Bildung findet immer und überall statt. Die Gesellschaft setzt voll auf das Potenzial von Maschinen und die Grenzen zwischen formalem und informellem Lernen sind aufgehoben.
Dieses Szenario setzt bei den raschen Fortschritten an, die bei künstlicher Intelligenz, virtueller bzw. erweiterter Realität und dem Internet der Dinge erzielt werden. Die durch den Ausbau der digitalen Infrastruktur und riesige Datenmengen angetriebene umfassende Vernetzung hat unser Verständnis von Bildung und Lernen grundlegend verändert. Allgemein verfügbare kostenlose Lernmöglichkeiten läuten das Ende der etablierten Lehrplanstrukturen und des Schulsystems ein.
Die Digitalisierung ermöglicht eine eingehende und praktisch unmittelbare Überprüfung und Zertifizierung von Kenntnissen, Kompetenzen und Einstellungen, wodurch sich die Mittlerrolle vertrauenswürdiger Dritter (z. B. Bildungseinrichtungen, private Anbieter) bei der Zertifizierung erübrigt. Da sich die Grenzen zwischen formalem und informellem Lernen auflösen, werden umfangreiche öffentliche Ressourcen, die bislang für die umfassende schulische Infrastruktur bestimmt waren, frei und können für andere Zwecke bzw. andere Formen von Bildung verwendet werden.
Dieses Szenario entwirft eine Welt, in der alle Lernmöglichkeiten „legitim“ sind. Menschen lernen, indem sie die kollektive Intelligenz nutzen, um reale Probleme zu lösen. Persönliche KI-Assistenten, die mit ihrem Umfeld sowie untereinander vernetzt sind, um ihre Informationssysteme mit Daten füttern und personalisierte Lernmöglichkeiten anbieten zu können, begleiten die Menschen das ganze Leben. Sie setzen bei der Neugier und bei den Bedürfnissen der Menschen an, zeigen Wissens- und Kompetenzlücken auf, fördern Kreativität und Selbstverwirklichung und vernetzen die Lernenden in Zweckgemeinschaften. Der Zugang zu Bildung und die Zusammenarbeit mit anderen werden nicht mehr durch Sprachbarrieren beeinträchtigt, da in Echtzeit automatisch genaue Übersetzungen erstellt werden.
Die Grenzen zwischen Bildung, Arbeit und Freizeit verschwimmen zunehmend. Unternehmen nutzen bei Einstellungsverfahren KI-Anwendungen und die verfügbaren Arbeitskräfte erhalten durch KI-Anwendungen Informationen über und Zugang zu Beschäftigungsmöglichkeiten. Außerdem können sie sich mit solchen Anwendungen parallel zu ihrer Erwerbstätigkeit weiterbilden. Teile der Infrastruktur des alten Schulsystems könnten fortbestehen, dabei allerdings vielfältigere Funktionen erfüllen. Es gibt keine verbindlichen Vorschriften, zumindest nicht in Bezug auf Präsenz und fixe Stundenpläne. Kinder können Lernorte spontan aufsuchen. Dies gilt auch für offene, private, digitale oder Face-to-Face-Lerngemeinschaften.
Durch die Abschaffung der traditionellen Schule werden möglicherweise, ähnlich wie in Szenario 2, alternative „Kinderbetreuungsangebote“ erforderlich. In diesem Szenario können dank Digitalisierung und „intelligenten“ Infrastrukturen sichere öffentliche und private Räume geschaffen werden, die vielfältige Lernerfahrungen ermöglichen. So können auf Überwachungssystemen aufbauende, digital vernetzte interaktive Infrastrukturen, wie z. B. intelligente Spielplätze, die Betreuung von Kindern übernehmen, Lernaktivitäten anbieten und Verhaltensweisen fördern, um bestimmte Ziele zu erreichen (z. B. gesunder Lebensstil).
Es ist schwierig, die Rolle des Staates angesichts der privaten Interessen im Markt und in der Zivilgesellschaft vorherzusehen. Globale digitale Unternehmen könnten – z. B. im Hinblick auf den Betrieb von Lernsystemen und neue Mensch-Maschine-Schnittstellen – eine Schlüsselrolle spielen; es könnte aber auch sein, dass sie mit verschiedenartigen gemeinnützigen Bottom-up-Initiativen koexistieren. Diese Entwicklungen könnten – müssen aber nicht zwangsläufig – in robusten Regulierungsrahmen verankert sein, die z. B. die Transparenz und ethischen Standards von Algorithmen gewährleisten, oder aber im Rahmen von Plattformen, die von lokalen, nationalen oder internationalen Behörden gefördert oder betrieben werden. Die diesbezüglichen Diskussionen werden maßgeblich von den weiteren Entwicklungen im Hinblick auf Dateneigentum, Demokratie und Bürgerbeteiligung abhängen (vgl. Going-Digital-Szenarien der OECD (OECD, 2018[6]).
In dieser Gesellschaft, in der sich immer und überall vielfältige Lernmöglichkeiten bieten und die Menschen zu Prosumenten (professionellen Konsumenten) ihrer eigenen Bildung werden, haben Lehrkräfte im herkömmlichen Sinne ausgedient. Gleichzeitig könnten Kurse, Vorträge und verschiedene Formen der Lernbegleitung, die teils von Menschen gestaltet, teils maschinell entwickelt werden, sowohl off- als auch online gang und gäbe sein.