus der Privatwirtschaft, mit deren Gehaltsniveau von öffentlichen Institutionen nicht gleichziehen können. So bekommt beispielsweise ein IT-Spezialist im öffentlichen Sektor eine maximale jährliche Vergütung von 71 472 EUR.7 Diese Vergütung beinhaltet den maximal möglichen Zusatz, den Bundesbehörden für besonders begehrte Berufe vorsehen können (rund 12 000 EUR pro Jahr). Nach Angaben in OECD- Befragungen kann ein in der Informationstechnologie angestellter Fachmann in der Privatwirtschaft häufig mit bis zu 30% mehr Einkommen rechnen. Vor dem Hintergrund dieser Herausforderungen prüft das BeschA derzeit, ob eine andere Organisation des bestehenden Teams mehr Effizienz schaffen könnte, z. B. durch die Bildung von Pools von IT-Experten und Beschaffungsexperten. Diese Reorganisation würde es einem IT-Experten ermöglichen, über mehrere Beschaffungsprozesse hinweg zu arbeiten – aber nur an den relevanten, technischen Aspekten, die von anderen Beschaffungsexperten nicht abgedeckt werden können. Darüber hinaus prüft das BeschA neben einer erhöhten Vergütung auch nicht-monetäre Aspekte, die die Arbeit attraktiver machen könnten. Der Ansatz des BeschA könnte auch für andere Vergabeteams Erkenntnisse liefern, auch wenn der Personalmangel in diesen anderen Einheiten möglicherweise nicht so dringlich ist.
Neben der Arbeit mit einem Pooling-Ansatz könnte Deutschland auch die Verteilung von Beschaffungsprojekten überdenken. Eine Studie aus dem Jahr 2014 fand einen Zusammenhang zwischen den Erfahrungen der einzelnen Beschaffer und dem Grad, in dem Beschaffungsprozesse den Vergaberegeln entsprechen. Compliance erfordert die Einhaltung aller Arten von Regeln, die während des Beschaffungsprozesses zu beachten sind, einschließlich Richtlinien und Strategien wie ergänzende politische Ziele. Die Studie kam zu dem Schluss, dass risikoreiche Ausschreibungen von erfahreneren Beschaffern bearbeitet werden sollten. Auf diese Weise können Regeltreue erhöht und die negativen Folgen von Regelverletzungen minimiert werden (Hawkins and Muir, o.J.[17]). Diese Änderungen könnten den Auftraggebern helfen, ihre Leistungen zu verbessern, indem sie die Beschaffungsprozesse nach Risiko in Bezug auf die übergreifende Beschaffungsstrategie jeder Agentur kategorisieren. In diesem Szenario würde ein Beschaffungsmanager eine Voranalyse durchführen und dann ein Projekt an die Beschaffer verteilen, die das Projekt gut bearbeiten könnten. Dieser Prozess würde Folgendes erfordern: 1) eine ausreichend hohe Anzahl von Projekten zur Verteilung; und 2) einen Pool mit einer ausreichenden Anzahl von Beschaffern, aus dem der Beschaffungsmanager wählen kann.
6.3.5. Deutschland könnte die Stärken seiner öffentlichen Verwaltung und der öffentlichen Beschaffung zusammenbringen, um eine umfassende Strategie zum Aufbau von Kapazitäten zu schaffen
International bewährte Verfahren bieten Leitlinien dafür, welche Lösungen beim Aufbau von Kapazitäten im öffentlichen Auftragswesen am effektivsten sind. Eine OECD-Studie aus dem Jahr 2017 liefert ein umfassendes Paket konkreter Maßnahmen zur Verbesserung der Fähigkeiten eines öffentlichen Dienstes auf der Grundlage guter Praktiken aus OECD-Ländern (OECD, 2017[3]). Die OECD entwickelte außerdem einen Handlungsplan, der Staaten helfen soll, ihre Anstrengungen zum Kapazitätsaufbau im öffentlichen Auftragswesen strategisch zu planen (OECD, 2016[15]). Ebenso stellt die EU in ihrer Empfehlung zur öffentlichen Beschaffung eine Checkliste mit Maßnahmen zur Verfügung (Europäische Union, 2017[10]).
Deutschland könnte auf seinen bestehenden bewährten Praktiken aufbauen und sie miteinander verknüpfen, um den Aufbau von Vergabekapazität durch ein umfassendes Rahmenwerk zu steuern. Neben den genannten Einzelmaßnahmen gibt es in Deutschland einige Beispiele für Pläne zu Aus- und Weiterbildung, die Professionalisierung im Bereich der öffentlichen Beschaffung unterstützen. So hat beispielsweise die für die Umsetzung des E-Procurement zuständige Abteilung in BeschA im Rahmen der Einführung des Projekts einen Trainingsplan erstellt. Zuerst veranstaltete das E-Vergabe Team eine Informationsveranstaltung, um die Anliegen der zukünftigen Nutzer zu klären. Als nächstes erhielten Nutzer gezielte Schulungen, die die Besonderheiten im Alltag von Beschaffern berücksichtigte. (Nicht alle Beschaffer arbeiten hauptberuflich an der Beschaffung, so dass die Trainings auch dazu dienten, Vorteile der e-Vergabe für Nutzergruppen aufzuzeigen, die mit Beschaffung und e-Vergabe weniger vertraut sind. Ebenso verfügten nicht alle Beschaffer über komplexe Vergabekenntnisse, so dass sie eine spezielle Schulung zu Vergabethemen benötigten.) Dieses Beispiel ist eines von vielen, das die Grundlage für einen umfassenden Rahmen in Deutschland bilden könnte. Insgesamt geht es darum, wichtige Einflussnehmer innerhalb der verschiedenen deutschen Institutionen von den Vorteilen der Aus- und Weiterbildung im Bereich der öffentlichen Beschaffung zu überzeugen.
Das öffentliche Auftragswesen in Deutschland besteht aus einer Vielzahl von unterschiedlichen Auftraggebern und Vergabestellen. Zur Gewährleistung ausreichender Flexibilität in diesem System könnte ein Paket von freiwilligen Maßnahmen zum Aufbau von Kapazitäten angeboten werden, welches aus einigen der in diesem Abschnitt genannten Elemente besteht:
ein Kompetenzzentrum für öffentliche Beschaffung, das als eigenständige Institution Auftraggebern nach Bedarf Orientierungshilfen vermittelt
eine Reihe von Schulungsvorlagen oder Standard-Lehrplänen, die von interessierten Stellen in Anspruch genommen werden können
ein Portfolio von vergabebezogenen Kursen, die nach Abschluss ein Zeichen der Unterscheidung für Beschaffungsspezialisten darstellen.
Während einige Länder von einem strengen Zertifizierungsmechanismus profitiert haben (siehe Feld 6.6), sollte Deutschland ein Augenmerk auf die Multiplikatorwirkung legen, die zertifizierte Trainings im gesamten Vergabesystem haben können.
Feld 6.6. Zertifizierung der Beschaffungsfähigkeiten in den USA
Die Amerikanische Vergabegesellschaft (American Purchasing Society, APS) ist ein Berufsverband von Beschaffern. Die APS war die erste Organisation, die eine national anerkannte Zertifizierung für Beschaffer eingeführt hat. Die APS bietet drei verschiedene Zertifizierungsprogramme an:
1. das Programm für zertifizierte Beschaffungsprofis (Certified Purchasing Professional Program) richtet sich an Fachleute, die ihre Fähigkeiten als Teil ihrer Tätigkeit in einer Institution verbesserte Praxis im Vergabe- und Lieferkettenmanagement umgesetzt und nachgewiesen haben;
2. das Programm für zertifizierte Vergabemanager (Certified Professional Purchasing Manager Program) richtet sich an Personen in Führungspositionen und an Personen mit Führungserfahrung;
3. das Programm für zertifizierte Vergabeberater (Certified Professional Purchasing Consultant Programme) richtet sich an zertifizierte Vergabeexperten, die beratend zu Beschaffungsvorhaben tätig sind oder Lehrveranstaltungen für Personen außerhalb ihres eigenen Arbeitgebers geben.
Quelle: (OECD, 2013[22]), Public Procurement Review of the State's Employees' Social Security and Social Services Institute in Mexico, https://doi.org/10.1787/9789264197305-en.
6.4. Vergabekapazitäten auf Ebene der Bundesländer und Kommunen
Der Großteil der öffentlichen Beschaffungsausgaben in Deutschland entfällt auf die subnationale Ebene. Ebenso arbeiten, wie bereits erwähnt, fast 90% der deutschen Beschaffer in Verwaltungen auf subnationaler Ebene (d. h. in den Landesverwaltungen oder in Kommunen). Der Anteil der Mitarbeiter auf den drei deutschen Regierungsebenen wird in Abbildung 6.12 dargestellt.
Nordrhein-Westfalen (NRW) hat die höchste Bevölkerungszahl aller Bundesländer. NRW verfügt über einen der größten öffentlichen Dienste in Deutschland mit fast 780 000 Mitarbeitern, die in den Verwaltungen der Kommunen und der Landesregierung tätig sind. Auf Platz zwei folgt Bayern mit 625 000 Mitarbeitern im öffentlichen Dienst. Schleswig-Holstein verfügt im Vergleich zur Bevölkerung über einen der größten öffentlichen Dienste in Deutschland, Berlin über einen der kleinsten.
Wie auf Bundesebene gibt es nur begrenzte Informationen darüber, wie viele Mitarbeiter im öffentlichen Dienst in Deutschland öffentliche Aufträge vergeben, also zumindest einen Teil ihrer Zeit als Beschaffer tätig sind. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Anzahl der Beschäftigten im öffentlichen Auftragswesen im Verhältnis zur Größe des gesamten öffentlichen Dienstes in den einzelnen Ländern steht. In Bremen besteht die für das öffentliche Auftragswesen zuständige Verwaltungseinheit aus zwölf Mitarbeitern, die Vollzeit mit Beschaffung betraut sind. In dieser Abteilung werden jährlich mehr als tausend Beschaffungsvorhaben abgewickelt. Darüber hinaus gibt es in Bremen weitere Auftraggeber unterschiedlicher Größe. Die meisten Mitarbeiter, die in diesen Institutionen öffentliche Aufträge vergeben, haben neben der Beschaffung auch andere Aufgaben. Bremen schätzt, dass mehrere hundert Beschäftigte zumindest in Teilzeit öffentliche Aufträge vergeben. Auch in NRW liegen keine zuverlässigen Informationen über die Anzahl der Beschaffer vor. NRW schätzt, dass in der örtlichen Landesverwaltung 4 000 bis 5 000 Beschaffer beschäftigt sind.
6.4.1. Bundesländer haben erfolgreiche Initiativen zu Trainings und Kapazitätsaufbau entwickelt
In Kapitel 2 dieses Berichts werden die spezifischen und vielfältigen Anforderungen an das öffentliche Auftragswesen auf Landesebene in Deutschland hervorgehoben. Diese Anforderungen beschreiben spezifische Leitlinien und Anstrengungen zum Aufbau von Kapazitäten für jedes Bundesland. Die meisten Bundesländer verfügen über eine Fülle von Ressourcen zur Unterstützung ihrer Beschaffer, wie z. B. spezifische Leitfäden, Vorlagen, Kontaktstellen, institutionalisierte Kompetenzzentren und Akademien. So bietet NRW mehrere kurze Leitfäden, die komplexe Anforderungen Schritt für Schritt aufschlüsseln. Diese Leitfäden haben Beschaffern im Bundesland geholfen, bestimmte detaillierte und komplexe Anforderungen wie Mindestlohngesetze und ILO-Arbeitsnormen bei öffentlichen Aufträgen umzusetzen (Vergabe.NRW, o.J.[23]). Als 2017 das neue Beschaffungsrecht in Kraft trat, organisierten die Institutionen der Bundesländer Workshops und Austausch mit anderen Beschaffern, um die Auftraggeber über die Änderungen zu informieren. Häufig dienten die mit der öffentlichen Beschaffung beauftragten Institutionen auch als Kontaktstellen, die für Fragen anderer Institutionen zur Verfügung standen. Ministerien auf verschiedenen staatlichen Ebenen entwickelten außerdem Rundschreiben, Leitfäden und Handbücher und verteilten sie ad hoc. Die untenstehende Tabelle 6.2 gibt einen Überblick über die in den Bundesländern verfügbare Unterstützung und Beratung zum Thema öffentliche Beschaffung.
Tabelle 6.2. Unterstützung in der Vergabepraxis auf Länderebene in Deutschland
Leitfaden für die Beschaffung und Vergabe |
Standard-dokumente oder Formulare |
Helpdesk oder Kontaktstelle für Fragen |
Auftrags-beratungsstelle |
Verwaltungsakademie auf Landesebene mit Kursen zu öffentlicher Beschaffung |
Fachhoch-schule für die Verwaltung |
|
---|---|---|---|---|---|---|
Bayern |
Ja |
Ja |
Ja, nicht klar, ob für Kommunen |
Ja |
Keine Abdeckung von Beschaffungsthemen |
Ja; unklar, inwieweit Kurse zu Beschaffung angeboten werden |
Baden-Württemberg |
Ja, für Bauleistungen und die kommunale Ebene |
Ja |
Ja, nicht klar, für wen |
- |
Ja |
Ja; unklar, inwieweit Kurse zu Beschaffung angeboten werden |
Berlin |
Ja |
Ja |
Kein einzelner Schwerpunkt, aber für bestimmte Bereiche verfügbar |
Ja, für bestimmte Bereiche |
Ja |
- |
Brandenburg |
Ja, getrennt nach Arbeiten und Dienstleistungen |
Ja |
- |
Ja |
Ja |
Ja; unklar, inwieweit Kurse zu Beschaffung angeboten werden |
Bremen |
- |
Ja |
- |
Ja, keine separate Institution |
Ja; Abdeckung von Beschaffungsthemen unklar |
Ja; unklar, inwieweit Kurse zu Beschaffung angeboten werden |
Niedersachsen |
Ja |
Ja |
Ja |
- |
- |
Ja; unklar, inwieweit Kurse zu Beschaffung angeboten werden |
Nordrhein-Westfalen |
Ja, kostet EUR 79,50 |
Ja |
Ja |
Ja, einige Funktionen |
Ja |
Ja, Kurse um Thema Vergabe vorhanden |
Rheinland-Pfalz |
Online-Informationsportal |
- |
Ja, Status unklar |
Ja, Status unklar |
Ja |
Ja; unklar, inwieweit Kurse zu Beschaffung angeboten werden |
Sachsen |
Ja, für die kommunale Ebene |
Sehr begrenzt |
- |
- |
Ja |
Ja; unklar, inwieweit Kurse zu Beschaffung angeboten werden |
Schleswig-Holstein |
Ja |
Ja |
- |
Ja |
Ja; Abdeckung von Beschaffungsthemen unklar |
Ja, Kurse um Thema Vergabe vorhanden |
Quelle: Zusammenstellung der Autoren auf der Grundlage von Antworten von Institutionen des Bundes und der Länder auf einen OECD-Fragebogen und Befragungen sowie Internetrecherche.
Im Allgemeinen spiegelt die institutionelle Struktur, die mit dem Aufbau von Kapazitäten für den öffentlichen Dienst auf Länderebene, einschließlich der Arbeitskräfte im öffentlichen Auftragswesen, beauftragt ist, die Struktur auf Bundesebene wider. Es gibt keinen spezialisierten Karriereweg für Beschaffer. Ein großer Teil der Beschäftigten im öffentlichen Beschaffungswesen stammt aus dem allgemeinen öffentlichen Dienst. Ähnlich wie auf Bundesebene beginnen Neueinsteiger im öffentlichen Dienst der Länder ihre Karriere oft mit einem Fachstudium der Verwaltungswissenschaften. Zur Förderung des öffentlichen Dienstes auf Landesebene können diese Mitarbeiter eine Ausbildung an der Verwaltungsakademie ihrer Länder oder ein Masterstudium an der Verwaltungshochschule absolvieren. Wie auf Bundesebene ermöglicht die an diesen Einrichtungen auf Landesebene durchgeführte Aus- und Weiterbildung nur einen Dienst in der Landesverwaltung. Quereinsteiger können jedoch je nach Art ihrer bisherigen Ausbildung dem öffentlichen Dienst beitreten.
In der Regel verfügen die Kommunen nicht über zentrale Bildungseinrichtungen. Mitarbeiter dieser Verwaltungsebene werden in der Regel am Arbeitsplatz ausgebildet oder treten nach Abschluss ihrer Ausbildung in anderen Bereichen in den Dienst ein. Diese Vereinbarung veranschaulicht die Schwierigkeiten der Zentralregierung bei der Gestaltung von Maßnahmen zum Kapazitätsaufbau auf Landes- oder Bundesebene, die sich auf die Professionalisierung der Beschaffung auf kommunaler Ebene auswirken können.
Darüber hinaus gibt es in vielen Bundesländern Auftragsberatungsstellen. Diese spezialisierten Zentren haben in den verschiedenen Bundesländern unterschiedliche Strukturen und Portfolios. Die Beratungsstellen bieten Orientierungshilfe zu allen Aspekten der öffentlichen Beschaffung. Ihre Leitlinien richten sich in der Regel an Unternehmen, werden aber auch häufig von Mitgliedern des öffentlichen Dienstes genutzt. Die meisten Auftragsberatungsstellen werden von der örtlichen Industrie- und Handelskammer (IHK) unterstützt. Allerdings beteiligen sich die Landesverwaltungen oft an der Beratung. Die regionale oder lokale öffentliche Verwaltung ist oft Mitsponsor der Auftragsberatungsstellen, insbesondere in Fällen, in denen die Zentren auf Beschaffer und nicht auf Unternehmen ausgerichtet sind. In einigen Ländern gibt es eine Auftragsberatungsstelle für das gesamte Bundesland (z. B. in Sachsen). In anderen Ländern wie Bayern arbeiten mehrere lokale Beratungsstellen für öffentliche Beschaffung mit Kommunen zusammen. In Schleswig-Holstein betreut die Auftragsberatungsstelle vor allem die öffentliche Hand. In Sachsen konzentriert sich die Auftragsberatungsstelle sowohl auf den öffentlichen Dienst als auch auf die Privatwirtschaft, mit guten Ergebnissen. Mit über zwei Jahrzehnten Erfahrung ist Sachsen ein gutes Beispiel dafür, wie diese Auftragsberatungsstellen professionelle Vergabeprozesse in der öffentlichen Verwaltung und in der Privatwirtschaft unterstützen können (siehe Feld 6.7).
Feld 6.7. Die Auftragsberatungsstelle Sachsen
Die Auftragsberatungsstelle Sachsen e.V. (ABSt) berät Behörden, Unternehmen und Interessengruppen bei der professionellen Durchführung öffentlicher Beschaffung. Ähnlich wie die Kompetenzzentren auf Bundesebene wie die KNB oder KOINNO unterstützt die ABSt die Auftraggeber bei Bedarf bei der Unterstützung spezifischer Beschaffungsvorhaben. Darüber hinaus unterstützt die ABSt nicht nur fachliche Aspekte, sondern auch alle Aspekte der öffentlichen Beschaffung.
Die ABSt wurde 1994 gegründet. Nach öffentlichem Recht sind mehrere Organisationen als Träger der ABSt tätig. Dazu gehören: die örtlichen Industrie- und Handelskammern in Dresden, Chemnitz und Leipzig, die Architekturkammer Sachsen und der Freistaat Sachsen, vertreten durch das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (SMWA). Die zuständigen Mitarbeiter in der ABSt sind Juristen und Betriebswirte. Der Hauptsitz der ABSt befindet sich in Dresden. Darüber hinaus bietet die ABSt monatliche Sprechstunden in Chemnitz und Leipzig (ABSt Sachsen e.V., o.J.[24]).
Das Leistungsspektrum der ABSt reicht von Informationen über neue Gesetze, Vorschriften und Gerichtsentscheidungen bis hin zu Schulungen und On-Demand-Support. Die Unterstützung umfasst die Hilfe der Behörden bei der Durchführung von Beschaffungsverfahren und die Beratung von Unternehmen und Behörden bei Beschwerden. Im Jahr 2018 bot die ABSt außerdem sechs Seminare (Schulungen) an.
Bei der Unterstützung eines Beschaffungsprozesses geht die ABSt über eine Beratung zu Rechtssicherheit hinaus und wendet ein Coaching-Konzept an, das den gesamten Beschaffungszyklus umfasst. Das Institut überprüft die Ausschreibungsunterlagen auf ihre Rechtskonformität, berät aber auch inhaltlich (z. B. bei der Gestaltung von Auswahlkriterien). Die ABSt übernimmt auch Aspekte der Beschaffung wie Kommunikation, Veröffentlichung des Angebots, Abruf zusätzlicher Informationen von den Bietern und mehr. Die Beratung ist bis zu einer Stunde kostenlos. Benötigt ein Beschaffungsvorhaben zusätzliche Zeit, wird die ABSt durch einen Einzelvertrag vergütet. (ABSt Sachsen e.V., o.J.[25]; ABSt Sachsen e.V., o.J.[26]).
Die ABSt qualifiziert auch potenzielle Auftragnehmer für die Teilnahme an einer Ausschreibung. Unternehmen, die im Besitz des ABSt-Zertifikats sind, müssen nur dieses Zertifikat als Qualifikationsnachweis einreichen und nicht die gesamte Dokumentation. Zum Erhalt einer Präqualifikationsbescheinigung müssen Unternehmen einen Antrag bei der ABSt auf der Grundlage einer Reihe von Dokumenten stellen. Die ABSt prüft die Dokumentation und nimmt die präqualifizierten Unternehmen in eine Online-Datenbank auf, die ganz Deutschland abdeckt. Der Prozess kostet 180 EUR zuzüglich einer Verwaltungsgebühr von 50 EUR, die an die örtliche Industrie- und Handelskammer geht. Bei einer späteren, erneuten Anmeldungen ist die Gebühr geringer (130 EUR plus 50 EUR) (ABSt Sachsen e.V., o.J.[27]).
Als eingetragener Verein wird die ABSt von einem Vorstand mit drei Vorstandsmitgliedern geleitet. Diese Vorstandsmitglieder kommen aus Wirtschaft und von staatlicher Seite und verdeutlichen die enge Zusammenarbeit zwischen den beiden Bereichen innerhalb der ABSt. Der derzeitige Vorsitzende der ABSt ist zugleich Geschäftsführer der Handwerkskammer Dresden, sein Stellvertreter ist Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Dresden. Der zweite Stellvertreter der ABSt ist der für die Beschaffung zuständige Mitarbeiter des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr von Sachsen (ABSt Sachsen e.V., o.J.[28]).
Quelle: ABSt Sachsen (o.J.), Website, www.abstsachsen.de.
6.4.2. Die Herausforderungen auf Landesebene in Deutschland haben praktische Lösungen hervorgebracht, die Maßnahmen auf allen Ebenen des öffentlichen Beschaffungssystems inspirieren können
Befragungen mit Vergabestellen auf Landesebene in Deutschland zeigen eine Reihe spezifischer Herausforderungen auf. Während die Bundesländer, die den OECD-Fragebogen für diese Vergabestudie beantwortet haben, recht unterschiedlich sind, haben sich gemeinsame Themen ergeben. In vielen Fällen haben Bundesländer Kapazitätsprobleme erwähnt. Für viele Bundesländer waren diese Kapazitätsherausforderungen ein Anreiz, nach praktischen Lösungen zu suchen, die der anstehenden Herausforderung gerecht werden, ohne jedoch Landeshaushalte zu belasten.
Auch wenn ein Großteil der öffentlichen Beschaffung in Deutschland auf subzentraler Ebene erfolgt, sind die Vergabestellen – insbesondere in den Kommunen – relativ klein. Die große Anzahl und das Volumen der öffentlichen Aufträge in Deutschland verteilen sich auf eine große Anzahl von Auftraggebern. Häufig wird die Vergabe nicht von entsprechenden Vollzeitbeschaffern oder Fachleuten durchgeführt. Das bedeutet, dass diese Mitarbeiter nur selten Beschaffungen durchführen, was das Risiko erhöht, mit den aktuellen Anforderungen und bewährten Verfahren nicht Schritt halten und auch nicht auf Erfahrungen aufbauen zu können. Die Beschaffer in diesen kleinen Behörden haben auch weniger Zeit und Anreize, sich dem Aufbau von Kapazitäten, zum Beispiel der Ausbildung, zu widmen. Nicht-vergabebezogene Aufgaben fordern ständig Aufmerksamkeit. Darüber hinaus ist die Wahrscheinlichkeit, neu erworbene Erkenntnisse zum Thema Aus- und Weiterbildung anzuwenden, gering, da es von Führungskräften nur geringe Anerkennung gibt. Ein Beispiel aus Schleswig-Holstein verdeutlicht diese Tatsache. Erhöhte Anforderungen und Anweisungen wie ergänzende politische Ziele stellen für viele kleine Auftraggeber oft eine überwältigende Herausforderung dar. Neben den ohnehin schon komplexen „Grundanforderungen“ an die Durchführung eines gesetzeskonformen Beschaffungsprozesses auf Bundes- und Landesebene müssen die Behörden mit diesen neuen Anforderungen jonglieren. Zur Unterstützung dieser kleinen Auftraggeber hat Schleswig-Holstein einen speziellen Leitfaden entwickelt. Darüber hinaus verlangt Schleswig-Holstein von Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes, dass sie sich weiterbilden.
Mehrere Bundesländer sehen in der Zentralisierung der öffentlichen Beschaffung eine Chance für eine zunehmende Professionalisierung der Beschaffer. Allerdings sehen einige Länder wie Berlin auch, wie die Zentralisierung den Bedarf an gezieltem Kapazitätsaufbau und Schulungen erhöht. Aus der Sicht eines kleinen, kapazitätsschwachen öffentlichen Auftraggebers kann die Möglichkeit der Inanspruchnahme zentraler Einkaufsdienste Ressourcen für andere Aufgaben freisetzen. Darüber hinaus ermöglicht die Zentralisierung oft kleineren Vergabebehörden, Einsparungen zu realisieren (siehe Kapitel 3). Aus Sicht der zentralen Vergabestelle bedeutet jede zusätzliche „Kundenbehörde“ eine größere Chance, aus Erfahrungen zu lernen und Skaleneffekte zu erzielen, wenn Rahmenverträge einen höheren Marktanteil abdecken. Die Beschaffer in zentralen Vergabestellen müssen eine spezielle Schulung erhalten, um alle Vorteile der Zentralisierung der öffentlichen Beschaffung nutzen zu können. Bremen ist ein Bundesland, das sich um eine Zentralisierung seiner Vergabeverfahren bemüht hat. Eine Umstrukturierung der Einheiten, die die Beschaffungsvorhaben bearbeiten, war Teil dieser Bemühungen, wie in Feld 6.8 beschrieben.
Feld 6.8. Überdenken des Arbeitsablaufs für eine effiziente öffentliche Beschaffung in Bremen
In der Freien Hansestadt Bremen hat die Neustrukturierung der Arbeitsabläufe in der zentralen Beratungsstelle zur Unterstützung von Auftraggebern bei der rechtlichen Gestaltung ihrer Beschaffungsvorhaben zu einer Effizienz- und Effektivitätssteigerung beigetragen. Die öffentliche Beschaffung wurde in den letzten Jahren schrittweise und organisch in der Bremer Institution für öffentliche Gebäude und Immobilien (Immobilien Bremen, IB) zentralisiert. Andere Institutionen des relativ kleinen Stadtstaates haben die Expertise von IB in Anspruch genommen, um bei der Beschaffung von Bauleistungen und anderen komplexen Beschaffungsvorhaben zu helfen. Heute unterstützt IB bei Beschaffungsvorhaben und Rahmenverträgen die gesamte Verwaltung in Bremen. 80% der von IB abgewickelten Beschaffungsvorhaben beziehen sich nach wie vor auf Bauleistungen; 20% beziehen sich auf Waren und Dienstleistungen.
Die Unterstützung bei den Beschaffungsvorhaben ist im Einkaufs- und Vergabezentrum (EVZ) innerhalb des IB konzentriert. Diese Einheit wiederum gliedert sich in zwei Gruppen, 1) Beschaffungsexperten, die Einheiten mit geringer Kapazität bei der Erstellung technischer Spezifikationen unterstützen, und 2) Rechtsexperten, die die rechtliche Konformität von Beschaffungsvorhaben überprüfen.
In der Vergangenheit konzentrierte sich jeder der Mitarbeiter der juristischen Gruppe auf einen bestimmten Teil des Beschaffungszyklus und behandelte ausschließlich diese Aspekte. Das führte zu Engpässen – wenn es bei den mit der Veröffentlichung von Ausschreibungsmöglichkeiten betrauten Mitarbeitern Verzögerungen gab oder diese krank waren, konnten alle mit den folgenden Schritten beauftragten Mitarbeitern nicht mit ihrem Anteil fortfahren. Nach einem Führungswechsel in der Abteilung wurde dieser Prozess geändert. Nach und nach wurden Mitarbeiter zu Fallmanagern ausgebildet, die in der Lage sind, den gesamten Beschaffungsprozess für ein bestimmtes Projekt von Anfang bis Ende zu übernehmen. Abgesehen vom Leiter der Abteilung beschäftigt die Abteilung jetzt:
sieben Fallmanager, die den gesamten Beschaffungsprozess abdecken
zwei Spezialisten für Analyse- und Vergabekriterien sowie für komplexe Fälle
zwei Manager, die für die Veröffentlichung der Angebote und die Bearbeitung der eingereichten Angebote verantwortlich sind.
Durch diese Lösung wurden nicht nur Engpässe beseitigt. Darüber hinaus trug sie dazu bei, Beschaffungsvorhaben im Hinblick auf die damit verbundenen Risiken zu identifizieren und den verschiedenen Fallmanagern zuzuordnen, was die Effizienz und Gesamtqualität der Verfahren erhöhte. Spezialisten leisten ihren Beitrag bei Bedarf bei komplexeren Fällen. In ähnlicher Weise behandeln erfahrenere Fallmanager heute risikoreichere Fälle.
Als IB anfing, seine Prozesse zu reformieren, hatte der Abteilungsleiter politische Unterstützung von seinen Vorgesetzten, sah sich aber auch mit Widerstand seiner Mitarbeiter konfrontiert. Diese Ressentiments wurden durch eine klare Darstellung der Vorteile und Möglichkeiten für den einzelnen Beschaffer überwunden, wie z. B. die Möglichkeit, zusätzliche Verantwortung zu übernehmen und Schulungen zu absolvieren. Dieser Fall zeigt auch, wie wichtig Führung und Begleitung für ein erfolgreiches Management eines solchen Veränderungsprozesses ist.
Diese Umstrukturierung ist im Kontext eines politischen Vorstoßes für eine stärkere Zentralisierung im Bereich der öffentlichen Beschaffung zu sehen. Während die Zentralisierung der Beschaffung in IB ad hoc erfolgte, arbeitet die Bremer Regierung nun an der Formalisierung der Beschaffungsbeziehungen. Das bedeutet, dass IB derzeit mit den Institutionen in Bremen, für die IB bereits Beschaffungsverfahren durchgeführt hat, formelle Vereinbarungen aushandelt. Im Rahmen dieses Formalisierungsprozesses plant Bremen, Art und Umfang der Beschaffungsverfahren im ganzen Land zu verbessern.
Quelle: Immobilien Bremen.
Die Vergaberechtsreform 2016 stellte die Beschaffungsinstitutionen der Bundesländer vor Herausforderungen, da die Verfahren an ein neues Regelwerk angepasst werden mussten. Der Monitoringbericht der Bundesregierung über die Umsetzung der EU-Richtlinien 2014 fasst eine Reihe von Herausforderungen zusammen, vor denen die Länder stehen (Bundesregierung, 2017[12]). Die Antworten zeigen, dass sich die Herausforderungen nicht auf komplexe Beschaffungsverfahren im Zusammenhang mit ergänzenden politischen Zielen beschränken. Die folgenden Aktivitäten wurden für die Länder als problematisch eingestuft:
Schätzung des Wertes eines Beschaffungsprojekts in der Planungsphase, um festzustellen, welche Regeln gelten (über oder unter dem EU-Schwellenwert) – insbesondere für Bauleistungen.
Wann und wie Bieter nach zusätzlichen Informationen gefragt werden können.
Wo in den Bundesländern formelle Widersprüche vor Gericht erhoben wurden, bezogen sich diese oft auf die Frage, ob die gewählte Beschaffungsstrategie richtig angewendet wurde (z. B. Niedersachsen).
Wie und welche Art von Dokumenten wo veröffentlicht werden sollen (Thüringen).
Wie man Angebote vergleicht (Sachsen-Anhalt).
Mehrere Bundesländer wünschen sich eine weitere Aktualisierung des jüngsten Vergaberechts, um zusätzliche Details des Beschaffungsprozesses festzulegen. Während der Zweck des föderalen Monitoringberichts darin bestand, alle Probleme in der Umsetzung des neuen Rechtsrahmens aufzuzeigen, illustrieren die Antworten, dass der Fokus vor allem auf der Einhaltung der Gesetze liegt. Strategische Aspekte der Beschaffungsverfahren und die Frage, wie das beste Preis-Leistungs-Verhältnis im weiteren Sinne erreicht werden kann, waren den Befragten weniger wichtig (Bundesregierung, 2017[12]).
Handlungsvorschläge
In Deutschland gibt es ein öffentliches Beschaffungswesen mit vielen verschiedenen Auftraggebern und kein einheitliches Profil der Beschaffer. Darüber hinaus steht die Belegschaft im öffentlichen Beschaffungswesen in Deutschland vor einer oft widerkehrenden Herausforderung. Diese Herausforderung besteht in der Spannung zwischen zwei Aspekten des öffentlichen Beschaffungssystems. Erstens verfolgt Deutschland eine komplexere Beschaffungspolitik mit komplexeren Anforderungen (z. B. zentralisierte Beschaffung und strategische Beschaffungsziele), die idealerweise von spezialisierten Experten für öffentliche Beschaffung umgesetzt werden sollten. Zweitens werden bisher Beschaffungsvorhaben vor allem von generalistisch geschulten Mitarbeitern durchgeführt. Zur Verbesserung der Situation schlägt dieses Kapitel die Einrichtung einer Reihe von unterstützenden Maßnahmen vor, die von öffentlichen Auftraggebern oder einzelnen Beschaffern freiwillig in Anspruch genommen werden können. Auf diese Weise können Auftraggeber mit geringerer Kapazität gezielt unterstützt werden, während die bewährten Verfahren der stärkeren Einheiten im gesamten System verbreitet werden können.
Die folgenden Maßnahmen werden vorgeschlagen:
Schaffung einer zentralen, allgemein ausgerichteten Anlaufstelle auf Bundesebene für öffentliche Beschaffung. Diese Kontaktstelle kann die Koordinierung eines Netzwerkes von Beschaffern ermöglichen, den Wissensaustausch fördern und eine bedarfsgerechte Beratung ermöglichen. Deutschland könnte erwägen, bestehende Institutionen in diese Bemühungen einzubeziehen, darunter das Forum Vergabe, das Deutsche Vergabenetzwerk und Universitäten oder die Abteilung für öffentliche Beschaffung im Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME). Vertreter dieser Institutionen könnten am Wissensaustausch und an Veranstaltungen teilnehmen und wertvolle Anregungen aus der Praxis geben.
Entwicklung eines Satzes von Standard-Lehrplänen für Schulungen zu Beschaffungsthemen, die als Maßstab für angemessene entsprechende Trainings durch öffentliche oder private Anbieter dienen können.
Entwicklung von Beispielprofilen für Beschaffungsrollen und die Erwägung, ob die Implementierung eines Karrierepfades für Beschaffer sinnvoll wäre – z. B. durch eine Rotation zwischen Vergabestellen in verschiedenen Institutionen.
Entwicklung eines Portfolios von Schulungskursen für das öffentliche Beschaffungswesen, z. B. durch ein Kompetenzzentrum für allgemeine Beschaffung oder BAköV. Diese Schulungen könnten ein „Certificate Light“ für Beschaffungsexperten im öffentlichen Dienst sein.
Unterstützung der öffentlichen Auftraggeber bei der Überwachung ihrer Beschaffungsleistung, z. B. durch die Entwicklung eines Instruments zur Selbsteinschätzung.
Gezielte Unterstützung kleinerer Behörden oder Behörden mit geringer Kapazität auf allen Ebenen auf Grundlage einer Bedarfsanalyse.
Gesetzestexte
Bundesbeamtengesetz (BBG), http://www.gesetze-im-internet.de/bbg_2009/BBG.pdf.
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG), http://www.gesetze-im-internet.de/gg/GG.pdf.
Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) vom 13. September 2005, zuletzt geändert durch Änderungstarifvertrag Nr. 13 vom 24. November 2016, https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/themen/oeffentlicherDienst/tarifvertraege/TVoeD.pdf?__blob=publicationFile&v=2.
Literaturverzeichnis
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Anmerkungen
← 2. Der Anteil am Volumen ist nicht ohne Weiteres verfügbar.
← 3. Die übergreifende Kategorie jeder Person, die in einer öffentlichen Einrichtung arbeitet, ist unabhängig vom Status die eines Beamten.
← 7. Den Befragungen zufolge würden die IT-Profis in diesem Beispiel den Band 11 des Tarifvertrags für den Bund (z. B. Entgeltgruppe 11, Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst) erhalten. Der in Band 11 angebotene Monatslohn liegt nach dem neuesten Tarifvertrag zwischen 3 168,10 und 4 955,97 EUR.