Es kann schwierig sein, sich eine Zukunft vorzustellen, in der sich die gegenwärtigen Massenschulsysteme grundlegend verändert haben oder völlig abgeschafft wurden. Unsere Schulsysteme sind in der Gesellschaft und ihren Lebens-, Denk- und Sichtweisen verwurzelt. In diesem letzten Kapitel rücken die wichtigsten Elemente sowie mögliche Ergebnisse und Auswirkungen der vier OECD-Szenarien zur Zukunft von Schule und Bildung in den Fokus. Außerdem werden sieben Spannungsfelder beschrieben, die es bei der Nutzung dieser Szenarien zu berücksichtigen gilt. Ziel des Kapitels ist es, entscheidende Herausforderungen aufzuzeigen, bei denen weitere Diskussionen lohnend sein können.
Zurück in die Zukunft
5. Zurück aus der Zukunft: Ergebnisse, Implikationen und Spannungsfelder
Abstract
Einleitung
Die Schulsysteme der OECD-Länder weisen heute eine Vielzahl von Beschäftigten auf und setzen riesige Geldbeträge ein, um die Bildung und Betreuung von Millionen von Schüler*innen zu gewährleisten. Die Institution Schule ist trotz der vielfältigen wirtschaftlichen, technologischen und gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahrzehnte nach wie vor das dominierende Modell, wenn es um die Bildung junger Menschen geht, auch wenn sich die Schulen und Schulsysteme in den einzelnen OECD-Ländern voneinander unterscheiden.
Angesichts der Allgegenwart dieses Modells ist es u. U. schwierig, sich eine Zukunft vorzustellen, in der sich die gegenwärtigen Massenschulsysteme grundlegend verändert haben oder ganz abgeschafft wurden. Unsere Schulsysteme sind in der Gesellschaft und ihren Lebens-, Denk- und Sichtweisen verwurzelt. Die Nutzung der Szenarien erfordert also möglicherweise radikale Denkansätze und Ideen. Die Tatsache, dass es in der Vergangenheit andere Formen der Bildungsorganisation gab, und die zunehmende Komplexität und Unvorhersehbarkeit der Welt, in der wir leben, sprechen jedoch dafür, solche Anstrengungen zu unternehmen. Dabei geht es nicht nur darum, über mögliche künftige Entwicklungen der uns bekannten Systeme nachzudenken. Wir müssen uns auch die Frage stellen, wie wir in allen Lebensbereichen ein lebenslanges Lernen sicherstellen können.
Szenarien können helfen, die wichtigsten Entwicklungsrichtungen und langfristige strategische Optionen für die Bildung aufzuzeigen, indem sie die damit verbundenen Politikfragen in den Fokus rücken. Dieses letzte Kapitel beschäftigt sich mit den wichtigsten Dimensionen und Implikationen der Szenarien und beschreibt Spannungsfelder und Widersprüche, die es bei Reflexionen über die Zukunft der schulischen Bildung zu berücksichtigen gilt. Es soll Leser*innen dazu bringen, sich mit den Aspekten zu befassen, die die größten Herausforderungen darstellen und in denen weitere Diskussionen lohnend sein können.
Kontinuität und Umbruch: Dimensionen und Implikationen der Szenarien
Die Schulen konnten sich zu den uns bekannten umfassenden institutionellen Systemen entwickeln, weil sie mehrere wichtige gesellschaftliche Ziele und Funktionen erfüllen – angefangen vom Lehren und Lernen bis hin zur Kinderbetreuung. Die zentrale Bedeutung, die den Schulen im gesellschaftlichen Alltag zukommt, ist der beste Beleg für den Erfolg dieser Systeme. Dementsprechend schwierig ist es, sich eine Zukunft vorzustellen, in der diese Ziele und Funktionen der Schule auf andere Art und Weise gewährleistet werden.
Die Szenarien in diesem Bericht machen jedoch deutlich, dass Entwicklungen im Bildungsbereich selbst sowie auf staatlicher und gesellschaftlicher Ebene – mit mehr oder weniger großer Wahrscheinlichkeit – andere Strukturen zur Erfüllung gesellschaftlicher Bedürfnisse mit sich bringen könnten. Der Wert, der der schulischen Bildung und den Schulen beigemessen wird, beruht letztlich auf kontinuierlichen subjektiven (moralischen, politischen, instrumentellen und ästhetischen) Bewertungen. Das bedeutet, dass er sich vor dem Hintergrund anderer Rahmenbedingungen auch verändern kann (Meynhardt, 2009[1]).
Wenn man die für das gegenwärtige Bildungssystem charakteristischen Dimensionen erfasst, kann man systematisch untersuchen, wie sie in alternativen Zukunftsentwürfen verändert und kombiniert werden könnten. Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit den Dimensionen Bildungsorganisation und -strukturen, Lehrkräfte und Governance-Prozesse.
Wie sieht die Zukunft von Schule und Bildung aus?
Selwyn (2011[2]) erläutert die unterschiedliche Bedeutung der Begriffe Schule und schulische Bildung. Schule bezeichnet die Institution, in der Schüler*innen lernen und Lehrkräfte unterrichten, während sich schulische Bildung auf die Lern- oder Unterrichtsprozesse in der Schule bezieht. Die Institution Schule steht sowohl für die physischen als auch für die kulturellen Strukturen, die sich aus den verschiedenen Rollen und Regeln ergeben. Hierzu zählen z. B. die Personalhierarchien in der Schule, die Wissenshierarchien im Lehrplan und die zeitliche Organisation in Form des Stundenplans (Selwyn, 2011[2]). Schulische Bildung wiederum umfasst sowohl klar definierte Prozesse, wie Kombinationen verschiedener Lehr- und Lern- sowie Kommunikations- und Entscheidungsprozesse, als auch implizite Prozesse wie Sozialisation, Steuerung und Kontrolle. Stellt man die Kontinuität bzw. Diskontinuität von Schule und Bildung in einer Vierquadrantenmatrix dar, ergeben sich vier Idealtypen (Abbildung 5.1), mit denen die Szenarien analysiert werden können.
Massenschulsystem: Die Massenschule setzt eine Kontinuität auf Ebene der Bildungsstrukturen und auf Ebene der Bildungsprozesse voraus. Im Zukunftsentwurf nimmt die formale Bildungsbeteiligung weiter zu. Das System wird durch Technologie modernisiert, Lernen und Unterricht bleiben jedoch in vergleichsweise homogenen Strukturen und standardisierten Prozessen verankert. Offen bleibt, ob und inwiefern dieses System über die traditionelle schulische Bildung hinausgehen (und beispielweise auch die frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung oder lebenslanges Lernen umfassen) könnte.
Virtuelles Bildungssystem: „Virtuell“ meint hier nicht nur digitales Lernen. Im virtuellen Bildungssystem bleiben die Bildungsprozesse erhalten, gelernt und unterrichtet wird nun aber nicht mehr in der Schule, sondern im Rahmen flexibler Beziehungen, die sich durch eine größere Vielfalt (an Lernmöglichkeiten, -zielen usw.) auszeichnen. Diese Transformation des physischen Raums geht allerdings nicht automatisch mit völlig anderen Lehr- und Lernprozessen einher, wenn auf eine Kombination und Mischung weitgehend standardisierter Komponenten und Module zurückgegriffen wird (Leadbeater, 2006[3]). Diese Entwicklung bringt auch nicht zwangsläufig einen Innovationsschub mit sich. Auch die „kundenindividuelle Massenproduktion“ privater Unternehmen führte, wie Bentley und Miller erläutern, ironischerweise dazu, dass sich die meisten Kund*innen angesichts der unzähligen Auswahlmöglichkeiten auf eine begrenzte Auswahl konzentrierten (Bentley, T. und R. Miller, 2006[4]).
Neuausrichtung des Bildungssystems: Die Schule hat Bestand, die Bildungsprozesse verändern sich jedoch grundlegend. Dabei werden möglicherweise immer noch allgemeine Kernkenntnisse und -kompetenzen vermittelt, aber nicht mehr zwangsläufig im Rahmen einheitlicher Prozesse. Auch die traditionellen Rollen und Beziehungen in der Schule verändern sich, so z. B. die Beziehungen der Lehrkräfte untereinander und zwischen Lehrkräften und Schüler*innen. In einer solchen Zukunft könnten verschiedene Bildungsbereiche, wie Berufsbildung, frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung, formale Hochschulbildung und formales sowie informelles lebenslanges Lernen, fließend ineinander übergehen.
Abkehr vom Bildungssystem: Die Strukturen und Prozesse, auf denen Schule und schulische Bildung beruhen, verändern sich grundlegend. Es wird auf völlig andere Art und Weise gelehrt und gelernt und traditionelle Konzepte wie physische Infrastruktur, Lehrplan und Qualifikationen werden obsolet. Auf institutioneller Ebene wird nicht mehr zwischen verschiedenen Bildungsbereichen (wie Berufsbildung, frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung, formale Hochschulbildung und formales sowie informelles lebenslanges Lernen) differenziert.
Nutzung der Szenarien: Schule und Bildung
Die Szenarien 1 und 2 (vgl. Kapitel 4) extrapolieren bestimmte Elemente des Status quo. Die formale Bildung beruht weiterhin auf einem einheitlichen institutionellen Rahmen – dem Schul- bzw. Bildungssystem, sei es nun virtuell oder nicht – und auf traditionellen Prozessen, wie z. B. einer Fokussierung auf Lehrpläne und einem nationalen bzw. internationalen Benchmarking durch Prüfungen und formale Abschlüsse. In Szenario 2 bleiben die schulischen Strukturen möglicherweise erhalten, es entsteht allerdings eine Kombination aus face-to-face und virtuellen Beziehungen. Das Szenario unterstellt zudem Veränderungen bestimmter Konventionen schulischer Bildung, z. B. eine Neugestaltung der herkömmlichen Stundenpläne und einen Aufbau von Lerneinrichtungen jenseits des hierarchischen Schulsystems.
Szenario 3 sieht ebenfalls eine gewisse institutionelle Diskontinuität vor, da sich die Aktivität dort auf verschiedene virtuelle und physische Räume verteilt, die auf lokaler und/oder internationaler Ebene angesiedelt sein können. Szenario 3 könnte jedoch auch zu einer erweiterten Schule führen, in der neben Unterricht eine Vielzahl von Aktivitäten angeboten wird (wie dies heute häufig bei Hochschulcampussen der Fall ist). Diese Möglichkeit ist auch in Szenario 1 angelegt. Im Gegensatz zu Szenario 1 kommt es in Szenario 3 jedoch zu einer Neuausrichtung der Bildungsprozesse, sodass die traditionellen Kategorien, Bereiche und Stratifizierungsmethoden und das standardisierte Vorgehen in Schulen mehr Raum für Experimente bieten. Dies sorgt für eine strukturelle Vielfalt, die sich u. a. in den Unterrichtsmethoden, den Beziehungen zwischen Lehrkräften und Schüler*innen bzw. zwischen Schulen und der lokalen Bevölkerung sowie in sehr flexiblen Lehrplänen und Gruppierungsstrategien niederschlägt.
Die Szenarien spielen auch die Möglichkeit einer Abkehr vom Bildungssystem durch. In Szenario 2 könnte es dazu kommen, wenn diejenigen, die der traditionellen Schule den Rücken kehren, die virtuellen Bildungsangebote ebenfalls ablehnen, ähnlich wie dies heute bei den Freilerner*innen der Fall ist. Die umfassendste Abkehr vom Bildungssystem sieht Szenario 4 vor. Es unterstellt, dass das Schulsystem vollständig durch moderne Formen der Vernetzung und ein vielfältiges Angebot ersetzt wird.
Wie sieht die Zukunft von Lehrkräften und Unterricht aus?
Die einzelnen Szenarien haben unterschiedliche Auswirkungen auf Lehrkräfte und Unterricht. Die Alternativen reichen von einem eigenständigen Lehrkörper in bürokratischen Schulsystemen über private Auftragnehmer bis hin zu vernetzten Fachkräften in flexiblen Strukturen. Istance und Mackay (2014[5]) schlagen zwei geeignete Dimensionen zur Beschreibung möglicher Entwicklungen bei den Lehrkräften vor: 1. inwieweit die Lehrkräfte in Schulen tätig sind und 2. inwieweit für den Unterricht auf hochqualifizierte Lehrkräfte oder eher auf ein breites Spektrum von Berufsprofilen, Laufbahnen und Fachkenntnissen zurückgegriffen wird. Werden diese Dimensionen in einer Vierquadrantenmatrix dargestellt (Abbildung 5.2), ergeben sich vier Idealtypen:
Lehrkräfte in Schulsystemen mit Bildungsmonopol: Die Unterrichts- und Lernorganisation bleibt in erster Linie in der Schule verankert, in der ein eigenständiger Lehrkörper die Hauptrolle spielt. Um unterrichten zu können, muss eine Lehrbefähigung erworben werden. Das pädagogische Personal in Schulen besteht immer noch zum überwiegenden Teil aus qualifizierten Lehrkräften, es können aber auch andere Personen und Fachkräfte in den Schulbetrieb eingebunden werden.
Spezialisierte Fachkräfte als Netzwerkknoten in Schulen: Die Schulen behalten ihre Funktionen, es kommt jedoch eine Vielzahl von Personen und Fachkräften zum Einsatz, darunter Familienangehörige und nicht in der Lehre tätige pädagogische Fachkräfte (z. B. externe Berater*innen) sowie lokale Expert*innen nicht unterrichts- oder lernbezogener Fachbereiche. Ihre Mitwirkung basiert auf unterschiedlichen Regelungen, die von einem ehrenamtlichen Engagement bis hin zu formalen Verträgen reichen, die punktuell oder langfristig sein können.
Systeme mit zertifizierten, flexiblen Fachkenntnissen: Die Unterrichts- und Lernorte werden liberalisiert. Die Unterrichtstätigkeit unterliegt jedoch einer umfassenden behördlichen Kontrolle und setzt eine formale Qualifikation als Lehrkraft voraus. Dabei kann es allerdings verschiedene Möglichkeiten zum Erwerb einer Lehrbefähigung geben, die mehr oder weniger umfassende Investitionen in die Aus- und Weiterbildung erfordern. Berufliche Qualifikation und behördliche Kontrolle zählen zu den wichtigsten Rechenschaftsmaßnahmen. Sie werden direkt von der öffentlichen Verwaltung bzw. von starken Berufsverbänden umgesetzt, die möglicherweise auch eine umfassende Vernetzung von Lehrkräften – in diesem Fall außerhalb des schulischen Kontexts – fördern, um einer beruflichen Isolation vorzubeugen.
Im freien Markt: Hier wird eine Abkehr vom Bildungssystem und eine Abschaffung des Bildungsmonopols unterstellt. Den Unterricht übernimmt eine Vielzahl von Anbietern und Auftragnehmern. Dies könnte nach dem Laissez-faire-Prinzip ohne formale Qualifikationsauflagen geschehen. Es könnte aber auch in einem Rahmen erfolgen, der vielfältige Unterrichts- und Lernmethoden bzw. ‑mittel ermöglicht, aber weiterhin eine Reihe von Tests und Qualifikationen vorsieht, die für eine Qualitätskontrolle sorgen und im Bildungsmarkt als Maßstab dienen.
Nutzung der Szenarien: Lehrkräfte und Unterricht
Die vier OECD-Szenarien entsprechen nicht genau den oben beschriebenen Idealtypen. Dies ist insofern angemessen, als es diese Optionen in der gegenwärtigen Bildungslandschaft bereits gibt. Der Unterricht an den Schulen wird zwar nach wie vor hauptsächlich von einem eigenständigen Lehrkörper erteilt, es entstehen aber auch immer mehr neue Lernmöglichkeiten. Durch den explosionsartigen Anstieg von Lernmöglichkeiten mit einer Vielzahl von Akteur*innen und Lernorten verlieren die formalen Bildungseinrichtungen ihre Funktion als Gatekeeper des Wissens. In Szenario 1 spiegelt sich dies in engeren Beziehungen mit Anbietern digitaler Lernprogramme außerhalb der Schule wider. Szenario 3 geht einen Schritt weiter und unterstellt eine wesentlich umfassendere und flexiblere Diversifizierung des Unterrichtsangebots, vergleichbar mit dem Konzept der als Netzwerkknoten agierenden Fachkräfte. So gesehen ist Szenario 3 eine Extrapolation von Schulen, die schon jetzt systematisch auf Lernressourcen und Expert*innen in ihrem Umfeld zurückgreifen, indem sie Fachkräfte verschiedenster Bereiche einladen, in der Schule Vorträge zu halten, oder Partnerschaften eingehen, um im Rahmen des Unterrichts andere öffentliche Einrichtungen (z. B. Museen) nutzen zu können.
Szenario 2 ist in Bezug auf diese Dimension offen angelegt. Es sieht (digitale) Lernplattformen vor, bei denen eine Vielzahl von Fachkräften tätig sein könnte, ebenso aber qualifizierte Lehrkräfte unterrichten und bei der Gestaltung der Plattform mitwirken. Sowohl in Szenario 2 als auch in Szenario 4 entstehen Unterrichtsformen, die nicht in professionellen Strukturen verankert sind. Diese Unterrichtsangebote „im freien Markt“ könnten u. a. verschiedene Formen privater Lernbegleitung und informeller Vorträge umfassen, wie es sie auch heute bereits gibt. Szenario 2 sieht allerdings Qualitätssicherungsmechanismen wie Prüfungen vor, die einen Konsens der pädagogischen Fachkräfte im Hinblick auf Gestaltung und Benotung voraussetzen.
Die Auswirkungen digitaler Technologien auf den Unterricht sollten ebenfalls berücksichtigt werden. Selwyn (2011[2]) beschäftigt sich mit dem Thema Bildung und Technologie und fasst die wichtigsten Standpunkte zusammen:
Ein erster Standpunkt trägt der Tatsache Rechnung, dass Technologien zur Verbesserung von Unterricht und Pädagogik beitragen können. Das wachsende Potenzial von Technologien, bürokratische und administrative Aufgaben zu automatisieren, einen besseren Zugang zu einer Vielzahl von Lehrmitteln und -methoden zu gewährleisten und neue Kanäle und Möglichkeiten für (kollaborative) Weiterbildungen zu bieten, könnte dafür sorgen, dass die Lehrkräfte mehr Zeit haben, sich auf die Bedürfnisse der Lernenden zu konzentrieren, und ihnen darüber hinaus die dafür erforderlichen Instrumente und Fachkenntnisse liefern.
Einem zweiten Standpunkt zufolge werden die traditionellen Lehrkräfte durch die zunehmende Digitalisierung und Automatisierung der Bildungsprozesse verdrängt werden. Zwar wird dabei nicht davon ausgegangen, dass Lehrkräfte und Lernbegleitung vollständig ersetzt werden, es wird jedoch unterstellt, dass die Bildungsprogramme dadurch mit wesentlich weniger Personal umgesetzt werden können.
Ein dritter Standpunkt, der zwischen diesen beiden Extremen zu verorten ist, geht davon aus, dass sich die Rolle der Lehrkräfte verändern wird. Demnach ermöglichen Technologien ein stärker selbstgesteuertes Lernen, sodass sich der Fokus der Unterrichtstätigkeit von der Steuerung der Lernerfahrungen auf deren Gestaltung und Förderung verlagert.
Diese drei Möglichkeiten spiegeln sich in den Szenarien wider, könnten sich jedoch auf unterschiedliche Art und Weise entwickeln. Technologien könnten die Lehrkräfte von einigen der über die Unterrichtstätigkeit hinausgehenden Aufgaben befreien, die sie in Szenario 1 zu erfüllen haben, sie könnten aber, insbesondere in Szenario 1, auch zu einer Entprofessionalisierung führen, wenn sich die Rolle der Lehrkräfte im Klassenzimmer dadurch auf bloßes Notfallmanagement beschränkt. In Szenario 3 wird die dritte Möglichkeit sich verändernder Rollen durchgespielt – Rollen, die in Szenario 2 sowohl von öffentlichen Bildungsbeauftragten als auch von privaten Anbietern übernommen werden könnten. Szenario 4 geht einen Schritt weiter und beschreibt eine Zukunft, in der formaler Unterricht nicht länger gefragt ist.
Welche Rolle werden Bildungsbehörden spielen?
Die Bildungsgovernance ist eine weitere wichtige Dimension. Sie umfasst eine Vielzahl von Akteur*innen auf mehreren Einfluss- und Entscheidungsebenen – lokale, regionale, nationale sowie supranationale, private und öffentliche, wobei auch Eltern und anderen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen größeres Gewicht zukommt. Ein Analyserahmen, mit dem sich die Entwicklung der Bildungsgovernance untersuchen lässt (Frankowski et al., 2018[6]), ergibt vier Ansätze, die in Abbildung 5.3 als Matrix dargestellt sind. All diese Ansätze existieren in den OECD-Ländern bereits in irgendeiner Form. In den letzten dreißig Jahren war allerdings ein Trend weg von der traditionellen öffentlichen Verwaltung hin zum sogenannten New Public Management (NPM) zu beobachten, das sich in vielen Systemen wiederum zur Netzwerk-Governance weiterentwickelt hat.
Die traditionelle öffentliche Verwaltung macht die Rolle des Staates in erster Linie an Legalität und Rechtsstaatlichkeit fest. Dabei werden die staatlichen Ziele im Rahmen von politischen Prozessen festgelegt und Maßnahmen beschlossen, um die politischen Entscheidungen in konkrete Aktionen umzumünzen. Diese Maßnahmen werden dann von Angestellten des öffentlichen Diensts ausgeführt und umgesetzt, sodass ein einheitliches staatliches Handeln gewährleistet wird.
Das New Public Management ist auf eine effiziente und effektive Umsetzung der Politik ausgerichtet und integriert Managementkonzepte des Privatsektors in die Governance öffentlicher Dienstleistungen. Es stützt sich auf Instrumente wie Leistungsziele, Deregulierung, Effizienz, Vertragsmanagement und Finanzkontrolle.
Bei der Netzwerk-Governance liegt der Fokus auf Netzwerken und Partnerschaften. Dieser Ansatz ist auf die zunehmende Dezentralisierung und den damit verbundenen geringeren Einfluss zentraler Bildungsbehörden zurückzuführen. Er beruht auf der Einbindung einer Vielzahl von Akteur*innen bei der Entscheidungsfindung und Politikumsetzung sowie auf einem öffentlichen Dienst, der aktiv auf den Aufbau von Bündnissen hinarbeitet, um die „Silos“ aufzubrechen.
Der Ansatz der gesellschaftlichen Resilienz geht davon aus, dass es Aufgabe des Staates ist, zu einem öffentlichen Mehrwert beizutragen. Die Definition und Schaffung dieses Mehrwerts obliegt aber in erster Linie gesellschaftlichen Akteur*innen, die sich von ihren eigenen Präferenzen und Prioritäten leiten lassen. Erreicht werden soll dies durch selbstorganisierte Netzwerke und Genossenschaften.
Nutzung der Szenarien: Bildungsgovernance und die Rolle öffentlicher Behörden
Die im vorangegangenen Kapitel beschriebenen OECD-Szenarien tragen der Tatsache Rechnung, dass bei der Organisation von Bildung weiterhin alle vier Governance-Ansätze genutzt und miteinander verknüpft werden könnten. Standardisierte Governance-Ansätze, wie beim Massenschulsystem in Szenario 1, können ein wirksames Instrument sein, um sicherzustellen, dass alle Zugang zu hochwertiger Bildung haben. In einer dynamischeren Bildungslandschaft, wie jener in Szenario 2, sind dagegen Regulierungsinstanzen erforderlich, um das Recht auf Bildung zu gewährleisten. Ein juristischer Ansatz ist möglicherweise auch unerlässlich, um in Systemen wie in Szenario 3, in denen eine starke zentrale Verwaltung an Einfluss verloren hat, Kinderrechte und Teilhabe zu gewährleisten, oder um bei der in Szenario 4 durchgespielten „Algorithmokratie“ für mehr Transparenz und einen größeren öffentlichen Mehrwert zu sorgen.
Kritiker*innen des New Public Management bemängeln, dass dieser auf marktgestützten Modellen basierende Ansatz keinen massiven Innovationsschub ausgelöst hat und dass die freie Schulwahl und die nachfrageorientierte schulische Planung zu einem Anstieg der Ungleichheiten und Kosten geführt haben. Aus dieser Kritik folgt aber nicht zwangsläufig, dass sich dieser Trend umkehren wird und die Systeme zu einem extrem zentralisierten/kommunitaristischen Ansatz zurückkehren werden (Theisens, 2016[7]). Die freie Schulwahl beispielsweise wird in vielen Fällen als Wert an sich und nicht einfach als Mittel zum Zweck betrachtet. Dies ist vermutlich verstärkt der Fall, wenn Eltern über ein hohes Bildungsniveau verfügen und sich bei der Bildung ihrer Kinder stärker einbringen wie in Szenario 2. Vermehrte öffentliche und private Investitionen in die Entwicklung von Bildungsmessgrößen deuten darauf hin, dass die Messung der Ergebnisse künftig nicht eine kleinere, sondern vielmehr eine größere Rolle spielen wird.
Bildungsakteur*innen werden auch in Zukunft Netzwerke und Partnerschaften nutzen, um Kenntnisse und Fachwissen zu mobilisieren, die es ihnen ermöglichen, gemeinsame Herausforderungen zu erfassen und zu bewältigen. Die Bandbreite möglicher Entwicklungen reicht hier von der Bereitstellung neuer digitaler Instrumente und Bildungsressourcen auf internationaler Ebene im Rahmen eines Massenschulsystems (Szenario 1) bis hin zur Optimierung der Bildungsinfrastruktur und Bereitstellung von Fachkenntnissen in robusten lokalen Ökosystemen (Szenario 3). Solche Netzwerke und Partnerschaften könnten, wie beim Resilienzansatz, zunehmend auf einem direkten Engagement bzw. einer Selbstorganisation der Bevölkerung beruhen. Bündnisse mit anderen Akteuren wie privaten digitalen Dienstleistern oder Gesundheitsdiensten könnten aber ebenfalls stärkere Verbreitung finden, wie dies beim Ansatz der Netzwerk-Governance der Fall ist.
Die Zukunft von Schule und Bildung: Ziele und Spannungsfelder
Komplexität und Verknüpfung der Ziele und Funktionen von Bildung
Die Ziele der Bildung sind mit dem schulischen Alltag verknüpft und werden je nach Kontext unterschiedlich definiert und bewertet. Für viele Eltern, die Beruf und Familie miteinander vereinbaren müssen, ist die Betreuung und Sicherheit der Kinder am wichtigsten, insbesondere bei kleinen Kindern. Für andere sind möglicherweise kürzere Betreuungs- und Unterrichtszeiten gut geeignet, wenn sie dank flexiblerer Arbeitsregelungen oder einem ausreichenden Maß an sozialem bzw. ökonomischem Kapital über Alternativen verfügen. Diese multiplen Gleichgewichte verändern sich laufend, zumal auch die Familie selbst einem Wandel unterliegt: Die Kernfamilie (heterosexuelles Ehepaar mit Kindern) verliert an Bedeutung, während sich die Zahl der Patchworkfamilien und Alleinerziehendenhaushalte erhöht. Außerdem werden die Familien kleiner und die Menschen haben in der Regel, wenn überhaupt, zu einem späteren Zeitpunkt Kinder (OECD, 2016[8]).
Bildung bietet den Menschen auch die Möglichkeit, berufliche und persönliche Kompetenzen zu erwerben und sich zu mündigen Bürger*innen zu entwickeln. Dazu müssen ihnen die kognitiven, sozialen und emotionalen Kompetenzen vermittelt werden, die nötig sind, um in einer sich rasant verändernden Welt, in der immer vielfältigere Laufbahnen eingeschlagen werden, zurechtzukommen. Dies ist eine gewaltige Herausforderung und die Schulen sehen sich mit wachsenden Anforderungen konfrontiert: Zum einen sollen sie allen Schüler*innen umfassendere fachliche Kompetenzen und ein immer größeres Allgemeinwissen vermitteln, und zum anderen wird von ihnen erwartet, dass sie den Schüler*innen das Rüstzeug für eingehende Reflexionen, kritische Analysen und verschiedene kreative Ausdrucksformen mitgeben.
Erschwerend kommt hinzu, dass die in der Schule erworbenen Kenntnisse und Kompetenzen angesichts des exponentiellen Wissenswachstums sowie der vielfältigen und einem raschen Wandel unterliegenden Arbeitsmarkterwartungen schnell zu veralten drohen. In der Vergangenheit kam formalen Abschlüssen, Qualifikationen sowie Bildungs- und Berufsberatungssystemen bei der Validierung der Kenntnisse und Kompetenzen der Lernenden eine Schlüsselrolle zu. Dies ermöglichte der Gesellschaft eine effektive Allokation der Kompetenzen in der Wirtschaft. Nun müssen die Bildungssysteme jedoch zunehmend von einem Modell, bei dem ausschließlich in jungen Jahren Kompetenzen und Kenntnisse erworben werden, zu einem Modell lebenslangen Lernens übergehen, das den Menschen die Möglichkeit gibt, im Lauf ihrer Bildungs- und Berufslaufbahn verschiedene Bildungswege einzuschlagen.
Auch wenn die Erwachsenenbildung im Vergleich zu früher ausgebaut wurde und die Teilnahmequoten gestiegen sind, sind die meisten Länder vom Ziel des lebenslangen Lernens noch weit entfernt. Die Frage, welche Rolle die Schulen spielen müssten, damit dieses Ziel erreicht werden kann, wurde nach wie vor nicht beantwortet, und dies obwohl klar ist, dass sie zumindest in den nächsten 15-20 Jahren, auf die sich der vorliegende Bericht konzentriert, von grundlegender Bedeutung sein werden (Faure et al., 1972[9]).
Das aktuelle Bildungssystem wird Bestand haben, solange es die Menschen als nützlich erachten (für Wissens- und Kompetenzerwerb, persönliche Entwicklung, Förderung einer mündigen Bürgergesellschaft, Kinderbetreuung, Sozialisation und Kompetenzbescheinigung). Ob die institutionalisierte Bildung in einer zunehmend vernetzten und vielfältigen Gesellschaft eine Zukunft hat, wird davon abhängen, ob es ihr gelingt, Brücken zu schlagen und den Bedürfnissen der Menschen und der Gesellschaft weiterhin gerecht zu werden.
Sieben Spannungsfelder
Modernisierung – Umbruch
Eine grundsätzliche Frage besteht darin, ob unsere Vision für die Zukunft der schulischen Bildung eine schrittweise Modernisierung oder einen radikalen Umbruch vorsieht. Wie könnten sich Unterricht und Lernen beispielsweise verändern, wenn Schulen mit modernsten Technologien ausgestattet werden, die körperliche Daten, den Gesichtsausdruck und neuronale Signale erfassen können. Würde die genaue Kenntnis der emotionalen Befindlichkeit der Schüler*innen, die diese Instrumente ermöglichen, einer grundlegenden Veränderung des Unterrichts und einer Neugestaltung des Lernens, der Zusammenarbeit und der Beziehungen zwischen den verschiedenen Akteur*innen (Schüler*innen, Lehrkräfte, Eltern) dienen? Oder würde dieses Wissen vielmehr genutzt werden, um die existierenden Praktiken und traditionellen Evaluierungsmechanismen schrittweise zu modernisieren, was sogar so weit gehen könnte, das Verhalten der Schüler*innen auf bestimmte „Normen“, wie z. B. typische Verhaltensweisen, auszurichten (Knox, J., B. Williamson und S. Bayne, 2019[10])? Technologie wird häufig mit Innovation und Umbruch gleichgesetzt. Im Bildungsbereich gibt es jedoch kaum Beispiele dafür, dass Technologien für einen Umbruch – und nicht für Anpassungen und Modernisierungen – genutzt wurden.
Ein weiteres, mit größeren Herausforderungen verbundenes Beispiel, an dem das Spannungsverhältnis von Modernisierung und Umbruch deutlich wird, ist das lebenslange Lernen. Es besteht seit Langem ein Konsens darüber, dass die Schulpolitik und -praxis in einem umfassenderen Rahmen lebenslangen Lernens verankert werden muss – nicht zuletzt wegen der zunehmenden Alterung der Bevölkerung (Istance, 2015[11]). Dennoch konzentriert sich das formale Bildungsangebot nach wie vor auf die ersten Lebens- und Berufsjahre, in denen die Menschen weniger Erfahrung haben, während das Angebot im späteren Lebensverlauf, wenn Menschen mehr Erfahrungen gesammelt haben, geringer ist. Die Qualität und Angemessenheit des Angebots werden ebenfalls infrage gestellt. Mit dem derzeitigen Ansatz einer schrittweisen Veränderung der bestehenden Strukturen konnte dieses Problem nicht gelöst werden. Dies kann in vielerlei Hinsicht auch nicht erwartet werden, denn es ist schwierig, fest etablierte Systeme zu verändern.
Wie lässt sich also ein angemessenes lebenslanges Lernen gewährleisten? Mit grundlegend anderen Lernansätzen? Indem die Grenzen zwischen Arbeit und „Lernen“ aufgehoben und lückenlose berufliche Weiterbildungsmöglichkeiten geschaffen werden? Mithilfe von beschäftigungs- und arbeitgeberunabhängigen Weiterbildungsperioden, sodass Menschen über den gesamten Lebensverlauf hinweg die Möglichkeit haben, ihre persönlichen und beruflichen Kompetenzen weiterzuentwickeln? Durch eine gerechtere Verteilung von und einen besseren Zugang zu hochwertigen Ressourcen und Lernmöglichkeiten in den ersten Lebensjahren? Durch eine Veränderung der Denkweisen und Gewohnheiten, damit die Menschen ihr ganzes Leben lang sowohl bei der Arbeit als auch in der Freizeit „lernbegierig“ bleiben (Sivan, A. und R. Stebbins, 2011[12]); (OECD, 2019[13])? In den Szenarien werden verschiedene Möglichkeiten durchgespielt, z. B. eine kürzere und intensivere schulische Bildung einerseits und eine erweiterte Erstausbildung andererseits, bzw. flexiblere Bildungswege im Gegensatz zu stark spezialisierten Bildungslaufbahnen.
Dieses für unsere Reflexionen über die Zukunft der Bildung grundlegendste Spannungsverhältnis ist nicht nur bei Spitzentechnologien und lebenslangem Lernen zu beobachten. Auf diese Frage gibt es nicht nur eine richtige Antwort: In manchen Fällen ist eine Modernisierung vorzuziehen, in anderen ist ein Umbruch erforderlich. Dabei ist zu beachten, dass es auch als Umbruch getarnte Modernisierungen geben kann und gibt. Ein Umbruch ist nur mit völlig neuen Denkweisen und Engagement zu erreichen und extrem schwierig zu bewerkstelligen. Es bedarf dazu nicht nur politischer Argumente, um Ressourcen zu mobilisieren und die Voraussetzungen für möglicherweise radikale strukturelle Veränderungen/Politikmaßnahmen zu schaffen, es müssen auch die bestehenden Weltbilder hinterfragt und neue Denkansätze entwickelt werden.
Neue Ziele – alte Strukturen
Es kann sein, dass sich die Ziele und Aufgaben der Bildung im Lauf der Zeit unabhängig von den Bildungsprozessen und -strukturen weiterentwickeln. Einerseits herrscht beispielsweise ein breiter Konsens darüber, dass die Lernerfahrungen auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmt werden müssen, andererseits sind viele der Ansicht, dass Zusammenarbeit und Teamfähigkeit zu den wichtigsten Kompetenzen und Einstellungen zählen (Deming, 2017[14]); (Weidmann, B. und J. Deming, 2020[15]). Im OECD Raum sind nur sehr wenige Schüler*innen in der Lage, Problemlösungsaufgaben zu meistern, die ein gruppendynamisches Bewusstsein, Eigeninitiative zur Überwindung von Hindernissen und die Bewältigung von Meinungsverschiedenheiten und Konflikten erfordern (OECD, 2017[16]). Zwischen Teamfähigkeit und guten schulischen Leistungen besteht kein direkter Zusammenhang: Weder lassen mangelhafte Grundkompetenzen auf soziale und emotionale Kompetenzen schließen noch gehen allgemeine Kompetenzen zwangsläufig mit sozialen Kompetenzen einher.
Sollen andere Zielsetzungen erreicht werden, müssen die Bildungsziele und -methoden aufeinander abgestimmt werden. Zugleich muss berücksichtigt werden, dass es noch weitere grundlegende Spannungslinien gibt, die uns möglicherweise vor noch größere Herausforderungen stellen. Auch dies sei an einem Beispiel veranschaulicht: Schulische Bildung wird oft an egalitären Zielen festgemacht, wie z. B. allen Zugang zu Lernmöglichkeiten zu bieten und ihre Entwicklung zu demokratisch eingestellten Bürger*innen zu fördern. Hierzu zählt auch, dass Bildung für die soziale Mobilität von zentraler Bedeutung ist: Zwar bestehen zwischen den einzelnen gesellschaftlichen Gruppen nach wie vor große Unterschiede im Hinblick auf das Bildungs- und Kompetenzniveau, Schüler*innen aus benachteiligten Verhältnissen profitieren aber in stärkerem Maße von einer Teilnahme an formaler Bildung als Gleichaltrige mit günstigem sozioökonomischem Hintergrund.
Trotz dieser Egalisierungsziele hat die Schule aber auch eine Sortierfunktion. Die Schüler*innen werden beurteilt und nach formalen und informellen Kriterien aufgeteilt. Beispiele hierfür sind Einschreibeverfahren, verschiedene Schultypen, Jahrgangsstufen, Schulklassen und Leistungsgruppen sowie unterschiedliche Bildungswege. Die dadurch geschaffenen sozialen Kategorien prägen die Identität der Schüler*innen, schaffen und verstärken aber auch Ungleichheiten, denn sie haben Auswirkungen auf die Ressourcen und Anreize, die den Schüler*innen geboten werden, und bestimmen ihre eigenen und die an sie gestellten Erwartungen (Domina, T., A. Penner und E. Penner, 2017[17]).
Hinzu kommt, dass der Bildung zwar einerseits ein Egalisierungseffekt zugeschrieben wird, der schulische Rahmen aber andererseits nicht auf alle Schüler*innen denselben Effekt haben kann. Nicht alle Lernenden erleben die Erwartungen im Hinblick auf Kenntnisse und Kompetenzen (Lehrplan) sowie gesellschaftliche Regeln und Rollen in der Schule in gleicher Weise. Für einige decken sich diese Erwartungen mit jenen im Elternhaus und in ihrem Umfeld, andere wiederum erleben die Schule und ihr persönliches Umfeld als zwei völlig unterschiedliche Welten. Dies wirkt sich auf die Einstellung der Lernenden zur Schule und auf ihren schulischen Alltag aus, insbesondere ihre Leistungen, ihren Einsatz und ihr Zugehörigkeitsgefühl in der Schule (OECD, 2018[18]).
Im Hinblick auf die Zukunft von Schule und Bildung stellt sich daher u. a. die Frage, ob die Massenschulsysteme in der Lage sein werden, die Ungleichheiten, zu deren Schaffung sie selbst beitragen, abzubauen; ob sie sicherstellen können, dass sich die in der Schule geschaffenen Trennlinien nicht auf die späteren Ergebnisse auswirken; und ob sich etwaige Alternativen zur schulischen Bildung durchsetzen könnten. Eine andere Frage ist, welcher Stellenwert der Bildung im sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Umfeld zukommt und inwieweit Massenschulsysteme oder andere Bildungsformen gesellschaftlichen Ungleichheiten entgegenwirken können, die weit über das Bildungssystem hinausgehen. Sie können nur bis zu einem gewissen Grad durch Bildung ausgeglichen werden.
Global – lokal
Ausschlaggebend für die Zukunft der Bildung ist auch, inwieweit in Bezug auf die Bildungsziele ein Konsens herrscht und inwieweit diese Ziele als sinnvoll empfunden, anerkannt und wertgeschätzt werden. Große Bedeutung wird in diesem Zusammenhang offenen und partizipatorischen Governance-Mechanismen beigemessen, die darauf abzielen, eine gemeinsame Vision zu fördern und die Eigenverantwortung zu stärken, indem eine Vielzahl von Akteur*innen in die Politikgestaltung eingebunden wird. Da der öffentlichen Wertschöpfung unterschiedliche und zuweilen auch gegensätzliche Standpunkte zugrunde liegen, ergeben sich Spannungsfelder und Widersprüche zwischen den nationalen (oder auch internationalen) und den lokalen Prioritäten. Offenkundig wird dies in mehrerlei Hinsicht, so z. B. bei der Rechenschaftslegung und bei den Verfahren, in denen die Ziele von Schulen festgelegt und ihre Kapazitäten zur Umsetzung dieser Ziele gemessen und evaluiert werden. Wie kann angesichts der immer größeren Anforderungen an Schulen und der damit verbundenen steigenden Kosten eines Scheiterns die Rechenschaftslegung über systemweite Ziele gewährleistet werden, ohne dass die Rechenschaftsmechanismen die Flexibilität auf lokaler Ebene und damit die Qualität der Bildung untergraben, die sie eigentlich fördern sollen (Burns, T. und F. Köster (Hrsg.), 2016[19])?
Hinzu kommt, dass die Schulen in vielen Ländern oft in erster Linie anhand der Schülerleistungen beurteilt werden, obwohl die Sozialisation der Schüler*innen und ihre Entwicklung zu mündigen Bürger*innen ebenfalls wichtige Funktionen der Bildung sind. Viele Länder führen nun Rechenschaftssysteme ein, bei denen die Schulen nicht nur für die Leistungen der Schüler*innen, sondern auch für zahlreiche andere Ergebnisse verantwortlich sind und lokale Akteur*innen selbst Prioritäten setzen und Anforderungen definieren können. Letztere müssen allerdings mit den nationalen Zielen und Erwartungen koexistieren. Daraus ergibt sich ein Spannungsverhältnis zwischen einer reaktiven lokalen Flexibilität und der Gewährleistung nationaler Standards. Wer entscheidet, was gemessen wird und wessen Stimme (das größte) Gewicht zukommt?
Die Rechenschaftslegung ist integraler Bestandteil aller Szenarien, beruht in den einzelnen Szenarien aber auf unterschiedlichen Mechanismen. Diese reichen von einer genauen Überwachung der Leistung und des Bildungsniveaus über eine Rechenschaftslegung durch Nutzerentscheidungen bis hin zur Einbindung lokaler Akteure bei der Entscheidungsfindung als Mittel der Qualitätskontrolle. Selbst Szenario 4, das eine Deinstitutionalisierung unterstellt, wirft Fragen in Bezug auf die Machtverteilung und Rechenschaftslegung auf, die mit bedeutenden ethischen und politischen Implikationen verbunden sind, z. B. im Hinblick auf Datenschutz, Transparenz, Dateneigentum und die Finanzierung der Schulen (Williamson, 2015[20]); (Williamson, 2016[21]).
Ein weiteres Beispiel, an dem das Spannungsverhältnis zwischen nationalen (oder auch internationalen) und lokalen Prioritäten offenkundig wird, sind die Lehrplaninhalte, z. B. für den Fremdsprachenunterricht. In vielen Systemen liegt der Fokus darauf, Kompetenzen für einen sich verändernden Arbeitsmarkt zu vermitteln. Dies führt dazu, dass verstärkt Englisch und andere für die Geschäftswelt und globale Märkte wichtige Fremdsprachen unterrichtet werden. Gleichzeitig gibt es jedoch Bedenken hinsichtlich des Erhalts des lokalen Kulturerbes und die Sorge, dass Sprachen und Kulturen aussterben könnten, wenn junge Menschen vom Land in die Städte ziehen, wo sie die Sprache ihrer Vorfahren nicht mehr benutzen. Wie lassen sich diese unterschiedlichen Anforderungen am besten miteinander vereinbaren? Wie wird sich die globale Reichweite des Internets auf dieses Spannungsverhältnis auswirken? Einerseits erlangen einflussreiche Weltsprachen wie das Englische durch die Verbreitung digitaler Inhalte noch größere Bedeutung, andererseits ermöglicht das Internet aber auch eine stärkere Verbreitung lokaler Inhalte (z. B. über Muttersprachler*innen aussterbender Sprachen) und trägt damit vielleicht zum Schutz des lokalen Kulturerbes bei. Dieses Spannungsverhältnis spiegelt sich in allen vier Szenarien wider, sei es nun auf regionaler und nationaler oder auf supranationaler Ebene.
Innovation – Risikovermeidung
Für ein besseres öffentliches Dienstleistungsangebot braucht man Innovationen und die Fähigkeit, sich an neue Rahmenbedingungen und Herausforderungen anzupassen. Innovationen wiederum erfordern Risikobereitschaft – die Bereitschaft, Neues auszuprobieren und damit möglicherweise zu scheitern. Im Bildungsbereich gibt es heute vermehrt Bemühungen, die systemweite Innovationstätigkeit und die Kreativität von Lehrkräften zu stärken. Dies ist allerdings kein leichtes Unterfangen. Während die Länder vor der Aufgabe stehen, Innovationen im Bildungssystem zu fördern, ist ihr Rechenschaftssystem auf eine Risiko- und Fehlerminimierung ausgerichtet. Dies ist ein wichtiges und schwieriges Spannungsfeld: Risiko und Innovation miteinander zu vereinbaren, stellt eine besonders große Herausforderung dar (Burns, T. und P. Blanchenay, 2016[22]); (Brown, L. und S. Osborne, 2013[23]).
Zu oft bleiben Bildungssysteme einem Paradigma der Risikominimierung verhaftet. Dies ist zwar verständlich, es bremst jedoch die Innovationstätigkeit und den Wandel und blendet darüber hinaus einen grundlegenden Sachverhalt aus: Die Aufrechterhaltung des Status quo kann ebenfalls mit Risiken verbunden sein. Auch die Entscheidung, keinen Wandel anzustoßen oder zuzulassen, hat Folgen. Wie hoch sind die Kosten eines Nichthandelns, aufgrund dessen die Methoden/Strategien/Ansätze nicht verbessert werden? In den meisten Fällen ist dies schlicht und einfach nicht bekannt und wird nicht ermittelt. Dies mag politisch von Vorteil (und der sicherste Weg) sein, die Risiken und Kosten eines Nichthandelns oder Scheiterns werden dadurch allerdings auf diejenigen übertragen, denen das System eigentlich dienen sollte, d. h. auf die Lernenden.
Dass man möglicherweise scheitert, wenn man in einem Bildungssystem Risiken eingeht, muss in Kauf genommen werden. Es lässt sich nicht vermeiden und es wäre unklug, diese Möglichkeit in öffentlichen Debatten zu Politikentscheidungen oder als Reaktion auf eine gescheiterte Initiative zu bagatellisieren. Fehlschläge können und sollten als Lernmöglichkeiten gesehen werden, sowohl auf wissenschaftlicher Ebene (verstehen, was funktioniert und was nicht) als auch auf politischer Ebene (werden daraus keine Lehren gezogen, kann dies zu Ressourcenverschwendung führen) (Burns, T. und P. Blanchenay, 2016[22]); (Blanchenay, P. und T. Burns, 2016[24]).
Der Fortbestand der Massenschule in Szenario 1 könnte als Nichthandeln bzw. als Konservatismus interpretiert werden. Die Risiken einer Fragmentierung und oberflächlicher Innovationen, die in den übrigen Szenarien entstehen könnten, sollten allerdings ebenfalls nicht unterschätzt werden. Ein weiterer Aspekt, der berücksichtigt werden sollte, sind die Auswirkungen der umfassenden Digitalisierung der Bildung sowie des damit einhergehenden konstanten Datenflusses, durch den überprüft werden kann, was funktioniert und was nicht. Inwieweit wären diese Daten in Anbetracht der aktuellen Debatten und Herausforderungen aussagekräftig und nutzbar?
Potenzial – Realität
Alle der in diesem Band präsentierten Szenarien gehen davon aus, dass Technologien in der Schule bzw. Bildung der Zukunft eine Schlüsselrolle spielen werden, wenn auch in unterschiedlichem Maße und in unterschiedlicher Form. Diese Annahme ist durchaus umstritten, nicht zuletzt, weil sich eine produktive Nutzung von Technologien für pädagogische Zwecke bislang stets als unerreichbares Ziel erwiesen hat. Damit sich dies ändert, müssen die Technologien in den komplexen, von Sachzwängen geprägten Kontext integriert werden, in dem die Lehrkräfte und Lernenden agieren.
Mit Technologien verbanden früher viele die Hoffnung auf einen grundlegenden Wandel der Bildung, durch den Unterricht und Lernen in der Schule verbessert werden oder sich die schulische Bildung sogar ganz erübrigt. In den 1920er und 1930er Jahren beispielsweise sahen manche in Rundfunk und Fernsehen die Chance, Bildungsprogramme für die breite Masse anzubieten (Novak, 2012[25]). Seit einiger Zeit werden Computer und Internet als Lösung für viele Schwächen des Bildungssystems angepriesen, insbesondere die damit verbundene Möglichkeit, der langjährigen Kritik am rigiden und standardisierten Unterricht ein abwechslungsreiches und personalisiertes Lernen entgegenzusetzen.
Bislang gibt es jedoch kaum Belege dafür, dass Technologien den Unterricht und das Lernen tatsächlich grundlegend verändern können (Escueta et al., 2017[26]); (Higgins, S., Z. Xiao und M. Katsipataki, 2012[27]). Es hat sich vielmehr gezeigt, dass die Technologien an sich das Lernen trotz ihres Potenzials nicht verbessert haben, unabhängig davon, ob es sich dabei um Spitzentechnologien handelte oder nicht. Dies könnte u. a. darauf zurückzuführen sein, dass die sogenannten EdTech-Programme und -Plattformen in der Regel eher einer Stärkung als einer Neugestaltung existierender pädagogischer Ansätze dienen. Ein weiterer Grund ist, dass Technologien häufig den Vorstellungen von Entwicklern und Märkten entsprechen und losgelöst von bildungspolitischen und pädagogischen Zielen und den Erkenntnissen der Lernforschung entwickelt werden. Wenn Technologien für den Unterricht gefördert werden, ohne pädagogische Gesichtspunkte angemessen zu berücksichtigen, stellt dies eine zusätzliche Herausforderung dar (OECD, 2018[28]). Eine eingeschränkte Nutzung von Technologien ist nicht zwangsläufig auf eine konservative Haltung zurückzuführen. Dafür kann ebenso sehr das fachliche Urteil von Lehrkräften über die Opportunitätskosten der Nutzung – also den Zeitaufwand und die Auswirkungen auf die Lernergebnisse – ausschlaggebend sein.
Die Entwicklung der künstlichen Intelligenz (KI) hat die Hoffnungen auf einen Wandel durch Bildungstechnologien wiederbelebt. Moderne digitale Lernsysteme, die auf zunehmend „intelligenten“ Algorithmen und einem bildungsbezogenen Data-Mining beruhen, haben das Potenzial, allen Lernenden Zugang zu einem schier unbegrenzten Angebot an Unterrichtsansätzen zu bieten und das Lernen zu steuern und zu fördern (Luckin et al., 2016[29]); (Luckin, 2018[30]).
Klammert man dieses Potenzial aus, zeigt sich allerdings, dass der Diskurs über die „Personalisierung“ des Lernens ebenso umstritten ist wie die Frage, ob neue Technologien eine Standardisierung für die Lernenden mit sich bringen könnten. Davon sollten sie die EdTech-Lösungen eigentlich befreien. Die existierenden „personalisierten“ Lerntechnologien reichen von einer bloßen Personalisierung der Lernoberfläche bis hin zu Systemen, bei denen die Lerninhalte auf die Leistungen der Nutzer*innen abgestimmt werden (Bulger, 2016[31]). Letzteres ist an sich nicht von Nachteil. Doch wenn die bessere Kenntnis der Lernerfahrungen lediglich genutzt wird, um Standardverfahren des schrittweisen Wissenserwerbs zu optimieren oder die Rolle von Lehrkräften und damit die Qualität des Bildungsangebots zu schwächen (The Institute for Ethical AI in Education, o. J.[32]), geht davon keine transformative Kraft aus. Es muss vielmehr geklärt werden, was Personalisierung überhaupt bedeutet, inwieweit existierende Formen technologiegestützten Lernens tatsächlich eine Personalisierung ermöglichen und ob sie im Vergleich zu existierenden Ansätzen einer von Lehrkräften gesteuerten Personalisierung des Lernens tatsächlich einen Mehrwert bieten.
Virtuell – face-to-face
Ebenso wie Szenarien weitere Reflexionen über die Lernorte und -zeiten anstoßen, helfen sie uns auch, die Unterrichts- und Lernmodalitäten zu beleuchten. Je mehr Lernmöglichkeiten außerhalb der Schule zur Verfügung stehen, desto wichtiger ist es, sich die Frage zu stellen, welche Funktionen Face-to-Face-Interaktionen und physische Präsenz eigentlich erfüllen.
Effektive Lehrkräfte, ihre Ausbildung und Anpassungsfähigkeit in Bezug auf verwendete Technologien sowie Unterstützungsangebote für Schüler*innen sind von grundlegender Bedeutung für den Unterricht – unabhängig von der gewählten Unterrichtsform. Gute Fernlernsysteme können die Voraussetzungen für ein lernerzentriertes Lernen sowie für Interaktionen zwischen sowie unter Schüler*innen und Lehrkräften schaffen (Ellis-Thompson et al., 2020[33]); (Abrami et al., 2011[34]).
Untersuchungen von digitaler und Face-to-Face-Kommunikation kommen allerdings durchweg zu dem Ergebnis, dass Face-to-Face-Kommunikation in stärkerem Maße zur Festigung und Aufrechterhaltung von Beziehungen beiträgt (Finkenauer et al., 2019[35]). In der Schule wird dies am herzlichen und wohlwollenden Verhältnis zwischen Lehrkräften und Lernenden ebenso deutlich wie in den Beziehungen und der Zusammenarbeit der Schüler*innen untereinander, allesamt Aspekte, die für Unterricht, Lernen und Wohlergehen von grundlegender Bedeutung sind (OECD, 2019[36]). Doch auch die digitale Kommunikation kann einen positiven Effekt auf Beziehungen haben und benachteiligte Gruppen stärken, indem schwache Bindungen gefestigt und marginalisierten und zu Minderheiten zählenden Jugendlichen eine Unterstützung geboten wird, die sie in ihrem unmittelbaren Umfeld u. U. nicht erhalten. Außerdem ist nicht jeder direkte Kontakt zwangsläufig angenehm. Es gibt auch Schüler*innen, die sich im Unterricht überhaupt nicht beteiligen, und Interaktionen zwischen Schüler*innen, die destruktiv sind, wie z. B. Mobbing.
Die Grenzen zwischen Online- und Offline-Kontakten werden zunehmend verschwimmen. Digitale Technologien ersetzen persönliche Freundschaften nicht, sie ergänzen sie vielmehr, zumal Online-Kommunikation zur Festigung von Offline-Freundschaften beiträgt (Mesch, 2019[37]). Beim Übergang zu flexibleren Bildungsformen, wie sie das digitale und hybride Lernen vorsieht, muss das Spannungsverhältnis zwischen Präsenz- und Fernunterricht bzw. zwischen Lernautonomie und -unterstützung sorgfältig ausgelotet werden (OECD, 2018[38]).
Die Schulsysteme zu öffnen, z. B. indem die Schulen in umfassendere Lernökosysteme integriert werden (Szenario 3), könnte helfen, die Ressourcen zu optimieren und den Lernenden mehr situierte und tiefer gehende Lernerfahrungen zu ermöglichen. Dabei muss jedoch auch der traditionellen Funktion der Schule als Ort der Begegnung Rechnung getragen werden. In der Begegnung mit Mitschüler*innen, die ganz anders sind als sie selbst, wird für die Lernenden nicht nur Verschiedenheit erfahrbar, sie erlernen auch soziale Skripte – sei es explizit oder implizit. Die Vertrautheit mit anderen sowie die Akzeptanz und Toleranz anderer zu fördern, ist eine zentrale Aufgabe der Schule und der Bildung. Wie dies in virtuellen Räumen gewährleistet werden könnte, in denen wir von Algorithmen in der Regel nach ähnlichen Vorlieben und Einstellungen gruppiert werden, ist eine Frage, die schwierig zu beantworten ist.
Lernen – Bildung
Dass nicht nur in der Schule und anderen formalen Bildungseinrichtungen gelernt wird, ist längst bekannt. Im familiären Umfeld und in anderen sozialen Beziehungen wird ebenfalls sowohl formal als auch informell gelernt – im Rahmen von Spielen, Sport und ehrenamtlichem Engagement, bei praktischen Aufgaben und sogar in zwanglosen Unterhaltungen. Je mehr Wissen in unterschiedlicher Form und über verschiedene Kanäle zugänglich ist – wie heute z. B. im Internet – desto unrealistischer ist es, Bildungseinrichtungen als alleinige Gatekeeper des Wissens zu betrachten.
Wir leben im Zeitalter des „aufgeklärten Analphabetismus“ (Garcés, 2017[39]), in dem wir zwar alles über die Welt wissen, aber nur wenig daran ändern können. Ein grundlegendes Paradox dieses „aufgeklärten Analphabetismus“ besteht darin, dass wir unseren Vorurteilen umso leichter erliegen, je mehr wir „wissen“, da neue Kenntnisse nur noch der Bestätigung unserer Weltsicht dienen. Es gibt noch ein weiteres Paradox. Je mehr Wissen zur Verfügung steht, desto schwieriger wird es, eine eigene Weltsicht zu entwickeln, was dazu führt, dass unreflektiert vorgefertigte Meinungen übernommen werden.
In einer digitalisierten Informationsgesellschaft ist es von entscheidender Bedeutung zu erkennen, dass sich Meinungen und Wissen nicht durch ihren Wahrheitsgehalt oder ihren Nutzen voneinander unterscheiden. Eine Meinung oder Information kann zutreffend und für die Entscheidungsfindung von Nutzen sein, ganz gleich, ob sich die Person, die sie vertritt bzw. besitzt, über deren Logik und Wahrheitsgehalt im Klaren ist. Wissen dagegen setzt Begründungen und Belege voraus. Um sich Wissen anzueignen, muss man die Gründe, die für eine Aussage sprechen, beleuchten, erkennen und vorbringen können. Dies wird durch den Zugang zu Informationen, fachkundige Erläuterungen und soziale Interaktionen erleichtert.
Unterricht zielt nicht nur darauf ab, das Faktenwissen der Lernenden in verschiedenen Fächern zu vertiefen, wobei im Übrigen auch adaptive Lerntools zum Einsatz kommen können. Es geht dabei auch darum, den Lernenden ein besseres Verständnis von Wissen und Wissenserwerb zu vermitteln (Hofer, B. und P. Pintrich (Hrsg.), 2002[40]) und die für diesen Prozess erforderlichen motivationalen Ressourcen zu mobilisieren. Eine Entkoppelung der Bildungsziele und -methoden kann, wie bereits erörtert, zu Problemen führen. Die Stärke der schulischen Bildung und bestimmter pädagogischer Ansätze (Paniagua, A. und D. Istance, 2018[41]); (Pellegrino, 2017[42]) besteht darin, dass Methoden wie die Analyse, Reflexion und Überprüfung von Ideen internalisiert bzw. zur Routine werden und zugleich eine fachliche und fächerübergreifende Wissensgrundlage vermittelt wird, in der diese Methoden verankert und angewandt werden können.
Wird diese Rolle von Unterricht und Pädagogik anerkannt, hat der Unterricht für den Erfolg der schulischen Bildung eine noch grundlegendere Bedeutung, zumal zunehmend höhere Qualitätsanforderungen gestellt werden. Dies bedeutet mehr nachfrageorientierte und weniger angebotsorientierte Ansätze, mehr aktives und weniger passives Lernen sowie Wissensaufbau statt bloßer Wissensvermittlung. Was Profil, Rolle, Status und Anerkennung der Lehrkräfte anbelangt, gibt es zwischen den einzelnen Szenarien beträchtliche Unterschiede. Einige Szenarien unterstellen Veränderungen, die bei Lehrkräften und in der Bevölkerung für Unbehagen sorgen könnten. Welche Auswirkungen hätte es, wenn bei der Bildung eine große Zahl von Nichtlehrkräften zum Einsatz käme wie in Szenario 3? Und warum ist dies noch nicht der Fall, wenn es als sinnvoll erachtet wird? Inwieweit würde ein Verzicht auf menschliche Lernbegleitung (eine Möglichkeit, die in den Szenarien 2 und 4, aber auch in Szenario 1 angelegt ist) einer Ausgrenzung Vorschub leisten? Wenn die Bildungspolitik und -planung die Funktionen der Bildung und den wertvollen Beitrag der Lehrkräfte nicht hinreichend berücksichtigt, könnte sich das Narrativ vom Verschwinden der Lehrkräfte als selbsterfüllende Prophezeiung erweisen.
Schlussbemerkung
Nicht immer sind die verschiedenen Aspekte der Bildung und die Bildungsziele aufeinander abgestimmt oder stehen in einer positiven Wechselbeziehung zueinander. Im Gegenteil. Ebenso wenig, wie es eine einzige Bildungszukunft gibt, gibt es einen einzigen Weg, der dorthin führt. Es liegt also an den einzelnen OECD-Ländern und den Gemeinden, die künftige Entwicklung ihrer Schulen und Bildungssysteme abzustecken. Als Vorbereitung auf die zunehmend ungewisse Zukunft müssen sich die Länder allerdings mit einer Reihe von Fragen und Spannungsfeldern befassen. Einige davon betreffen seit Langem bestehende Aspekte, die noch nicht hinreichend beleuchtet wurden, wie z. B. die Funktion und der Stellenwert der Massenschulsysteme. Andere betreffen neue Entwicklungen, deren Folgen noch nicht absehbar sind. Hierzu zählt beispielsweise auch die Frage, welche Rolle die künstliche Intelligenz bei der Umsetzung – oder Gestaltung – der Bildungszukunft spielen wird. Der vorliegende Bericht und insbesondere die in Kapitel 4 präsentierten Szenarien bieten Politikverantwortlichen und betroffenen Akteur*innen die Möglichkeit, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen.
Viele der in diesem Bericht beschriebenen Spannungslinien zeigen, dass Bildungsressourcen und -investitionen nötig sind – in Form von direkter Finanzierung, Fachkompetenz, technischer Infrastruktur und Ausstattung sowie einem Engagement der Eltern und der lokalen Bevölkerung. Welche Ergebnisse erzielt werden, hängt u. a. davon ab, wie viel Ressourcen zur Verfügung stehen, aber auch davon, wie die Ressourcen kombiniert, genutzt und verwaltet werden. Bis zu einem gewissen Grad gehen alle Szenarien von einer Diversifizierung der Ressourcen aus. In diesem Zusammenhang stellen sich mehrere wichtige Fragen wie z. B.: Ist die Gesellschaft bereit, so viel in Schulen zu investieren, dass sie ihren Auftrag tatsächlich erfüllen können? Könnten die Ressourcen von Schulen stärker mit Ressourcen anderer Einrichtungen gebündelt und optimiert werden? Könnten sich Lehrkräfte, Schulen und die Bildungspolitik in stärkerem Maße sowohl mit formalem als auch informellem Lernen befassen?
Alle Länder müssen sich auf die Zukunft vorbereiten. Dabei müssen sie nicht nur wahrscheinliche Veränderungen, sondern auch unerwartete Entwicklungen in Betracht ziehen und überlegen, in welcher Hinsicht sich die Zukunft grundlegend von der Gegenwart unterscheiden könnte. Die Befunde müssen ergänzt werden, indem auch Entwicklungen systematisch berücksichtigt werden, zu denen noch keine Daten vorliegen, wie z. B. der weltweite wirtschaftliche und gesellschaftliche Wandel, der durch die Digitalisierung angestoßen wurde. Zudem gilt es, über die eigenen Fachbereiche und Silos hinauszugehen und sich mit Themen auseinanderzusetzen, die möglicherweise nebensächlich anmuten, tatsächlich aber schwerwiegende Folgen haben könnten. Wenn wir systematisch verschiedene plausible Zukunftsszenarien betrachten und die damit verbundenen Chancen und Herausforderungen im Bildungsbereich benennen, können wir diese Überlegungen nutzen, um bessere Entscheidungen zu treffen und bereits jetzt geeignete Maßnahmen zu ergreifen.
Die Welt ist ständig im Wandel. Eine zukunftsfeste Bildung kann also nicht einfach auf Lehren aus der Vergangenheit basieren. Die Zukunft hat bereits begonnen und sollte Bildungssystemen ein Wegweiser sein. Ob wir Erfolg haben werden, wird davon abhängen, wie effektiv wir unser Wissen nutzen, um die Zukunft zu antizipieren, und wie schnell wir beginnen, sie zu gestalten.
Literaturverzeichnis
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