In diesem Kapitel werden Deutschlands Initiativen zur Bewältigung von Herausforderungen bei der Förderung, Gewinnung und Bindung von KI‑Talenten untersucht. Zu den bemerkenswerten Erfolgen zählen ein positiver KI-Kompetenzzuwachs durch Migration, florierende Technologie-Hubs in Berlin, München und Stuttgart sowie die erfolgreiche Etablierung von 150 weiteren KI-Professuren seit der Veröffentlichung der nationalen KI-Strategie. In diesem Kapitel wird das Potenzial des geänderten Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (FEG) zur Erleichterung der Visaverfahren für Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten erörtert. Außerdem wird das Angebot an KI-bezogenen Studiengängen an deutschen Hochschulen beleuchtet. Zu den Empfehlungen gehören anhaltende Bemühungen zur Vereinfachung der Visumsprozesse für KI-Fachleute, mehr kürzere KI-Kurse und KI-Programme in englischer Sprache sowie obligatorische ethische/menschzentrierte KI-Kurse, um eine verantwortungsvolle KI-Entwicklung zu gewährleisten.
OECD-Bericht zu Künstlicher Intelligenz in Deutschland
2. Köpfe
Abstract
Im Bereich „Köpfe“ der nationalen KI-Strategie Deutschlands wird anerkannt, dass deutsche Unternehmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen bei der Sicherung von KI-Talenten auf einem hart umkämpften globalen Arbeitsmarkt Schwierigkeiten haben. Seit 2018 hat Deutschland mehrere Initiativen gestartet, um Fachkräfte durch Hochschulbildung und Ausbildung anzuziehen und ein attraktives Arbeits- und Forschungsumfeld für Wissenschaftler:innen zu schaffen (Die Bundesregierung, 2020[1]).
Kasten 2.1. Köpfe: Ergebnisse und Empfehlungen
Ergebnisse
In den letzten Jahren haben deutsche Unternehmen internationale Mitarbeiter:innen mit KI‑Kompetenzen angeworben und auch gehalten. Der Wettbewerb um KI-Talente durch ausländische Unternehmen ist jedoch nach wie vor präsent, und komplizierte Visaverfahren erschweren die Rekrutierung von Talenten aus Nicht-EU-Ländern.
Zwischen 2018 und 2023 wurden 150 weitere KI-Professuren eingerichtet, was ein starkes Engagement deutscher Hochschulen und des BMBF zur Förderung akademischer Exzellenz im Bereich der KI signalisiert.
Im Vergleich zu sechs anderen europäischen Ländern (Österreich, Frankreich, Italien, Niederlande, Schweiz und Vereinigtes Königreich) rangiert Deutschland bei den KI‑Studiengängen pro Einwohner:in auf dem vorletzten Platz. Darüber hinaus werden die meisten KI-bezogenen Studiengänge in deutscher Sprache angeboten, was eine Hürde für ausländische Studierende darstellt.
Die KI-Ausbildung an Hochschulen besteht größtenteils aus KI-Vollstudiengängen, während andere Länder zahlreiche kürzere Studiengänge anbieten, in denen ein Zertifikat oder ein Master-Abschluss nach nur einem Jahr erworben werden kann.
Es gibt viele Pflichtkurse zur menschenzentrierten KI, aber keinen Vollstudiengang zu diesem Thema. Allerdings bieten Hochschulen zunehmend KI-Kurse auch außerhalb der Informatik-Fachbereiche an.
Empfehlungen
Fortsetzung der Bemühungen zur Vereinfachung der Visaverfahren und der Einwanderung für KI-Fachkräfte durch das FEG.
Ausweitung des KI-Kursangebots in englischer Sprache und im Bereich ethische/ menschenzentrierte KI über alle Studiengänge und Disziplinen hinweg.
Anwerbung von KI-Talenten
Mit der Förderung von 150 KI-Professuren hat die deutsche KI-Strategie ihr Ziel für 2025 bereits erreicht. Deutsche Technologiezentren wie Berlin und München ziehen KI-Talente an, was zu einem Netto Kompetenzzuwachs durch Migration führt. Offene Stellen im KI-Bereich bleiben jedoch länger unbesetzt als in anderen Bereichen, was auf einen Mangel an KI-Kompetenzen hindeutet.
Deutschlands nationale KI-Strategie legt den Schwerpunkt auf die Anwerbung und Bindung von KI-Talenten
Die nationale KI-Strategie zielte darauf ab, bis 2025 akademische Talente für mindestens 100 zusätzliche KI-Professuren zu gewinnen. Dieses Ziel wurde bereits 2022 erreicht und bis 2023 wurden 150 zusätzliche KI-Professuren durch Maßnahmen des BMBF gefördert: i) die Alexander-von-Humboldt-Professur für KI (18 neue KI-Professuren), ii) die Einrichtung von fünf KI-Kompetenzzentren an Hochschulen (24 neue KI‑Professuren), iii) das Tenure-Track-Programm (85 neue KI-Professuren), iv) Programme der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) (8 zusätzliche KI-Professuren) und v) Kooperationen zwischen außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Hochschulen (15 zusätzliche KI-Professuren) (BMBF, 2022[2]). Die Interessenträger:innen würdigten den Erfolg der Initiative der zusätzlichen 100 Professuren und sprachen sich für deren Fortsetzung aus (Humboldt Foundation, 2023[3]). Der anfängliche Erfolg des Programms beruhte auf der anfänglichen Förderung und eine längerfristige Förderung der deutschen KI‑Kompetenzzentren wird als entscheidend angesehen, um die Initiative aufrechtzuerhalten und die Einstellung weiterer KI-Professor:innen zu ermöglichen.
Darüber hinaus heißen die vom BMBF geförderten „Konrad Zuse Schools for Excellence in AI“ (finanziert durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst, DAAD) internationale KI-Talente auf Master- und Promotionsniveau willkommen. Sie bieten Lehr- und Forschungsprogramme in englischer Sprache an und bringen ein Konsortium von renommierten Wissenschaftler:innen aus Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen mit Interesse an innovativer Lehre sowie Vertreter:innen von Forschungs- und Entwicklungsabteilungen in Wirtschaft und Industrie als Fellows zusammen.
Deutsche Unternehmen konnten in den letzten Jahren international Arbeitskräfte mit KI-Kompetenzen gewinnen und halten. Dies spiegelt sich auch in Deutschlands KI-Kompetenzzuwachs durch Migration wider: Laut LinkedIn-Daten kommen mehr KI-Fachkräfte ins Land, als es verlassen (Abbildung 2.1). Darüber hinaus zählen die deutschen Städte Berlin, München und Stuttgart mit jeweils rund 47.200, 40.300 bzw. 31.000 Ingenieur:innen zu den größten Technologiezentren Europas (Sequoia, 2023[4]).
Die Nachfrage nach KI-Kompetenzen in Deutschland ist in den vergangenen Jahren gestiegen. KI‑bezogene Online-Stellenangebote in Deutschland machten im Jahr 2022 0,4 % aller Stellenausschreibungen aus, ein steigender Trend und über den meisten in der Studie betrachteten EU‑Ländern, aber unter den Vereinigten Staaten (0,8 %), Kanada (0,54 %) und dem Vereinigten Königreich (0,51 %) (Borgonovi et al., 2023[6]) (Abbildung 5.2). Laut Daten von Adzuna, einer Suchmaschine für Stellenanzeigen, ist die Nachfrage nach KI-Kompetenzen bei IT‑Stellenausschreibungen seit 2018 gestiegen und lag 2023 bei 1,5 % (Abbildung 2.2). Dieser Anstieg ist höher als in anderen EU-Ländern wie Frankreich und Italien, aber auch hier niedriger als in Kanada, den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich (in allen genannten Ländern bei über 2 %, in Kanada bei 3 %). Die Daten der gleichen Plattform zeigen, dass IT-Arbeitsplätze, insbesondere solche, die KI‑Kompetenzen erfordern, in Deutschland online länger unbesetzt bleiben als in anderen Sektoren wie Gesundheitswesen, Ingenieurwesen und verarbeitendes Gewerbe (Abbildung A A.4). Nach dreimonatiger Online-Ausschreibung ist der Anteil der IT-Arbeitsplätze in Deutschland, die KI-Kompetenzen erfordern, um fast 20 % höher als zu Beginn des Zeitraums, was auf einen anhaltenden Mangel an Arbeitnehmer:innen mit KI-Kompetenzen zur Besetzung der ausgeschriebenen Stellen in dieser Kategorie hindeutet (Abbildung A A.5). Arbeitgeber:innen berichten auch über einen Mangel an KI-Fachkräften als eines der Haupthindernisse für die Umsetzung von KI-Lösungen (siehe Kapitel 4 und 5).
Die Interessenträger:innen haben darauf hingewiesen, dass langwierige und komplizierte Visumantragsverfahren es für Hochschulen und Forschungszentren schwer gemacht haben, Akademiker:innen aus Nicht-EU-Ländern einzustellen. Sie räumten jedoch auch ein, dass das geänderte Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) (Kasten 2.2) dazu beitragen dürfte, diese Situation zu verbessern.
Kasten 2.2. Fachkräfteeinwanderungsgesetz
Das geänderte FEG, dessen erster Teil im November 2023 in Kraft getreten ist und dessen weitere Teile im März und Juni 2024 in Kraft treten, erweitert die Beschäftigungsmöglichkeiten für ausländische Fachkräfte mit Hochschulabschluss in Deutschland, senkt die Gehaltsschwelle und lockert die Voraussetzungen. So sind beispielsweise Einwander:innen mit einem qualifizierten Berufsabschluss oder einem Hochschulabschluss nicht mehr ausschließlich auf die Bewerbung für eine Tätigkeit beschränkt, die ihrer Ausbildung und Qualifikation entspricht. Das geänderte Gesetz erweitert auch die Liste der anerkannten Berufe und erleichtert die Familienzusammenführung für Familienangehörige von Inhaber:innen einer Blauen Karte EU, die bereits mit ihrer Familie in einem anderen EU‑Mitgliedstaat gelebt haben. IT-Fachkräfte können sich auch ohne formale Qualifikation, sondern nur aufgrund ihrer einschlägigen Berufserfahrung für eine Blaue Karte EU qualifizieren.
Seit März 2024 können Teilnehmer an Qualifizierungsmaßnahmen nach Deutschland einreisen und bis zu drei Jahre bleiben. Qualifizierungsmaßnahmen sind Maßnahmen für Einwander:innen, die eine vollständige Gleichwertigkeit ihrer ausländischen Berufsqualifikationen mit den in Deutschland anerkannten Qualifikationen anstreben. Die Anerkennungspartnerschaft ermöglicht es zudem Personen aus Nicht-EU-Mitgliedsstaaten, nach Deutschland einzureisen, den gesamten Anerkennungsprozess zu durchlaufen und eine Ausbildung zu absolvieren, wobei die zunächst einjährige Aufenthaltserlaubnis auf drei Jahre verlängert werden kann. Seit Juni 2024 sieht das Gesetz auch eine Chancenkarte für die Arbeitssuche vor. Personen mit vollständiger Berufsanerkennung erhalten diese Karte ohne zusätzliche Anforderungen, während andere Personen anerkannte Berufs‑ oder Hochschulabschlüsse nachweisen müssen. Obwohl dies nicht nur für den KI-Bereich gilt, dürfte es aber dank der Anerkennung ausländischer Qualifikationen und der Arbeitsmarktmobilität erhebliche Auswirkungen auf Deutschlands Fähigkeit haben, Talente für das KI-Ökosystem zu gewinnen und zu halten.
Quelle: Anerkennung in Deutschland (2023[8]), “Einwanderung wird erleichtert”, https://www.anerkennung-in-deutschland.de/html/de/aktuelles-neues-fachkraefteeinwanderungsgesetz.php.
KI-Ausbildung an Hochschulen
Deutschland bietet 50 KI-Studiengänge mit einem ausgewogenen Angebot zwischen Bachelor- und Master-Niveau an. Die Einführung kürzerer Studiengänge könnte hilfreich sein. KI-Kurse werden an deutschen Hochschulen zunehmend fachbereichsübergreifend angeboten. Insgesamt ist das deutsche KI-Bildungsangebot für Nicht-deutschsprachige Personen weniger leicht zugänglich.
Deutsche Hochschulen bieten inner- und außerhalb der Informatik-Fachbereiche zunehmend KI-bezogene Kurse an
Im Dezember 2022 boten die deutschen Hochschulen 50 KI-Vollstudiengänge,1 20 Bachelor- und 30 Masterstudiengänge an. In absoluten Zahlen steht Deutschland im Vergleich zu sechs anderen Ländern in Europa (Österreich, Frankreich, Italien, Niederlande, Schweiz und Vereinigtes Königreich) an zweiter Stelle bei den angebotenen KI-Vollstudiengängen. Das Angebot pro Kopf der Bevölkerung ist jedoch vergleichsweise geringer (Abbildung A A.1). Dieser Indikator zeichnet jedoch nur ein unvollständiges Bild, da er nicht die Anzahl der Studierenden berücksichtigt, die in die entsprechenden Studiengänge eingeschrieben sind, für die keine Informationen verfügbar sind. Das Verhältnis zwischen Bachelor- und Masterstudiengängen beim Angebot an KI-Studiengängen ist in Deutschland ausgeglichener als in den Nachbarländern, die KI-Studiengänge eher als Zertifikatskurse (nicht‑deutschsprachige Schweiz) oder als einjährige Masterstudiengänge (Frankreich) anbieten (Abbildung A A.2). Das Angebot kürzerer KI-Kurse, einschließlich KI-Bootcamps oder -Intensivkursen, würde zusammen mit KI-Vollstudiengängen eine flexible und effiziente Möglichkeit für Einzelpersonen bieten, wesentliche KI-Kompetenzen in einem kürzeren Zeitrahmen zu erwerben, und es Fachleuten mit unterschiedlichem Hintergrund ermöglichen, KI schneller in ihr Know-how zu integrieren. Dies würde dazu beitragen, die wachsende Nachfrage nach KI-Spezialist:innen zu befriedigen und sicherzustellen, dass Fachleute KI-Weiterentwicklungen bereichsübergreifend integrieren.
Deutschland setzt im KI-Bereich bereits auf Interdisziplinarität, indem KI-Kurse fächerübergreifend in Lehrpläne aufgenommen werden. Die Zahl der KI-Kurse außerhalb der Informatik-Fachbereiche hat sich zwischen 2017 und 2022 verfünffacht, wobei 109 solcher Kurse über verschiedene Fachbereiche hinweg unterrichtet wurden (Abbildung A A.2). KI-Kurse werden an deutschen Hochschulen zunehmend außerhalb des Fachs Informatik angeboten, insbesondere in den Fächern Philosophie, Wirtschaft, Medizin und Gesundheitswissenschaften, Kommunikations- und Medienwissenschaften und Recht. Viele Kurse stehen auch allen Studierenden unabhängig von ihrer Fachrichtung offen (Abbildung 2.3). KI-Kurse in diesen Disziplinen und im Bildungswesen haben im Laufe der Jahre erheblich zugenommen. Die Anzahl der KI-Kurse in den Politikwissenschaften ging 2022-2023 zwar zurück (Abbildung A A.3), jedoch könnte dies darauf zurückzuführen sein, dass KI-Themen, die in breiter angelegte Kurse oder Studiengänge zum Thema Technologie-Governance integriert sind (z. B. den Masterstudiengang „Politics & Technology“ der Technischen Universität München oder den Masterstudiengang „Data Science for Public Policy“ der Hertie School). Darüber hinaus stehen Kurse in anderen Fachbereichen als der Informatik allen Studierenden offen, wodurch das Thema stärker in den Blickpunkt gerät.
Mehr als zwei Drittel der deutschen KI-Vollstudiengänge werden in deutscher Sprache angeboten, was das Land zu einem attraktiven Ziel für angehende Studierende aus dem deutschsprachigen Raum, aber möglicherweise weniger attraktiv für nicht-deutschsprachige Studierende macht, wodurch die Fähigkeit, international mobile Studierende anzuziehen und einen größeren Pool potenzieller KI-Talente zu erreichen, verringert wird. Kleinere EU-Länder wie Zypern und die Niederlande sowie skandinavische Länder bieten pro Kopf der Bevölkerung mehr KI-Kurse in englischer Sprache als Deutschland an (OECD.AI, 2023[10]).
Die nationale KI-Strategie legt einen wesentlichen Schwerpunkt auf ethische/menschenzentrierte KI. Allerdings ist der Abschluss eines Kurses oder Moduls zu ethischer/menschenzentrierter KI in weniger als einem Drittel der angebotenen Studiengänge obligatorisch. Um die Entwicklung einer vertrauenswürdigen und verantwortungsvollen KI zu gewährleisten, könnten in KI-Bildungsprogrammen Kurse oder Module zur menschenzentrierten KI verlangt werden.
Empfehlungen
Fortsetzung der Bemühungen zur Erleichterung der Visaverfahren und der Einwanderung für KI-Fachkräfte durch das geänderte FEG.
Die Änderung des FEG ist ein positiver Schritt für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands im Wettlauf um Fachkräfte, insbesondere KI-Talente. Es ist wichtig, diese Absichten im Ausland zu kommunizieren, Fachkräfte aktiv zu rekrutieren und interessierte Personen entsprechend zu unterstützen. Dafür gibt es in Deutschland bereits zahlreiche Initiativen. So entstand zum Beispiel „Make it in Germany“ als zentrales Informationsportal für interessierte ausländische Fachkräfte (Die Bundesregierung, 2023[11]). Darüber hinaus bietet das Projekt „ProRecognition“ Anerkennungsberatung vor Ort für Fachkräfte in deutschen Auslandshandelskammern und deutschen Wirtschaftsdelegationen in zehn Ländern (Algerien, Bosnien und Herzegowina / Westbalkan, Brasilien, Kolumbien, Ägypten, Indien, Iran, Italien, Polen und Vietnam) (Anerkennung in Deutschland, 2023[12]). Deutschland könnte dieses erfolgreiche Programm auf andere Länder ausweiten, insbesondere auf Länder mit einer hohen Konzentration von KI-Talenten wie Bulgarien, Chile, Mexiko oder Norwegen (OECD.AI, 2023[13]).
Das geänderte FEG soll die Visumantragsverfahren vereinfachen und beschleunigen und Deutschland für KI-Fachkräfte attraktiver machen. In der Praxis behindert das niedrige Digitalisierungsniveau der zuständigen Behörden jedoch häufig die schnelle Bearbeitung der Anträge. Ein Grund dafür ist der postalische Versand von Papierakten (insbesondere Unterlagen zum Nachweis nichtakademischer Berufsqualifikationen) zwischen Ausländerbehörden (ABHen) in Deutschland und Anträgen und Bewilligungen zwischen ABHen und Auslandsvertretungen (AVen). Laut einer Studie des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) haben nur wenige Behörden ihre Dokumente digitalisiert und in elektronische Akten übertragen (BAMF, 2023[14]). Deutschland muss die Digitalisierung unbedingt vorantreiben, um einen schlanken Prozess zu gewährleisten, der Deutschland als Land der Wahl für globale KI-Talente stärkt.
Ausweitung des KI-Kursangebots in englischer Sprache und im Bereich ethische/menschenzentrierte KI über alle Studiengänge und Disziplinen hinweg.
Erstens sollte Deutschland die Anzahl der in englischer Sprache angebotenen KI-Vollstudiengänge erhöhen, um ihre Attraktivität für international mobile Studierende zu erhöhen. Wie in der ersten Empfehlung dieses Kapitels erörtert, ist die Erleichterung der Visaverfahren und der Einwanderung durch das geänderte FEG von entscheidender Bedeutung, um ausländische KI-Fachkräfte anzuziehen. Zugleich kann Deutschland einen proaktiveren Ansatz verfolgen, indem es sich drum bemüht, bereits ausgebildete internationale Talente anzuziehen, und ausländische Studierende fördert, die an der Absolvierung eines KI-Studiengangs in Deutschland interessiert sind. Um dies zu erreichen, wäre es von entscheidender Bedeutung, die Verfügbarkeit von KI-Ausbildung in englischer Sprache zu verbessern, um Deutschland den Zugang zu einem umfangreicheren Pool internationaler KI-Talente zu ermöglichen.
Zweitens kann die Erweiterung der Verfügbarkeit von Kursen und Vollstudiengängen zur ethischen und menschenzentrierten KI Deutschlands strategisches Engagement bei der Priorisierung menschenzentrierter KI voranbringen. Die Studierenden von heute sind die KI-Entwickler von morgen. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass sie die KI-Ethik nicht einfach als nur als wünschenswert betrachten, sondern grundlegende KI-Prinzipien wie die in der OECD-Empfehlung zu KI von 2019, darunter Fairness, Transparenz, Sicherheit und Rechenschaftspflicht, aktiv in ihre KI-Modelle und KI‑gestützten Produkte und Dienstleistungen integrieren. Die Grundlage dafür könnte durch die Einführung eines verpflichtenden Kurses zur ethischen/menschenzentrierten KI in jedem KI-Studiengang gelegt werden.
Drittens könnte das Angebot an KI-bezogenen Master-Vollstudiengängen erhöht werden, um Fachleuten in verschiedenen Bereichen die weitere Spezialisierung auf KI zu ermöglichen und die Hochschulbildung in anderen Bereichen (z. B. Biologie oder Recht) mit KI-spezifischen Fähigkeiten zu ergänzen. Die Kombination von Fachkompetenz mit dem Verständnis und der Verwaltung von KI wird für die sektorübergreifende Einführung von KI zunehmend von entscheidender Bedeutung sein.
Viertens würde die Einführung von KI-Bootcamps oder -Intensivkursen die Weiterbildung und mögliche Karriereübergänge von Personen mit Master-Abschluss in andere Bereiche erleichtern. Diese Programme könnten auch die Entwicklung interdisziplinärer Kompetenzen erleichtern, indem sie die Lücke zwischen fachspezifischer Kompetenz und KI schließen.
Literatur
[8] Anerkennung in Deutschland (2023), “Einwanderung wird erleichtert”, https://www.anerkennung-in-deutschland.de/html/de/aktuelles-neues-fachkraefteeinwanderungsgesetz.php (accessed on 11 October 2023).
[12] Anerkennung in Deutschland (2023), ProRecognition, https://www.anerkennung-in-deutschland.de/html/de/pro/prorecognition.php (accessed on 8 December 2023).
[14] BAMF (2023), Entwicklung der Fachkräftemigration und Auswirkungen des beschleunigten Fachkräfteverfahrens, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Forschung/Forschungsberichte/fb45-feg.html (accessed on 8 December 2023).
[2] BMBF (2022), “Stark-Watzinger: 100. zusätzliche KI-Professur wurde besetzt”, Bundesministerium für Bildung und Forschung, https://www.bmbf.de/bmbf/shareddocs/pressemitteilungen/de/2022/05/030522-KI-Professoren.html (accessed on 11 October 2023).
[6] Borgonovi, F. et al. (2023), “Emerging trends in AI skill demand across 14 OECD countries”, OECD Artificial Intelligence Papers, No. 2, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/7c691b9a-en.
[11] Die Bundesregierung (2023), Make It In Germany, https://www.make-it-in-germany.com/en/ (accessed on 11 December 2023).
[1] Die Bundesregierung (2020), Strategie Künstliche Intelligenz der Bundesregierung - Fortschreibung 2020, https://www.ki-strategie-deutschland.de/files/downloads/201201_Fortschreibung_KI-Strategie.pdf (accessed on 11 October 2023).
[9] HRK (2023), Statistik - Hochschulen in Zahlen - 2022 [Statistics - Universities in Numbers - 2022], Hochschulrektorenkonferenz, https://www.hrk.de/themen/hochschulsystem/statistik/ (accessed on 11 October 2023).
[3] Humboldt Foundation (2023), Sieben Empfehlungen zur Künstlichen Intelligenz (KI) an die Deutsche Bundesregierung, https://www.humboldt-foundation.de/fileadmin/Bewerben/Programme/Alexander-von-Humboldt-Professur/Positionspapier_zur_Kuenstlichen_Intelligenz_Recommendations_on_AI.pdf (accessed on 2023 October 2023).
[10] OECD.AI (2023), AI Courses in English by Country, OECD, Paris, https://oecd.ai/en/data?selectedArea=ai-education&selectedVisualization=ai-courses-by-country-in-time (accessed on 6 December 2023).
[13] OECD.AI (2023), AI Talent Concentration by Country, OECD, Paris, https://oecd.ai/en/data?selectedArea=ai-jobs-and-skills&selectedVisualization=ai-talent-concentration-by-country (accessed on 8 December 2023).
[5] OECD.AI (2023), Between-country AI Skills Migration [Migration von KI-Fachkräften zwischen Ländern], OECD, Paris, https://oecd.ai/en/data?selectedArea=ai-jobs-and-skills&selectedVisualization=between-country-ai-skills-migration (accessed on 11 October 2023).
[7] OECD.AI (2023), Relative International AI Skill Demand [Relative internationale KI Kompetenznachfrage], OECD, Paris, http://www.oecd.ai (accessed on 5 November 2023).
[4] Sequoia (2023), Atlas - Sequoia’s Guide to Europe’s Technical Talent, https://www.sequoiacap.com/wp-content/uploads/sites/6/2023/06/Sequoia-Atlas-Final.pdf (accessed on 11 October 2023).
Anmerkung
← 1. „KI-Vollstudiengänge“ sind Studiengänge, die in ihrem Titel „Artificial Intelligence“, „AI“, „Machine Learning“ oder „ML“ auf Englisch oder in der jeweiligen Landessprache enthalten.