34. Während der COVID-19-Pandemie haben viele multinationale Konzerne Verluste erlitten, weil die Nachfrage gesunken ist, weil es ihnen nicht möglich war, Produkte oder Dienstleistungen zu beziehen bzw. zu liefern, oder weil außergewöhnliche, einmalige Betriebskosten angefallen sind.1 Die Aufteilung von Verlusten zwischen verbundenen Unternehmen kann zu Streitigkeiten führen und stellt daher eine Frage dar, die es genauer zu prüfen gilt, da es im aktuellen Wirtschaftsumfeld häufiger und in größerem Umfang zu Verlusten kommen dürfte. Bei der Prüfung der Frage der Verluste und der Aufteilung der COVID-19-spezifischen Kosten verdienen drei Punkte besondere Aufmerksamkeit.
35. Erstens ist zu betonen, dass die Aufteilung der Risiken zwischen den an einer Vereinbarung beteiligten Unternehmen Auswirkungen darauf hat, wie die Gewinne oder Verluste aus dem Geschäftsvorfall über die Bestimmung des Preises für den Geschäftsvorfall nach dem Fremdvergleichsgrundsatz aufgeteilt werden.2 Daher kommt den bestehenden Leitlinien zur Analyse der Risiken in kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen bei der Entscheidung, wie Verluste zwischen verbundenen Unternehmen aufzuteilen sind, besondere Bedeutung zu.
36. Zweitens gilt es zu untersuchen, wie durch COVID-19 bedingte außergewöhnliche, einmalige Betriebskosten zwischen verbundenen Unternehmen aufgeteilt werden sollten.3 Die Aufteilung dieser Kosten sollte auf der Grundlage einer Untersuchung der Vorgehensweise unabhängiger Unternehmen unter vergleichbaren Umständen erfolgen. Da außerordentliche Kosten als betriebliche oder als nichtbetriebliche Elemente erfasst werden können, sind zudem möglicherweise Anpassungen zur Herstellung der Vergleichbarkeit nötig, um die Verlässlichkeit der Vergleichbarkeitsanalyse zu verbessern. Dabei darf nicht vergessen werden, dass sich die Behandlung von durch die Pandemie bedingten „außergewöhnlichen“, „einmaligen“ oder „außerordentlichen“ Kosten in einer Verrechnungspreisanalyse nicht nach ihrer Bezeichnung richtet, sondern nach der sachgerechten Abgrenzung des Geschäftsvorfalls, einer Analyse der von den am konzerninternen Geschäftsvorfall beteiligten Unternehmen übernommenen Risiken, einer Untersuchung der Art und Weise, wie sich derartige Kosten in den fremdüblichen Preisen unabhängiger Unternehmen niederschlagen, und letztlich danach, wie sich solche Kosten auf die in Geschäftsvorfällen zwischen verbundenen Unternehmen berechneten Preise auswirken könnten (vgl. beispielsweise Ziffer 2.86 der OECD-Verrechnungspreisleitlinien). Bei der Vergleichbarkeitsanalyse sollten Rechnungslegungsgrundsätze berücksichtigt werden, da sie sachdienliche und potenziell hilfreiche Konzepte für die Bestimmung der Art der Kosten enthalten. Es ist aber zu beachten, dass selbst nach diesen Rechnungslegungskonzepten Unsicherheit darüber herrschen kann, ob bestimmte Kosten sachgerecht als außergewöhnliche oder als außerordentliche Kosten einzustufen sind.
37. Drittens hat die COVID-19-Pandemie zu einer Situation geführt, in der verbundene Unternehmen erwägen könnten, ob sie Force-Majeure-Klauseln geltend machen oder ihre konzerninternen Vereinbarungen widerrufen oder anderweitig ändern können. Dies kann sich auf die Aufteilung von Verlusten und COVID-19-spezifischen Kosten zwischen verbundenen Unternehmen auswirken und bedarf daher im derzeitigen wirtschaftlichen Umfeld ebenfalls besonderer Erwägung.