Bei der Gestaltung und Umsetzung von Rechtsvorschriften legen Staaten und Regelungsinstanzen zunehmend Wert auf Risikofokussierung und Risikoangemessenheit. Der Blick auf die Risiken hilft ihnen dabei, Rechtsvorschriften effizienter und effektiver zu machen. Er ist von entscheidender Bedeutung, um in jeder Phase des Regelungszyklus Ergebnisse für die Bürger*innen zu erzielen und gleichzeitig die von Rechtsvorschriften und Regeln ausgehenden Belastungen und unbeabsichtigten Nebeneffekte zu minimieren. Allerdings wird den Risiken nicht in allen Ländern und Rechtsetzungsbereichen gleichermaßen Aufmerksamkeit geschenkt. Außerdem erschwert eine Reihe von Faktoren ihre Berücksichtigung, von Widerständen in den Institutionen bis hin zur Überschätzung der Wirksamkeit einer nicht risikobasierten Regulierung. Die Covid-19-Pandemie hat gezeigt, wie weit Rechtsvorschriften an den Anforderungen der Krisenbekämpfung vorbeigehen können, wenn sie keinem risikobasierten Konzept folgen und nicht hinreichend flexibel sind. In diesem Kapitel wird erörtert, wie sich Regulierungsergebnisse durch risikobasierte Priorisierung, durch objektive und datengesteuerte Risikobeurteilung, durch Nutzung neuer Technologien zur Verbesserung des Datenaustauschs und der Datenanalyse sowie durch angemessene Flexibilität/Agilität enorm verbessern lassen.
OECD-Ausblick Regulierungspolitik 2021 (Kurzfassung)
6. Risikobasierte Regulierung
Abstract
Wichtigste Erkenntnisse
Um Rechtsvorschriften effizienter und effektiver zu gestalten und umzusetzen und den damit verbundenen Verwaltungsaufwand zu verringern, sind Risikofokussierung und Risikoangemessenheit unerlässlich.
Unter „Risiko“ ist die Kombination aus der Eintrittswahrscheinlichkeit eines beliebigen Schadens und dem potenziellen Ausmaß und Schweregrad dieses Schadens zu verstehen. Bei der risikobasierten Regulierung geht es vor allem darum, sich auf die Ergebnisse zu konzentrieren und nicht auf bestimmte Regeln und Verfahrensweisen.
Risikobasierte Regulierungskonzepte werden nicht in allen Ländern und nicht für alle Regulierungsaufgaben gleichermaßen verfolgt; häufig beschränken sie sich auf bestimmte Phasen des Regelungszyklus, ausgewählte Sektoren usw. Die anhand der neuen Fragen im iREG Survey erhobenen Daten bestätigen dies.
Die Beurteilung von Risiken kann dazu dienen, bestimmte Regelungsanstrengungen zu priorisieren und die Regulierungsinstrumente entsprechend auszuwählen und zu gestalten – innerhalb einzelner oder auch für mehrere Regulierungsbereiche. Dabei gilt es, nicht nur die Höhe der Risiken, sondern auch ihre Merkmale zu ermitteln, um die jeweils angemessene regulatorische Maßnahme zu konzipieren.
Zu den Hindernissen auf dem Weg zu einer risikobasierten Regulierung zählen Widerstände in Institutionen mit einer Kultur der Risikoaversion, öffentlicher Druck, Pfadabhängigkeit, Mangel an notwendigen Instrumenten und Ressourcen usw. Eine Reihe dieser Hürden rührt daher, dass der Ansatz der risikobasierten Regulierung nicht richtig verstanden oder die Wirksamkeit einer nicht risikobasierten Regulierung überschätzt wird.
Als erster (nützlicher) Schritt kann eine risikobasierte Priorisierung nach Sektor oder Art der Geschäftstätigkeit erfolgen. Sofern aber ausreichend Daten für eine Priorisierung auf der Basis einer Risikoanalyse vorliegen, ist ein differenzierteres, datengestütztes Konzept für die Beurteilung und gezielte Eindämmung von Risiken von grundlegender Bedeutung.
Risiken sollten objektiv und datengestützt beurteilt werden. In den vergangenen Jahren wurden erhebliche Fortschritte erzielt, u. a. durch die Nutzung maschinellen Lernens zur Verbesserung der Datenanalyse, und zahlreiche Staaten und Behörden haben neue risikobasierte Instrumente und Verfahrensweisen eingeführt, insbesondere im Zusammenhang mit Covid-19.
Die Coronapandemie hat gezeigt, wie stark Rechtsvorschriften an den Anforderungen der Krisenbekämpfung vorbeigehen können, wenn sie nicht in einem angemessenen Verhältnis zu den Risiken stehen oder wenn Zielkonflikte bei der Eindämmung verschiedener Risiken nicht angemessen einkalkuliert werden. Die Pandemie hat auch deutlich gemacht, wie wichtig in Krisensituationen eine flexible Rechtsetzung und der Einsatz neuer Technologien sind.
Neue Technologien können den Datenaustausch erleichtern und Analysen verbessern, insbesondere wenn sie vertrauliche mit öffentlich zugänglichen Daten kombinieren. Hierfür bedarf es jedoch einer angemessenen Lösung von Fragen des Vertrauens und des Datenschutzes.
Einleitung
Die Berücksichtigung von Risiken (und insbesondere von öffentlichen Risiken) hat in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur in der Wirtschaft und allgemein im Sicherheitsmanagement, sondern auch in der Rechtsetzung an Bedeutung gewonnen (Burgess, 2009[1]). Das ist nachvollziehbar, denn um Rechtsvorschriften so auszugestalten, dass sie ihre intendierten Ziele besser erreichen und gleichzeitig möglichst wenig Belastungen und unbeabsichtigte Nebeneffekte mit sich bringen, ist es entscheidend, auch die Risiken in den Blick zu nehmen. Dadurch kann präziser formuliert werden, was mit einer gegebenen Regelung erreicht werden soll (Minderung oder Management eines Risikos). Außerdem können Inhalte und Mechanismen der Regelung (auf Basis der Ursachen und Merkmale der einzudämmenden Risiken) besser gestaltet sowie ihre Durchsetzung und Umsetzung effizienter (auf die Bereiche, Sektoren, Unternehmen usw., in denen die Risiken am größten sind) ausgerichtet werden. Damit trägt eine solche Risikofokussierung dazu bei, die Effizienz und Effektivität von Rechtsvorschriften in jeder Phase des Regelungszyklus zu steigern. Dies betrifft auch die Bewertung im Nachgang (in Hinsicht auf die Wirksamkeit des Risikomanagements). Zudem hat der Blick auf die Risiken einen positiven Effekt auf die Rechenschaftslegung, da er eine klare und häufig mit Kennzahlen unterlegte Formulierung der intendierten Ziele (und Grenzen) einer Regelung bzw. einer Regelungsinstanz ermöglicht.
In den vergangenen Jahren wurden insgesamt große Fortschritte bei der Ausweitung der risikobasierten Regulierung auf neue Länder, Sektoren, Regulierungsbereiche usw. erzielt. Gleiches gilt für die Anwendung von Datenintegration, maschinellem Lernen und anderen innovativen Verfahrensweisen und Werkzeugen, die helfen, Risiken besser zu verstehen, zu beurteilen und durchgängig zu berücksichtigen, sei es auf der strategischen Ebene oder auch bei der unmittelbaren Anwendung von Rechtsvorschriften. In diesem Kapitel sollen diese Fortschritte dargestellt werden. Dabei widmet es sich insbesondere dem Einsatz neuartiger digitaler Lösungen sowie der Einbindung verhaltensökonomischer Erkenntnisse.
„Risiken und Regulierung“ und „risikobasierte Regulierung“ sind mit der Zeit zu sich ergänzenden Aspekten eines Themas geworden, das über die Jahre an Bedeutung gewonnen hat – davon zeugen Studien verschiedener wichtiger Netzwerke von Wissenschaftler*innen und Fachkräften1 ebenso wie entsprechende Bezugnahmen in zahlreichen Gesetzestexten2 und wichtige internationale Publikationen3. Es hat mittlerweile eine nahezu vierzig Jahre lange Entwicklung hinter sich (National Research Council, 1983[2]) (IRGC, 2017[3]) und wurde nicht zuletzt auch schon von der OECD behandelt (OECD, 2010[4]). Aber auch wenn in Studien und Handlungsempfehlungen, die für bestimmte Regulierungsbereiche gelten oder sich auf diese beziehen,4 auf Risiko, Risikofokussierung, Risikoangemessenheit und Risikomanagement eingegangen wird (Khwaja, Awasthi und Loeprick, 2011[5]), gibt es auf internationaler Ebene noch keine konkreten konsolidierten Leitlinien zum Thema „risikobasierte Regulierung“. Risikoangemessenheit ist ein zentraler Aspekt internationaler Vereinbarungen wie der WTO-Übereinkommen über technische Handelshemmnisse (TBT), über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen (SPS) sowie aus jüngerer Zeit des Übereinkommens über Handelserleichterungen (TFA). Sie enthalten einschlägige Bestimmungen,5 denen zufolge handelsbeschränkende „Maßnahmen“ auf dem jeweiligen Risiko basieren müssen, und nennen grundlegende Elemente eines solchen Ansatzes; die Auslegung ist allerdings alles andere als unumstritten und die Umsetzung ist uneinheitlich (Goldstein und Carruth, 2004[6]; Wagner, 2016[7]; Russell und Hodges, 2019[8]). Eine Erörterung der Unterschiede in der Auslegung übersteigt den Rahmen dieses Kapitels, man sollte aber wissen, dass es sie gibt, weil sie einige der Schwierigkeiten bei der Umsetzung verständlicher machen.
In der Tat herrschen trotz der im Lauf der Zeit erzielten beachtlichen Fortschritte noch erhebliche Umsetzungsdefizite in Bezug auf risikobasierte Regulierung. Dies ist selbst in einigen Staaten und Regulierungsbereichen der Fall, in denen sie augenscheinlich verbindlich geregelt ist und/oder in denen Rechtsvorschriften offiziellen Angaben zufolge „risikobasiert“ gestaltet werden. Der erwartete Nutzen einer Rechtsetzung, die auf gut verstandenen, beurteilten sowie konsequent und angemessen berücksichtigten Risiken basiert, stellt sich erst dann ein, wenn man die gegenwärtige Situation systematischer analysiert und empfehlenswerten Verfahrensweisen zur Durchsetzung verholfen hat. Deshalb wird der Umsetzung von Punkt 9 der Empfehlung des Rates zu Regulierungspolitik und Governance von 2012,6 „Risikoabschätzung, -management und -kommunikation“, in dieser Ausgabe des Ausblicks Regulierungspolitik größere Aufmerksamkeit geschenkt: Der Bericht enthält die Ergebnisse neuer Fragen aus dem iREG Survey, einen Überblick über die wichtigsten Initiativen auf dem Gebiet der risikobasierten Regulierung sowie vorläufige Resultate aus Arbeiten zur Anwendung risikobasierter Methoden bei der Rechtsumsetzung.
Den Erhebungsergebnissen zufolge wird risikobasierte Regulierung ungleichmäßig und unvollständig angewendet
Die Antworten auf die neuen Fragen des iREG Survey bestätigen die allgemeine Feststellung, dass risikobasierte Ansätze ungleichmäßig und unvollständig verbreitet und eingeführt sind. Die Daten zeigen aber auch, dass solche Ansätze im Regulierungsbereich allmählich Fuß fassen. 39 Länder (einschließlich der EU, die wie ein Staat behandelt wurde) nahmen insgesamt an der Erhebung teil, allerdings beantworteten nur 32 die neuen Fragen zur risikobasierten Regulierung. Dies könnte bedeuten, dass einige Länder mit dem Thema nicht viel anfangen konnten, oder dass teilweise die nötige Sensibilisierung fehlt bzw. kein Interesse besteht. In einigen Ländern ließen die Befragten bestimmte Fragen unbeantwortet oder gaben an, dass bestimmte Verfahrensweisen bei ihnen nicht existieren, obwohl das OECD-Team unabhängig von der Erhebung bezüglich bestimmter Sektoren über anderslautende Informationen verfügte. Dies lässt den Schluss zu, dass bestehende risikobasierte Ansätze innerhalb der Staatsverwaltung und selbst innerhalb einzelner Ministerien nicht hinreichend bekannt sind (die Auskunftgebenden fragten in anderen Ministerien nach und erhielten teilweise offensichtlich keine Antwort oder ein „Nein“, obwohl das jeweilige Haus durchaus risikobasierte Ansätze verfolgte).
Darüber hinaus lassen die Antworten darauf schließen, dass risikobasierte Regulierung häufig auf bestimmte Aspekte der Rechtsetzung und der Regulierungspolitik beschränkt ist, anstatt einen soliden Rahmen für die Gesamtheit der Regulierungsfunktionen abzugeben. Nur 9 der 39 befragten Länder bestätigten, dass sie über eine „ressortübergreifende“ Strategie im Hinblick auf „Risiken und Regulierung“ verfügen, 16 gaben an, dass sie eine „sektorspezifische“ Strategie verfolgen. Insgesamt wählten lediglich 17 der befragten Länder mindestens eine der beiden Optionen aus. Deutlich mehr Länder berichteten allerdings, dass bei ihnen für alle oder zumindest einige Regulierungsbereiche eine Risikobeurteilung „bei der Ausarbeitung einer Rechtsvorschrift“ vorgeschrieben sei (insgesamt gibt es in 28 Ländern entsprechende Vorgaben). Allerdings ist die geforderte Risikobeurteilung oft nicht sonderlich rigoros: Nur in der Hälfte dieser Länder werden hierfür auch quantitative Analysen verlangt. Insgesamt bejahten nur 5 Länder alle 3 entscheidenden Fragen zum Risiko, d. h. ob eine ressortübergreifende Risikostrategie existiert, ob bei der Ausarbeitung von Rechtsvorschriften eine Risikobeurteilung erforderlich ist und ob diese Bewertung eine quantitative Analyse umfassen muss (Abbildung 6.1).
Definition und Verständnis von „Risiken“ im Kontext der Rechtsetzung
Der Begriff „Risiko“ kann für Verwirrung sorgen, da er sogar innerhalb ein und desselben Kontexts unterschiedliche Bedeutungen haben kann und es unterschiedliche Möglichkeiten gibt, Risiken zu bewerten. „Risiko“ wird häufig gleichbedeutend mit „Gefahr“ oder „Eintrittswahrscheinlichkeit (eines Schadens)“ verwendet. Bei der Erörterung von „öffentlichen Risiken“ im Allgemeinen sowie von Risiken im Zusammenhang der Rechtsetzung im Besonderen herrscht indessen Konsens, dass sich diese Begriffe unterscheiden: „Gefahr“ bezieht sich auf die Existenz eines möglichen Schadens und auf seinen potenziellen Schweregrad, vermittelt aber nicht, wie wahrscheinlich es ist, dass der Schaden eintritt. „Eintrittswahrscheinlichkeit“ wiederum bezieht sich nur auf das Maß der Erwartung, dass es zu einem Ereignis (z. B. zur Verletzung einer Rechtsvorschrift) kommt; Schweregrad und Reichweite dieses unerwünschten Ereignisses bleiben unberücksichtigt.
Die hier zugrunde gelegte Definition von „Risiko“ als Kombination aus Eintrittswahrscheinlichkeit und potenziellem Ausmaß und Schweregrad eines Schadens entspricht der Verwendung des Begriffs in früheren OECD-Arbeiten zu diesem Thema, in vielen wichtigen wissenschaftlichen Arbeiten sowie in internationalen und nationalen Dokumenten und Rechtsvorschriften (OECD, 2010[4]; 2015[9]); (BRDO, 2012[10]); (Blanc und Franco-Temple, 2013[11]); (IRGC, 2017[3]). Trotz gelegentlicher Abweichungen (offiziell oder zumindest in der Praxis) in manchen Ländern und Einrichtungen herrscht mittlerweile breiter Konsens über die Definitionen der folgenden Begriffe, die auch für dieses Kapitel und andere Textstellen dieser Ausgabe des Ausblicks Regulierungspolitik gelten (Rothstein et al., 2017[12]):
Unter Risiko ist die Kombination aus Eintrittswahrscheinlichkeit und potenziellem Ausmaß und Schweregrad eines Schadens zu verstehen. Dies lässt sich auch ausdrücken als Kombination aus Eintrittswahrscheinlichkeit und Gefahrengrad. Daher kombiniert Risiko 1. Wahrscheinlichkeit, 2. Schadensumfang (Zahl der betroffenen Personen usw.) und 3. Schadensgrad (Art des Schadens).
Gefahr bezieht sich auf Art, Ausmaß und Schweregrad eines potenziellen Schadens; die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts bleibt dabei unberücksichtigt.
Schaden ist jegliche Form der Schädigung von Personen (in Bezug auf ihr Leben, ihre Gesundheit, ihr Eigentum usw.), der Umgebung (der Umwelt oder auch des menschlichen Umfelds) oder sonstiger öffentlicher Interessen (z. B. schädigt Steuerbetrug die Staatseinnahmen). Man unterscheidet Schäden auch danach, ob sie unumkehrbar sind (z. B. Todesfälle) oder sich nach ihrer Feststellung korrigieren lassen (z. B. finanzielle Schäden).
Unvorhersehbarkeit und Unsicherheit sind vom Begriff des Risikos ebenso abzugrenzen wie von der geschätzten Eintrittswahrscheinlichkeit eines Schadens: Es handelt sich um dem Prozess der Risikobeurteilung innewohnende Einschränkungen und daher auch um Einschränkungen der risikobasierten Regulierung, die als solche anzuerkennen sind. Die Konzepte für den Umgang mit Unvorhersehbarkeit und Unsicherheit sind nicht immer ausdrücklich genannt oder kohärent. Auf dieses Problem wird in diesem Kapitel näher eingegangen.
Rechtsvorschriften behandeln eine Reihe unterschiedlicher potenzieller Schädigungen (körperliche Verletzungen, Umweltschäden, finanzielle Verluste usw.), die nicht alle gleichermaßen gravierend sind. Ein zentrales Unterscheidungskriterium ist dabei, ob die Schädigung rückgängig gemacht werden kann oder nicht. Zudem richten sich Rechtsvorschriften gegen viele Gefahren, von industrieller Umweltverschmutzung, Explosionen und Lebensmittelvergiftungen über Gebäudebrände und -einstürze bis hin zu Werbebetrug oder Steuerhinterziehung. Auch diese Fälle sind unterschiedlich schwerwiegend und ihre Eintrittswahrscheinlichkeiten variieren beträchtlich. Daher ist es schwierig, eine Priorisierung der verschiedenen zu regelnden Risiken vorzunehmen oder auf der Grundlage des verursachten Schadens zu entscheiden, welche Wirtschaftszweige oder Betriebe besondere Beachtung verdienen.
Auf Basis der Risiken kann über die strategische Mittelverteilung (auf verschiedene Bereiche wie Umweltschutz, Lebensmittelsicherheit, Staatseinnahmen, technische Sicherheit usw.) entschieden werden, allerdings geschieht dies eher selten. Weitaus häufiger werden auf dieser Grundlage regulatorische Eingriffe innerhalb eines gegebenen Bereichs nach verschiedenen Wirtschaftssektoren und Betrieben priorisiert. Auf diese Weise kann das Risiko als eine Art Messgröße dienen, um auf einer einheitlichen Berechnungsbasis den relativen „Wert“ verschiedener regulatorischer Eingriffe in Form von geretteten Menschenleben, Entlastungen der Umwelt, der Wirtschaft usw. zu bestimmen und zu vergleichen. Dies ist jedoch nur möglich, wenn die zu regulierenden Bereiche und Sektoren ein einheitliches Konzept für die Risikobewertung anwenden.
Um die relative Höhe der verschiedenen Risiken zu vergleichen und über die geeignete Art und Intensität einer regulatorischen Maßnahme zu entscheiden, muss zuvor eine Risikobeurteilung vorgenommen werden. Es gilt also, diese relative Höhe in Bezug auf die Eintrittswahrscheinlichkeit und die Schadensschwere abzuschätzen. Für vollständige Vergleiche über unterschiedliche Regulierungsbereiche hinweg bedarf es aber nicht nur eines einheitlichen Konzepts für die Risikobewertung, sondern auch einer Methode zur Umrechnung verschiedener Schadensarten. Dies ist zwar theoretisch möglich (in Recht und Wirtschaft gibt es viele Ansätze, um den wirtschaftlichen Wert von Menschenleben, Gesundheit, Umwelt usw. zu schätzen), in der Praxis wird ein solches Präzisionsniveau jedoch eher selten angestrebt. Meistens erfolgen Vergleiche der Risikoniveaus innerhalb einer gegebenen Schadenkategorie, z. B. nur in Bezug auf den potenziellen Verlust von Menschenleben oder mögliche finanzielle Einbußen. In jedem Fall handelt es sich, unabhängig von Umfang und Reichweite der Risikobetrachtung, bei der Risikobeurteilung um ein Instrument, um Vergleiche – und damit Priorisierungen – vorzunehmen.
Eine ausschließlich nach Sektor oder Art der wirtschaftlichen Tätigkeit vorgenommene Risikopriorisierung kann zwar in Situationen, in denen die Risikobeurteilung bei null beginnt und nur eine geringe oder gar keine Datengrundlage vorhanden ist, ein nützlicher erster Schritt in die richtige Richtung sein, sie ist jedoch nicht optimal und auf längere Sicht unzureichend. In den fortgeschrittenen Volkswirtschaften bzw. in den Ländern, in denen die Regulierungsbehörden über die für die Risikoanalyse und Priorisierung erforderlichen Daten verfügen, sollte hingegen ein differenzierterer Ansatz für die Bewertung und die gezielte Minderung von Risiken realisierbar sein. Dabei könnte z. B. jedes Unternehmen oder jeder Unternehmensbestandteil (Anlage, Betriebsstätte) anhand seiner inhärenten Merkmale und bisherigen Regulierungsergebnisse individuell berücksichtigt werden.
Warum Risiken wichtig sind: Bedeutung von Priorisierung und Angemessenheit
Die Risikobeurteilung erweist sich damit als nützliches Instrument, um regulatorische Anstrengungen zu priorisieren. In der OECD-Empfehlung von 2012 und im gesamten Katalog empfehlenswerter Verfahrensweisen auf dem Gebiet der Rechtsetzung – beginnend bei den Gesetzesfolgenabschätzungen – wird die Bedeutung von Kosten-Nutzen-Analysen und wirkungsorientierter Rechtsetzung hervorgehoben. Für beides ist der Blick auf die Risiken wichtig. Das gilt auch für die Prüfung der Frage, welche Regulierungsinstrumente in Anbetracht der spezifischen Merkmale der einzelnen Risiken eingesetzt werden sollten. Bei der risikobasierten Priorisierung wird konkret darauf geachtet, die verfügbaren Mittel vor allem dort einzusetzen, wo die Risiken am größten sind. Demgegenüber werden für die Risikoangemessenheit nicht nur die Höhe, sondern auch die Merkmale des Risikos betrachtet, um den geeigneten Inhalt von Rechtsvorschriften zu bestimmen (Strenge und Verbindlichkeitsgrad von Vorgaben usw.) und die entsprechenden Regulierungsinstrumente auszuwählen (Erlaubnisvorbehalt, nachträgliche Kontrollen, Zertifizierung, Registrierung usw.).
Nun kann freilich der Einwand erhoben werden, dass bei der Regulierung keine Priorisierung vorgenommen, sondern (entsprechend den Anträgen unterschiedlicher Stakeholder) vielmehr versucht werden sollte, alle potenziellen Gefahren zu regulieren, unabhängig von Schadenswahrscheinlichkeit, -häufigkeit usw. Dies mag auf dem Papier möglich sein (auch wenn hierdurch eine Flut von neuen Rechtsvorschriften entstünde), aber sowohl die Staatshaushalte als auch die Wirtschaftsleistung begrenzen die zur Umsetzung solcher Regelungen und Überwachung ihrer Einhaltung verfügbaren Ressourcen. Die für staatliche Kontrollen benötigten Personal- und Sachmittel (Reisekosten, Prüfgeräte usw.) müssen die zuständigen Stellen aus ihren begrenzten Budgets bestreiten, mit dem sie auch viele andere Bedarfe abdecken müssen. Und auch wenn Dritte mit der Kontrolle der Einhaltung von Vorschriften beauftragt werden (z. B. im Rahmen einer vorgeschriebenen Zertifizierung, einer sogenannten „Konformitätsbewertung“), entsteht ein Aufwand. In diesem Fall sind die Prüfungen zwar nicht mehr von der Größe des Staatshaushalts abhängig, sie verursachen aber direkte Kosten für die Unternehmen (die versuchen werden, diese möglichst an die Verbraucher*innen weiterzureichen). Damit sind auch solchen Kontrollen durch Dritte naturgemäß Grenzen gesetzt: Es entstehen Kosten für Verbraucher*innen wie für Unternehmen, die sich potenziell negativ auf Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum auswirken.
Zu viele Regeln in zu vielen Bereichen machen es den meisten Wirtschaftsakteuren in der Praxis unmöglich, alle Vorschriften zu kennen und zu befolgen. Ausufernde Regulierung läuft Gefahr zu scheitern und kann sogar die Rechtstaatlichkeit beeinträchtigen, wenn allgemein anerkannt ist, dass eine vollständige Einhaltung ohnehin unmöglich ist (Baldwin, 1990[13]); (Hampton, 2005[14]); (Anderson, 2009[15]). Gibt es allzu viele Regeln und Kontrollen, könnten die zuständigen Stellen zudem von der Menge der erhobenen Daten „überschwemmt“ werden. In diesem Fall erschwert die Informationsflut selbst unter Zuhilfenahme moderner Datenanalysetools und einer höheren Rechenleistung eine effektive Entscheidungsfindung (Roetzel, 2018[16]).
Ein entscheidender Sachverhalt wurde in Studien wiederholt festgestellt: Als „übermäßig streng“ empfundene Kontrollen senken letztendlich die Regeltreue (Kirchler und Hoelzl, 2006[17]). Außerdem können die wahrgenommenen Belastungen durch die Kontrollen die Investitionsbereitschaft und das Wachstum hemmen. Statt staatliche Vorgaben besser zu erfüllen, könnten Unternehmen und Bürger*innen, die sich aufgrund strengerer Kontrollen einer sehr hohen und als unfair empfundenen Belastung gegenübersehen, letztlich „Widerstand leisten“, indem sie Regeln seltener freiwillig einhalten. Solche Effekte lassen sich anhand von Modellen prognostizieren, die die Rechtsbefolgung in Abhängigkeit von der Verfahrensgerechtigkeit abbilden (Tyler, 2003[18]). Diese zeigen ferner, dass Menschen negativ auf Prozesse reagieren, bei denen sie sich nicht respektiert fühlen bzw. nicht glauben, dass Entscheidungen aufgrund nachvollziehbarer und ethischer Erwägungen getroffen werden. Eine allzu umfassende Regulierung führt in der Tendenz zu solchen Effekten, da es häufig praktisch unmöglich ist, alle Bestimmungen einzuhalten. Außerdem erlegt sie Beschränkungen in Situationen auf, in denen die Betroffenen kein nennenswertes Risiko sehen bzw. keinen tatsächlichen Schaden erwarten. In der Folge kann ausufernde Regulierungstätigkeit die Gesamtrisiken in einem Staat erhöhen, weil Vorschriften seltener befolgt werden (Blanc, 2018[19]).
Es ist sogar denkbar, dass bei einem übermäßig risikoaversen Regulierungsansatz die Beachtung der Vorschriften negative Auswirkungen auf das Gesamtrisikoniveau hat, nämlich dann, wenn sich daraus eine besonders starke wirtschaftliche Beeinträchtigung ergibt, der direkte positive Sicherheitseffekt aber gering ist. Die negativen Folgen sinkender Einkommen und eines niedrigeren BIP-Gesamtniveaus für die Lebenserwartung könnten dann insgesamt höher ausfallen als die durch die Regelungen erzielten Zugewinne (Helsloot, 2012[20]). Dies tritt zwar nur im Extremfall ein, es gibt aber Belege für reale Beispiele. Jedenfalls verdeutlichen diese Ergebnisse, dass es beim risikobasierten Regulierungsansatz nicht darum geht, Sicherheit auf Kosten des Wirtschaftswachstums zu erreichen. Zwar gibt es im Bereich der Rechtsetzung selbstverständlich Zielkonflikte, die man sich bewusst machen sollte. Hat man sich aber für ein bestimmtes Schutzniveau und den entsprechenden Regulierungsgrad entschieden, liefert eine risikobasierte Gestaltung und Durchsetzung der Rechtsvorschriften den vorhandenen Forschungsarbeiten zufolge die besseren Ergebnisse. Dies gilt sowohl in Bezug auf die Sicherheit als auch in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht (Coglianese und Carrigan, 2012[21]).
Bestandsaufnahme: Ein heterogenes Bild und viele begrenzte Umsetzungen
Gesetzliche Bestimmungen, die risikobasierte Ansätze vorschreiben, und Institutionen, die sich deren Umsetzung auf die Fahnen geschrieben haben, sind schnell gefunden. Deutlich schwieriger ist es zu untersuchen, inwieweit die einzelnen Länder und zuständigen Stellen tatsächlich eine risikobasierte Regulierung implementieren oder inwieweit sie dabei ein einheitliches und konsequentes Konzept verfolgen. Bis zu einem gewissen Grad lassen sich zwar einige Elemente bewährter Rechtsetzungsmethoden (z. B. die Existenz und Akzeptanz von Konsultationsverfahren) relativ leicht unmittelbar beobachten, doch ohne tiefergehende Analyse lässt sich meist nicht beurteilen, inwiefern bei regulierungspolitischen Entscheidungen Risiken wirklich rigoros berücksichtigt werden. Noch schwerer erschließt sich dies bei der Rechtsumsetzung, denn erstens weichen die theoretischen Vorgaben der zuständigen Stellen unter Umständen von der Praxis vor Ort ab und zweitens sind sehr viele ganz unterschiedliche Institutionen beteiligt. Dennoch haben wir uns in dieser Ausgabe des Ausblicks Regulierungspolitik an eine erste vorläufige Bestandsaufnahme der aktuellen Beachtung von Risiken bei der Gestaltung und Umsetzung von Rechtsvorschriften herangetastet.
Zu diesem Zweck entwickelte das OECD-Sekretariat erstmals einen Fragenkatalog zum Thema „Risikobasierte Regulierung“, der den Teilnehmerländern zusammen mit dem iREG Survey vorgelegt wurde, auf dem dieser Ausblick im Kern beruht. Die Fragen und Antworten gehen zwar nur bedingt ins Detail und entsprechen auch nicht den Ansprüchen einer wirklich tiefgehenden Beurteilung, aber sie geben immerhin einen ersten Eindruck davon, inwiefern verschiedene Länder Risiken bei der Rechtsetzung Bedeutung beimessen. Zudem zeigen sie zumindest für einige Bereiche, welche Ergebnisse dabei effektiv erzielt wurden. Unter anderem wurde auch gefragt, inwieweit Risikobeurteilung und Risikomanagement im Kontext der Coronakrise eingesetzt wurden. Den Schwerpunkt dieser ersten Annäherung bildet vor allem die Verbreitung risikobasierter Ansätze, also die Frage, ob sie in einem gegebenen Land überhaupt existieren und angewendet werden, und wenn ja, ob dies flächendeckend oder nur in einem bzw. einigen Sektoren geschieht. Die Antwort auf die Frage, inwieweit die Umsetzungen in die Tiefe gehen, bleibt weiteren Untersuchungen vorbehalten; zu diesem Thema wird das Kapitel nur einige konkrete Momentaufnahmen liefern.
Für eine erste Analyse der Umsetzungsphase sammelte das Sekretariat darüber hinaus Daten aus möglichst vielen OECD-Mitgliedsländern zu den Personalressourcen für behördliche Kontrollen und die Durchsetzung von Vorschriften. Dabei lag der Schwerpunkt auf ausgewählten Regulierungsfunktionen, die eine wichtige Rolle in der öffentlichen Wahrnehmung spielen und einen Großteil der Gesamtressourcen beanspruchen. Zum einen liefern diese Angaben erste Erkenntnisse darüber, welche Bedeutung dem betreffenden Thema – insbesondere bei der Zuweisung öffentlicher Mittel – beigemessen wird. Aus der sich von Land zu Land unterscheidenden prozentualen Verteilung der Ressourcen auf die verschiedenen Funktionen ergibt sich zum anderen auch, wie die verschiedenen Rechtsumsetzungssysteme die diversen Risiken jeweils gewichten. Das Verhältnis der für die Durchsetzung von Vorschriften verfügbaren Ressourcen zu anderen Kennzahlen (Bevölkerungs-, Unternehmensdaten usw.) sagt überdies etwas darüber aus, wie wichtig der Regulierungsvollzug für das jeweilige Land ganz allgemein ist. Wie erwähnt, handelt es sich aber keineswegs um eine tiefgehende Untersuchung der verschiedenen Ansätze der risikobasierten Rechtsumsetzung; dargestellt wird vielmehr die allgemeine Situation auf strategischer Ebene (anhand der Ressourcenzuweisung).
Risikobasierte Rechtsumsetzung: schwierige Datenerhebung, unterschiedliche Herangehensweisen
Wie in der Einleitung zu diesem Kapitel beschrieben, geben die Antworten auf den iREG Survey einen ersten Eindruck von der Einführung risikobasierter Regulierungsansätze: Insgesamt verfolgt weniger als die Hälfte der betrachteten Länder eine wie auch immer geartete Strategie für risikobasierte Regulierung. Rund drei Viertel der Länder setzen zwar bei ihren Rechtsetzungsprozessen in der einen oder anderen Weise auf Risikobeurteilungen, aber nur etwa ein Drittel schreibt eine Quantifizierung des Risikos zwingend vor. Diese Erhebungsdaten sind allerdings sehr allgemein und beruhen nur auf formellen Regeln und Verfahren. Eine echte Bewertung der Umsetzung risikobasierter Ansätze lassen sie nicht zu.
Eine fundierte Antwort auf die Frage, ob risikobasierte Ansätze auf den verschiedenen Ebenen und in den Prozessschritten der Rechtsumsetzung zum Tragen kommen, setzt eine eingehende Untersuchung der einzelnen Einrichtungen oder Dienste sowie der für Genehmigungen, Zulassungen, Kontrollen, Vollzugshandlungen usw. geltenden Regelungen voraus. Die OECD stellt mit dem Regulatory Enforcement and Inspections Toolkit (OECD, 2018[22]) zwar einen Rahmen für derartige Analysen bereit, doch selbst bei einer Beschränkung auf ausgewählte Regelungsbereiche wären erhebliche Ressourcen nötig, um diese Untersuchungen systematisch für alle in diesem Ausblick behandelten Länder durchzuführen. Stattdessen werden in diesem Abschnitt kurz die vorläufigen Ergebnisse einer Analyse der bisher verfügbaren Daten zu den Ressourcen für staatliche Kontrollen und Rechtsdurchsetzung vorgestellt. Dadurch wird zunächst einmal die Bedeutung der Vollzugsfunktion gemessen an den eingesetzten Personalressourcen (und damit Haushaltsmitteln) ersichtlich. Darüber hinaus erlaubt der Ansatz, verschiedene Regelungsbereiche (anhand der Gewichtung unterschiedlicher Risiken auf der strategischen Ebene der Ressourcenzuweisung) und Länder (anhand der jeweils als angemessen betrachteten Intensität der Rechtsdurchsetzung zur Eindämmung bestimmter Risiken) zu vergleichen.
Die Beschäftigungszahlen der öffentlichen Verwaltungen sind zwar im Allgemeinen für jeden einsehbar, aber viele Länder, Einrichtungen und Dienststellen dokumentieren nicht im Detail, wie viele Kontrolleur*innen oder Beschäftigte mit Prüfbefugnissen und -funktionen ausgestattet wurden, oder es fehlt an konsolidierten Informationen über alle in einem bestimmten Regelungsbereich tätigen Institutionen. In einer Reihe von Ländern gestaltet sich die Erhebung solcher Daten besonders komplex, weil es dort allgemeine und/oder spezialisierte Polizei- und Vollzugsbehörden gibt, die ebenfalls entsprechende Kontrollbefugnisse und -mandate besitzen, auch wenn sie ihr Personal nur z. T. für solche Maßnahmen einsetzen. Manchmal sind deshalb zu diesem Punkt keine genauen Daten erhältlich und auch Schätzungen sind nicht immer möglich. Die Komplexität der Rechtsumsetzungssysteme, bei denen auf nationaler/föderaler, gliedstaatlicher/regionaler oder auch lokaler/kommunaler Ebene angesiedelte Dienststellen gleichzeitig in einem bestimmten Bereich tätig sein können, erschwert die Aufgabe zusätzlich. Zudem können mehrere Dienststellen einen bestimmten Regelungsbereich abdecken – oder eine Einrichtung bzw. Dienststelle bearbeitet mehr als nur ein Gebiet, was mitunter dazu führt, dass keine Schätzung zur Verteilung der Ressourcen auf die verschiedenen Aufgaben vorliegt.
Die vorläufigen Ergebnisse dieser Analysen (Tabelle 6.1) werfen trotzdem mehrere wichtige Erkenntnisse ab. Erstens geht es häufig um erhebliche Ressourcen, die einen ziemlich großen Anteil der Staatsangestellten bzw. des Staatshaushalts abdecken und deshalb systematischer analysiert werden sollten, als dies in vielen Fällen bisher geschehen ist. Zweitens gibt es große Unterschiede zwischen den verschiedenen Regelungsbereichen zugewiesenen Mitteln, ohne dass dabei klar ist, ob dies einen entsprechenden Unterschied des Kontrollaufwands oder der zugrunde liegenden Risiken widerspiegelt. Drittens zeigen sich markante Unterschiede bei der Intensität der Aufsichtsaktivitäten, wenn man die Anzahl der behördlichen Prüfer*innen zur Zahl der Einwohner*innen, Arbeitnehmer*innen oder Unternehmen ins Verhältnis setzt. Dies trifft sogar auf Nachbarländer oder Staaten mit sonst sehr ähnlichen Daten zu. Aus all diesem ergibt sich zum einen, dass weitere derartige Analysen durchgeführt werden sollten, um mehr Länder und Regelungsbereiche zu berücksichtigen und detailliertere Daten zu erfassen. Zum anderen wird aber auch klar, wie wichtig es ist, dass Länder solche Untersuchungen in regelmäßigen Abständen durchführen und systematisch prüfen, ob ihre institutionellen Rahmenbedingungen und Ressourcen nach wie vor angemessen sind.
Aus den genannten Gründen konnten im Rahmen dieser Studie bisher noch keine vollständigen und lückenlosen Daten für alle OECD-Länder und jeden Regelungsbereich vorgelegt werden. Die pragmatisch gewählten Schwerpunkte der Untersuchung liegen auf der Lebensmittelsicherheit, dem Bereich Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit sowie dem Umweltschutz. Wenn man von den Steuerbehörden absieht (mit denen sich Forschungsarbeiten und OECD-Literatur bereits eingehend beschäftigt haben), sind dies hinsichtlich der Rechtsumsetzung üblicherweise die wichtigsten Regelungsbereiche, und zwar in Bezug auf die Anzahl der durchgeführten Kontrollen und der beaufsichtigten Unternehmen ebenso wie hinsichtlich der Personalausstattung, der finanziellen Ressourcen oder der öffentlichen Wahrnehmung (Blanc, 2012[23]).
Tabelle 6.1. Personalaufwand für Prüfungen in ausgewählten Regelungsbereichen und Ländern
Land |
Lebens-mittel-sicher-heit |
Arbeits-schutz |
Umwelt |
Gesamt |
Gesamt-bevölkerung |
Gesamt-zahl der Unter-nehmen |
Unter-nehmen mit mind. 10 Mitar-beitenden |
Prüfer-*innen/100 000 Einwohner-*innen |
Prüfer-*innen/10 000 Unternehmen |
Prüfer-*innen/10 000 Unternehmen mit über 10 Mit-arbeitenden |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Deutschland |
10 338 |
5 218 |
4 374 |
20 063 |
83 166 711 |
2 801 787 |
361 943 |
24.0 |
71.1 |
550.6 |
Finnland |
810 |
320 |
753 |
1 883 |
5 525 292 |
302 901 |
21 206 |
34.1 |
62.2 |
888.0 |
Frankreich |
10 598 |
2 566 |
1 890 |
15 054 |
67 098 824 |
3 981 673 |
160 638 |
22.4 |
37.8 |
937.1 |
Griechenland |
1 581 |
629 |
104 |
2 314 |
10 709 739 |
770 002 |
29 741 |
21.6 |
30.1 |
778.1 |
Italien |
13 446 |
6 691 |
1 002 |
21 139 |
60 244 639 |
3 834 079 |
176 038 |
35.1 |
55.1 |
1 200.8 |
Litauen |
720 |
231 |
38 |
989 |
2 974 090 |
212 893 |
13 831 |
33.3 |
46.5 |
715.1 |
Österreich |
2 648 |
311 |
120 |
3 079 |
8 901 064 |
410 934 |
41 940 |
34.6 |
74.9 |
734.1 |
Im Folgenden wird sich zeigen, dass die den verschiedenen Regelungsbereichen zugewiesenen Ressourcen mitunter deutlich voneinander abweichen, ohne dass dabei klar ist, ob dies auf einen entsprechenden Unterschied des Kontrollaufwands oder der zugrunde liegenden Risiken zurückzuführen ist (z. B. sind je nach Land 2,5- bis über 20-mal so viele Kontrolleur*innen für Lebensmittelsicherheit im Einsatz wie Umweltprüfer*innen). Darüber hinaus zeigen sich markante Unterschiede bei der Kontrollintensität, wenn man die Anzahl der behördlichen Prüfer*innen zur Zahl der Einwohner*innen, Arbeitnehmer*innen oder Unternehmen ins Verhältnis setzt. Dies trifft sogar auf Nachbarländer oder Staaten mit sonst sehr ähnlichen Daten zu (Österreich kommt auf deutlich höhere Zahlen als Deutschland, Italien setzt deutlich mehr Prüfer*innen ein als Deutschland und Frankreich usw.). Aus all diesem ergibt sich zum einen, dass weitere derartige Analysen durchgeführt werden sollten, um mehr Länder und Regelungsbereiche zu berücksichtigen und detailliertere Daten zu erfassen. Zum anderen wird aber auch klar, wie wichtig es ist, dass Länder solche Untersuchungen in regelmäßigen Abständen durchführen und systematisch prüfen, ob ihre institutionellen Rahmenbedingungen und Ressourcen nach wie vor angemessen sind.
Diese Situation sowie weitere Forschungsergebnisse zu bestimmten Ländern, Regelungsbereichen und anderen Aspekten deuten darauf hin, dass Pfadabhängigkeit ein wichtiger Faktor ist und dass es hinsichtlich der Risiken, gegen die sich die Strukturen und Ressourcen der Rechtsumsetzung richten, an regelmäßigen und systematischen Neubewertungen mangelt (Blanc, 2012[23]; 2018[19]). Dies hat zur Entstehung äußerst komplexer und verworrener institutioneller Strukturen beigetragen (was sich unmittelbar auf die Datenerhebung auswirkt: Die Vielfalt an Einrichtungen mit sich überschneidenden oder gemischten Funktionen sowie die häufig nur ungenauen Angaben zur Personalausstattung usw. haben das Zusammentragen der Informationen erschwert). Außerdem verkompliziert dies die Nachverfolgung und Beurteilung der Mittelzuteilung und Ausgaben und bewirkt, dass meist keine Korrelation zwischen Aufwand und Risikoanalyse oder -beurteilung zu erkennen ist. Der Weg zu einer Rechtsumsetzung, die wirklich auf Risiken basiert, sich an ihnen orientiert und sie in angemessener Weise berücksichtigt, ist von dieser Warte aus betrachtet noch weit. Trotzdem sind auch Fortschritte zu erkennen und in den letzten Jahren wurden wichtige Initiativen ergriffen, um die Lage zu verbessern. Sie werden im folgenden Abschnitt dieses Kapitels näher beschrieben.
Auf dem Weg zu risikobasierter Regulierung: Hindernisse überwinden
Es gibt viele Gründe dafür, dass die Grundsätze risikobasierter Regulierung in der politischen Entscheidungsfindung und bei der Rechtsumsetzung bei weitem nicht überall berücksichtigt und häufig nur unvollständig implementiert werden. Fehlende Ressourcen und Kapazitätsengpässe (jede Anpassung von Regulierungsansätzen erfordert Fachwissen und Kompetenzen) zählen ebenso dazu wie rechtliche Gegebenheiten oder auch die öffentliche Wahrnehmung (Rothstein, Borraz und Huber, 2012[24]); (Rothstein et al., 2017[12]). Gerade letztere kann sich als große Hürde für risikobasierte Ansätze erweisen: Die in der allgemeinen Öffentlichkeit, den Medien oder auch unter Entscheidungsträger*innen in Politik und Wirtschaft vorherrschenden Ansichten können die Akzeptanz eines als „unvollständig“ wahrgenommenen Schutzes vor Schäden, die Bewertung und Abwägung der Risiken selbst und die Zustimmung zu einer dem Kriterium der Angemessenheit verpflichteten Risikobewältigung beeinträchtigen. Dies wurde ausführlich in bedeutenden Veröffentlichungen behandelt, u. a. zu reflexartigen Reaktionen auf schwere Unfälle oder neu entstehende Gefahren (Blanc, Macrae und Ottimofiore, 2015[25]); (Balleisen et al., 2017[26]), zu den psychologischen Faktoren der Risikobewältigung (Tversky und Kahneman, 1974[27]); (Weyman und Barnett, 2016[28]); (Burgess, Alemanno und Zinn, 2019[29]), zu den Unterschieden in der Risikowahrnehmung durch Sachverständige und Allgemeinbevölkerung (Fischhoff, Slovic und Lichtenstein, 1982[30]); (Slovic, 1986[31]); (Flynn, Slovic und Mertz, 1993[32]) und zu Möglichkeiten, eine differenziertere Risikowahrnehmung und -bewältigung in der Öffentlichkeit zu erreichen (Helsloot und Groenendaal, 2017[33]).
Fest steht jedenfalls, dass die Auseinandersetzung mit der öffentlichen Wahrnehmung und Meinung einen komplexen und längerfristigen Ansatz erforderlich macht. Andere Schwierigkeiten auf dem Weg zu einer risikobasierten Regulierung und ihren potenziellen Vorteilen lassen sich möglicherweise rascher aus dem Weg räumen. Insbesondere finden sich nachahmenswerte Beispiele dafür, wie Regierungen an einer Überwindung der in den zuständigen Behörden herrschenden Zweifel und Widerstände gegenüber risikobasierten Ansätzen arbeiten können (Kasten 6.1). Denn dass Institutionen auf diese Herangehensweisen zögerlich oder gar ablehnend reagieren, ist keine Seltenheit. Die Gründe dafür sind vielfältig: In manchen Einrichtungen hat es sich eingebürgert, besonders risikoscheu zu agieren und Sicherheit um jeden Preis anzustreben, in anderen will man aufgrund des öffentlichen Drucks (oder der Angst davor) um jeden Preis den Vorwurf der Vereinnahmung (regulatory capture) oder eines allzu milden Vorgehens vermeiden. Auch Pfadabhängigkeit, eine allgemeine Skepsis gegenüber Veränderungen (manchmal bedingt durch frühere Enttäuschungen) oder schlicht ein Mangel an geeigneten Instrumenten und Ressourcen wirken sich aus. Vorgaben nach dem Top-down-Prinzip sind für die Förderung einer risikobasierten Regulierung zwar durchaus wichtig, erfolgreiche Veränderungen in der Praxis setzen allerdings zumeist auch eine aktive Mitwirkung der zuständigen Behörden voraus.
Kasten 6.1. Den „passiven Widerstand“ gegen risikobasierte Kontrollen überwinden: wichtige Impulse durch politische Unterstützung und den Aufbau von Handlungskompetenz
Politische Unterstützung
Erfahrungen auf internationaler Ebene zeigen, dass risikobasierte Regulierung rechtliche und institutionelle Änderungen voraussetzt, die nicht ohne das Engagement und die Unterstützung politischer Entscheidungsträger umsetzbar sind. Ein Paradebeispiel hierfür ist die erste Phase einer Reform behördlicher Kontrollen in Litauen (2008–2012), die sowohl der damalige Premierminister des Landes als auch das Wirtschafts- und das Justizministerium maßgeblich unterstützten. Ähnliche Fälle, die die Notwendigkeit von Fürsprecher*innen mit starkem politischem Einfluss in der öffentlichen Verwaltung illustrieren, finden sich im Kontext eines regulatorischen Reformprozesses in Mexiko (Comisión Nacional de Reforma Regulatoria – CONAMER, und Agencia de Seguridad, Energía y Ambiente – ASEA) und in Bogotá (Inspección Vigilancia y Control – IVC-System) sowie in den Niederlanden, dort im Hinblick auf die Ausarbeitung und Verabschiedung einer internen Verordnung bezüglich der Rolle der Aufsichtsbehörden.
Aufbau von Handlungskompetenz
Die Erfahrung zeigt, dass Weiterbildung das Verständnis und die Einhaltung risikobasierter Vollzugssysteme fördern kann, mit positiven Konsequenzen für die Rechtsumsetzung. Wenn sich staatliche Prüfer*innen auf einen risikobasierten Ansatz einlassen und Unternehmen entsprechend beraten, geht auch die Zahl der Regelverstöße und Zwischenfälle zurück. Gut ausgebildete und geschulte Kontrolleur*innen sind in der Lage, den Firmen nützliche Ratschläge zu geben und damit letztlich auch die Einhaltung der Vorschriften und das Risikomanagement zu verbessern. In Australien, der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich wird als Teil der Reformprozesse von den Prüfer*innen insbesondere verlangt, ihre sozialen Kompetenzen gezielt auszubauen und zu verbessern.
Mit dem Ziel, das öffentliche Vertrauen in die Regierung zu stärken, lief in Bogotá, Kolumbien, zwischen 2016 bis 2019 eine Initiative zur Förderung von Prüfverfahren auf Weltklasseniveau an. Sie sah insbesondere die Berücksichtigung von Risiken bei der Planung von Inspektionen und die Einrichtung einer IT-Plattform vor; außerdem beinhaltete sie ein Programm zum Aufbau von Handlungskompetenzen in den folgenden Bereichen: risikobasierte Methoden, respektvoller Umgang mit Unternehmer*innen, Dienstleistungen für Bürger*innen, Konfliktlösung, Transparenz, Rechte und Pflichten der Geprüften und technische Prozesse während der Durchführung von Inspektionen.
In den Niederlanden wurde eine Academy for Supervision eingerichtet mit dem Ziel, Prüfverfahren durch ein allgemeines Schulungsprogramm für staatliche Kontrolleur*innen zu harmonisieren. Der Schwerpunkt der Weiterbildung liegt dabei auf der risikobasierten Durchsetzung von Vorschriften. Der Grundgedanke der Weiterbildung ist die Konzentration auf das Verständnis, das Management und die Bewältigung von Risiken.
Im Vereinigten Königreich schufen die Regulators’ Codes von 2008 und 2014 die Rechtsgrundlage für die „Primary Authority“-Regelung (Kasten 6.8), die es Unternehmen ermöglicht, sich über eine zentrale Stelle bei den Aufsichtsbehörden zur Einhaltung von Rechtsvorschriften beraten zu lassen. Der gesamte Ansatz der „Primary Authority“ steht und fällt mit der Verfügbarkeit hochprofessioneller Prüfer*innen, die insbesondere die Bewertung und das Management von Risiken komplett verinnerlicht haben (und sich mit diesen Themen hervorragend auskennen). Außerdem müssen sie wissen, wie man mit Unternehmen gut zusammenarbeitet, wie man erklärt und überzeugt, aber auch, wie man Kontrollen durchführt und versteckte Probleme erkennt. Diesem Ansatz liegt die Annahme zugrunde, dass staatliche Kontrolleur*innen nicht nur die für ihren spezifischen Tätigkeitsbereich relevanten fachlichen Fähigkeiten mitbringen müssen, sondern auch eine Reihe von „Kernkompetenzen“ (hinsichtlich der risikobasierten Regulierung und der Umsetzung von Vorschriften). Diese Kernkompetenzen werden verschiedenen Kategorien zugeordnet, von „Risikobeurteilung“, „Verständnis für die Normadressaten“ und „Planungsaktivitäten“ über „Überprüfung der Einhaltung von Vorschriften“ und „Unterstützung bei der Einhaltung von Vorschriften“ bis hin zu „Reaktion auf Nichteinhaltung von Vorschriften“ und „Evaluierung“.
Quelle: Weltbank (erscheint demnächst[34]).
Quelle: Interviews und Forschungsarbeiten des OECD-Sekretariats.
Nicht immer genügt es, im Austausch mit den zuständigen Behörden neue Sichtweisen zu etablieren und einen Kulturwandel anzustoßen: Häufig müssen auch neue rechtliche Grundlagen geschaffen werden, die eine risikobasierte Regulierung erst ermöglichen. Es kommt vor, dass bestehende Rechtsvorschriften und verfassungsrechtliche Grundsätze die Anwendung risikobasierter Ansätze erschweren oder sogar verhindern, wenn keine ausdrücklichen Genehmigungsklauseln verabschiedet werden (Rothstein, Borraz und Huber, 2012[24]); (OECD, 2015[9]); (Rothstein et al., 2017[12]). In anderen Fällen geht es bei der Verabschiedung solcher „horizontaler“ Rechtsvorschriften weniger darum, Risikoangemessenheit zu ermöglichen, als vielmehr darum, sie weiter voranzutreiben, indem direkt anwendbare Bestimmungen eingeführt werden oder Regulierungsbehörden den Auftrag erhalten, z. B. die zu prüfenden Einrichtungen risikobasiert auszuwählen oder bei der Durchsetzung von Vorschriften risikoangemessen vorzugehen. Kasten 6.2 enthält verschiedene Beispiele, wie rechtliche Grundlagen für eine risikobasierte Regulierung geschaffen wurden.
Kasten 6.2. Risikobasierte Ansätze in der nationalen Gesetzgebung
Litauen: Gesetz über Verwaltungsverfahren, 2012
In Litauen wurde ab 2008 eine Reform behördlicher Kontrollen durchgeführt, die einen risikobasierten Ansatz sowie stringente und rechtsverbindliche Instrumente für die Prüfpraxis etablieren sollte. Bei der Anpassung des rechtlichen Rahmens wurden ein risikobasierter Ansatz für Kontrollen eingeführt und die dafür nötigen Voraussetzungen geschaffen. Um einen Interessensausgleich zwischen Prüfer*innen und Geprüften herzustellen, wurden außerdem deren jeweiligen Rechte und Pflichten festgeschrieben.
Im Kern regelten dies die folgenden drei neu verabschiedeten Dokumente: 1. Änderungsgesetz zum Gesetz über die öffentliche Verwaltung, 2. Entschließung Nr. 511 der Regierung über die Reform von Kontrollen, 3. Leitlinien für die verschiedenen Instrumente der Reform (z. B. für die Erstellung von Orientierungshilfen oder von Leistungsindikatoren für die Kontrollbehörden). Dabei legte die Regierung mittels einer Entschließung im Mai 2010 zunächst die rechtlichen Grundlagen der Reform fest (2011 und 2012 wurde diese angepasst und verbindlicher formuliert). Ende 2010 folgte dann die Verabschiedung einer Reihe von Änderungen des Gesetzes über die öffentliche Verwaltung und dabei insbesondere die Einführung eines neuen Kapitels mit dem Titel „Aufsicht über die Aktivitäten von Wirtschaftseinheiten“. Dessen Bestimmungen gelten als vorbildlich, da sie alle Regulierungsbereiche abdecken, die Bereitstellung von Leitlinien für die Normadressaten akzentuieren und ihnen Beratungsmöglichkeiten zusichern. Eine der Neuerungen des Gesetzes betrifft das Konzept der „Aufsicht“, das in diesem Fall neben Begehungen und Durchsetzungsmaßnahmen auch Beratung und die Analyse verfügbarer Informationen (z. B. zur Risikobeurteilung) umfasst. Das novellierte Gesetz über die öffentliche Verwaltung macht die Risikobeurteilung und -orientierung zur Grundlage von Kontrollen. Darüber hinaus enthält es bestimmte Leitprinzipien wie die unbedingte Angemessenheit von Prüfungs- und Durchsetzungsmaßnahmen oder auch die Verpflichtung der Aufsichtsbehörden zu Neutralität, Transparenz sowie zur Beratung und Unterstützung der betroffenen Personen.
Mexiko: Nationale Kommission für bessere Rechtsetzung (Comisión Nacional de Mejora Regulatoria – CONAMER)
In Mexiko wurde 2018 die Bundeskommission für bessere Rechtsetzung (COFEMER) auf Grundlage des Allgemeinen Gesetzes bessere Rechtsetzung in die nationale Kommission für bessere Rechtsetzung (CONAMER) überführt. Dies geschah nach einer Verfassungsreform, die den Behörden auf allen Regierungsebenen auferlegte, Maßnahmen zur Optimierung ihrer Regulierungsprozesse einzuführen, um u. a. den Bürokratieabbau voranzutreiben und Vorschriften, Verfahren und Dienstleistungen zu vereinfachen. Die neue Kommission soll in erster Linie bei der Verabschiedung und dem Vollzug von Regelungen für mehr Transparenz sorgen, um letztlich zu gewährleisten, dass der gesellschaftliche Nutzen der Vorschriften höher ist als der von ihnen verursachte Aufwand (OECD, 2018[35]).
2019 verabschiedete CONAMER in Form der Vereinbarung AC-004-08/2019 eine aktualisierte und für die folgenden Jahre gültige Regulierungsrichtlinie. In Bezug auf behördliche Kontrollen sieht sie die Umsetzung neuer Mechanismen für eine bessere Zusammenarbeit zwischen Bürger*innen und Behörden vor. Außerdem schreibt sie die Einführung neuer Instrumente zur Rationalisierung von staatlichen Kontrollen und zur Absicherung ihrer Rechtmäßigkeit vor. Hierfür sollen streng risikobasierte Methoden angewandt, bessere Regulierungsprinzipien eingeführt und das öffentliche Vertrauen gestärkt werden (Quelle: Acuerdo CONAMER 004-08/2019).
Die Grundlage für die Entwicklung eines risikobasierten Kontrollsystems legte dann im Januar des Folgejahres ein neues Gesetz zur Förderung des Vertrauensverhältnisses zwischen Bürger*innen und Staat. Es verpflichtet CONAMER zu gewährleisten, dass risikobasierte Planungsmethoden entwickelt werden, die den Zweck und die Häufigkeit von staatlichen Kontrollen auf der Basis von Risikoanalysen festlegen. Diese Auswertungen dürfen laut dem Gesetz die Risiken nicht losgelöst von der Unternehmensentwicklung betrachten. CONAMER entwickelt derzeit ein Informationssystem, das die Umsetzung des risikobasierten Ansatzes unterstützen soll (OECD, 2020[36]).
Slowenien: Inspektionsgesetz, 2014
2002 verabschiedete Slowenien ein Gesetz über die öffentlich Bediensteten, ein Gesetz über die staatlichen Kontrollen sowie weitere spezifische Vorschriften, die diese beiden Rahmenregelungen in den einzelnen Regelungsbereichen ergänzen. Das Gesetz über die staatlichen Kontrollen enthält neben allgemeinen und für alle Kontrollinstanzen gültigen Regelungen auch die spezifischen Prinzipien eines neuen Prüfansatzes: Angemessenheit (die gewählten Maßnahmen müssen zielgerecht sein), Prävention, Transparenz (die Öffentlichkeit muss rechtzeitig über die Ergebnisse staatlicher Kontrollen und die getroffenen Maßnahmen informiert werden), Möglichkeit außerplanmäßiger Kontrollmaßnahmen bei entsprechender Risikolage, Effizienz und andere. 2014 folgte eine Reihe von Änderungen, um ein rationelleres (evidenz-, risikobasiertes usw.) Kontrollsystem zu ermöglichen. Das Gesetz über die staatlichen Kontrollen und seine Grundsätze bildeten dann den Rahmen für Detailgesetze zu den verschiedenen Kontrollbereichen. In seiner heutigen Form enthält das Gesetz auch zusätzliche und ergänzende Elemente, die die Basis einer risikobasierten Rechtsumsetzung stärken, z. B. hinsichtlich Risikoidentifikation, Effizienz der Prüfbehörden oder risikobasierter Planung der Kontrollen.
Vereinigtes Königreich: Regulators’ Code, 2014
In England und Wales hat der Regulators’ Code im Jahr 2014 den Regulators’ Compliance Code aus dem Jahr 2008 abgelöst. Zu den Grundprinzipien der neuen Regelung gehören neben Risikoorientierung und -angemessenheit auch, dass die zuständigen Stellen die Einhaltung von Vorschriften durch Orientierungshilfen und Beratungsangebote fördern sollen, bei regulatorischen Entscheidungen die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen zu berücksichtigen haben und bei der Rechtsdurchsetzung möglichst das Unternehmenswachstum fördern sollen. Der Regulators’ Code bildet ebenso wie sein Vorgängerdokument die Rechtsgrundlage für die „Primary Authority“-Regelung (Kasten 6.8), die es Unternehmen ermöglicht, sich von einer einzigen Aufsichtsbehörde als zentrale Ansprechpartnerin zur Einhaltung von Rechtsvorschriften beraten zu lassen. Dem Konzept liegt ein risikobasierter Ansatz zugrunde, der es Aufsichtsbehörden erlaubt, die Regeltreue zu fördern. Aus dem Regulators’ Code ergibt sich auch die Idee hinter der Funktionsweise der „Primary Authority“-Regelung. Verwaltet wird das Programm vom Office for Product Safety and Standards.
Quelle: Weltbank (erscheint demnächst[34]).
Quelle: Weltbank (erscheint demnächst[34]).
Quelle: Forschungsarbeiten des OECD-Sekretariats.
Highlights: Wichtige Initiativen und Innovationen im Bereich der risikobasierten Regulierung
Die uneinheitliche Verbreitung und nicht immer konsequente Anwendung risikobasierter Regulierung darf auf keinen Fall darüber hinwegtäuschen, dass in den letzten Jahren signifikante Fortschritte gemacht wurden und es durchaus erwähnenswerte Innovationen gegeben hat. Vielmehr findet sich eine ganze Reihe von wichtigen Initiativen, die sich hervorragend eignen, um zu zeigen, wie eine wirksame Umsetzung risikobasierter Ansätze konkret aussehen und gefördert werden kann und welche innovativen Möglichkeiten es dafür gibt. Gleichzeitig kam es zu einer Wissensbündelung: Der Erfahrungsaustausch wurde intensiviert, die Zahl der Beispiele guter Praxis hat sich erhöht und die Leitlinien auf internationaler Ebene wurden weiterentwickelt (vgl. besonders OECD (2018[22])). Hinzu kommt, dass im IT-Bereich die Rechenleistung deutlich angestiegen (und billiger geworden) ist, sodass sich risikobasierte Analysen und Planungen heute viel leichter durchführen lassen als z. B. noch vor zehn Jahren.
Dieser Abschnitt handelt von Verbesserungen der Datengrundlage für die risikobasierte Regulierung und insbesondere die Rechtsumsetzung. Im Anschluss daran widmet er sich dem Umgang mit Risiko als Leitkonzept für eine ergebnisorientierte Regulierung. Abschließend nimmt er die Anwendung risikobasierter Konzepte im Kontext von Covid-19 in den Blick, inklusive des tatsächlichen und potenziellen Einsatzes digitaler Technologien, z. B. für Überwachungen und Kontrollen ohne physische Präsenz der Prüfer*innen.
Risikobasierte Regulierung mithilfe einer besseren Datengrundlage umsetzen
Ohne Daten ist auch keine risikobasierte Regulierung möglich, denn sie muss soweit möglich auf einer objektiven und datengestützten Beurteilung von Risiken aufbauen. Dementsprechend setzte die Datenverfügbarkeit so manchen Bemühungen um systematischere und gründlichere Risikoanalysen in der Vergangenheit enge Grenzen. Das Problem stellte sich vor allem bei der risikobasierten Planung behördlicher Kontrollen. Entweder es lagen keine ausreichend detaillierten Daten zu den kontrollierten Unternehmenseinheiten und Betrieben vor, oder sie waren nicht digitalisiert bzw. nicht auf dem neuesten Stand – oder die Datenbestände waren auf verschiedene Dienststellen verteilt, die sich nicht austauschten. Eine Überarbeitung der Risikobeurteilungsmethoden wurde häufig dadurch erschwert, dass die in früheren Prüfberichten enthaltenen Informationen z. B. nur in Papier- oder Textform vorlagen oder nicht detailliert genug waren und sich deshalb nicht systematisch analysieren ließen. Mittlerweile sind derartige Einschränkungen allerdings deutlich seltener geworden: Die Digitalisierung und Weiterentwicklung staatlicher Verwaltungssysteme, der Anstieg der Rechenleistung, moderne IT-Ansätze, die breite Einführung neuer Technologien, der Aufbau von Kompetenzen und andere Faktoren haben dafür gesorgt, dass praxiserprobte Verfahren nun häufiger Anwendung finden und neue, innovative Konzepte erfolgreich umgesetzt werden können.
Frühere Untersuchungen zu den in verschiedenen Ländern gängigen Praktiken hatten bereits die Grundlagen für die Definition von Zielvorgaben gelegt, die Informationssysteme zur Unterstützung risikobasierter Kontroll- und Vollzugsmethoden erfüllen sollten (OECD, 2014[37]). Diese Studien machten es z. B. auch möglich, wünschenswerte Kernelemente solcher Verwaltungssysteme für Prüfinformationen oder auch essenzielle Umsetzungsvoraussetzungen festzulegen (Wille et al., 2013[38]); (OECD, 2015[9]); (Mangalam und Vranic, 2020[39]). Im Idealfall liefern diese Systeme die für die Risikobeurteilung und Planung benötigten aktuellen Daten zu Anlagen, Unternehmen und deren Geschäftstätigkeiten. Außerdem sollten sie es ermöglichen, die Auswahl der zu prüfenden Unternehmen gezielt nach dem jeweiligen Risikoniveau vorzunehmen bzw. zu priorisieren. Prüfergebnisse sollten so erfasst werden können, dass weitere Analysen und Folgemaßnahmen einfach durchgeführt und automatisiert werden können. Zudem sollten diese Systeme eine zentrale Datenbank für mehrere Dienststellen vorsehen oder zumindest den Austausch zwischen ihnen erlauben und erleichtern, und sie sollten die Berichterstellung, Leistungskontrolle usw. unterstützen.
In der letzten Zeit haben mehrere Länder Informationssysteme eingeführt oder weiterentwickelt, die diese Anforderungen (gemäß den herrschenden Bedingungen und im Rahmen des Möglichen) ganz oder zum Teil erfüllen. In Kasten 6.3 werden einige dieser Lösungen beschrieben.
Kasten 6.3. Informationssysteme für staatliche Kontrollen
Vereinigtes Königreich: „Find-It“
Die mit Rechtsumsetzung betraute britische Arbeitsschutzbehörde Health and Safety Executive (HSE) verwendet und fördert risikobasierte Ansätze und Methoden bei staatlichen Kontrollen (Kasten 6.7). Um Gefahren am Arbeitsplatz möglichst umfassend zu entschärfen, muss die HSE die zu prüfenden Unternehmen gezielt auswählen können. Zu diesem Zweck hat sie die Internetanwendung „Find-It“ entwickelt, die es Behörden erlaubt, Datenbestände besser zu nutzen, ihren Rechenschaftspflichten nachzukommen, Ressourcen optimal einzusetzen und insgesamt effizienter zu arbeiten (Quelle: HSE, Broschüre zu Find-It). Das Tool erspart den Prüfer*innen die langwierige Sichtung disparater Daten aus verschiedenen Quellen, um Betriebe mit besonders hohen Risiken nach eigenem Ermessen auszuwählen. Stattdessen kombiniert eine Reihe von Algorithmen die GIS-Daten eines Standorts mit den verschiedenen Namen eines Unternehmens sowie mit Regulierungs- und Verwaltungsdaten aus unterschiedlichen Datenbanken und Behörden. Das Risiko wird gegebenenfalls auf der Grundlage von Indikatoren berechnet, die z. B. die in der Vergangenheit ergriffenen Durchsetzungsmaßnahmen, die seit der letzten Prüfung vergangene Zeit oder Unfalldaten abbilden. Über die Priorisierung wird dann z. T. zentral durch Beschäftigte der HSE entschieden, die auf die Auswertung dieser Daten spezialisiert sind. Jede*r dieser Beschäftigten liefert rd. 350 Prüfer*innen Anhaltspunkte für die Wahl der idealen Vorgehensweise für besonders risikobehaftete Bereiche und Unternehmen. Das Modell liefert auch eine Grundlage für die Entscheidung, ob eine bestimmte Kontrollmaßnahme der HSE mit Prüfungen anderer Stellen kombiniert werden sollte.
Italien: Informationssysteme für regionale Prüfstellen
Das Kernstück einer Reform der Lebensmittelsicherheitskontrollen in der italienischen Region Kampanien bildet das risikobasierte IT-System GISA (Gestione Integrata Servizi e Attività, vgl. http://www. gisacampania.it/). Die aktuelle Version des Systems erlaubt es, die von Unternehmen und Standorten bzw. Betrieben ausgehenden Risiken zu bewerten, um sie bei der Planung von Kontrollmaßnahmen zu berücksichtigen. GISA liefert automatisch errechnete Risikoniveaus und stützt sich dabei auf Risikomodelle sowie Prüfungsergebnisse und Kontrolllisten. Je nach Wirtschaftstätigkeit und den Ergebnissen spezieller Untersuchungen werden diese Niveaus regelmäßig aktualisiert. Diese Untersuchungen basieren auf einem technischen Prüfansatz, der strukturelle, die Unternehmensführung betreffende und kontextbezogene Aspekte in den Blick nimmt, um dem Unternehmen und Standort bzw. Betrieb ein bestimmtes Risikoniveau zuzuweisen. Bei Begehungen festgestellte Verstöße werden ebenfalls im System hinterlegt und dienen als zusätzlicher Indikator. Neben den Dienststellen Kampaniens für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen nutzen auch die Carabinieri GISA für die Sanitäraufsicht. Damit ist der erste Schritt in Richtung Datenintegration getan. Das System steht allen italienischen öffentlichen Institutionen kostenlos zur Verfügung. Die Regionen Aostatal und Ligurien ziehen seinen Einsatz für Lebensmittelsicherheitskontrollen in Betracht und im Bereich Umweltschutz erwägen sowohl nationale also auch regionale Stellen, GISA zu verwenden.
In der Autonomen Provinz Trient wurde in den letzten drei Jahren eine zentrale Plattform zur Registrierung und Planung von Kontrollmaßnahmen entwickelt. Bisher bietet dieses RUCP (Registro Unico Controlli Provinciali, Zentrales Kontrollregister der Provinz) genannte System zwar noch nicht viele Dienste, es unterstützt aber bereits die mobile Datenerfassung bei Begehungen, indem es vorkonfigurierte Prüflisten zur Anzeige auf Tablet-Computern bereitstellt. Kernstück ist eine zentrale Datenbank, über die letztlich alle Dienststellen auf einen lückenlosen Bestand an Prüfergebnissen zumindest in aggregierter Form zugreifen können werden. Das wird ihnen dabei helfen, Doppelarbeit zu vermeiden und bessere Kenntnis der geprüften Betriebe zu erlangen, sodass sie genauere und aktuellere Risikoanalysen durchführen können. Zusätzlich ist ein Modul für risikobasierte Betriebsanalysen, -einstufungen und Kontrollplanungen in Arbeit, das ab 2021 einsatzbereit sein wird.
Niederlande: Alle Prüfsysteme vernetzen
Bei Inspectieview, einem in den Niederlanden für verschiedene Wirtschaftszweige entwickelten und 2013 eingeführten System, handelt es sich um eine virtuelle Plattform, mit der Kontrolleur*innen Informationen zu Prüfobjekten abrufen können. Dabei greifen sie auf Daten aus Systemen zu, die andere Prüfstellen für die Durchführung ihrer eigenen Kontrollen und die Erfassung ihrer Ergebnisse nutzen. Mit anderen Worten, Inspectieview ist als Integrationsplattform konzipiert, die den Datenaustausch erlaubt und den verschiedenen Prüfstellen die Möglichkeit gibt, ihre Aktivitäten untereinander abzustimmen. Der Leitgedanke hinter dieser Lösung ist, dass bei Kontrollen und Durchsetzungsmaßnahmen der Staat als Einheit wahrgenommen werden sollte, auch wenn sie von unterschiedlichen Prüfstellen durchgeführt werden. Dank Inspectieview haben Behörden auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene Zugriff auf alle zu einem Prüfobjekt gesammelten Daten. Mittlerweile nutzen bereits mehr als 500 Kontrolleur*innen das Tool. Es wird als regierungseigene Plattform weiterentwickelt, Wartung und Support wurden ausgelagert.
Für die Bewertung von Risiken, die zeitliche Planung von Kontrollmaßnahmen und das Zusammentragen der Prüfergebnisse werden die externen Informationssysteme genutzt. Eine Abfrage über Inspectiview erzeugt dann eine Datei mit allen Informationen aus allen externen Datenquellen. Auf diese Weise werden duplizierte Daten vermieden, sodass die Nutzer*innen immer aktuelle Informationen erhalten. Inspectieview erlaubt sowohl die Analyse von Prüfergebnissen für ein einzelnes Objekt als auch den Export größerer Datenmengen zur Weiterverarbeitung mit Excel und anderen Anwendungsprogrammen. Zwei Varianten des Tools befinden sich derzeit in der Entwicklung: eine allgemeine Version mit Zugriff für alle Prüfer*innen sowie eine spezifische Ausführung, die Kontrolleur*innen in bestimmten kooperativen Netzwerken vorbehalten sein wird. Drei Versionen von Inspectieview befinden sich bereits im Einsatz und liefern Daten für die Gewerbe- und Umweltaufsicht bzw. für Kontrollen in der Binnenschifffahrt. Hier erwies sich die Lösung als besonders erfolgreich: In der Binnenschifffahrt setzen mittlerweile alle Prüfstellen auf das System.
Slowakische Republik: Index für steuerliche Verlässlichkeit
Die Slowakische Finanzverwaltung ist aus einer Zusammenlegung der Steuer- und Zollbehörden des Landes im Jahr 2012 hervorgegangen. Seit 2018 setzt sie bei ihrer Risikobeurteilung auf eine neue Kennzahl, den Index für steuerliche Verlässlichkeit. Die Methodologie des Index regelt eine im selben Jahr verabschiedete Novelle zum Gesetz Nr. 563/2009 Slg. über die Steuerverwaltung. Die Risikobewertung der beaufsichtigten Unternehmen basiert auf einem internen automatischen Analysetool. Mit ihm können besonders „verlässliche“ Steuersubjekte identifiziert werden, für die der zeitliche Abstand zwischen den Steuerprüfungen erhöht werden kann; außerdem erlaubt es gezieltere Verbrauchssteuerprüfungen.
Quelle: Weltbank (erscheint demnächst[34]).
Quelle: OECD (2021[40]).
Quelle: Weltbankgruppe (erscheint 2021), Veröffentlichung zu Reformen für die Integration von Kontrollmaßnahmen; https://www.ilent.nl/ onderwerpen/toegang-tot-inspectieview/documenten/publicaties/2019/1/31/gebruikershandleiding-inspectieview.
Quelle: Analysen des OECD-Sekretariats.
Die Analyse von bereits erhobenen Daten ist eine weitere Möglichkeit, um mithilfe technischer Lösungen die Datenverwaltung, -nutzung und risikobasierte Regulierung deutlich zu verbessern. Finanzbehörden setzen die Verfahren der Datenanalyse schon länger systematisch ein, um Risikoindikatoren zu errechnen und zu gewichten, aber bis vor Kurzem war es schwierig, diese Ansätze auf Kontrollen in anderen Bereichen zu übertragen (Khwaja, Awasthi und Loeprick, 2011[5]). Die Datengrundlage erwies sich als nicht hinreichend digitalisiert, manchmal auch als zu komplex und in anderen Fällen wiederum als zu spärlich – oder der abgedeckte Zeitraum war noch zu kurz, weil die entsprechenden Systeme erst kürzlich eingeführt worden waren. Und wenn es in der Vergangenheit bereits Systeme für Prüfdaten gegeben hatte, war deren Anwendungsbereich bisweilen nicht breit genug. Nicht selten fehlte es auch an einer entsprechenden Ausbildung der Beschäftigten oder die Personaldecke war zu dünn. Vor diesem Hintergrund erwiesen sich die Hinwendung zu risikobasierter Regulierung und die zunehmende Anerkennung der Bedeutung exakter Risikobewertungen (sowie die damit einhergehende Abkehr von „traditionellen“ Priorisierungsmethoden) als Wegbereiter systematischerer und verstärkt datengestützter Ansätze. Was die nach wie vor schwierige Bemessung der möglichen Schadensschwere eines Risikos betrifft, liefern moderne Anwendungen von maschinellem Lernen sehr vielversprechende Ergebnisse: Sie helfen zu verstehen, welche Merkmale von Unternehmen und Betriebsstätten sich am besten für die Vorhersage von Risiken eignen, und erlauben dadurch deutlich effektivere risikobasierte Priorisierungen (Kasten 6.4).
Kasten 6.4. Maschinelles Lernen und Risikoindikatoren
Risiko kann man relativ einfach abstrakt definieren, wesentlich schwieriger ist aber die Entwicklung robuster Methoden zur Vorhersage des Risikoniveaus verschiedener Unternehmen oder Betriebe. Bis vor Kurzem hatten mangelnde Datenverfügbarkeit und unzulängliche Analysemethoden dafür gesorgt, dass sich der Einsatz von Data-Mining und ähnlichen mathematischen Ansätzen zur Definition und Gewichtung von Risikokriterien weitgehend auf Kontrollmaßnahmen der Finanz- und Zollbehörden beschränkte: Deren Regelungsgegenstand basiert naturgemäß auf Zahlen, außerdem setzte hier die Digitalisierung sehr früh ein und war besonders systematisch. Deutlich weniger methodisch und präzise ging man in anderen Bereichen wie Technik oder Sicherheit vor, in denen Risiken anhand einer Kombination aus wissenschaftlichen und technischen Erkenntnissen, Erfahrungswerten der zuständigen Behörden und „Trial and Error“ ermittelt und gewichtet wurden.
Dies ändert sich mittlerweile, weil Prüfergebnisse immer häufiger in Informationsverwaltungssystemen erfasst werden, sodass immer mehr detaillierte historische Daten verfügbar sind; außerdem steigt die Rechenleistung und es stehen neue Analyseinstrumente wie maschinelles Lernen zur Verfügung. In Italien führen die Autonome Provinz Trient sowie die Regionen Lombardei und Kampanien derzeit ein Pilotprojekt zur Risikobeurteilung per maschinellem Lernen durch. Sie verwenden ein System, das auf der Grundlage von Vergangenheitsdaten die Merkmale ermitteln kann, mit denen sich Risiken am besten voraussagen lassen. Die risikobasierte Planung von Inspektionen wird dadurch deutlich präziser und zuverlässiger. In der Lombardei kommt die Lösung im Bereich Arbeitssicherheit zum Einsatz, in Trient bei arbeitsrechtlichen Inspektionen und in Kampanien in der Lebensmittelüberwachung.
Neben diesen Bemühungen um eine bessere Beurteilung der auf Betriebsebene bestehenden Risiken gewinnen datengestützte Ansätze auch auf der strategischen Ebene zunehmend an Bedeutung. 2017 hat die kanadische Lebensmittelsicherheitsbehörde CFIA eine Überarbeitung ihres Risikomanagementmodells angestoßen, um ihre Ressourcen so effektiv wie möglich zur Reduzierung von Risiken einzusetzen. Die erste Herausforderung des Modells besteht darin, die disparaten Daten zu verschiedenartigen Risiken so umzuwandeln, dass sie (und mit ihnen die Risiken selbst) vergleichbar werden. Damit hat die Behörde die Möglichkeit, über mehrere organisatorische Ebenen hinweg zwischen den verschiedenen Risiken abzuwägen. Dies ist das Ergebnis erheblicher Anstrengungen, um Daten aus allen Arbeitsbereichen der CFIA zu sammeln und zu konsolidieren.
Einem ähnlichen Ansatz ist die Direktion für Risikobeurteilung des kanadischen Umweltministeriums (Environment and Climate Change Canada) gefolgt: Das von ihr entwickelte Modell für Bedrohungs- und Risikobeurteilung (Threat-Risk Assessment – TRA) sieht eine umfassende Datenanalyse vor, um die Eintrittswahrscheinlichkeiten und möglichen Folgen bekannter Umweltrisiken abzuschätzen. Die Daten stammen aus der Industrie, von Regierungspartnern und von internationalen Akteuren. Die Ergebnisse der strategischen Risikobeurteilung helfen der Behörde, Projekte zu planen und Ressourcen zuzuweisen. Außerdem werden sie als Informationsgrundlage an Beschäftigte weitergegeben, die mit der Rechtsdurchsetzung betraut sind.
Quelle: OECD (2021[40]) sowie Interviews und Präsentationen mit/von Beschäftigten der CFIA und des kanadischen Umweltministeriums.
Neben einer Definition von Risikoindikatoren und Algorithmen zur Risikobeurteilung werden auch aktuelle und ausreichend umfassende Daten zu den beaufsichtigten Unternehmen benötigt. Sie gewährleisten, dass die Priorisierung behördlicher Kontrollmaßnahmen (Begehungen und Rechtsdurchsetzung) auch wirklich von den Risiken abhängt, und dass die zuständigen Behörden schnell und effektiv reagieren können, wenn neue Gefahren auftreten oder es zu Unfällen kommt. Dafür sind geeignete Datenverwaltungsinstrumente sowie ein möglichst intensiver Datenaustausch zwischen den Aufsichtsbehörden unerlässlich. Für die Steigerung der Leistungsfähigkeit und Effizienz des gesamten Regulierungssystems ist es außerdem wichtig, Informationen auch mit anderen Stellen auszutauschen, etwa mit Gesundheitsdienstleistern oder privaten Zertifizierungsunternehmen. In einer Reihe von Ländern erschweren allerdings Datenschutzregelungen bzw. deren Interpretation oder Anwendung eine Optimierung des gemeinsamen Zugriffs auf Informationen. Angesichts der Bedeutung dieser Hürde auf dem Weg zu mehr Effizienz und Leistungsfähigkeit sollten unbedingt weitere Untersuchungen und der Erfahrungsaustausch über bewährte Ansätze gefördert werden, um den zuständigen Stellen das datenschutzgerechte Teilen essenzieller Informationen (insbesondere von Unternehmensdaten statt personenbezogener Daten) zu ermöglichen. Darüber hinaus können viele Informationen, die einerseits wichtig für eine bessere Analyse und Bemessung von Risiken und andererseits möglicherweise datenschutzrelevant sind (z. B. Gesundheits- oder Unfalldaten), vor ihrer Verarbeitung vollständig anonymisiert werden, denn bei der Untersuchung von Risiken kommt es nicht auf Einzelfälle, sondern auf die Muster an.
Moderne Technologien erleichtern diesen Datenaustausch und effektive Analysen zunehmend – mehrere Initiativen liefern hierfür besonders wertvolle Beispiele (Kasten 6.5). Eine Möglichkeit ist die gemeinsame Nutzung von zentralen Datenbanken und anderen Systemen durch mehrere zuständige Behörden und eventuell auch durch Gesundheitsdienstleister, eine andere sind Tools für den automatisierten Informationsaustausch zwischen verschiedenen Lösungen. Wenn unterschiedliche Behörden dank dieser Technologien gemeinsam auf Datenbestände zugreifen können, ist gewährleistet, dass die ihnen zu den beaufsichtigten Unternehmen vorliegenden Informationen so aktuell und umfassend wie möglich sind; außerdem wird vermieden, dass bestimmte Kontrollmaßnahmen doppelt durchgeführt werden. Was den Austausch mit dem Gesundheitssystem betrifft, können die zuständigen Behörden zudem die Entstehung neuer und die Veränderung bestehender Risiken besser im Auge behalten und zielgerichteter eingreifen, wenn sie Betriebsstätten zur Prüfung auswählen oder entscheiden, auf welche Branchen, Produkte usw. sie sich besonders konzentrieren wollen. Wenn z. B. Gesundheitseinrichtungen Unfälle aufgrund mangelnder Produktsicherheit oder Lebensmittelkontaminationen systematisch erfassen, können staatliche Stellen ihre Kontrollmaßnahmen mit diesen Daten gezielter planen, ohne dass dafür vertrauliche personenbezogene Daten ausgetauscht werden müssen – denn bei der Risikobeurteilung interessieren nicht die Einzelfälle, sondern die Muster.
Außerdem haben die zuständigen Behörden die Möglichkeit, beispielsweise mit den privaten Zertifizierungsstellen ihrer Zuständigkeitsbereiche (etwa der Lebensmittelsicherheit) Vereinbarungen über die gemeinsame Nutzung von Daten zu treffen. Auch dieser Ansatz verhilft ihnen in Sektoren mit vielen Akteuren (wie dem Lebensmittelbereich) zu einer umfassenderen und aktuelleren Datengrundlage. Sogar die Einbindung der sozialen Medien, von Kundenbewertungen im Internethandel oder von anderen „unkonventionellen“ Datenquellen kann einen Beitrag zur Beurteilung von Lebensmittel- oder Produktsicherheitsrisiken leisten. Die Einbeziehung derartiger Quellen macht die automatische Verarbeitung riesiger Datenmengen (durch maschinelles Lernen) erforderlich, kann sich aber durchaus als effektiv und kosteneffizient erweisen.7 Außerdem wirft sie Informationen ab, die umfassender und aktueller sind als die Erkenntnisse, die Regulierungsstellen durch Kontrollmaßnahmen und andere traditionelle Methoden gewinnen.
Kasten 6.5. Risikomanagement durch Nutzung und Austausch von Daten verbessern
Eine Reihe italienischer Regionen und Einrichtungen hat sich in den letzten Jahren um eine Optimierung von Datenaustausch, -analyse und -verwendung bemüht. Dabei ging es zum einen darum, die Kosten und Effizienzmängel zu reduzieren, die durch Doppelungen und fehlende Abstimmungen zwischen verschiedenen Dienststellen entstanden waren, zum anderen sollte auch die regionale Wirtschaft besser unterstützt werden.
Zur Überwachung von Baustellenrisiken kommt in der Lombardei das Mo.Ri.Ca-System zum Einsatz, das Benachrichtigungen, Überwachungs- und (über Impres@BI erhobene) Unfalldaten nutzt, um das Risikoniveau von Baustellen zu beurteilen. Früher wurden Risikokriterien und -gewichtung empirisch festgelegt, heute optimiert maschinelles Lernen die Ergebnisse (Kasten 6.4). Der Hauptvorteil des Systems ist seine Einbeziehung verschiedener Datenquellen, u. a. auch von Benachrichtigungen des Gesundheitssystems. Es verbessert das Risikomanagement deutlich, ohne hohe Kosten zu verursachen.
Die Region Kampanien hat in Kooperation mit der Universität Neapel Parthenope das System MytiluSE entwickelt. Es ergänzt das bestehende GISA-System, mit dem alle Lebensmittelkontrollen geplant und verwaltet werden. MytiluSE sagt die Wasserqualität voraus, um Gesundheitsrisiken beim Verzehr von Muscheln aus dem Golf von Neapel zu bekämpfen. Es handelt sich um ein Prognosesystem, das darüber informiert, an welchen Tagen die Muschelernte gesundheitlich bedenklich ist. Auf diese Weise wird der hohe Aufwand einer nachträglichen Suche nach potenziellen Auslösern von Lebensmittelvergiftungen vermieden. Wenn die Lösung vollständig in Betrieb ist, kann sie sowohl Informationen für Muschelzüchter*innen als auch wichtige Anhaltspunkte für die Arbeit der Kontrolleur*innen liefern. Für ihre Entwicklung mussten die Strömungen in der Bucht von Neapel erfasst, Kontaminierungsquellen lokalisiert und ein robustes Prognosemodell erarbeitet werden, allerdings stellt das Ergebnis die Rechtsumsetzung möglicherweise auf eine ganz neue Grundlage. Eine entsprechend angepasste Version des Systems sagt auch die durch Abgase entstehende Luftverschmutzung vorher, die die Qualität von Rinderfutter beeinträchtigen kann. Was die Muschelzucht betrifft, bietet der Prognoseansatz nicht nur wirtschaftliche Vorteile, sondern verhilft auch der öffentlichen Verwaltung zu mehr Effizienz. Darüber hinaus werden Gesundheitsschäden deutlich wirksamer vermieden als durch langwierige mikrobiologische Tests und Probenahmen, deren Ergebnisse möglicherweise zu spät vorliegen (sodass in der Zwischenzeit u. U. auch andere Produkte, die am selben Tag geerntet wurden, Lebensmittelvergiftungen hervorrufen).
Quelle: Montella, R. et al. (2020), MytiluSE: Modelling Mytilus Farming System with Enhanced Web Technologies, Universität Neapel Parthenope, Sciences and Technology Department, Auftraggeber: Region Kampanien, Unità Operativa Dirigenziale Prevenzione e Sanità Pubblica Veterinaria (Präsentation) – bezüglich anderer Fälle: OECD (2021[40]).
Wirkungsorientierte statt prozessorientierter Regulierung
Institutionen, Prozesse und Methoden, die dazu dienen, Rechtsvorschriften zu verwalten, zu kontrollieren und umzusetzen, werden zwar immer stärker auf die Berücksichtigung von Risiken ausgerichtet, aber von einem einheitlichen Vorgehen ist man noch weit entfernt: Die Methoden der Rechtsumsetzung verschiedener Staaten und sogar der Regulierungsbehörden innerhalb dieser Länder weichen deutlich voneinander ab8 (Blanc, 2012[23]), (Hadjigeorgiou et al., 2013[43]), (OECD, 2015[9]). Besonders häufig betreffen diese Differenzen die Ziele, die sich die Behörden gesteckt haben: Einige legen den Schwerpunkt auf Regeltreue und auf Sanktionen bei Nichteinhaltung, doch anderen ist es wichtiger, Risiken zu mindern, das Gemeinwohl zu verbessern und öffentliche Ziele zu erreichen, als nur Prozesse einzuhalten und/oder auf rein formale Konformitäten zu bestehen. Diese Ergebnisorientierung ist eines der Resultate einer risikobasierten Regulierung: Dient das Risiko als Indikator, um Ergebnisse zu definieren und zu messen, wird es damit auch zum Kriterium, um Maßnahmen zu priorisieren und Entscheidungen zu treffen. Starre Prozesse und ihre Vorgaben treten demgegenüber in den Hintergrund.
Ergebnisorientierte Ansätze kommen auch immer häufiger zum Einsatz; trotzdem muss noch viel getan werden, um die offenbar weiterhin vorherrschende Auffassung zu revidieren, dass diese Konzepte bei der Rechtsumsetzung nicht etwa eindeutig vorzuziehen sind, sondern nur eine Alternative zu den traditionellen Steuer- und Kontrollmechanismen („Command and Control“) darstellen. Dabei handelt es sich um eine überaus restriktive Sichtweise auf das, um was es bei wirkungsorientierten Konzepten und entsprechender Rechtsumsetzung geht. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Ansätze, Methoden und Instrumente einer ergebnisorientierten Regulierung eine ganz zentrale Rolle spielen, wenn man zu einer effektiveren und effizienteren Rechtsumsetzung gelangen will.
In der Praxis setzt die Ergebnisfokussierung allerdings einen wirklichen Paradigmenwechsel voraus. Konkret muss Abschied genommen werden von dem traditionellen Konzept des Rechtsvollzugs, das vornehmlich darauf beruht, Rechtsverletzungen festzustellen und zu ahnden. Vielmehr muss Rechtsdurchsetzung als etwas verstanden werden, das primär und in letzter Konsequenz auf Sicherheit und den Schutz von Gesundheit, Umwelt und sonstigen Kernaspekten des Allgemeinwohls ausgerichtet ist. Die Umsetzung dieses Ansatzes hängt stark von der Förderung einer Regeltreue ab, die auch wirklich sinnvoll ist und tatsächlich dazu beiträgt, das Regulierungsziel zu erreichen. Dazu gehört auch, die Verhaltensweisen der Normadressaten regelmäßig zu untersuchen. Außerdem muss u. a. mit effektiver Risikokommunikation dafür gesorgt werden, dass die Normadressaten gut informiert sind, es müssen Methoden und Instrumente entwickelt und finanziert werden, die das gewünschte Ergebnis liefern, und man muss in geeigneter Weise messen, inwieweit das öffentliche Gut geschützt wird. Dabei sollte man nicht davon ausgehen, dass die Normadressaten wissen, was alles zu tun ist und wie sie vorzugehen haben. Vielmehr sollten sie begleitet, beraten und informiert werden. Und schließlich setzt Ergebnisfokussierung naturgemäß passende Leistungsindikatoren und -messgrößen voraus – nicht um einfach nur zu quantifizieren, wie viele Regelungen und Sanktionen eingeführt wurden, sondern um nachvollziehen zu können, welche Leistungssteigerungen, Risikominderungen und sonstigen Ergebnisse erzielt wurden (Blanc, 2018[44]), (Blanc und Coletti, erscheint demnächst[45]).
Einige Regulierungsbehörden sehen eine ihrer Hauptfunktionen darin, Risikoverursacher beim Management der von ihnen geschaffenen Risiken zu unterstützen. Dies setzt eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit allen Akteuren voraus, die dauerhafte Veränderungen herbeiführen können. Demgemäß haben die Prüfer*innen der britischen Arbeitsschutzbehörde Health and Safety Executive (HSE) vor längerer Zeit ihre Strategie geändert: Gesetzliche Zwänge setzen sie seitdem nur noch als letztes Mittel ein und bevorzugen es, sich mit den Normadressaten an einen Tisch zu setzen, deren Verhalten durch diverse Techniken (persönliche Beziehungen, Beratung, Vergleich mit anderen Akteuren, Hinweise auf potenzielle Risiken und Kosten sowie mögliche Sanktionen usw.) zu beeinflussen und sie auf diese Weise zur Steigerung ihres Sicherheitsniveaus zu bewegen (Hawkins, 2003[46]). Die Ergebnisse sind besser (z. B. im Hinblick auf tödliche und schwere Unfälle) als vor der Strategieänderung und/oder in anderen Sektoren, in denen dieser neue Ansatz nicht in gleichem Umfang verfolgt wird.9
Vor zehn Jahren veröffentlichte die HSE das Enforcement Management Model, in dem detailliert geregelt ist, wie Prüfer*innen auf der Basis von Risikoabschätzungen, Compliance-Aufzeichnungen der Wirtschaftsakteure, klaren Regeln usw. Vollzugsentscheidungen treffen sollten.10 Auch in anderen Ländern haben zahlreiche Kontroll- und Durchsetzungsbehörden vergleichbare Grundsätze oder Leitlinien zur Regelung Ihrer Vorgehensweise entwickelt. In Zukunft werden Anleitungen dieser Art unerlässlich sein, damit Regulierungssysteme mit einer steigenden Komplexität und immer neuen Veränderungen zurechtkommen sowie Situationen „vor Ort“ bewältigen können, die sich zum Zeitpunkt der Rechtsetzung immer seltener umfassend vorhersagen lassen. Positiv ist zu vermerken, dass sich einige Länder aktiv um eine einheitlichere Anwendung solcher Ansätze und Leitlinien in verschiedenen Regulierungsbereichen bemühen (Kasten 6.6).11
Kasten 6.6. Ergebnisorientierte Checklisten im Rahmen des Projekts „Rating Audit Control“ (RAC) in Italien
Das von der Europäischen Kommission finanzierte und von der OECD umgesetzte RAC-Projekt in Italien zielt darauf ab, staatliche Stellen auf regionaler und nationaler Ebene bei der Verbesserung des Geschäftsumfelds und des Investitionsklimas zu unterstützen. Außerdem soll es ihnen helfen, öffentliche Mittel effizienter einzusetzen, indem Regulierungsmaßnahmen kalkulierbarer werden, Misstrauen abgebaut wird und wirtschaftliche Aktivitäten mit geringerem Risiko entlastet werden. Um bei der Rechtsumsetzung bessere Ergebnisse zu erzielen, werden die vor Ort angewandten Prüfmethoden und -praktiken grundlegend angepasst. Die Kontrollen werden vereinheitlicht und man bemüht sich darum, den Wirtschaftsakteuren die dabei an sie gestellten Anforderungen klarer und verständlicher zu vermitteln.
Ein entscheidendes Instrument zur Erreichung dieses Ziels sind für verschiedene Regulierungsbereiche erstellte Checklisten zur Durchführung risikobasierter Kontrollen. Sie erlauben es, die angewandten Methoden kohärent weiterzuentwickeln mit dem Ziel, einen wertvollen Beitrag auf dem Weg zu besseren Ergebnissen zu leisten. Die Checklisten werden an die jeweiligen regionalen Gegebenheiten angepasst. Sie enthalten auch ein risikobasiertes Scoringsystem und die Ergebnisse der Evaluierung fließen in die Aktualisierung der Risikobewertung ein. Bei der Auswertung der Checklisten werden das „statische“ Risiko eines Betriebs, seine „dynamischen“ Risiken (Gegenstand des eigentlichen Risikomanagements, beispielsweise eines HACCP-Konzepts in der Lebensmittelsicherheit) sowie die bisherige Regeltreue (einschließlich der Einhaltung von Vorgaben, die Prüfer*innen aufgrund von unmittelbar risikobehafteten Verletzungen verhängt hatten) berücksichtigt. Daraus ergibt sich ein Gesamtbild, aus dem neben dem tatsächlichen Risikoniveau eines Betriebs auch die wichtigsten Elemente hervorgehen, die im Interesse des Regulierungsziels angegangen werden müssen.
Quelle: Interne OECD-Untersuchungen – OECD (2021[40]).
Da für einen stärker ergebnis- und risikoorientierten Ansatz der konkrete technische und fachliche Kontext wichtig ist, werden viele herausstechende und erfolgreiche Initiativen in einer bestimmten Branche oder Regulierungsbehörde umgesetzt, ohne Teil eines sektorübergreifenden Reformprogramms zu sein. Einige der interessantesten Beispiele sind weiter unten in Kasten 6.7 dargelegt. In den meisten Fällen trägt eine Vielzahl zusätzlicher Instrumente und Interventionen dazu bei, die Wirksamkeit und Effizienz der Rechtsumsetzung zu steigern.
Kasten 6.7. Risikobasierte Ansätze in einzelnen Sektoren
Vereinigtes Königreich: Arbeitsschutz
Die britische Arbeitsschutzbehörde Health and Safety Executive (HSE) ist eine ressortunabhängige öffentliche Stelle, die an das Ministerium für Arbeit und Altersversorgung (Department for Work and Pensions) berichtet. Ihr Hauptzweck besteht darin, arbeitsbedingte Unfälle und Gesundheitsschäden zu reduzieren. Die HSE kooperiert mit verschiedenen Akteuren aus dem Bereich Arbeitsschutz im Vereinigten Königreich und teilt sich Kontrollzuständigkeiten mit lokalen Behörden. Zu ihren Aufgaben gehören das Aufstellen von Regeln ebenso wie deren Durchsetzung und damit auch die Durchführung von Kontrollen und Ermittlungen. Sie entwickelt und bietet Orientierungshilfen und Beratungsleistungen und arbeitet intensiv mit den von ihr beaufsichtigten Branchen zusammen, um Risiken proaktiv zu managen und zu reduzieren. Auf internationaler Ebene nimmt die HSE mit ihren innovativen Konzepten zur Rechtsumsetzung seit Langem eine Spitzenposition ein, insbesondere was die Förderung der Regeltreue (durch Orientierungshilfen, Zusammenarbeit mit der Industrie, langfristiges Engagement usw.), die risikobasierte Priorisierung und die risikoangemessene Durchsetzung betrifft. Bei der risikobasierten Priorisierung und Planung stützt sich die Behörde vor allem auf „Find-it“, eine im eigenen Haus zur Verbesserung der Rechtsumsetzung entwickelte Internetanwendung.
Region Kampanien, Italien: Lebensmittelsicherheit
Zwischen 2007 und 2010 reformierte die Region Kampanien ihre Lebensmittelsicherheitskontrollen, indem sie von einem vornehmlich auf dem Prinzip der Abschreckung bei nicht konformem Verhalten basierenden System der Rechtsumsetzung zu einem risikobasierten Ansatz überging. Grundlage des neuen Konzepts bildeten die Anforderungen des EU-Lebensmittelhygienepakets. Der Reforminitiative lag ein ganz konkreter Regulierungsbedarf zugrunde: Nach einigen schweren Unfällen war es in Wirtschaft und Öffentlichkeit zu einem massiven Vertrauensverlust gekommen, weil offizielle Stellen nicht umfassend genug über Risiken informiert hatten und es sich herausgestellt hatte, dass ihre Kontrollen für das Risikomanagement offensichtlich unzureichend waren. Tieferer Anlass der Reforminitiative waren aber Probleme auf der systemischen Ebene – u. a. fehlte es an einem Konzept zur Planung der Kontrollen auf Basis einer Risikokategorisierung.
Um die diversen Probleme anzugehen, sah die Initiative eine Vielzahl von Elementen vor, die eine risikobasierte Rechtsumsetzung fördern sollten, von der Berücksichtigung von Risiken bei Entscheidungsprozessen (wie der Durchsetzung von Maßnahmen oder der Planung von Kontrollen) über bestimmte Kontrollverfahren und Hilfsmittel (Checklisten, Computersystem usw.) bis hin zu Leistungsindikatoren, Personalmanagement und vertikaler Koordinierung. Dabei erwies sich die verwendete IT-Lösung als eines der wichtigsten Instrumente, um den mit der Reform eingeführten risikobasierten Ansatz voranzubringen.
Mit dieser Reform wurden folgende Ergebnisse erzielt: 1. Einteilung der Wirtschaftsakteure in Risikokategorien und Planung der Häufigkeit der Kontrollen gemäß Risikoniveau, 2. bessere und umfassendere Versorgung des Gesundheitsministeriums und der EU mit Informationen gemäß geltenden Regeln, 3. systematische Verteilung der Kontrollen auf das gesamte Gebiet der Region, 4. Erkennung neu aufkommender Risiken, 5. zielkonforme Anzahl der durchgeführten Maßnahmen, 6. besseres Personalmanagement.
Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von pharmazeutischen Erzeugnissen zwischen Kanada und der EU
Ein gegenseitiges Anerkennungsabkommen (Mutual Recognition Agreement – MRA) ist ein rechtsverbindlicher Vertrag zwischen zwei Ländern bzw. ihren Regulierungsbehörden. Es zielt darauf ab, die internationale Zusammenarbeit im Regulierungsbereich zu stärken, die Produktsicherheit und -qualität auf hohem Niveau zu halten und zugleich den regulierungsbedingten Aufwand für die Unternehmen zu verringern.
Mit dem Abschluss gegenseitiger Anerkennungsabkommen erklären die Vertragspartner, dass ihre Regulierungssysteme für eine bestimmte Produktkategorie gleichwertig sind. Wenn also entsprechende Erzeugnisse in einem der beiden Länder zum Verkauf freigegeben werden, gelten sie auch im anderen als konform. Hierbei handelt es sich in der Regel um Waren mit einem gewissen Risikoniveau, die einer Vorvermarktungszulassung (oder zumindest Prüfverfahren für die Konformitätsbewertung) unterliegen. Arzneimittel sind eine solche Produktkategorie mit hohem Risiko, für die gegenseitige Anerkennungsabkommen den wechselseitigen Marktzugang erheblich erleichtern und damit die Entwicklung des Sektors fördern können.
Die Komponenten eines Programms zur Einhaltung der „Guten Herstellungspraxis (Good Manufacturing Practice – GMP) für pharmazeutische Erzeugnisse“ bilden einen der Pfeiler, auf die sich das Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von pharmazeutischen Erzeugnissen zwischen Kanada und der EU stützt. Anhand dieser Komponenten wird entschieden, inwieweit die entsprechenden Regulierungsprogramme beider Länder gleichwertig sind. Der Komponente „Prüfverfahren“, die Prüfungen nach einem risikobasierten Ansatz vorsieht, ist ein Sonderkapitel gewidmet. Mit dieser Vorgehensweise wird gewährleistet, dass sich die Prüfungen auf Produkte konzentrieren, die aufgrund ihrer Risikoeinstufung hohe Priorität haben. Dank dieses risikobasierten Ansatzes und des Mechanismus für die gegenseitige Anerkennung ist es nicht erforderlich, Erzeugnisse doppelt kontrollieren zu lassen, und die Prüfungen können sich auf Produkte mit höherer Risikopriorität konzentrieren. Folglich sinken Kosten und Aufwand für Prüfungen, während in der internationalen Zusammenarbeit hohe Standards und qualitätssichernde Compliance-Programme fortbestehen. Dieser Fall zeigt, wie wichtig risikobasierte Ansätze auch in einem multilateralen Kontext und im Rahmen der internationalen Regulierungszusammenarbeit sind.
Anmerkung: Vgl. auch OECD (2013[47]) und Kauffmann und Saffirio (2020[48]).
Quelle: Weltbank (erscheint demnächst[34]).
Ob Vorschriften eingehalten werden und Risiken mindern, hängt erwiesenermaßen sehr davon ab, ob die anzuwendenden Regeln nachvollziehbar sind und ihr Sinn und Zweck klar ist. Eine wichtige Rolle spielt auch, inwieweit sie als konsequent, fair und kohärent wahrgenommen werden, und inwieweit die zuständigen Stellen ihre Entscheidungsfindung transparent machen (Gunningham, 2015[51]; Tyler, 2003[18]; 1990[49]; Yapp und Fairman, 2006[50]). Gleichzeitig wird der Arbeitsalltag in Unternehmen weniger durch externe Vorschriften als vielmehr durch interne Regeln, Verfahren und Aspekte der Unternehmenskultur bestimmt. Ob also Rechtsvorschriften wirklich eingehalten werden und wirksam sind, hängt weitgehend davon ab, inwieweit die internen Regeln und Konformitätszwänge des Arbeitsalltags mit ebendiesen staatlichen Normen im Einklang stehen (Hodges, 2015[52]) (Hodges und Steinholtz, 2018[53]). Aus all diesen Gründen lassen sich die Einhaltung von Vorschriften und das Risikomanagement in Rechtsumsetzungssystemen möglicherweise deutlich verbessern, wenn man auf kohärentere und konsequentere Entscheidungsprozesse setzt, indem man Regulierungsziele in internen Prozessen und Unternehmenskulturen verankert und dafür sorgt, dass die Wirtschaftsakteure die Rechtsvorschriften besser verstehen. Ein interessantes Beispiel liefert die sogenannte „Primary Authority“-Regelung im Vereinigten Königreich (Kasten 6.8). Trotz der in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlichen verfassungsrechtlichen und regulatorischen Strukturen stößt dieser Ansatz in vielen Staaten auf großes Interesse, da er eine Reihe von Merkmalen kombiniert, die in den meisten Kontexten relevant sind: So besteht überall die Notwendigkeit einer stärkeren Konsistenz zwischen verschiedenen Regionen, den Unternehmen muss mehr Planbarkeit geboten und Regulierungsziele müssen besser in unternehmensinterne Systeme eingebettet werden usw.
Kasten 6.8. Vereinigtes Königreich: „Primary Authority“-Regelung
„Die ‚Primary Authority‘-Regelung ist fest in den Grundsätzen für eine bessere Rechtsetzung verankert, die darauf abzielen, den Verwaltungsaufwand für Unternehmen zu reduzieren und zugleich eine risikobasierte Regulierung zu fördern. Dies beinhaltet, die Verteilung der Prüfressourcen (unter Berücksichtigung lokaler Bedürfnisse und nationaler Prioritäten) an den Risikoniveaus der Unternehmen auszurichten, (in Bezug auf Beratung und Vorgehensweise) einheitliche und (in Bezug auf die Risiken) angemessene Durchsetzungsmaßnahmen vorzusehen, Prüfverfahren auf transparente Weise durchzuführen (d. h. so, dass die Unternehmen wissen, was von ihnen und der lokalen Behörde erwartet wird) und die Rechenschaftslegung der zuständigen Stellen zu fördern, damit ihre Regulierungsaktivitäten der öffentlichen Kontrolle standhalten.“
Im Vereinigten Königreich werden die meisten Prüf- und Durchsetzungsaktivitäten von lokalen Behörden durchgeführt, in einigen Fällen zusätzlich oder parallel zu den Tätigkeiten nationaler Stellen. Trotz der Harmonisierungsbemühungen insbesondere bestimmter nationaler Behörden, die in einigen Bereichen für einheitliche Leitlinien zur risikobasierten Umsetzung von Rechtsvorschriften sorgen, mangelt es diesem Regulierungsumfeld mitunter an vertikaler und horizontaler Koordinierung. Überregional tätige Unternehmen müssen deshalb feststellen, dass die an verschiedenen Orten zuständigen Stellen Rechtsvorschriften manchmal sehr unterschiedlich auslegen und umsetzen. Vor diesem Hintergrund bezeichnet der Begriff „Primary Authority“ einen einzigartigen Verständigungsansatz für den Umgang mit Herausforderungen, die sich aus der Tatsache ergeben, dass Prüfungen und Durchsetzungen hauptsächlich in den Zuständigkeitsbereich nachgeordneter Gebietskörperschaften fallen. Der Ansatz soll Strukturen vereinfachen, die Planbarkeit verbessern (z. B. durch eine Vereinheitlichung des Umgangs mit Risiken) und die Kosten für Unternehmen mit mehreren Standorten senken. Um diese Ziele zu erreichen, wurde es ausgewählten lokalen Behörden gestattet, gegenüber anderen eine übergeordnete (primary) Rolle einzunehmen. Dieser neue Governance-Rahmen stellt besser sicher, dass in diesen vorrangig für die Regulierung zuständigen Stellen auch adäquate fachliche Fähigkeiten vorhanden sind, da nur Behörden mit ausreichenden Kompetenzen und Ressourcen in einem gegebenen Bereich die führende Rolle einer „Primary Authority“ übernehmen können.
Das Programm wurde nicht nur weiterentwickelt, um lokale Unterschiede zu reduzieren und Unternehmen landesweit einheitlich zu behandeln, sondern auch, um Wirtschaftsakteuren fundiertere und gezielt auf ihre Gegebenheiten abgestimmte Orientierungshilfen für die Einhaltung von Vorschriften zu bieten (zugesicherte Beratung). Anfangs waren Vereinbarungen für allgemeine und spezifische Gesetzgebungsbereiche auf den Gebieten umweltbezogener Gesundheitsschutz, Brandschutz, Lizenzvergabe und Handelsstandards möglich. Nach und nach wurde der Rahmen um zusätzliche Regulierungsbereiche erweitert.
Quelle: Auszug aus Weltbank (o. J.), The Future of Business Regulation: Case Study: Promoting Compliance – and Going Beyond. Evaluating the Primary Authority Scheme, Prepared for the Local Better Regulation Offices, 2011.
Neue Technologien und risikobasierte Regulierung
Seit Langem besteht Interesse am Einsatz neuer Technologien in der Regulierung, wobei dem Risikoaspekt in zweifacher Hinsicht eine besondere Bedeutung zukommt: Einerseits können die neuen Technologien dazu beitragen, dass Risiken bei der Regulierung stärker und angemessener berücksichtigt werden, andererseits steht zu befürchten, dass die neuen Möglichkeiten für exzessive und übergriffige Maßnahmen missbraucht werden, wenn ein solcher risikobasierter Ansatz fehlt. Diese Gefahr besteht zum Beispiel bei Fernüberwachungssystemen, die unnötig viele Informationen erfassen oder pausenlos in Betrieb sind, anstatt ausschließlich dann zum Einsatz zu kommen, wenn das Risikoniveau ausreichend hoch ist und bestimmte Risikomerkmale sich mit anderen Mitteln nur schwer kontrollieren oder überwachen lassen. Ein besonderer Zusammenhang besteht zwischen technischen Regulierungslösungen und der Covid-19-Krise: Um Ansteckungsrisiken zu vermeiden, haben zuständige Stellen und Dienstleister viele Begehungen abgesagt und sich darauf beschränkt, Kontrollen vor Ort nur noch bei besonders hohen Risiken durchzuführen. In dieser Situation kommt es noch stärker auf die Qualität von Risikobewertungen an und es stellt sich die dringende Frage nach Möglichkeiten zur Entwicklung und Nutzung von „Fernaudits“, d. h. für den Einsatz von Technologien, die es erlauben, den Vor-Ort-Besuch zu vermeiden.
Virtuell durchgeführte Kontrollen sind eventuell weniger zeitaufwendig, ressourcenschonender und effizienter; außerdem erlauben sie es, gegebenenfalls auch entlegenere Standorte zu prüfen oder unter schwierigen Umständen zu operieren (z. B. während Lockdowns, wie sie in der Covid-19-Pandemie auferlegt wurden). Neben Gesprächen mit den Wirtschaftsakteuren und der Prüfung von Unterlagen, werden dabei auch die Standorte per Videostream begutachtet. Diese virtuellen Kontrollen werden bereits in einer Reihe von Staaten und Regulierungsbereichen ins Auge gefasst oder erprobt. Sie wecken auch deshalb großes Interesse, weil sie potenziell die Transport- und Personalkosten senken, umweltfreundlicher sind und Fahrtzeit sparen. Außerdem verringern sie die Kontaminationsrisiken, und zwar nicht nur speziell bei einer Epidemie, sondern auch in normalen Zeiten, wenn es um „sensible“ Einrichtungen geht, in denen jede*r zusätzliche Besucher*in ein Risiko darstellt (Kasten 6.9 für einige Beispiele). Dennoch birgt diese Art der Kontrolle in mehrfacher Hinsicht auch große Herausforderungen und Fallstricke.
Kasten 6.9. Erfahrungen mit virtuell durchgeführten Kontrollen
Die finnische Behörde für Sicherheit und Chemikalien („Tukes“) testet verschiedene neue Methoden zur Durchführung von Kontrollen, u. a. über Skype. Das Feedback war bisher positiv und die Behörde plant, ihre Prüfungen gemäß der Seveso-III-Richtlinie weiter zu digitalisieren. Auch andere Behörden nahmen an den Kontrollen über Skype teil, was erwarten lässt, dass der Einsatz der Lösung ausgeweitet wird. Die Prüfung selbst nimmt zwar ähnlich viel Zeit in Anspruch wie eine traditionelle Begehung, allerdings fallen Fahrtkosten und Fahrtzeit weg. Der Prozess ist in seiner Gesamtheit effizienter (der Zeitplan wird vorab an den Dienstleister geschickt und der Prüfbericht wird rascher erstellt). Allerdings sind weitere Arbeiten erforderlich, um zu untersuchen, ob Skype-Inspektionen ausschließlich Wirtschaftsakteuren vorbehalten sein sollten, die die Vorschriften in der Vergangenheit nachweislich gut eingehalten haben, da bei reinen Fernkontrollen die Gefahr höher ist, dass falsche Informationen übermittelt und Probleme verschleiert werden.
Die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und geforderte Minimierung der Ansteckungsgefahr während der Covid-19-Pandemie haben die Dringlichkeit deutlich erhöht, sodass virtuelle Audits und Fernkontrollen in zahlreichen Ländern und Einrichtungen ins Auge gefasst, diskutiert oder in Pilotprojekten auf ihre Zuverlässigkeit und Anwendbarkeit getestet werden. Besonders hoch ist der Zeitdruck im Bereich der Lebensmittelsicherheit, da Nahrungsmittelproduktion und -versorgung systemrelevante Aktivitäten sind, die nicht vollständig ausgesetzt werden können. Lebensmittelsicherheitskontrollen sind wichtig, um Verunreinigungen vorzubeugen, bergen aber Ansteckungsrisiken. Die Herausforderungen, die mit diesen Fernüberwachungen einhergehen, sind vielfältig: Unter anderem sind „versteckte“ Missstände gegebenenfalls schwieriger zu erkennen und Betrugsversuche müssen wirksam unterbunden werden. Die zuständige Stelle muss außerdem nicht nur über die passende Ausrüstung verfügen, sondern auch kompetente und entsprechend geschulte Prüfer*innen und Mitarbeiter*innen beschäftigen, die in der Lage sind, die Fernkontrollen durchzuführen, deren Ergebnisse zu analysieren und zu hinterfragen usw. Hinzu kommt, dass sich bestimmte zusätzliche Risiken (etwa im Bereich Arbeitsschutz) nur schwer feststellen lassen, wenn man nicht vor Ort ist. Und selbst wenn sie nicht direkt die Lebensmittelsicherheit betreffen, können auch diese Mängel starke negative Auswirkungen haben. Solche Fernaudits oder -kontrollen werden z. B. in Kanada und Italien diskutiert oder erprobt. Was die Zertifizierung durch private Stellen betrifft, hat die Global Food Safety Initiative (GFSI) beschlossen, Fernaudits in bestimmten Sonderfällen und -situationen zu gestatten (https://mygfsi.com/blog/gfsi-remote-auditing-benchmarking-requirements-updates/): Sowohl die Prüfer*innen als auch das geprüfte Unternehmen müssen zustimmen, die technischen Voraussetzungen müssen erfüllt sein und nur ein Teil des Audits wird aus der Ferne durchgeführt (Kontakte werden so reduziert, aber nicht vollständig vermieden).
Quelle: OECD (erscheint demnächst[54]); Direktinterviews mit Regulierungsstellen in Italien und Kanada – GFSI-Webseite.
Virtuelle Kontrollen bieten viele interessante Möglichkeiten, problemfrei oder eine Patentlösung sind sie allerdings nicht. Um die Einhaltung der Regeln in einer Einrichtung und ihre Sicherheit wirklich beurteilen zu können, ist es oft unerlässlich, sich vor Ort umzusehen. Nur dann kann man auch „verdeckte“ Probleme erkennen, die sich häufig erst dann zeigen, wenn man Mitarbeiter*innen über einen bestimmten Zeitraum bei der Arbeit im Blick hat, mit verschiedenen Angestellten diskutiert und zahlreiche weitere Beobachtungen macht, die aus der Ferne nur sehr schwer oder gar nicht möglich sind. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die meisten Risikoelemente ohne Weiteres virtuell erkannt werden können, setzt eine effektive Fernkontrolle voraus, dass kompetente und vertrauenswürdige Personen vor Ort in der Lage (und bereit) sind, die Begehung durchzuführen und die für die Prüfung relevanten Bereiche zu filmen. Mit anderen Worten, die zuständigen Stellen können nur tätig werden, wenn sie im geprüften Betrieb entsprechend qualifizierte und kompetente Personen gefunden haben. Vertrauen ist dabei unerlässlich, denn wenn die Kräfte vor Ort Regelverstöße verbergen und die Prüfer*innen absichtlich täuschen wollen, haben sie bei virtuellen Kontrollen möglicherweise gute Gelegenheit dazu. Außerdem müssen die Behörden recht präzise Angaben dazu machen, welche Daten erforderlich sind, welche Elemente und Aktivitäten beobachtet und per Video übertragen werden sollten usw. Trotz alledem scheinen virtuelle Kontrollen ein interessantes neues Instrument zu sein, das sich für gewisse Branchen und Risikoarten eignet, wenn bestimmte, klar definierte Anforderungen bestehen (Entfernung/Kosten, Ansteckungsgefahr usw.) – und vor allem wenn die zuständige Stelle allen Grund hat, das Unternehmen für „generell vertrauenswürdig zu halten“, d. h., wenn es vornehmlich darum geht, frühere positive Evaluierungsergebnisse zu bestätigen, anstatt unbekannte oder problematische Umstände zu kontrollieren. Bevor solche Lösungen allerdings auf breiterer Basis umgesetzt werden können, muss genauer untersucht werden, unter welchen Bedingungen sie zum Einsatz kommen können, welche Verfahrensweisen am besten gewährleisten können, dass die Prüfungen wirklich risikobasiert sind usw. (Zum Beispiel sollten sie nur auf Szenarien mit geringem oder mittlerem Risiko angewendet werden und so konzipiert sein, dass potenzielle Risikobereiche vor Ort nicht übersehen werden.)
Bestimmte technologische Innovationen (z. B. Fernsensoren, Drohnen, Satellitenbilder usw.) bieten ebenfalls Möglichkeiten, wirtschaftliche Aktivitäten und/oder ihre Folgen aus der Ferne zu überwachen, und da sie das kontinuierlich tun können, erlauben sie gegebenenfalls sogar den Verzicht auf virtuelle Begehungen. Sie können sich dort als äußerst nützlich erweisen, wo die Größe des zu überwachenden Gebiets ein Problem darstellt oder wo erhebliche Schäden drohen, die sich mit anderen Mitteln unmöglich verhindern lassen. Beispiele sind Fälle von Luft- und Wasserverschmutzung, illegalem Holzeinschlag, Überfischung, Wilderei usw. Fernüberwachung kann auch dazu dienen, Kernelemente besonders risikoträchtiger Strukturen dauerhaft zu überwachen (z. B. die strukturelle Stabilität der Dämme von Wasserkraftwerken). Aber auch diese Methoden und Instrumente sollten in angemessener Weise eingesetzt werden, unter Berücksichtigung ihrer Grenzen und potenziellen Schwachstellen.
Angesichts der jüngsten technologischen Fortschritte könnte man versucht sein zu glauben, dass sogar eine „totale Kontrolle“ möglich – und vielleicht sogar wünschenswert – ist. Das wäre dann allerdings ein Regulierungsansatz, der nicht mehr auf die Analyse und Beurteilung von Risiken, das Verständnis von Verhaltensweisen, auf Vertrauen, die Zusammenarbeit mit zuverlässigen Unternehmen usw. setzt. Die Vision einer „automatisierten Gesamtkontrolle“ sieht vielmehr vor, dass die zuständigen Stellen die Normadressaten dauerhaft aus der Ferne mit automatisierten und vernetzten Geräten überwachen. Es gibt mehrere Gründe, warum eine solche Entwicklung vermieden werden muss und der Einsatz neuer Technologien dazu dienen sollte, die Regulierung stärker risikobasiert und zielorientiert zu gestalten, anstatt das Gegenteil zu bewirken:
In technischer Hinsicht weisen die meisten Regulierungsbereiche eine Vielzahl extrem komplexer Aspekte auf, die sich meistens nicht ohne Weiteres für die Fernüberwachung eignen (vgl. auch den Absatz zu virtuellen Kontrollen weiter oben). Sie unterscheiden sich in diesem Punkt sehr stark von Bereichen wie dem Straßenverkehr, in denen sich die Fernüberwachung der geltenden Regeln in den letzten Jahrzehnten rasch entwickelt hat.
Ein großflächiger Einsatz von Fernsensoren in privaten Unternehmen würde die Informationssicherheit massiv bedrohen.
Aggressive Überwachung in großem Stil verträgt sich auch nicht mit den Menschenrechten und den bürgerlichen Freiheiten.
Und vor allem konnte nachgewiesen werden, dass eine übermäßig strenge Aufsicht kontraproduktiv ist, wenn man eine wirksamere Regulierung erreichen will: Sie senkt die freiwillige Regeltreue und führt bei den Normadressat*innen vor Ort zu Widerständen (Kasten 6.10).
Kasten 6.10. Fernüberwachung
Wie weiter oben bereits dargelegt, werden in Umweltschutz, Energieversorgung, Bergbau, Lebensmittelsicherheit und zahlreichen anderen Bereichen interessante Experimente mit Fernüberwachungskonzepten durchgeführt oder in Erwägung gezogen. Das Ziel ist dabei, aufkommende Schäden im Vorfeld zu erkennen, Ergebnisse und Risiken zu beurteilen und kritische Infrastruktur zu kontrollieren. Ebenso können Fernsensoren eingesetzt werden, um zu messen, welchen Belastungen risikoträchtige Bauwerke wie Brücken, Tunnel oder Dämme ausgesetzt sind. Dort, wo die Fernüberwachung zur Risikobeurteilung dient, als Frühwarnsystem eingesetzt wird und schwer erreichbare Gebiete abdeckt, scheint sie ein vielversprechendes und wertvolles Instrument zu sein.
Es gibt allerdings auch Bereiche, in denen Fernüberwachungssysteme direkt als Vollzugsinstrument eingesetzt werden. Dazu gehören z. B. Radaranlagen zur Geschwindigkeitskontrolle oder Einhaltung sonstiger Verkehrsregeln. Außerdem dient automatisierte Fernüberwachung zunehmend der Kontrolle der Einhaltung von Vorschriften im Güterkraftverkehr (insbesondere bei grenzüberschreitenden Transporten). Diese Entwicklungen bieten zwar interessante Ansätze, um die Sicherheit in Sektoren zu erhöhen, in denen die traditionelle Überwachung durch den Menschen schwierig ist (die Ferntransporte sind hier ein Paradebeispiel), doch sie haben auch Nachteile. Zum Beispiel scheinen sich automatische Radaranlagen zur Geschwindigkeitskontrolle (die am weitesten verbreitete Art der Fernüberwachung) zwar generell positiv auf die Einhaltung von Vorschriften und die Sicherheit auszuwirken, aber dieser Effekt variiert stark (Pilkington und Kinra, 2005[55]). Entsprechend sollten sie immer als Teil eines breiteren Verkehrskonzepts eingesetzt werden; als Allheilmittel ohne ergänzende Maßnahmen taugen sie nicht (Ali, Al-Saleh und Koushki, 1997[56]).
In den letzten Jahren wurden Systeme entwickelt, die nicht nur die aktuelle Geschwindigkeit der Kraftfahrzeuge, sondern auch ihr Durchschnittstempo messen. Damit lassen sich Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen möglicherweise sehr effektiv durchsetzen. Das Angebot an günstigen vernetzten Fernsensoren steigt, sodass die Geschwindigkeit von Pkw vielleicht schon bald permanent überwacht wird – zusammen mit vielen anderen Parametern und Aktivitäten. Denkbar wären etwa auch Videoüberwachungssysteme, die zum Beispiel kontrollieren, wer in einem bestimmten Betrieb arbeitet, ob alle Arbeitskräfte eine Schutzausrüstung tragen oder ob zumindest einige einfache Sicherheitsvorkehrungen eingehalten werden. Wieder andere Sensoren könnten durchgängig messen, ob bestimmte Temperaturparameter eingehalten werden.
Bei dem zunehmenden Rückgriff auf Fernüberwachung im Interesse einer besseren Rechtsdurchsetzung geht man offensichtlich davon aus, dass die eingesetzte Technik weder versagen kann noch für Hackerangriffe anfällig ist. Darauf sollte man sich allerdings nicht verlassen. Vielmehr bleibt es gleichermaßen wichtig, die freiwillige Einhaltung von Vorgaben so gut wie möglich zu fördern und Regelverletzungen auf ein Mindestmaß zu reduzieren, damit sich die Durchsetzungsanstrengungen auf kriminelle Verhaltensweisen fokussieren können. Außerdem entstehen erhebliche Sicherheitsrisiken, wenn eine zuständige Behörde sehr viele vernetzte Geräte nutzt. Dass das Internet der Dinge gehackt und missbräuchlich verwendet werden kann, ist allgemein bekannt und wurde bereits vielfach dokumentiert. Ein weiteres Problem ist der starke negative Effekt aggressiver technologischer Kontrollen und „automatisierter Durchsetzung“ auf das Vertrauensverhältnis zwischen Staat und Bürger*innen auf die Legitimität von Behörden und Vorschriften sowie auf die freiwillige Regeltreue. Wie weiter oben bereits dargelegt, hat Rechtsdurchsetzung, die als allzu belastend oder antagonistisch empfunden wird, im Endeffekt zur Folge, dass die Regeltreue sinkt. Studien zur Einhaltung von Steuervorschriften bestätigen dies (Kirchler, Hoelzl und Wahl, 2008[57]). Der tiefere Grund hierfür ist die Tatsache, dass automatisierte Durchsetzungsmechanismen (insbesondere bei automatischer Sanktionsverhängung) gänzlich im Widerspruch zu bestimmten Kernprinzipien der Verfahrensgerechtigkeit stehen (dazu gehören insbesondere die Möglichkeit für den*die Regulierungsadressaten*in, im Verfahren gehört zu werden, die Erläuterung der Entscheidungsgrundsätze sowie die nachweisliche Berücksichtigung spezifischer Umstände) (Lind, Kanfer und Earley, 1990[58]). Selbst in weniger schwerwiegenden Fällen kann sich das dabei einstellende Gefühl einer unfairen Behandlung negativ auf die Bereitschaft auswirken, Vorschriften in Zukunft einzuhalten. Deshalb haben automatisierte Überwachung und Durchsetzung zur Folge, dass sich die Regeltreue insgesamt verringert.
Quelle: OECD (erscheint demnächst[54]); Mangalam und Vranic (2020[39]).
Risikobasierte Regulierung in der Covid-19-Krise und ihre Folgen
Covid-19 hat eine Situation geschaffen, in der die Bewertung und das Management von Risiken sowie die Bewältigung von Unsicherheiten eine ganz zentrale Rolle spielen – für die eigentliche Bekämpfung des Virus ebenso wie hinsichtlich der wirtschaftlichen und sozialen Dimensionen der Krise. Vor jeder Maßnahme müssen die staatlichen Stellen verschiedene Arten von Risiken gegeneinander aufwiegen. Zuvorderst betrifft das den allgegenwärtigen Konflikt zwischen dem direkten Gesundheitsrisiko einerseits und den negativen wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen (zu denen auch andere Gesundheitsrisiken zählen) aufgrund von Lockdowns und anderen rigorosen Maßnahmen andererseits. Eine präzise Gegenüberstellung von Risiken erweist sich dabei einmal mehr als schwierig. Zwar sind die negativen Effekte eines Lockdowns möglicherweise vorhersagbar (jedenfalls kann man sie im Nachhinein messen), aber eine Welt, in der alles seinen gewohnten Gang geht, taugt nicht als Vergleichsbasis, da man davon ausgehen muss, dass die Summe individueller Reaktionen bei einem Laissez-faire-Ansatz zur Bewältigung der Pandemie ebenfalls eine Wirtschaftskrise auslösen würde (Goolsbee und Syverson, 2020[59]).
Eine der zahlreichen Schwierigkeiten bei der Reaktion auf die Covid-19-Pandemie besteht darüber hinaus darin, das wahre Ausmaß der Pandemieverbreitung und ihrer Auswirkungen in den einzelnen Ländern zu beurteilen. Angesichts der hohen Zahl an asymptomatischen Fällen ist die Einschätzung der Inzidenz und Prävalenz problematisch. Nur sehr wenige Länder verfügen über die nötigen Testkapazitäten und ‑methoden (und/oder waren bisher im Kampf gegen die Pandemie entsprechend erfolgreich), um offizielle Falldaten ermitteln zu können, von denen man annehmen darf, dass sie nahe an den realen Zahlen liegen. Verschieden stark ausgeprägte Untererfassung führt dazu, dass selbst die Zahl der gemeldeten Covid-19-Todesopfer nicht verlässlich ist (Todesfälle zu Hause werden in der Regel statistisch nicht erfasst, Todesfälle in Pflegeheimen häufig auch nicht, und selbst Todesfälle in Krankenhäusern werden in verschiedenen Ländern möglicherweise uneinheitlich festgehalten). Um diese Diskrepanz zu kompensieren, kann die Übersterblichkeit der betreffenden Monate im Jahr 2020 im Vergleich zum Langzeitdurchschnitt herangezogen werden (Banerjee et al., 2020[60]). Trotzdem lässt sich selbst die Zahl der vom „sichtbarsten“ Covid‑19-Risiko (Tod) betroffenen Personen nur schwer schätzen – ganz zu schweigen von der Zahl der Personen mit gesundheitlichen Langzeitwirkungen, die erst im Lauf der Zeit klar zutage treten werden (Halpin et al., 2020[61]), (Mitrani, Dabas und Goldberger, 2020[62]). So stellt die Pandemie trotz ihrer eklatanten Auswirkungen aufgrund des sehr hohen Niveaus an Ungewissheit eine erste große Herausforderung für risikobasierte Regulierungsansätze dar.
Die Krise hat auch Schwierigkeiten im Kontext des öffentlichen Beschaffungswesens deutlich gemacht (OECD, 2020[63]), insbesondere auf der Ebene der internationalen Zusammenarbeit und des internationalen Wettbewerbs. Aus der Risikoperspektive fällt besonders auf, dass vielen Regulierungssystemen des öffentlichen Auftragswesens eine sehr starke Risikoaversion zugrunde liegt: Korruptionsrisiken sollen komplett ausgeschlossen werden oder man bemüht sich zumindest, starke rechtliche Schutzschilde zur Verteidigung gegen entsprechende Vorwürfe aufzustellen. Ob diese Systeme die Korruption effektiv bekämpfen oder nicht, ist eine andere Frage. Sicher ist aber, dass ihre Rigidität in einem Krisenkontext in vielen Ländern große Probleme aufwirft: Folgt die Beschaffung den regulären Vorschriften, erweist sie sich als viel zu langsam und schwerfällig, und wenn abweichende Bestimmungen für Notfallsituationen überhaupt existieren, sind sie unangemessen oder anderweitig problematisch (OECD, 2016[64]). Mit anderen Worten: Regelungen und Regulierungsprozesse, die zur Bekämpfung eines Risikos (z. B. Korruption) konzipiert wurden, können im Endeffekt die Resilienz und Handlungsfähigkeit in Krisenzeiten beeinträchtigen und so die Anfälligkeit gegenüber anderen Risiken (z. B. gesundheitliche Beeinträchtigungen) erhöhen. Dies veranschaulicht klar und deutlich, wie wichtig es ist, zielgerichtete und risikoangemessene Regeln und Verfahren zu konzipieren, die die Risiken möglichst wirkungsvoll angehen. Nur so lassen sich unbeabsichtigte negative Folgen auf ein Mindestmaß reduzieren (OECD, 2020[65]).
Die Krise hat auch gezeigt, wie schwierig es für die zuständigen Stellen ist, Gesundheitsrisiken in Situationen zu managen, in denen jede Entscheidungsoption bestimmte andere Risiken mit sich bringt, sodass eine einfache Abwägung zwischen Kosteneinsparungen und erhöhter Sicherheit nicht mehr ausreicht. Der Rückgriff auf virtuelle Kontrollen als Lösung für bestimmte Situationen, in denen reguläre Begehungen zwar einerseits Risiken kontrollieren, andererseits aber selbst einen Risikofaktor darstellen können (Ansteckungsgefahr), wurde bereits im vorstehenden Abschnitt erörtert (vgl. auch Kasten 6.11 zum Einsatz virtueller Nahrungsmittelkontrollen in Krisenzeiten). Sehr viel schwerwiegendere Folgen hatten darüber hinaus Genehmigungs- und Kontrollverfahren, die die von medizinischem Schutzmaterial (wie Gesichtsmasken oder Handdesinfektionsmittel) oder fehlerhaften Geräten bzw. Tests ausgehenden Risiken minimieren sollten, zugleich aber aufgrund des Zeitdrucks zu einem erhöhten Risiko führten, da sie Engpässe manchmal noch verstärkten oder Tests verzögerten. Mit der Ungewissheit umzugehen, die in Phasen der Vorbereitung auf potenzielle Krisen vorherrscht oder die Ausarbeitung einer Strategie zur Bewältigung einer noch nicht ausreichend untersuchten Gefahr prägt, ist immer schwierig. Nach massiven Ausgaben und drastischen Maßnahmen zur Abwehr einer Bedrohung, die sich dann als weniger gravierend erweist als ursprünglich angenommen, lassen sich Bürger*innen bei vergleichbaren Situationen in der Zukunft nicht mehr so leicht von der Notwendigkeit überzeugen, Vorkehrungen zu treffen. Hieran wird deutlich, wie wichtig es ist, in der Öffentlichkeit eine „reifere“ Debatte über Risiken und Resilienz anzustoßen, damit eine breitere Unterstützung mobilisiert und aufrechterhalten werden kann. Leider hat man sich bisher noch nicht ausreichend damit beschäftigt, wie man eine differenziertere öffentliche Debatte initiieren kann, die die Dichotomie der Forderung nach Reduzierung verschwenderischer Ausgaben einerseits und der Panikmache und Beschuldigungen andererseits hinter sich lässt. Immerhin entstanden einige bedeutende Beiträge 2010–2015 im Rahmen des niederländischen Programms Risiko und Verantwortung (Helsloot und Schmidt, 2012[66]), (Trappenburg und Schiffelers, 2012[67]). Die Art und Weise, wie die Öffentlichkeit Risiken, Vorbeugemaßnahmen, Staatsausgaben usw. wahrnimmt und beurteilt, lässt sich nur schwer und nur sehr langsam verändern. Daher ist es auch so wichtig, zu einem risikobasierten Regulierungsansatz überzugehen, der langfristig ausgerichtet und transparent ist.
Kasten 6.11. Neugestaltung von Lebensmittelkontrollen in der Coronakrise
Begehungen vor Ort nur noch bei kritischen Situationen und Problemen
Begehungen vor Ort sind ein unerlässliches Instrument zur Kontrolle der Einhaltung von Lebensmittelsicherheitsbestimmungen, erweisen sich aber während der Krise aufgrund von weitreichenden Reise- und Mobilitätsbeschränkungen, Abstandsregeln am Arbeitsplatz und vorübergehenden Betriebsschließungen als nur schwer durchführbar. Daraus zogen einige Länder und Regulierungsbehörden die Konsequenz, diese und andere Kontrollen einzuschränken oder ganz einzustellen, Situationen mit besonders hohen Risiken zu priorisieren und dabei ausschließlich kritische Sicherheitsprobleme in den Blick zu nehmen. Auf diese Weise wollten sie die Gefahr einer Ansteckung mit dem Virus für die Kontrolleur*innen und Arbeitskräfte auf ein Mindestmaß reduzieren.
Beispielsweise hat die Canadian Food Inspection Agency (CFIA) in ihrem Betriebskontinuitätsplan kritischen Infrastrukturen Vorrang eingeräumt und Besuche und Kontrollen von Betrieben ausgesetzt, die ein geringeres Risiko darstellen. Darunter fielen beispielsweise Nahrungsmittelkontrollen und Stichprobenentnahmen ohne direkten Bezug zur Lebensmittelsicherheit. Die US-amerikanische Food and Drug Administration (US FDA) hat die meisten Begehungen von Anlagen im Ausland und alle Routinekontrollen inländischer Einrichtungen vorerst zurückgestellt und nur noch unbedingt notwendige Aktivitäten aufrechterhalten (z. B. anlassbezogene Kontrollen, sog. „‚for-cause‘ inspections“).
Einführung von Fernkontrollen und -audits im Bereich der Lebensmittelsicherheit
Innovativen Technologien, moderneren Systemen und neuen, intelligenteren Strategien ist es zu verdanken, dass die Kapazitäten zur Durchführung von Kontrollen im Verlauf der Krise wieder erhöht werden konnten. Der Versuch, Mobilitätseinschränkungen und Abstandsregeln mit neuen Methoden zu überwinden, hat die Einrichtung von Dienstleistungen beschleunigt, die Verfahren vereinfachen und die Betriebseffizienz steigern. Als zahlreiche Mobilitäts-, Zugangsbeschränkungen und Verpackungsauflagen keine Kontrollen vor Ort mehr zuließen, haben verschiedene Länder Strategien für die Entwicklung und den Einsatz von Instrumenten konzipiert, mit denen die Kontrollen aus der Ferne fortgesetzt werden konnten.
In Kanada erhielt die CFIA beispielsweise finanzielle Mittel, um Mitarbeiter*innen einzustellen und auszubilden, die unverzichtbare Prüfungen und Durchsetzungsmaßnahmen mithilfe digitaler Instrumente vornehmen können. Außerdem entwickelte die CFIA Kriterien, die es Zertifizierungsbehörden erlauben, bei Prüfungen von Bioprodukten weniger Ortsbesuche durchzuführen.
Die US FDA hat im Rahmen ihres Überprüfungsprogramms für ausländische Zulieferer (Foreign Supplier Verification Program – FSVP) Fernkontrollen für Importe von Lebens- und Futtermittel eingeführt. Seither werden Unterlagen elektronisch überprüft und die Zahl der Kontrollen vor Ort ist begrenzt. Geprüft werden nun vor allem FSVP-Importeure von Produkten ausländischer Produktionsstätten oder Agrarbetriebe, deren Begehung aufgrund des Gesundheitsnotstands verschoben werden musste.
Quelle: OECD (2020[68]; [69]); U.S. Food and Drug Administration (2020), Temporary Policy Regarding Certain Food Labeling Requirements During the COVID-19 Public Health Emergency: Minor Formulation Changes and Vending Machines; U.S. Department of Health and Human Services Food and Drug Administration (2020), Temporary Policy Regarding Packaging and Labeling of Shell Eggs Sold by Retail Food Establishments During the COVID-19 Public Health Emergency; U.S. Food and Drug Administration (2020), Temporary Policy Regarding Nutrition Labeling of Certain Packaged Food During the COVID-19 Public Health Emergency; Canadian Food Inspection Agency (2020), Information regarding certain labelling requirements for foodservice products during the COVID-19 pandemic; Danish Veterinary and Food Administration (2020), Coronavirus and food - retail, supermarkets and manufacturing companies.
Insgesamt ist positiv zu vermerken, dass Covid-19 vielen zuständigen Stellen Gelegenheiten geboten hat zu zeigen, dass sie dazu fähig sind, auf eine Krisensituation mit außergewöhnlicher Agilität und Flexibilität zu reagieren, indem sie neue Rahmenwerke einführen oder ihre Bestimmungen anpassen12 (Kasten 6.12 für Beispiele aus zwei Regulierungsbereichen). Nach der Pandemie wird es notwendig sein, aus den Verfahrensweisen, die sich bewährt haben, Lehren zu ziehen. Konkret wird es darum gehen, agile Regulierungsrahmen einzuführen und bei der Anwendung von Vorschriften, bei der Verfahrensverwaltung und der Regeldurchsetzung Flexibilität unter Beweis zu stellen.13 Wie im Einführungskapitel dieses Ausblicks dargelegt, ist Agilität ein entscheidender Faktor, wenn es darum geht, Regulierungsrahmen so anzupassen, dass sie sowohl die neuen Technologien als auch die Internationalisierung des Handels und neu entstehende Risiken berücksichtigen. Die im Kontext der Coronakrise beobachtete innovative und flexible Umsetzung risikobasierter Regulierungsansätze kann diesbezüglich einige nützliche Beispiele liefern.
Kasten 6.12. Lockerung von Vorschriften während der Covid-19-Krise
Lockerung von Vorschriften in der Nahrungsmittelsicherheit am Beispiel der Anforderungen an die Lebensmittelkennzeichnung
Im Kontext der Coronakrise haben die zuständigen Stellen in den verschiedensten Ländern vorübergehend Verwaltungsprozesse flexibler gestaltet und Vorschriften gelockert, um einzelnen Unternehmen oder auch ganzen Branchen die Geschäftstätigkeit zu erleichtern und es ihnen gleichzeitig zu ermöglichen, sich weiterhin regeltreu zu verhalten. Der Lebensmittelsektor hat in der Pandemie nicht nur mit Schocks in allen Segmenten seiner Lieferketten zu kämpfen, sondern sieht sich auch Nachfrageverschiebungen weg von Restaurants und sonstigen Gastronomiebetrieben und hin zum Einzelhandel gegenüber. Diese Verwerfungen stellen die für Nahrungsmittelsicherheit zuständigen Stellen vor besondere Herausforderungen. Einige haben deshalb die Vorschriften im Bereich der Lebensmittelkennzeichnung angepasst, um die Auswirkungen von Lieferkettenstörungen auf die Verfügbarkeit von Produkten in Grenzen zu halten:
In den Vereinigten Staaten hat die dem Ministerium für Gesundheitspflege und Soziale Dienste unterstellte Food and Drug Administration (US FDA) Leitlinien erlassen, die unter gewissen Umständen bei der Etikettierung von Lebensmitteln vorübergehend eine gewisse Flexibilität zulassen, damit Hersteller geringfügige Rezepturänderungen nicht auf dem Verpackungsschild nachweisen müssen. Zum Beispiel erließ die US FDA angesichts der gestiegenen Nachfrage nach Eiern vorübergehend flexiblere Leitlinien zur Erfüllung von bestimmten Verpackungs- und Kennzeichnungsauflagen für im Einzelhandel verkaufte Eier. Andere neue Leitlinien erleichterten Restaurants die Etikettierung beim Verkauf verpackter Gerichte.
Auch die Canadian Food Inspection Agency (CFIA) führte im Rahmen einer vorübergehenden Aufhebung von Kennzeichnungserfordernissen flexiblere Regeln für die Etikettierung von bestimmten abgepackten Lebensmitteln ein, bei denen nicht zu befürchten stand, dass dies die Nahrungsmittelsicherheit signifikant beeinträchtigen würde.
Die dänische Veterinär- und Lebensmittelbehörde (Danish Veterinary and Food Administration – DVFA) hob die Etikettierungsvorschriften zur Angabe des Herkunftslands vorübergehend auf und akzeptierte den Verkauf abgepackter, nicht in Dänemark etikettierter Lebensmittel im Einzelhandel, sofern die Auflagen der europäischen Lebensmittel-Informationsverordnung eingehalten wurden.
Quelle: CFIA (2020), Government of Canada provides $20 million to safeguard Canada’s food supply by supporting critical food inspection services; U.S. Food and Drug Administration (2020), Coronavirus (COVID-19) Update: FDA Focuses on Safety of Regulated Products While Scaling Back Domestic Inspections; FDA (2020), FDA To Temporarily Conduct Remote Importer Inspections Under FSVP Due to COVID-19.
Flexible Regelungen in der Gesundheits- und Sozialversorgung – eine neue Strategie für die Care Quality Commission (England)
Die Care Quality Commission (CQC), die unabhängige Regulierungsbehörde für Gesundheits- und Sozialversorgung in England, hat einen neuen Strategieentwurf zur Konsultation gestellt, in dem es um vier zentrale Themen geht:
Menschen und Gemeinschaften: Neue Ansätze werden entwickelt, um Erfahrungen mit Versorgungsleistungen zu sammeln, aufzuzeichnen und zu analysieren. In Kombination mit einem neuen Evaluierungsrahmen helfen sie, Veränderungen in der Versorgungsqualität leichter zu erkennen und das Vertrauen der Öffentlichkeit zu stärken.
Intelligentere Regulierung: Ziel ist es, dynamischer und flexibler zu regulieren, um sowohl vorhersehbaren als auch unerwarteten Veränderungen besser Rechnung zu tragen.
Mehr Sicherheit durch Lernen: Die Förderung von Sicherheits- und Lernkultur hat Priorität und steht im Zentrum einer besseren Gesundheits- und Sozialversorgung. Einen besonderen Fokus richtet die CQC auf die Lokalisierung von Bereichen, in denen die Sicherheitskultur möglicherweise weniger stark ausgeprägt ist, um Sicherheitsprobleme besser zu verstehen, anzugehen und zu beseitigen. Die betreffenden Einrichtungen müssen zu den konkreten Bedenken, die hinsichtlich ihrer Maßnahmen zur Förderung der Lernkultur und der Sicherheit bestehen, Stellung beziehen. Diese Informationen werden veröffentlicht.
Verbesserungen beschleunigen: Die neue Strategie sieht vor, dass landesweit und im gesamten Sektor Koalitionen eingerichtet und unterstützt werden, in denen sich ein breites Spektrum an Partnern zusammenfindet, u. a. auch Vertreter*innen der Dienstleistungsnutzer. Ziel ist es, gemeinsam bessere Maßnahmen und Praktiken zu erarbeiten, damit auf nationaler und lokaler Ebene Unterstützungsleistungen leichter zugänglich werden.
Quelle: https://www.cqc.org.uk/get-involved/consultations/world-health-social-care-changing-so-are-we; https://soundcloud.com/carequalitycommission/cqc-strategy-2021-our-public-consultation; https://carequalitycomm.medium.com/changing-how-we-regulate-to-improve-care-for-everyone-7accf34d30c1 https://www.cqc.org.uk/get-involved/consultations/world-health-social-care-changing-so-are-we.
Schlussbetrachtungen
Der Zusammenhang zwischen Regulierung und Risiken ist ein zentrales Thema, denn eine beträchtliche Anzahl von Vorschriften wird formuliert und verabschiedet, um empirisch gemessene oder auch nur subjektiv wahrgenommene Risiken zu entschärfen oder gar nicht erst entstehen zu lassen – zumindest ist das ihr Anspruch. Die risikobasierte Regulierung, deren Ziel darin besteht, die regulatorischen Maßnahmen auf die Besonderheiten jedes einzelnen Risikos zuzuschneiden und sie proportional zu dessen Bedeutung zu gestalten, hat somit das Potenzial, die regulatorischen Systeme in Krisenzeiten effizienter, effektiver, robuster und flexibler zu machen. Zugleich ermöglicht sie auch eine bessere und klarere Kommunikation über die Ziele, Kapazitäten und Ergebnisse dieser Systeme.
Auch wenn der risikobasierte Ansatz sich bisher bei weitem nicht in allen Ländern und Regulierungsbereichen durchgesetzt hat und häufig auch nur halbherzig verfolgt wird, konnten in den letzten Jahren deutliche Fortschritte erzielt werden. Dies geht auf vielfältige Impulse zurück – auf die Entwicklung innovativer Projekte und Programme und die Ausschöpfung des Potenzials neuer Technologien ebenso wie auf Zusammenarbeit und Informationsaustausch oder auch auf die Nutzung von Ergebnissen aus den Verhaltenswissenschaften. Dabei wurden viele wertvolle Erkenntnisse gewonnen, und was die Umsetzung risikobasierter Konzepte betrifft, haben sich insbesondere Fortschritte im Bereich der digitalen Technologien positiv ausgewirkt.
Das für risikobasierte Regulierungsansätze nötige methodische Wissen verbreitet sich, auch wenn Unsicherheiten die zuständigen Stellen in vielen Bereichen noch vor so manche Herausforderung stellen. Ferner stehen heute verschiedene Instrumente, Modelle, Methoden usw. zur Verfügung, die ohne viel Aufwand angepasst und eingesetzt werden können, um technische Auflagen, Verfahren, Prozesse, Kontrollen und Rechtsumsetzungen zielorientierter und risikoangemessener zu gestalten.
Während einige gute Beispiele bereits gezeigt haben, dass auch rechtliche Bedenken bei der Einführung und langfristigen Beibehaltung risikobasierter Ansätze keine unüberwindbaren Hürden darstellen, ergeben sich allerdings nach wie vor größere Schwierigkeiten hinsichtlich der öffentlichen Wahrnehmung und Unterstützung: Risikobasierte Ansätze können aus einer Vielzahl von Gründen schwer nachzuvollziehen und zu akzeptieren sein: Widersprüche zwischen der Risikowahrnehmung und der wissenschaftlichen Risikobeurteilung, eine fehlende Bereitschaft, die Existenz von Risiken zu akzeptieren und auf das Versprechen eines „umfassenden Schutzes“ zu verzichten (auch wenn dieses Versprechen nie tatsächlich eingehalten werden konnte), Schwierigkeiten im Umgang mit Erwartungen, wenn Risiken nur potenziell existieren (und vielleicht folgenlos bleiben) usw. Doch auch wenn sich der Austausch mit der Öffentlichkeit zum Thema risikobasierte Regulierung als schwierig erweist, bedeutet dies nicht, dass man ihn meiden sollte – vielmehr machen gerade diese Schwierigkeiten den Dialog umso notwendiger und dringender (Burgess, Burgess und Leask, 2006[70]), (Chilvers und Burgess, 2008[71]).
Dass einem transparenten Dialog mit der Öffentlichkeit über Risiken (der über eine einfache Risikokommunikation hinausgeht und bei dem man die Öffentlichkeit auch einlädt, Position zu beziehen, und auf ihr Feedback reagiert) eine so große Bedeutung beigemessen wird, hängt mit der generellen und in den letzten Jahren besonders dringend gestellten Frage zusammen, wie es um das Vertrauensverhältnis zwischen Öffentlichkeit und Staat bzw. Gesetzgebung steht (De Benedetto, Lupo und Rangone, 2021[72]). Regulierungskonzepte, die nicht risikobasiert und risikoangemessen sind und stattdessen durch rigide und extrem belastende Anforderungen und Verfahren das Ideal eines „Nullrisikos“ anstreben, scheinen neuen Forschungsarbeiten zufolge eher dazu beizutragen, das Vertrauen der Öffentlichkeit zu reduzieren, als es zu stärken (De Benedetto, 2018[73]), (Blanc, 2021[74]).
Technologische Fortschritte eröffnen wichtige Perspektiven für eine breitere, systematischere, genauere und effektivere Anwendung risikobasierter Grundsätze. Dies gilt insbesondere für stärker integrierte und besser gemanagte Datensysteme sowie moderne Analyseinstrumente (wie z. B. maschinelles Lernen), die sehr viel besser über die entscheidenden Risikofaktoren, ihre relative Bedeutung, das Aufkommen neuer Risiken, zu priorisierende Betriebe usw. Aufschluss geben können.
Angesichts der vielen Aspekte und Faktoren, die bei dieser Thematik eine Rolle spielen, kann dieses Kapitel nur einen ersten Überblick, einen Diskussionsanstoß und vorläufige Ergebnisse bieten. Allerdings ist das Thema so wichtig, dass hoffentlich auch damit schon ein erster Beitrag zur Lösung dieser „Vertrauenskrise“ geleistet wird. Die Kernaussage lautet dabei: Regeln und Regulierungssysteme dienen dazu, ein Vertrauensverhältnis zu schaffen, zu stärken oder (wieder)herzustellen – zumindest wird dies unterstellt und/oder behauptet. Allerdings werden sie ihrer Aufgabe manchmal nicht gerecht und verschlimmern die Situation eher, indem sie Misstrauen aktiv nähren.
Eine risikobasierte Regulierung und Umsetzung von Vorschriften scheint das effizienteste Mittel zu sein, um die goldene Mitte zwischen übermäßiger Strenge und exzessiver Handlungsfreiheit zu finden (Baldwin, 1990[13]). Werden Risiken und Risikoangemessenheit richtig verstanden und definiert, können sie den zuständigen Stellen als Werkzeug dienen, um einen sachgerechten Regulierungsspielraum festzulegen und Rechtsdurchsetzungen zu steuern. Es spricht viel dafür, dass man auf dem besten Weg ist, einem Regulierungssystem Legitimität, Resilienz, Agilität und Wirksamkeit zu verschaffen, wenn man Risikoangemessenheit zu einem seiner Kernelemente macht.
Literaturverzeichnis
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[30] Fischhoff, B., P. Slovic und S. Lichtenstein (1982), „Lay Foibles and Expert Fables in Judgments about Risk“, The American Statistician, Vol. 36/3b, S. 240-255, https://doi.org/10.1080/00031305.1982.10482845.
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[6] Goldstein, B. und R. Carruth (2004), „The Precautionary Principle and/or Risk Assessment in World Trade Organization Decisions: A Possible Role for Risk Perception“, Risk Analysis, Vol. 24/2, S. 491-499, https://doi.org/10.1111/j.0272-4332.2004.00452.x.
[59] Goolsbee, A. und C. Syverson (2020), „Fear, Lockdown, and Diversion: Comparing Drivers of Pandemic Economic Decline 2020“, NBER Working Paper, No. 27432, National Bureau of Economic Research, Cambridge, MA, https://doi.org/10.3386/w27432.
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Anmerkungen
← 1. Insbesondere die Society for Risk Analysis https://www.sra.org/, aber auch verschiedene regionale bzw. fachspezifische Netzwerke, wissenschaftliche Fachzeitschriften usw.
← 2. Unter anderem in grundlegenden Rechtsvorschriften für den EU-Binnenmarkt, beispielsweise in der Industrieemissionsrichtlinie (EU-Richtlinie 75/2010), dem Lebensmittelhygienepaket (EU-Verordnungen 852-853-854/2004) und der damit zusammenhängenden Verordnung über amtliche Kontrollen (EU-Verordnung 625/2017) sowie der jüngsten Marktüberwachungsverordnung (EU-Verordnung 1020/2019), aber auch in wichtigen US-Rechtsvorschriften (Food Safety Modernization Act 2011). Pionierarbeit leistete diesbezüglich vor allem die US-amerikanische Umweltbehörde in den 1980er Jahren, durch die das Thema in den Vordergrund rückte (vgl. https://www.epa.gov/risk/about-risk-assessment#tab-2).
← 3. Vgl. beispielsweise: https://irgc.org/publications/core-concepts-of-risk-governance/.
← 4. Vgl. z. B. die Codex-Alimentarius-Grundsätze, http://www.fao.org/3/a0247e/a0247e04.htm#:~:text=The%20risk%20analysis%20should%20follow,to%20the%20overall%20risk%20analysis und http://www.fao.org/3/Y4800E/y4800e0o.htm, sowie die FAO-Leitlinien unter http://www.fao.org/3/i0096e/i0096e00.htm.
← 5. SPS Art. 5 und Anhang A und B, verfügbar unter: https://www.wto.org/english/tratop_e/sps_e/spsagr_e.htm – TBT Art. 2 und 5, https://www.wto.org/english/docs_e/legal_e/17-tbt_e.htm.
← 6. Verfügbar unter: Empfehlung des Rates zu Regulierungspolitik und Governance | de | OCDE | OECD.
← 7. Vgl. die Zusammenfassung zum Food Safety STL Project unter https://dash.harvard.edu/bitstream/handle/1/34492285/5540821.pdf?sequence=1 sowie die Berichterstattung über das nEmesis-Projekt in Nevada: https://www.nsf.gov/news/news_summ.jsp?cntn_id=137848.
← 8. Konkrete Beispiele finden sich in den zahlreichen Länderprofilen der Kontrollsysteme für die Lebensmittelsicherheit, die von der Generaldirektion SANTE der Europäischen Kommission erstellt wurden. Sie sind verfügbar unter: https://ec.europa.eu/food/audits-analysis/country_profiles/index.cfm.
← 9. Vgl. beispielsweise Health and Safety Executive (HSE) (2016), The effectiveness of HSE’s regulatory approach: The construction example (erstellt von Frontline Consultants für die Health and Safety Executive im Jahr 2013).
← 10. Enforcement Management Model, verfügbar unter: https://www.hse.gov.uk/enforce/emm.pdf.
← 11. Vgl. z. B. Griechenland in Artikel 149 des Gesetzes 4512/2018 zur Reform von Kontrollen und Genehmigungen.
← 12. Vgl. beispielsweise die Regulierungsmaßnahmen, mit denen Kanada auf die Coronakrise reagierte: https://www.fintrac-canafe.gc.ca/COVID19/flexible-measures-eng und https://www.inspection.gc.ca/about-cfia/acts-and-regulations/forward-regulatory-plan/targeted-regulatory-review/eng/1558026225581/1558026225797.
← 13. Vgl. auch die Maßnahmen, die Kanada schon vor der Coronakrise ergriffen hatte, um die Rechtsetzung agiler und reaktionsschneller zu machen: https://www.canada.ca/en/treasury-board-secretariat/news/2018/09/canada-revamps-its-directive-on-regulations---more-agile-transparent-and-responsive-so-businesses-can-thrive.html und https://www.canada.ca/en/health-canada/services/drugs-health-products/public-involvement-consultations/drug-products/enabling-advanced-therepeutic-products-modernizing-regulation-clinical-trials.html.