Finanzkompetenz in Deutschland stärken

2. Der Beitrag eines höheren Finanzkompetenzniveaus zum finanziellen Wohlergehen und zur finanziellen Resilienz der Menschen

Im internationalen Vergleich ist das Niveau der Finanzkompetenz in Deutschland relativ hoch (OECD, 2023[3]; OECD, 2024[1]), es könnte allerdings noch deutlich erhöht werden, vor allem in bestimmten Bevölkerungsgruppen und insbesondere in den schwächsten Teilen der Gesellschaft. Ein höheres Finanzkompetenzniveau würde das finanzielle Wohlergehen Erwachsener und junger Menschen fördern, was auch positive Auswirkungen auf die Widerstandskraft der deutschen Wirtschaft und die Kapitalmarktentwicklung hätte.

Die in diesem Abschnitt vorgestellten Daten wurden im Oktober 2022 unter Heranziehung des OECD/INFE-Toolkits zur Messung der finanziellen Bildung und der finanziellen Teilhabe in Deutschland erhoben (OECD, 2022[2]) (vgl. „Quantitative Daten zur Finanzkompetenz“). Im Vorbericht zur Strategie (OECD, 2024[1]) sind sie genauer dargelegt.

Niveau der Finanzkompetenz, der finanziellen Resilienz und des finanziellen Wohlergehens

Finanzkompetenz

Das Finanzkompetenzniveau ist in Deutschland im internationalen Vergleich relativ hoch: Erwachsene erzielen nach der OECD/INFE-Methodik (OECD, 2024[1]; OECD, 2022[2]) im Durchschnitt 76 von 100 möglichen Punkten. Dieser Wert entspricht der Summe der Punktzahlen für die drei Komponenten der Finanzkompetenz:1

• 30 von 35 Punkten beim Finanzwissen

• 33 von 45 Punkten beim Finanzverhalten

• 13 von 20 Punkten bei den Einstellungen in finanziellen Angelegenheiten

Diese Ergebnisse zeigen, dass vor allem beim Finanzverhalten und bei den Einstellungen in finanziellen Angelegenheiten erheblicher Verbesserungsspielraum besteht. Zudem verdecken die Durchschnittswerte das niedrigere Finanzkompetenzniveau mancher Bevölkerungsgruppen, das negative Auswirkungen auf deren finanzielles Wohlergehen und möglicherweise auch auf die Wirtschaft haben könnte. So ist das Finanzkompetenzniveau von Personen mit niedrigerem Einkommens- und Bildungsniveau insgesamt geringer als das von Personen mit höherem Einkommen und höherem Bildungsabschluss. Außerdem fällt auf, dass Frauen ein geringeres Finanzwissen aufweisen als Männer und ihre Finanzkompetenz niedriger einschätzen.

Die bei der Messung der Finanzkompetenz festgestellten Lücken sollten bei der Gestaltung sämtlicher Finanzbildungsinitiativen berücksichtigt werden, ganz gleich, welche Zielgruppen sie erreichen sollen und ob sie auf einen besonderen Bereich des Finanzsektors ausgerichtet sind. Bei der Auswahl von Finanzprodukten vergleichen beispielsweise nur 35 % der Erwachsenen in Deutschland Angebote verschiedener Finanzdienstleister und nur 37 % lassen sich unabhängig beraten (OECD, 2024[1]). Zudem ist etwa einem Fünftel der Erwachsenen nicht klar, was es mit Zins und Zinseszins auf sich hat. Sowohl verschiedene Angebote zu vergleichen als auch die Konzepte von Zins und Zinseszins zu verstehen sind wesentliche Elemente finanzieller Kompetenz.

Die erhobenen Daten zeigen auch, dass die digitale Finanzkompetenz verbessert werden könnte. Nach der OECD/INFE-Methodik beträgt sie im Durchschnitt 64 Punkte (von 100) (OECD, 2024[1])

Finanzielle Resilienz und finanzielles Wohlergehen

Die finanzielle Resilienz Erwachsener, also ihre Fähigkeit, negativen finanziellen Schocks standzuhalten, sie zu bewältigen und sich von ihnen zu erholen, ist in Deutschland höher als im EU-Durchschnitt2. Dennoch geben etwa 30 % der Erwachsenen in Deutschland an, am Monatsende kein Geld übrigzuhaben, und 25 % wären laut eigenen Angaben nicht in der Lage, ihre Lebenshaltungskosten mindestens drei Monate lang zu bestreiten, wenn ihre Haupteinnahmequelle wegfiele (OECD, 2024[1]).

Das subjektive finanzielle Wohlergehen liegt in Deutschland ebenfalls über dem EU-Durchschnitt. Ein nicht unerheblicher Teil der Erwachsenenbevölkerung fühlt sich allerdings finanziellem Druck ausgesetzt: Nur etwa die Hälfte der Befragten bezeichnet die Aussagen „Meine Finanzen bestimmen mein Leben“ und „Ich komme finanziell gerade so zurecht“ als für sie nicht zutreffend (OECD, 2024[1]).

Die Bedeutung eines höheren Finanzkompetenzniveaus für die Wirtschaftsleistung

Die in Deutschland erhobenen Daten zeigen, dass Finanzkompetenz die individuelle Finanzlage tatsächlich verbessern und zum finanziellen Wohlergehen der Menschen beitragen kann (OECD, 2024[1]).

• Erwachsene mit hoher Finanzkompetenz sind nach Berücksichtigung soziodemografischer Merkmale mit 80 % höherer Wahrscheinlichkeit überzeugt, gut fürs Alter vorzusorgen, und verfügen mit 70 % höherer Wahrscheinlichkeit über Altersvorsorgeprodukte.

• Sie halten mit 120 % höherer Wahrscheinlichkeit Kapitalanlagen als Personen mit geringer Finanzkompetenz (nach Berücksichtigung soziodemografischer Merkmale).

• Auch ihre finanzielle Resilienz ist – um 5 Prozentpunkte – höher (nach Berücksichtigung soziodemografischer Merkmale).

  Wären diese individuellen Einstellungen und Verhaltensweisen in der Bevölkerung weiter verbreitet, würde dies auch die Widerstandskraft der deutschen Wirtschaft festigen und die Entwicklung der Kapitalmärkte in Deutschland fördern.

Anmerkungen

← 1.  Für Einzelheiten zur Berechnung des Finanzbildungsscores vgl. das OECD/INFE-Toolkit zur Messung der finanziellen Bildung und finanziellen Teilhabe (OECD, 2022[2]).

← 2.  Der EU-Durchschnitt ist berechnet auf Grundlage der Werte für Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Spanien, Ungarn und Zypern.