Dieses Kapitel stützt sich auf die Analyse in den vorangegangenen Kapiteln, um eine Reihe von Empfehlungen zu geben, wie die brandenburgische Landesregierung und die Hochschulen des Landes mit den Rechtsunsicherheiten umgehen können, denen sie ausgesetzt sind. Insbesondere wird eine Reihe von Klassifizierungsinstrumenten vorgestellt, die von den Hochschulen bei der Gestaltung und Entwicklung von Weiterbildungsprogrammen verwendet werden sollten, um sicherzustellen, dass ihre Klassifizierung von Programmen den Beihilfevorschriften der Europäischen Union entspricht. Das Kapitel empfiehlt der Landesregierung die Entwicklung einer Richtlinie, die den Hochschulen helfen soll, das rechtliche Risiko zu minimieren. Darüber hinaus unterbreitet es der Europäischen Kommission Vorschläge, wie die Anwendung des europäischen Rechts auf die Weiterbildung geklärt werden kann.
Wissenschaftliche Weiterbildung und der EU-Rahmen für staatliche Beihilfen
5. Handlungsempfehlungen
Abstract
Einführung
Weiterbildung ist als Kernaufgabe der Hochschulen in Deutschland rechtlich festgeschrieben (siehe für alle deutschen Hochschulen § 2 Abs. 1 S. 1 HRG und für Brandenburg § 25 BbgHG).
Die digitale Transformation der Wirtschaft und die zunehmende Digitalisierung sowie Automatisierung der Arbeitswelt führen dazu, dass sich Berufsbilder und Qualifikationsprofile deutlich verändern (BMAS, 2020[1]). Neue Technologien werden sich auch auf Arbeitsplätze und die hierfür erforderlichen Qualifikationen auswirken. So prognostiziert die OECD, dass sich mehr als 50 % aller Berufe auf dem deutschen Arbeitsmarkt bis 2030 grundlegend verändern werden (Nedelkoska and Quintini, 2018[2]). Vor allem der vermehrte Einsatz von mobilen Robotern, selbstlernenden Computern sowie virtueller Realität führt dazu, dass immer mehr berufliche Tätigkeiten höhere Qualifikationen verlangen würden. Darüber hinaus bedeuten die Alterung der Bevölkerung und die Verbesserung des Gesundheitszustands, dass die Menschen voraussichtlich länger im Erwerbsleben verbleiben werden als in der Vergangenheit, was dazu führt, dass die Bevölkerung die Möglichkeiten zur Weiterbildung stärker nutzen muss. Daher ist die Bereitstellung besserer Weiterbildungsmöglichkeiten für Arbeitnehmer eine wichtige Priorität für alle Regierungen, auch für die deutschen Bundesländer.
Auch auf der Ebene der Europäischen Union (EU) gelten berufliche Weiterbildung und lebenslanges Lernen als strategische politische Ziele, um Wettbewerbsfähigkeit auch während der beschriebenen Transformation zu wahren. Schließlich hat sich auch die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, berufliche Weiterbildung und lebenslanges Lernen stärker zu fördern (BMAS, 2020[1]). Weiterbildung ist auch für das Land Brandenburg von entscheidender Bedeutung, da es sich den Herausforderungen des demografischen und wirtschaftlichen Wandels stellen muss und seine Arbeitskräfte mit höheren Qualifikationen ausstatten muss.
Die OECD empfiehlt, die Hürden für Fort- und Weiterbildung insbesondere für unterrepräsentierte Gruppen abzubauen (OECD, 2021[3]), zum Beispiel durch finanzielle Anreize, Bildungsurlaub und Anerkennung am Arbeitsplatz erworbener Kompetenzen. Darüber hinaus hält sie eine Flexibilisierung des Weiterbildungsangebots für sinnvoll, etwa durch modulare Angebote.
Umso wichtiger ist es, die Finanzierung solcher Weiterbildungsangebote so zu regeln, dass sie mit den EU-Beihilfevorschriften vereinbar ist, denn Weiterbildungsangebote werden auf einem breiten Markt durch öffentliche und private Anbieter zur Verfügung gestellt. Die Anwendung des EU-Beihilfenrechts auf staatlich finanzierte Weiterbildungsangebote ist aber trotz einiger Beschlüsse des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und der Europäischen Kommission (EK) weiterhin in wesentlichen Bereichen unklar. Vor allem die Einstufung von staatlich finanzierter wissenschaftlicher Weiterbildung als wirtschaftlich oder nichtwirtschaftlich vor dem Hintergrund des Unternehmensbegriffs des Art. 107 Abs. 1 AEUV ist durch den EuGH nicht getroffen worden.
Auch der Leitfaden der KMK schafft in vielen Fällen keine Klärung und wird als unvollständig und zu eng betrachtet. So heißt es im Leitfaden:
„Die Einordnung der wissenschaftlichen Fort- und Weiterbildung von Hochschulen als wirtschaftliche Tätigkeit wird differenziert gesehen. Grundsätzlich ist dort, wo Angebote sich in Konkurrenz zu anderen Angeboten, insbesondere von privaten Anbietern befinden, von einem Markt und damit einer wirtschaftlichen Tätigkeit auszugehen. Insbesondere deswegen, weil die Zuordnung der Weiterbildung als gesetzliche Aufgabe der Hochschulen zwar im deutschen, nicht aber im europäischen Recht durchgehend vorgesehen ist, wird den Hochschulen seitens der Wirtschaftsprüfer geraten, die Weiterbildung grundsätzlich als wirtschaftliche Tätigkeit auszuweisen (s.o.).“ (KMK, 2017[4]).
Für den engen Ansatz der KMK spricht, dass auch nach Auffassung der EK allgemein eine Konkurrenz zu privaten Anbietern für eine wirtschaftliche Tätigkeit spricht. Es ist aber nicht nachvollziehbar, warum das Fehlen einer europaweit einheitlichen Eingliederung der Weiterbildung in das staatliche Bildungssystem von entscheidender Bedeutung sein soll. Zudem stellt sich auch die Frage, ob es praxisgerecht ist, dass nach dem Leitfaden eine staatliche Finanzierung des Weiterbildungsangebots von unter 50 % zu einer Qualifikation als wirtschaftlich führt.
Letztlich ist das Fallrecht maßgeblich, wie es sich in der Rechtsprechung und der Verwaltungspraxis der EK entwickelt. Jedes Weiterbildungsangebot ist als Einzelfall anhand der in Kapitel 3 herausgearbeiteten Kriterien von Rechtsprechung und Kommissionspraxis zu prüfen und als wirtschaftlich oder nichtwirtschaftlich einzuordnen. Dabei ist festzuhalten, dass sich diese Kriterien durch neue Beschlüsse stets weiterentwickeln oder verfeinern können. Da die Veröffentlichung neuer Beschlüsse einige Zeit in Anspruch nehmen kann, ist auch nicht auszuschließen, dass es bereits heute einzelne Gerichts- oder EK-Beschlüsse gibt, die den in diesem Bericht getroffenen Aussagen widersprechen.
Die EU-beihilferechtskonforme Umsetzung dieser Aufgabe liegt in den Händen von drei Akteuren: Der EK, den die Weiterbildung anbietenden Hochschulen und in Brandenburg dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur (MWFK). Nur die EU-Organe sind imstande, Rechtssicherheit bei der EU-beihilferechtlichen Einordnung von Weiterbildung im Bereich des EU-Beihilfenrechts zu schaffen. Eine Klarstellung hinsichtlich der Einordnung wissenschaftlicher Weiterbildung erscheint aber zumindest mittelfristig fraglich. Daher sollten öffentliche Hochschulen den aktuellen, sich laufend weiterentwickelnden Stand der Rechtsprechung und der Verwaltungspraxis der EK bei der Einstufung von Weiterbildungsangeboten als beihilfenrechtskonform berücksichtigen.
Dieser Bericht enthält – auf der Grundlage der rechtlichen Analyse – Empfehlungen:
die EK sollte aufgefordert werden, die beihilferechtlichen Vorschriften für die staatliche Finanzierung der Weiterbildung an Hochschulen zu vereinfachen und zu präzisieren;
die Hochschulen sollten ein standardisiertes Verfahren zur Einstufung von Weiterbildung verwenden, das sich an der Rechtsprechung des EuGH und der EK-Verwaltungspraxis orientiert und auch die Preise/Entgelte entsprechend festlegen;
das MWFK sollte eine Richtlinie formulieren, die den Prozess der Einstufung von Weiterbildungsangeboten, die beihilferechtskonforme Ausgestaltung eines Weiterbildungsangebots und die möglichen Ausnahmen und Befreiungen vom Beihilfeverbot beschreibt.
Eine solche Richtlinie wäre nicht notwendig mit der Bereitstellung neuer Finanzierungsmittel verbunden, sondern könnte auf Mittel der Grundfinanzierung abzielen. Diese Richtlinie könnte dann im Rahmen einer (Prä-)Notifizierung bei der EK angemeldet werden. Die Billigung einer Beihilfepraxis durch die EK erscheint als praktisch gangbarer Weg, um größtmögliche Rechtssicherheit für die brandenburgischen Hochschulen zu schaffen.
Die Empfehlungen in diesem Kapitel richten sich daher nicht nur an die EK und die brandenburgischen Hochschulen, sondern vor allem auch an das MWFK und zeigen, wie die Aufgabe der Finanzierung und Durchführung wissenschaftlicher Weiterbildung beihilfenrechtskonform umgesetzt werden kann.
Anregungen gegenüber der Europäischen Kommission (EK)
Eine Möglichkeit auf politischer Ebene Rechtssicherheit zu schaffen besteht darin, bei der EK auf Klarstellungen hinsichtlich der Einordnung wissenschaftlicher Weiterbildung hinzuwirken1. Eine zentrale Empfehlung geht dahin, das EU-Beihilfenrecht im Hinblick auf wissenschaftliche Weiterbildungsangebote öffentlicher Hochschulen zu vereinfachen. Die Anwendung der EU-Beihilferegeln ist mit der herausragenden Bedeutung von Weiterbildung und dem Ziel, im Sinne des lebenslangen Lernens die Weiterbildung zu stärken, nur schwer vereinbar. Angeregt wird daher, die finanziellen Fördermöglichkeiten der Mitgliedstaaten für Weiterbildung einfach und rechtssicher zu gestalten.
Ein praxistauglicher Weg könnte darin bestehen, die wissenschaftliche Weiterbildung im Unionsrahmen für staatliche Beihilfen zur Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation (FuE-Rahmen) als grundsätzlich nichtwirtschaftliche Tätigkeit der Hochschulen zu nennen. Außerdem wäre eine Klarstellung wünschenswert, nach welchen Kriterien wissenschaftliche Weiterbildung als wirtschaftlich oder nichtwirtschaftlich einzustufen ist. Schließlich würden die Hochschulen davon profitieren, dass die derzeitige Überarbeitung der 20%-Klausel, die besagt, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit dann als finanzierbar gilt, wenn sie dieselben Inputs wie die (nichtwirtschaftliche) Haupttätigkeit verbraucht und nicht mehr als 20 % der Gesamttätigkeit ausmacht, zu einer einfacheren Anwendbarkeit führt. Im derzeit bestehenden Entwurf des FuE-Rahmens wird jedoch nur klargestellt, dass der Umfang der wirtschaftlichen Nutzung gemäß Randnummer 20 des FuE-Rahmens für einen Zeitraum von 10 Jahren überwacht wird (EC, 2021[5]).
Standardisierung der Einzelfallprüfung an den Hochschulen
Vor dem Hintergrund
der Rechtsunsicherheiten bei der EU-beihilfenrechtlichen Beurteilung;
der laufenden Revision des FuE-Rahmens;
der anhaltenden Kontroversen um die genauen Kriterien für die Einordnung von Weiterbildungsangeboten;
der Wahrscheinlichkeit, dass sich die Lösung dieser Probleme in die Länge ziehen wird.
eine Zwischenlösung für die durch die Weiterbildung aufgeworfenen rechtlichen Fragen gefunden werden muss. Im Sinne eines Risikomanagements dieser Bericht empfiehlt die folgenden Schritte für die weiterhin erforderliche Einzelprüfung eines Weiterbildungsangebots.
Die Empfehlungen basieren auf der im Bericht (Kapitel 3) zitierten Rechtsprechung und Beurteilungspraxis der EK. Durch die fortlaufende Entwicklung des EU-Beihilferechts können sich diese Maßstäbe ändern. Es ist auch nicht auszuschließen, dass im Einzelfall abweichende, hier nicht zitierte Rechtsprechung und Beurteilungspraxis eine differenzierte Einschätzung erfordert. Jedes Weiterbildungsangebot bleibt daher letztlich als Einzelfall am Maßstab des EU-Beihilferechts zu bewerten; die nachfolgend genannten Maßstäbe können hier nur als Hilfestellung zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Berichtes angesehen werden.
Schritt 1: Prüfung EU-Beihilferecht auf Tatbestandsebene
Das folgende Prüfschema (Abbildung 5.1) soll für die Einordung eines Weiterbildungsangebots eine Orientierung über die zu prüfenden Kriterien auf Tatbestandsebene geben.
Schritt 2: Bei Bejahung des EU-Beihilfetatbestands: Ausnahmen und Rechtfertigungsmöglichkeiten prüfen
Wenn die Prüfung eines konkreten Weiterbildungsangebots ergibt, dass der Tatbestand der Beihilfe nicht erfüllt ist, greift das Beihilfeverbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht. Andernfalls kommt es auf Ausnahmen und Rechtfertigungsmöglichkeiten an, die so weit wie möglich ausgenutzt werden sollten.
De-minimis und DAWI-De-minimis Beihilfen
Eine in der Praxis häufig erprobte Ausnahme vom Beihilfeverbot stellen De-minimis Beihilfen und DAWI-De-minimis Beihilfen dar. Eine De-minimis Beihilfe ist eine Beihilfe, die in einem Zeitraum von drei Jahren einen Gesamtbetrag von EUR 200 000 (bzw. EUR 500 000 bei Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse [DAWI]) an ein Unternehmen (und mit ihm verbundene Unternehmen) nicht überschreitet (EC, 2013[6]). Angesichts dieser niedrigen Schwellenwerte dürften De-minimis-Beihilfen häufig nicht das gesamte Weiterbildungsangebot der jeweiligen Hochschule abdecken. Trotzdem kann diese Art der Beihilfe einen finanziellen Spielraum der Hochschulen begründen.
Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung
Einzelne Weiterbildungsangebote könnten auch unter bestimmte Tatbestände der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) fallen und als solche vom Beihilfeverbot befreit sein. In Betracht kommen in diesem Zusammenhang Ausbildungsbeihilfen (Art. 31 AGVO); Beihilfen zum Ausgleich der Kosten für die Unterstützung benachteiligter Arbeitnehmer (Art. 35 AGVO), Beihilfen für Kultur und die Erhaltung des kulturellen Erbes (Art. 53 AGVO) oder Anlaufbeihilfen (Art. 22 AGVO).
Ausbildungsbeihilfen sind solche Beihilfen, die an Unternehmen zur Schulung des eigenen Personals gewährt werden; ausgenommen sind vom Unternehmen verpflichtend durchzuführende Weiterbildungen (wie Sicherheitsschulungen). Nimmt ein Unternehmen ein Weiterbildungsangebot einer Hochschule wahr, können die Kosten zu 50 % (unter bestimmten zusätzlichen Voraussetzungen auch 70 %) durch eine Beihilfe (z.B. ein vergünstigtes Angebot einer Hochschule) gedeckt werden. Dabei müssen jedoch grundsätzlich die allgemeinen Anforderungen des Kapitel I und Kapitel II der AGVO gewahrt werden (insbesondere Transparenz, Art. 5 AGVO und Anreizeffekt, Art. 6 AGVO).
In Betracht kommt auch eine anteilige Beihilfe für die Ausbildung des für die Unterstützung von benachteiligten Arbeitnehmern benötigten Personals, Art. 35 AGVO, sowie für Weiterbildungsangebote, die die Erhaltung kulturellen Erbes (wie Brauchtum und Handwerk, Art. 53 Abs. 2 lit. c) AGVO, oder Tätigkeiten im Bereich der kulturellen und künstlerischen Bildung, Art. 53 Abs. 2 lit. e) AGVO, wie z.B. eine musikalische Weiterbildung) betreffen. Bei Kulturbeihilfen im Sinne von Art. 53 Abs. 2 lit. e AGVO kann in der Praxis Orientierung anhand der einschlägigen Kommissionsbeschlüsse zu einer spanischen Musikschule gefunden werden, deren Angebot aufgrund von Art. 53 AGVO teilweise beihilfefrei öffentlich finanziert werden durfte.
Eine Anlaufbeihilfe nach Art. 22 AGVO könnte in den Fällen von Interesse sein, in denen das Weiterbildungsangebot von einem neu zu gründenden Unternehmen durchgeführt werden soll. Das Unternehmen darf jedoch nicht durch einen Zusammenschluss gegründet sein. Das Brandenburgische Hochschulgesetz wiederum erlaubt nur die organisatorische Durchführung und Vermarktung durch ein Kooperationsunternehmen; die Hochschule muss aber stets einen beherrschenden Einfluss auf das Unternehmen behalten. Damit handelt es sich bei der Hochschule und dem neu zu gründenden Unternehmen um verbundene Unternehmen (Art. 3 Abs. 3 Anhang I AGVO) und eine Förderung scheidet regelmäßig aus.
Erfüllt ein spezifisches Weiterbildungsangebot die hier vorgenannten Voraussetzungen, sollte das Vorliegen der allgemeinen und spezifischen Anforderungen der AGVO geprüft werden.
FuE-Rahmen und 20 %-Klausel
Vor allem könnte in Zukunft die 20 %-Klausel, die besagt, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit dann als finanzierbar gilt, wenn sie dieselben Inputs wie die (nichtwirtschaftliche) Haupttätigkeit verbraucht und nicht mehr als 20 % der Gesamttätigkeit ausmacht, eine praxisgerechte Ausnahme bieten. Derzeit wird sie seitens der EK überarbeitet, um sie handhabbarer zu machen und rechtliche Unsicherheiten auszuräumen. Mithilfe der 20 %-Klausel können bei nur untergeordneter Bedeutung der wirtschaftlichen Tätigkeiten sämtliche wirtschaftliche Tätigkeiten der Hochschule als nichtwirtschaftliche Tätigkeiten gefasst werden, sofern keine zusätzlichen Inputs erforderlich sind und die 20%-Kapazitätsgrenze nicht überschritten wird (vgl. Ziffer 20 des FuE-Rahmens).
Weiterbildung als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI)
Im Einzelfall kann sich eine Ausnahme vom Beihilfeverbot ergeben, wenn die Beihilfe für Weiterbildungsangebote als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI) ausgestaltet wird. Die Ausgestaltung einer DAWI wurde (u.a) durch den Freistellungsbeschluss der EK für DAWI-Beihilfen (2012/21/EU) vom 20. Dezember 2011 (DAWI-Freistellungsbeschluss) konkretisiert (EC, 2012[7]). Der Beschluss ist anwendbar, wenn die jährliche durchschnittliche Höhe der Ausgleichsleistung von 15 Mio. EUR (vgl. Art. 2 Abs. 1 a) DAWI-Freistellungsbeschluss) nicht überschritten wird.
Betroffen sind staatliche Beihilfen, die – unabhängig von ihrer Art – als Ausgleich gewährt werden, um die defizitäre Erbringung von „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ (EC, 2012[8]) (EC, 2013[9]) durch ein Unternehmen zu kompensieren, das mit der Erbringung dieser Dienstleistungen vom Staat betraut wurde. Das Vorliegen einer DAWI muss anhand konkreter Umstände begründet werden. Dazu gehört, dass die Dienstleistung nicht im eigenen gewerblichen Interesse des erbringenden Unternehmens, sondern im Interesse der Allgemeinheit liegen muss und daher ohne die Betrauung von diesem nicht oder jedenfalls nicht im gleichen Umfang oder nicht zu den gleichen Konditionen erbracht werden würde. Dies kann für Weiterbildungsangebote – mit einer auf den Einzelfall bezogenen und umfassenden Begründung – fallweise angenommen werden.
Während die Festlegung einer Dienstleistung als eine solche von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse durch den Mitgliedsstaat nur einer beschränkten Überprüfung durch die EK unterliegt, ist der Akt der Betrauung bereits in rechtlicher Hinsicht mit Unsicherheit behaftet. Der Betrauungsakt ist ein öffentlicher Hoheitsakt, mit dem einem Unternehmen eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse übertragen wird. Die Übertragung, die regelmäßig durch einen Verwaltungsakt oder einen öffentlich-rechtlichen Vertrag erfolgt, muss entsprechend Art. 4 des DAWI-Freistellungsbeschlusses jedenfalls Ausführungen zu folgenden Elementen enthalten:
Gegenstand und Dauer der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen;
das Unternehmen und ggf. das betreffende Gebiet;
die Art etwaiger dem Unternehmen durch die Bewilligungsbehörde gewährter ausschließlicher oder besonderer Rechte;
Beschreibung des Ausgleichsmechanismus und Parameter für die Berechnung, Überwachung und Änderung der Ausgleichsleistungen;
Maßnahmen zur Vermeidung und Rückforderung von Überkompensationszahlungen.
Insbesondere bedarf die Ermittlung der Nettomehrkosten (und damit zugleich die zulässige Höhe der Beihilfe) einer ausführlichen Beschreibung. Für die Ermittlung müssen sowohl die Berechnungen (Umsätze und Erträge der DAWI, abzüglich der angefallenen Gesamtkosten und einem angemessenen Gewinn auf das eingesetzte Kapital sowie die Ausgleichsleistungen), als auch Ausführungen zur Vermeidung einer Überkompensation dargestellt werden.
Außerdem muss das die DAWI-Beihilfe empfangende Unternehmen auf die aus Art. 5 Abs. 9 DAWI-Freistellungsbeschluss folgenden Anforderungen an eine getrennte Buchführung (für DAWI- und sonstige Dienstleistungen) verpflichtet werden. Darüber hinaus ergeben sich Anforderungen aus dem DAWI-Freistellungsbeschluss vom 20 Dezember 2011, die im Einzelfall zu prüfen sind.
Angesichts dieser umfangreichen Regelungen ergeben sich für die Praxis erhebliche Herausforderungen. Nichtsdestotrotz könnten DAWIs insbesondere in solchen Bereichen prüfenswert sein, die stark vom derzeitigen Strukturwandel betroffen sind, oder auch solchen, in denen die Ausbildung qualifizierter Arbeitskräfte besonders im öffentlichen Interesse liegt. In Betracht kämen hier etwa Weiterbildungsangebote im sozialen, medizinischen und pflegerischen Sektor. Das öffentliche Interesse könnte hier darin bestehen, ausreichend qualifiziertes Personal zu erschwinglichen Entgelten in Brandenburg auszubilden und mittel- sowie langfristig als Arbeitskräfte an das Land zu binden.
Schritt 3: EU-Beihilfenrechtskonforme Preisgestaltung
Mittelbare Beihilfe bei Zusammenarbeit mit Wirtschaftsunternehmen durch EU-beihilfenrechtskonforme Preisgestaltung vermeiden
Bei der Zusammenarbeit mit Wirtschaftsunternehmen im Rahmen der Weiterbildung ist eine EU-beihilfenrechtskonforme Preisgestaltung vorzunehmen, um auch eine mittelbare Beihilfe zugunsten des Industriepartners oder sonstigen Wirtschaftsunternehmens zu vermeiden. Ist die betreffende Kooperation der Hochschule mit einem Wirtschaftsunternehmen als wirtschaftliche Tätigkeit einzustufen, kann durch eine Preiskalkulation der Hochschule zu Vollkosten plus Gewinn oder zu einem Marktpreis, der mindestens die Vollkosten deckt, eine Beihilfe sowohl zugunsten des Wirtschaftsunternehmens als auch zugunsten der Hochschule verhindert werden.
Zum Ansatz von Gemeinkosten zur Kalkulation der Vollkosten
Zu den Gemeinkosten bzw. Overheadkosten zählen insbesondere die Kosten der Verwaltung, der zentralen Einrichtungen und der Räumlichkeiten. In diesem Zusammenhang fallen auch die Abschreibungen der Anlagegüter, die nicht einem konkreten Projekt eindeutig zugeordnet werden können.
Die Verteilung der Gemeinkosten zu den einzelnen Projekten erfolgt mithilfe eines Gemeinkostenzuschlagsatzes. Bei der Ermittlung dieses Gemeinkostenzuschlagsatzes ergeben sich für die Hochschule gewisse Ermessensspielräume hinsichtlich der zu wählenden Bezugsgröße und der Frage, auf welcher Ebene die Gemeinkostenzuschlagsätze gebildet werden. Die Auswertung der Fragebögen ergab, dass der überwiegende Teil der brandenburgischen Hochschulen einen einheitlichen Overheadkostensatz für Forschungsleistungen und Weiterbildung anwendet. Dies sollte durch jede Hochschule überprüft werden, weil die Anwendung eines einheitlichen Kostensatzes zu einer Verteuerung der Weiterbildungsangebote führen dürfte. Grund dafür ist, dass die Angebote in der Regel nur geringe Gemeinkosten erfordern. Beispielsweise entfallen Kosten für Infrastruktur nur mit geringen Anteilen auf die Weiterbildung. Steuerberater Horst Rambau, ein Experte in der Zusammenarbeit mit Hochschulen, wies die OECD darauf hin, dass aus seiner Erfahrung einen Overheadkostensatz in Höhe von 25% als realistisch einzuschätzen ist.
Schritt 4: Dokumentation
Für mögliche beihilfenrechtliche Verwaltungsverfahren müssen hochschulintern alle wesentlichen Entscheidungsschritte und Begründungen umfassend dokumentiert werden. Dies gilt vor allem für die Einstufung von Weiterbildungsangeboten als nichtwirtschaftliche oder wirtschaftliche Tätigkeiten, aber auch für die Preiskalkulation sowie die Inanspruchnahme von Ausnahmen und Rechtfertigungsmöglichkeiten.
Entwicklung einer Richtlinie des Landes Brandenburg
Der Bericht zeigt, dass grundsätzlich das Weiterbildungsangebot der Hochschulen beihilfefrei staatlich finanziert werden oder EU-beihilferechtlich zulässig sein kann. Die Schwierigkeiten ergeben sich daraus, dass die Anwendung des EU-Beihilferechts auf staatlich finanzierte Weiterbildungsangebote in den Einzelheiten in vielerlei Hinsicht unklar ist. Von den EU-Organen hier vollständige Klärung in wenigstens mittlerer Frist zu erwarten, erscheint unrealistisch und die Hochschulen sind hinsichtlich einer rechtssicheren Einordnung ihrer Weiterbildungsangebote überfordert. In dieser Lage könnte das Land Brandenburg mittels einer Richtlinie klarstellen, wann die Hochschulen staatliche Finanzierung nutzen dürfen, um Weiterbildung anzubieten.
Angesichts der vielfältigen Erscheinungsformen wissenschaftlicher Weiterbildung kann der Inhalt einer Richtlinie hier nur skizziert werden. Grundsätzlich kann es sich anbieten, die Richtlinie so zu gestalten, dass erstens die Nutzung staatlicher Finanzierung für nichtwirtschaftliche Weiterbildung freigestellt wird und zweitens erläutert wird, unter welchen Voraussetzungen ausnahmsweise staatliche Finanzierung auch für wirtschaftliche Weiterbildung genutzt werden kann (siehe Kriterien 1 und 2 unten).
Zusätzlich sollte die Richtlinie Vorgaben enthalten, in welchen Fällen Bescheide erstellt werden oder wann die Anzeige durch eine Hochschule ausreicht.
Kriterium 1: Nichtwirtschaftlichkeit der Weiterbildung
Zunächst könnte die Richtlinie klarstellen, dass Weiterbildungsangebote unter Nutzung staatlich finanzierter Infrastruktur und/oder staatlich finanzierten Personals offeriert werden können, wenn das Weiterbildungsangebot den Beihilfetatbestand nicht erfüllt. Das Land Brandenburg könnte auf Grundlage der gutachterlich aufgezeigten Rechtsprechung und Kommissionspraxis dies an der Erfüllung der folgenden zwei Kriterien festmachen:
Das Weiterbildungsangebot ist in das staatliche Hochschulsystem eingebunden (dazu unten);
Studienentgelte decken die Vollkosten des Weiterbildungsangebots zu maximal 49,9%;
Fehlende Konkurrenz.
Grundsätzlich ist auch eine differenziertere Ausgestaltung möglich. Je differenzierter die Ausgestaltung wird, als desto schwieriger wird sich jedoch die Notifizierung erweisen.
Einbettung ins staatliche Hochschulsystem
Die Einbettung in das jeweilige staatliche Bildungssystem ist ein Kriterium, das insbesondere durch die EK verwendet wird. Auch der KMK-Leitfaden bedient sich dieses Kriteriums.
Hierbei maßgeblich sind Formulierungen, dass das zu fördernde Weiterbildungsangebot der Erfüllung eines staatlichen Weiterbildungsauftrags durch staatliche Einrichtungen dient, die staatlicher Anerkennung unterliegen und staatlicher Aufsicht unterstehen. Hinzuweisen ist gegebenenfalls noch darauf, dass staatliche Abschlüsse verliehen werden (zum Beispiel Master-Abschlüsse) und auch bei der Zusammenarbeit mit außerhochschulischen Einrichtungen in Brandenburg die Hochschulen für Inhalte und Prüfungen verantwortlich bleiben (§ 25 Abs. 4 BbgHG).
Es wird folgende Formulierung vorgeschlagen:
„Das zu fördernde Weiterbildungsangebot dient der Erfüllung eines staatlichen Weiterbildungsauftrags durch staatliche Einrichtungen, die staatlicher Anerkennung unterliegen und staatlicher Aufsicht unterstehen.“
Finanzierung
Wie sich aus den Fallbeispielen des KMK-Leitfadens ergibt, stellt ein weiteres wichtiges Kriterium die Finanzierungsstruktur des jeweiligen Weiterbildungsangebots dar. Eine (mindestens) im Wesentlichen staatliche Finanzierung spricht für eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit2 (so zuerst der EuGH in der Sache Wirth), wobei in Ermangelung einer hinreichend klaren Rechtsprechung aber nicht ausgeschlossen ist, dass der wirtschaftliche Charakter auch trotz einer überwiegenden staatlichen Finanzierung gegeben sein kann.
Um eine Beihilfenrelevanz rechtssicher auszuschließen kann daher eine „wesentliche“ staatliche Förderung für das Weiterbildungsangebot festgelegt werden. Weder der EuGH noch die EK geben vor, von welchem staatlichen Finanzierungsanteil an von einer im Wesentlichen staatlichen Finanzierung gesprochen werden kann. In der Literatur zur Weiterbildung wird vertreten, dass eine staatliche Finanzierungsquote von über 50 % der Vollkosten für einen bestimmten Kurs als „wesentlich“ im Sinne der EuGH-Rechtsprechung anzusehen sei (Marwedel, 2014[10])3. Dies deckt sich auch mit dem KMK-Leitfaden.
Es wird daher folgende Formulierung vorgeschlagen:
„Es werden mindestens 50,1 % der zuwendungsfähigen Vollkosten des zu fördernden Weiterbildungsangebots zugewendet.“
Kriterium 2: Ausnahmen vom Beihilfeverbot
Die Richtlinie könnte im zweiten Schritt konkretisieren, unter welchen Voraussetzungen staatliche Finanzierung auch für ein Weiterbildungsangebot genutzt werden kann, dass noch nicht nach den Maßstäben des Kriteriums 1 vom Beihilfeverbot erfasst ist. Auch hier können grundsätzlich alle im Bericht aufgelisteten Ausnahmetatbestände in Anspruch genommen werden. Im Interesse der Einfachheit empfiehlt dieser Bericht auch hier zunächst auf ausgewählte Ausnahmetatbestände zu fokussieren. Als solche erscheinen etwa Ausbildungsbeihilfen, DAWI-Beihilfen, De-Minimis Beihilfen und die Nutzung der 20% Klausel denkbar.
Ausbildungsbeihilfen
Als EU-beihilferechtskonform können in der Richtlinie einschlägige freigestellte Beihilfen nach der AGVO genannt werden. Entsprechend Art. 31 AGVO kann beispielsweise die Zuwendung als freigestellte Ausbildungsbeihilfe gewährt werden. Dies kann in der Richtlinie aufgenommen werden:
„Unter den Voraussetzungen des Art. 31 kann die die Zuwendung als freigestellte Ausbildungsbeihilfe gewährt werden. Von der Förderung ausgeschlossen sind Maßnahmen, die gemäß Artikel 31 Absatz 2 der AGVO den Unternehmen zur Einhaltung verbindlicher Ausbildungsnormen dienen.“
DAWI-Regelung
Weiterbildungsmaßnahmen, die sich nach Kriterium 1 als wirtschaftlich erweisen, dürfen im Einzelfall teilweise staatlich finanziert werden, wenn sie als DAWI einzustufen sind. Zuwendungsfähig sind dann aber nur die durch die Bereitstellung des Weiterbildungsangebots entstehenden Mehrkosten für die Hochschule. Eine DAWI könnte etwa dadurch begründet werden, dass durch das Weiterbildungsangebot die Ausbildungskapazität im Land Brandenburg erhöht werden soll.
Hierzu könnte sich folgende Formulierung in der Richtlinie finden:
„Weiterbildungsmaßnahmen, die nicht nach den vorgenannten Regelungen finanziert werden können, dürfen im Einzelfall teilweise staatlich finanziert werden, wenn die betreffende Hochschule mit der Durchführung der Weiterbildungsmaßnahme als „Dienstleistung von allgemeinen wirtschaftlichen Interesse“( DAWI) betraut ist.
Die Erbringung einer DAWI setzt voraus, dass der Antragsteller mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse schriftlich betraut ist und das Weiterbildungsangebot für diese Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse eingesetzt werden. Beihilfefrei ist dann der Ausgleich defizitärer Kosten der Hochschule, der durch die Bereitstellung des jeweiligen Weiterbildungsangebots erfolgt.“
De-minimis-Verordnung
Zudem sollte die Richtlinie auch eine Formulierung zur Möglichkeit einer Finanzierung nach der De-minimis-VO enthalten.
Hierzu wird folgender Vorschlag gemacht:
„Eine Förderung ohne die genannten Verpflichtungen ist auf Grundlage der De-minimis-VO möglich. Dies setzt voraus, dass die Summe der Zuwendungen in einem Zeitraum von drei Steuerjahren einen Betrag in Höhe von insgesamt 200.000 Euro nicht übersteigt.“
Sonstige Weiterbildungsmaßnahmen: Die 20%-Klausel
Grundsätzlich EU-beihilferechtlich zulässig sind Förderungen von Weiterbildungsmaßnahmen überdies dann, soweit die bestehende Infrastruktur und der Personalkörper nur zu 20% ihrer Verfügbarkeit eingesetzt wird. Daher empfiehlt sich, hierzu in der Richtlinie eine Formulierung zur Klarstellung aufzunehmen. Hierzu folgender Vorschlag in Anlehnung an den Wortlaut der 20 %-Klausel:
„Eine Förderung ohne die genannten Einschränkungen ist entsprechend der Ziffer 20 des FuE-Rahmens möglich, wenn für das als wirtschaftliche Tätigkeit eingeordnete Weiterbildungsangebot dieselben Inputs (wie Material, Ausrüstung, Personal und Anlagekapital) eingesetzt werden, wie für die nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten der Hochschule und wenn die für die betreffende wirtschaftliche Tätigkeit jährlich zugewiesene Kapazität nicht mehr als 20 % der jährlichen Gesamtkapazität der betreffenden Einrichtung bzw. Infrastruktur beträgt.“
Grundsätzlich wäre hier denkbar, in die Richtlinie eine praxistaugliche Konkretisierung dieser abstrakten Regelung aufzunehmen und ein entsprechendes Verständnis der Klausel zum Gegenstand der Notifizierung zu machen.
Pränotifizierung, Notifizierung und Anmeldung der Richtlinie bei der Europäischen Kommission (EK)
Um größtmögliche Rechtssicherheit für eine neu aufzusetzende Richtlinie des Landes Brandenburg zu erreichen, sollte diese Richtlinie bei der EK pränotifiziert, notifiziert oder angemeldet werden.
Aus Art. 108 Abs. 3 AEUV ergibt sich, dass eine Notifizierungspflicht nur für solche Maßnahmen besteht, die sämtliche Tatbestandsmerkmale von Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllen und somit eine grundsätzlich verbotene Beihilfe darstellen (Callies/Ruffert, 2016[11]). Wenn die EK jedoch im Notifizierungsverfahren die Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt, ist die Beihilfe als gerechtfertigt anzusehen.
Angesichts der schwerwiegenden Rechtsfolgen bei Beihilfen, die ohne notwendige Notifizierung durchgeführt werden, kann es im Einzelfall sinnvoll sein, eine beabsichtigte Maßnahme als „Nicht-Beihilfe“ anzumelden. Die Anmeldung erfolgt dabei mit demselben Standardformular wie die Anmeldung als Beihilfe. Das Standardformular sieht ausdrücklich auch die Anmeldung als Nicht-Beihilfe als Option vor (EC, 2004[12]). Eine Anmeldung als Nicht-Beihilfe wird vor allem für solche Maßnahmen in Frage kommen, bei denen der Beihilfecharakter schwierig festzustellen ist, beispielsweise dann, wenn es um umfangreiche ökonomische Betrachtungen im Rahmen einer EU-beihilfenrechtskonformen Preisgestaltung geht. In der Praxis legt die EK häufig nahe, die Anmeldung als Nicht-Beihilfe zurückzunehmen, wenn sie nach vorläufiger Betrachtung in der Maßnahme keine Beihilfe sieht. Dies gibt den betroffenen Unternehmen nur bedingt Rechtssicherheit, sollte aber im Hinblick auf den Vertrauensschutz zumindest vor einer Rückforderung schützen (Bacon, 2017[13]) (EC, 2011[14])4.
Dabei lassen sich grundsätzlich folgende Verfahrensschritte wie in Kasten 5.1 unterscheiden.
Kasten 5.1. Notifizierungsverfahren für die Richtlinie bei der EK
Der Ablauf eines Notifizierungsverfahrens richtet sich nach Art. 108 Abs. 3 AEUV i. V. m. der hierzu erlassenen Verfahrensverordnung (VO 2015/1589 vom 13. Juli 2015, ABl. EU L 248, S. 9, nachfolgend „VVO“) (Council of the European Union, 2015[15]).
Im Rahmen einer sogenannten Pränotifizierung besteht die Möglichkeit das jeweilige Vorhaben und seine beihilfenrechtliche Würdigung aus Sicht des Mitgliedstaates der EK vorzustellen. Dazu wird üblicherweise ein Gespräch am Sitz der EK in Brüssel mit allen Beteiligten durchgeführt.
Bei der Pränotifizierung handelt es sich um einen informellen Verfahrensschritt, der in der Verfahrensverordnung nicht ausdrücklich vorgesehen ist, aber dem üblichen Vorgehen entspricht. In dieser Phase besteht auch die Gelegenheit, Fragen zum Umfang und zur Ausgestaltung des Notifizierungsantrags anzusprechen und erste Fragen der EK zum Projekt zu diskutieren. Grundlage für ein Gespräch mit der EK sollte ein bereits im Wesentlichen ausgearbeiteter Notifizierungsantrag sein, der im Idealfall aufgrund der Erkenntnisse aus dem Gespräch ohne größeren Aufwand nachjustiert werden kann. Daher sollten bereits im Vorfeld des Gesprächs die erforderlichen ökonomischen und juristischen Analysen und der Notifizierungsantrag (bestehend aus Projektdarstellung und Würdigung) im Entwurf erarbeitet werden.
Der bei Bedarf anhand der Erkenntnisse aus dem Pränotifizierungsgespräch überarbeitete und zwischen den Beteiligten abgestimmte endgültige Notifizierungsantrag wird daraufhin durch den Bund über seine Vertretung in Brüssel bei der EK eingereicht. Mit diesem Schritt beginnt die eigentliche Notifizierung.
Hierfür wird durch die EK ein vorläufiges Prüfverfahren (Art. 4 VVO) eingeleitet, indem sie auf Basis der Anmeldung das Vorliegen einer Beihilfe und ggf. die Vereinbarkeit der beabsichtigten Beihilfen mit dem Binnenmarkt (Rechtfertigung) prüft.
Erfahrungsgemäß kommt es im vorläufigen Prüfverfahren zu ein bis zwei Fragerunden der EK (Art. 5 VVO). Hierzu werden Fragenlisten von der EK an die Vertretung der Bundesrepublik bei der EK gesendet, welche diese wiederum über das zuständige Referat auf Bundesebene an die eigentlichen Beteiligten weiterleitet. Die Beantwortung erfolgt in Abstimmung mit dem Bund ebenfalls auf diesem Wege.
Bejaht die EK die Vereinbarkeit, kann sie bereits nach dem vorläufigen Prüfverfahren einen Genehmigungsbeschluss erlassen.
Bestehen ernsthafte Zweifel an der Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt und werden diese Zweifel auch durch die Fragerunden nicht ausgeräumt, kann sie ein förmliches Prüfverfahren (Art. 6 VVO) eröffnen, welches der vertieften Prüfung unter Einbeziehung der Auffassungen Dritter dient.
Die EK veröffentlicht dazu im EU-Amtsblatt den Eröffnungsbeschluss, der auch ihre vorläufige Einschätzung beinhaltet, und fordert andere EU-Mitgliedstaaten sowie Wettbewerber des Beihilfenempfängers auf, zum Verfahren Stellung zu nehmen. Die EK kann ebenfalls weitere Fragen an den Mitgliedstaat richten und diesen zur Vorlage ergänzender Informationen auffordern. Am Ende des förmlichen Prüfverfahrens steht entweder ein – ggf. mit Auflagen versehener – Genehmigungsbeschluss oder ein Beschluss, mit dem die Unvereinbarkeit der geplanten Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt wird.
Die Dauer des Notifizierungsverfahrens ist überschaubar. Grundsätzlich ist mit einer ersten Rückmeldung der EK nach zwei Monaten zu rechnen (vgl. Art. 4 Abs. 5 VVO). Die Höchstdauer der Notifizierungsverfahren soll gemäß Art. 9 Abs. 6 VVO regelmäßig 18 Monate nicht überschreiten. Eine Dauer von sechs Monaten erscheint realistisch.
Quellen: Callies/Ruffert (ed.) (2016[11]), TEU/TFEU, 5. Auflage 2016; Council of the European Union (2015[15]), Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (Text von Bedeutung für den EWR), OJ L 248, 24.9.2015, p. 9.
Quellennachweise
[13] Bacon (2017), European Union Law of State Aid, Oxford University Press.
[1] BMAS (2020), Nationale Weiterbildungsstrategie, https://www.bmas.de/DE/Arbeit/Aus-und- Weiterbildung/Weiterbildung/Nationale-Weiterbildungsstrategie/nationale-weiterbildungsstrategie.html.
[11] Callies/Ruffert (ed.) (2016), TEU/TFEU, 5. Auflage 2016.
[15] Council of the European Union (2015), Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.
[5] EC (2021), Review of the Communication on the Framework for State aid for research and development and innovation, https://ec.europa.eu/competition-policy/public-consultations/2021-rdi_en.
[6] EC (2013), Commission Regulation (EU) No 1407/2013 of 18.12.2013 on the application of Articles 107 and 108 of the Treaty on the Functioning of the European Union to de minimis aid.
[9] EC (2013), Guide to the application of the European Union rules on state aid, public procurement and the internal market to services of general economic interest, and in particular to social services of general interest, of 29.04.2013, SWD(2013) 53 final/2.
[7] EC (2012), Commission Decision of 20 December 2011, 2012/21/EU.
[8] EC (2012), Communication from the Commission — European Union framework for State aid in the form of public service compensation (2011) Text with EEA relevance.
[14] EC (2011), Commission Decision 2011/5/EC, OJ 2011 L7/48.
[12] EC (2004), Commission Regulation (EC) No. 794/2004 of 21 April 2004 implementing Council Regulation (EC) No. 659/1999 laying down detailed rules for the application of Article 93 of the EC Treaty.
[4] KMK (2017), Leitfaden zur Unterscheidung wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Tätigkeit von Hochschulen, https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2017/2017_09_22-Leitfaden-Wirt-.
[10] Marwedel (2014), Rechtsgutachten zu Vorgaben für die Preisgestaltung wder wissenschaftlichen Weiterbildung an der Universität Freiburg unter besonderer Berücksichtigung des europäischen Beihilferechts.
[2] Nedelkoska, L. and G. Quintini (2018), “Automation, skills use and training”, OECD Social, Employment and Migration Working Papers, No. 202, OECD Publishing, Paris, https://dx.doi.org/10.1787/2e2f4eea-en.
[3] OECD (2021), Continuing Education and Training in Germany, Getting Skills Right, OECD Publishing, Paris, https://dx.doi.org/10.1787/1f552468-en.
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Anmerkungen
← 1. Die EK hat nur begrenzten Spielraum in dieser Frage. Die endgültige Klarstellung liegt letztendlich bei den Unionsgerichten.
← 2. EuGH Entscheidung in der Sache Wirth – siehe Kasten 3.1 in Kapitel 3.
← 3. Marwedel, Rechtsgutachten zu Vorgaben für die Preisgestaltung der wissenschaftlichen Weiterbildung an der Universität Freiburg unter besonderer Berücksichtigung des europäischen Beihilferechts, 2014, S. 27.
← 4. Vgl. dazu Bacon, European Union Law of State Aid, 3. Aufl. 2017, 18.132–18.134 mwN; auch Kom. Entscheidung 2011/5 EC, ABl. 2011 L7/48, Rn. 164 f.