Dieses Kapitel untersucht, was sich seit der Veröffentlichung des Berichts der Kommission zur Messung von wirtschaftlicher Leistung und sozialem Fortschritt (Stiglitz-Sen-Fitoussi Kommission) im Jahr 2009 verändert hat. Es beschreibt den Beitrag der Hochrangigen Sachverständigengruppe zur Messung von wirtschaftlicher Leistung und sozialem Fortschritt (High-Level Expert Group – HLEG) zu Initiativen, die darauf abzielen, bei der Beurteilung der Gesundheit eines Landes über das BIP hinauszugehen und ein Dashboard mit Indikatoren heranzuziehen, die Aspekte wie Wohlstandsverteilung und Nachhaltigkeit in all ihren Dimensionen abbilden. Die Herausforderung besteht darin, dieses Dashboard so zu konzipieren, dass es klein genug ist, um leicht verständlich zu sein, aber auch groß genug, um die für uns wichtigsten Aspekte zu umfassen. In diesem Kapitel wird argumentiert, dass das staatliche Handeln stark von den jeweils gewählten Messgrößen abhängt. Werden beispielsweise die Einkommensungleichheit oder die wirtschaftliche Unsicherheit nicht regelmäßig mithilfe eines solchen Indikatoren-Dashboards erfasst, bemerken die staatlichen Stellen möglicherweise gar nicht, wenn sich die entsprechenden Werte verschlechtern. Darüber hinaus wird in diesem Kapitel auch gezeigt, dass verzerrte Messgrößen zu Fehleinschätzungen führen können, so z. B., wenn das BIP als alleiniger Erfolgsmaßstab dient, während die durch die wirtschaftlichen Tätigkeiten möglicherweise verursachten Umweltschäden nicht gemessen werden.
Jenseits des BIP
Kapitel 1. Die ungebrochene Aktualität der Agenda zur Wohlstandsmessung jenseits des BIP
Abstract
1.1. Einleitung
Im Januar 2008, vor Beginn der weltweiten Finanzkrise, setzte der französische Präsident Sarkozy eine Kommission ein, die prüfen sollte, inwieweit unsere Messgrößen zur Beurteilung von wirtschaftlicher Leistung und sozialem Fortschritt noch angemessen sind. Wie viele andere vor ihm, war er besorgt, dass dem BIP als übergeordnetem Leistungsindikator zu viel Bedeutung beigemessen wird. Das BIP ist, wie wir alle wissen, eine Messgröße für das Volumen der Waren und Dienstleistungen, die in einem Land in einem bestimmten Zeitraum produziert werden. Es ist keine Messgröße für den Erfolg eines Landes, wird aber häufig als solche verwendet.
Diese Kritik ist keineswegs neu. Robert Kennedy drückte seine Besorgnis vor gut 50 Jahren folgendermaßen aus:1
Das Bruttosozialprodukt umfasst die Luftverschmutzung und die Zigarettenwerbung sowie die Krankenwagen, die eingesetzt werden, um die Unfallopfer auf unseren Autobahnen zu bergen. Es umfasst die Spezialschlösser für unsere Türen und die Gefängnisse für die Menschen, die sie aufbrechen. Es umfasst die Zerstörung der Mammutbäume und den Verlust unserer Naturwunder durch chaotische Zersiedelung. Es umfasst Napalm und Atomsprengköpfe sowie gepanzerte Fahrzeuge für die Polizei, die gegen die Unruhen in unseren Städten vorgeht. Es umfasst das Gewehr von Whitman und das Messer von Speck sowie die Fernsehprogramme, die Gewalt verherrlichen, um Spielzeug an unsere Kinder zu verkaufen. Unberücksichtigt lässt es dagegen die Gesundheit unserer Kinder, die Qualität ihrer Bildung und ihre Freude beim Spielen. Es erfasst nicht die Schönheit unserer Dichtung oder die Stärke unserer Ehen, die Intelligenz unserer öffentlichen Debatte oder die Integrität unserer Amtsträger. Das BSP misst weder unsere Intelligenz noch unseren Mut, weder unsere Weisheit noch unsere Gelehrsamkeit, weder unser Mitgefühl noch unseren Einsatz für unser Land. Kurzum, es misst alles, außer dem, was das Leben lebenswert macht. (Kennedy, 1968)
Das BIP ist trotz seiner Mängel nach wie vor der wichtigste Hilfsindikator für den Erfolg eines Landes. Wir halten Messgrößen wie das BIP für selbstverständlich – bis sie versagen. In diesem Buch zeigen wir, dass sich diese Messgröße nicht bewährt, wenn sie für Zwecke genutzt wird, für die sie nicht entwickelt wurde. Außerdem gehen wir der Frage nach, was getan werden kann und derzeit getan wird, um Messkonzepte zu entwickeln, die die Veränderungen im Bereich der wirtschaftlichen Leistung und des sozialen Fortschritts besser widerspiegeln.
Die staatlichen Stellen begannen erst nach der Großen Depression, die für die Messung des BIP erforderlichen Daten zu erheben. Die Keynesianische Wirtschaftslehre – die davon ausgeht, dass die gesamtwirtschaftliche Produktion von der Endnachfrage der verschiedenen Wirtschaftssektoren abhängt und dass staatliches Handeln Vollbeschäftigung sichern kann – machte bessere Indikatoren zur Beurteilung der konjunkturellen Lage erforderlich.2 Zwei Ökonomen, Simon Kuznets, von der University of Pennsylvania, und Richard Stone, von der Cambridge University, erhielten den Nobelpreis u. a. für ihren Beitrag zur Entwicklung des Systems der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (oft als VGR abgekürzt), das auch das von Kuznets entwickelte BIP umfasst.
Eine Zeit lang mussten sich Wirtschaftsstudenten intensiv mit diesen Messgrößen, den damit verbundenen Annahmen (und den Gründen für diese Annahmen), ihren Grenzen und ihren Anwendungen auseinandersetzen. Das BIP und andere VGR-Indikatoren wurden Teil des Instrumentenkastens der Ökonomen. Viele Berufslaufbahnen basierten darauf, die Bewegungen des BIP zu erklären und zu zeigen, wie diese Schwankungen die Bewegungen anderer Indikatoren erklären können. Dieser Trend wurde dadurch noch verstärkt, dass die Ökonomen dank leistungsstärkerer Computer in der Lage waren, immer mehr Daten statistisch zu analysieren.
Da die Analyse der Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Datenreihen im Lauf der Zeit immer aufwendiger wurde, wurde den zugrunde liegenden Daten und insbesondere den Grenzen des BIP als Wohlstandsindikator weniger Aufmerksamkeit geschenkt. Dadurch wurden möglicherweise auch die Analyseergebnisse in Bereichen wie der Makroökonomie, die stark von BIP-Messungen abhängen, weniger zuverlässig und relevant. Paradox ist, dass diejenigen, die das System entwickelt hatten, seine Schwächen kannten und deshalb vorsichtig damit umgingen.3 Doch da der Zweck und die Konstruktion dieser Indikatoren zunehmend aus dem Blickfeld verschwanden, wurden sie häufiger eingesetzt und ihre Grenzen weitgehend vergessen. Das BIP war ursprünglich entwickelt und genutzt worden, um die Marktaktivitäten zu messen. Im Lauf der Zeit diente es jedoch zunehmend als Maß für die allgemeine Gesundheit einer Gesellschaft.
Simon Kuznets warnte bereits vor mehr als 50 Jahren vor dieser Gefahr:
Das Argument, dass die höchstmögliche Wachstumsrate angestrebt werden sollte, die mit den Kosten vereinbar ist, die die Gesellschaft zu tragen bereit ist, ist generell stichhaltig. Bei der Beurteilung wirtschaftlicher Probleme und Maßnahmen muss jedoch zwischen Quantität und Qualität des Wachstums, zwischen Kosten und Nutzen und zwischen kurzfristigen und langfristigen Aspekten unterschieden werden. [...] Angesichts der vielfältigen qualitativen Dimensionen der quantitativen Gesamtrate des Wirtschaftswachstums gilt es, die Ziele genau festzulegen: Wird mehr „Wachstum“ angestrebt, sollte spezifiziert werden, in welchen Bereichen und zu welchem Zweck. (Kuznets, 1962)4
Auf den ersten Blick scheinen die in diesem Buch erörterten Themen fachspezifisch und auf einen engen Kreis von Experten ausgerichtet zu sein. Sie betreffen jedoch auch die Funktionsweise unseres demokratischen Systems. Präsident Sarkozy zufolge bestand das Ziel der Kommission in der Beseitigung des:
„tiefen Unverständnisses zwischen den auf ihr Wissen vertrauenden Experten und den Bürgern, deren Lebenserfahrung ganz und gar nicht mit dem von den Daten vermittelten Bild übereinstimmt ... nichts ist zerstörerischer für die Demokratie ... die Menschen glauben, dass sie belogen werden ... dass sie manipuliert werden“. (Stiglitz, Sen und Fitoussi, 2009)5
Diese Kluft zwischen den „Experten“ und den Bürgern, denen sie dienen sollen, ist ein wesentlicher Grund für die tiefe Spaltung der Gesellschaft, die bei mehreren Wahlen der letzten Zeit so deutlich zum Ausdruck gekommen ist. Präsident Sarkozy bewies also Weitblick, als er darauf aufmerksam machte, welche Folgen eine wachsende Diskrepanz zwischen den Erklärungen, Behauptungen und Meinungen der Experten und Eliten einerseits und den gelebten Erfahrungen einer beträchtlichen Zahl von Bürgern andererseits in einer Demokratie hat.
Eine der Hauptaufgaben der Kommission bestand darin, Messgrößen zu entwickeln, die die Aufmerksamkeit auf die Aspekte lenken, die für das Leben der Menschen wirklich wichtig sind. Wenn die Empfehlungen der Kommission besser umgesetzt, und einige der in diesem Buch angesprochenen Themen stärker berücksichtigt worden wären, wären vielleicht andere Maßnahmen ergriffen worden. Es gab frühzeitige Warnsignale – nicht nur für die Unzufriedenheit, sondern auch für die dieser Unzufriedenheit zugrunde liegenden Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft. Wie dem auch sei, eines ist klar: Messgrößen sind wichtig. Unser System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, das auf dem BIP basiert, lieferte weder in der Finanzkrise von 2008 noch in der sogenannten politischen Krise von 2016 ein entsprechendes Warnsignal. Man könnte nun einwenden, dass die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung nicht für diesen Zweck entwickelt wurde. Für die Gesellschaft wäre es jedoch sicher positiv gewesen, wenn sie über einige bewährte und häufig genutzte Indikatoren verfügt hätte, um die traumatischen Entwicklungen zu antizipieren, die eintreten sollten.
1.2. BIP-Statistiken und die Große Rezession
Die Statistik der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ergibt manchmal selbst dann ein unvollständiges Bild, wenn nur Markteinkommen berücksichtigt werden. Im September 2008 fielen die Vereinigten Staaten – und anschließend die ganze Welt – in die sogenannte Große Rezession, es war der schlimmste weltweite Konjunkturabschwung seit der Großen Depression 80 Jahre zuvor. Kurz vor Beginn der Rezession hatten einige führende Ökonomen noch von einer guten Wirtschaftslage gesprochen.6 Einige Jahre vorher hatte der langjährige Vorsitzende der Federal Reserve Alan Greenspan die Besorgnis über eine mögliche Preisblase bei den Vermögenswerten noch abgetan und nur ein wenig „Schaum“ in einigen lokalen Märkten ausgemacht.7 Diese führenden Volkswirte hatten die wichtigsten Indikatoren der Wirtschaft analysiert und die Lage anschließend als gut eingestuft.
Rückblickend betrachtet, wurden mehrere Fehler gemacht. Die Verantwortlichen, die beispielsweise entscheiden müssen, ob die Kreditbedingungen verschärft oder gelockert werden sollen, je nachdem, ob sie von einer Konjunkturüberhitzung oder -abkühlung ausgehen, stützen sich auf mehrere Indikatoren – genauso wie Ärzte den Puls eines Patienten messen, den Blutdruck überprüfen, eine Blutzellzählung durchführen und kontrollieren, ob der Patient zu- oder abgenommen hat. Es gab durchaus viele Indikatoren, an denen die politischen Entscheidungsträger die drohende Entwicklung hätten erkennen können. Da sie in der üblichen Berichterstattung jedoch nicht berücksichtigt wurden, wurden sie von denjenigen, die sie hätten beachten sollen, zum großen Teil ignoriert. Manche Indikatoren waren einfach nicht verfügbar, so z. B. Sektorkonten und -bilanzen, was (nach der Krise) mehrere Initiativen nach sich zog, die darauf abzielten, die Informationsbasis für die Entscheidungsträger zu verbessern.8 Darüber hinaus vermittelten frühe BIP-Schätzungen ein falsches Bild vom Ausmaß der Rezession und wurden später deutlich revidiert.9
Entscheidend ist jedoch, dass die politischen Entscheidungsträger diese Warnsignale aufgrund ideologischer Scheuklappen ignorierten, was sie (und ihre Wirtschaftsberater) davon abhielt, die drohenden Gefahren zu erkennen. Außerdem wurden sie in ihrer Einschätzung durch die konventionellen makroökonomischen Modelle bestärkt, die besagten, dass eine Krise solchen Ausmaßes nicht möglich sei. Sie orientierten sich an früheren BIP-Bewegungen in der Hoffnung, dass die „Große Mäßigung“ (kräftiges BIP-Wachstum ohne Inflationsdruck), die vor der Krise zu beobachten war, auch in Zukunft andauern würde.
Als das BIP 2009, also ein Jahr später, wieder anstieg, verkündete Präsident Obama, dass sich die Wirtschaftslage verbessere und die Konjunkturerholung in den Vereinigten Staaten begonnen habe. Für die große Mehrheit der Amerikaner schien dies jedoch nicht der Fall zu sein. Die gesamtwirtschaftlichen Indikatoren wie das BIP schienen wieder einmal nicht mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinzustimmen. Das BIP, das in der Regel als Richtwert herangezogen wird, spiegelte nicht die tatsächliche Entwicklung und die konkrete Erfahrung der meisten Amerikaner bzw. der meisten Menschen in der entwickelten Welt wider.
Diese Diskrepanz lässt sich natürlich leicht erklären. Ein Grund dafür besteht darin, dass die Spitze der Einkommensskala in vielen Fällen unverhältnismäßig stark vom BIP-Wachstum profitierte: Schätzungen zufolge flossen in den Vereinigten Staaten in den ersten drei Jahren der Erholung (2009-2012) 91 % der Einkommenszuwächse an das oberste 1 % (Saez, 2016). In den Vereinigten Staaten profitierten also die meisten Haushalte nicht von der Erholung. In Europa war eine ähnliche Entwicklung zu beobachten, die in den von der Krise am stärksten betroffenen Ländern deutlicher zutage trat. In diesen drei Jahren der vermeintlichen Erholung blieb das Wachstum der durchschnittlichen Haushaltseinkommen in Europa der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zufolge hinter dem BIP-Wachstum zurück.10 Und das Wachstum des Medianeinkommens der Haushalte – der Mittelwert, bei dem 50 % der Haushalte ein höheres und 50 % ein niedrigeres Einkommen haben – fiel Erhebungen zufolge schwächer aus als das durchschnittliche Einkommenswachstum (das durch die Gewinne einer relativ kleinen Gruppe gesteigert wurde). Es ist also kein Wunder, dass die meisten Menschen den Eindruck hatten, dass es überhaupt keine wirkliche Erholung gab.
Ein zweiter Grund für diese Diskrepanz bestand darin, dass viele private Haushalte Wohnungs- und Arbeitsplatzverluste hinnehmen mussten und viele Menschen nicht nur ihr Einkommen, sondern auch ihren Glauben an die Zukunft verloren. Und diejenigen, bei denen dies nicht der Fall war, entwickelten Abstiegsängste. Das Einkommen an sich erklärt nicht alle wirtschaftlichen Ängste der Menschen.
Eine Lehre der Krise besteht sicher darin, dass ein breiter gefasster Statistikrahmen mit detaillierteren Daten erforderlich ist, um die unterschiedlichen Situationen verschiedener Bevölkerungsgruppen zu erfassen. Das BIP ist beispielsweise nicht dafür geeignet, die wirtschaftliche Lage einzelner Haushalte abzubilden. Wenn das BIP beispielsweise um 5 % zunimmt, heißt das nicht, dass alle einen Einkommenszuwachs von 5 % verzeichnen. Es heißt noch nicht einmal, dass die Einkommen von Durchschnittshaushalten oder -personen um diesen Prozentsatz steigen. Das BIP bildet die gesamte wirtschaftliche Produktion und das dadurch generierte Durchschnittseinkommen ab – unabhängig davon, ob dieses Einkommen auf wenige oder viele Menschen, Gebietsansässige oder -fremde, Haushalte oder Unternehmen entfällt. Selbst wenn das Einkommen an Gebietsansässige fließt, geht aus dem BIP nicht hervor, wie dieses Einkommen unter den Haushalten verteilt ist.
Der US-Präsident hätte jedoch wissen sollen (bzw. seine Wirtschaftsberater hätten ihm erklären sollen), dass das BIP steigen kann, obwohl die überwiegende Mehrheit der Menschen keinen Einkommenszuwachs verzeichnet – und zwar dann, wenn die Ungleichheit entsprechend zunimmt. Und genau das geschah in den Vereinigten Staaten während der „Konjunkturerholung“. Mit dem Einzelindikator BIP wurde die konkrete Erfahrung der meisten Menschen nicht richtig erfasst. Auch als das irische BIP 2015 um 26 % zunahm, bedeutete dies nicht, dass die irischen Bürger, die so stark unter der Eurokrise gelitten hatten, plötzlich von ihren Sorgen befreit waren. Das verfügbare Pro-Kopf-Einkommen der irischen Haushalte stieg in diesem Jahr nur um 2,7 %. In diesem Fall war der starke Anstieg des BIP zum großen Teil darauf zurückzuführen, dass einige multinationale Unternehmen geistige Eigentumswerte an unabhängige Unternehmen in Irland übertragen hatten, wobei aber ein großer Teil der von diesen Unternehmen erwirtschafteten Gewinne ins Ausland transferiert wurde, und nicht den irischen Haushalten zugutekam.11
Dass das BIP nicht all das leistete, was von ihm erhofft wurde, dürfte keine Überraschung sein: Keine Kennzahl kann etwas so Komplexes wie die Volkswirtschaft abbilden. Außerdem ist ein Durchschnittswert nur eine abstrakte Zahl. Die Entscheidungen, die auf unvollständigen Messgrößen beruhen, haben jedoch reale Konsequenzen. Wenn durch das BIP der Eindruck entsteht, dass sich die Wirtschaftslage verbessert, unterbleiben möglicherweise die für eine Belebung der Konjunktur erforderlichen Maßnahmen, die man ergreifen würde, wenn Indikatoren anzeigen, dass sich die Lage für den Großteil der Bevölkerung immer noch wie eine Rezession anfühlt. Ebenso werden keine Maßnahmen zur Stärkung des Sicherheitsnetzes und Sozialschutzes ergriffen, wenn es keine Messgrößen für das Ausmaß der wirtschaftlichen Unsicherheit der Menschen gibt.
Wenn die Messgrößen, auf die wir uns verlassen, mit der konkreten Lebenserfahrung der Menschen nicht mehr übereinstimmen, geht das Vertrauen in den Staat verloren. Man kann argumentieren, dass genau dies in den letzten Jahren in den Vereinigten Staaten und den meisten anderen Industriestaaten geschehen ist, als die BIP-Statistiken eine Konjunkturerholung anzeigten, die meisten Menschen aber etwas anderes erlebten. Es gab vermutlich auch noch andere Faktoren (Pew Research Center, 2017). Die Diskrepanz zwischen dem tatsächlichen Geschehen und der verlautbarten „Erholung“ hat jedoch sicher dazu beigetragen, dass so viele Bürger damals das Vertrauen in den Staat verloren haben. Heute sind die meisten OECD-Länder mit einer solchen „Vertrauenskrise“ konfrontiert, einer Krise, die in einigen Fällen länger zurückreicht. 2017 trauten beispielsweise weniger als 20 % der Amerikaner der US-Bundesregierung zu, meistens richtig zu handeln, im Vergleich zu fast 80 % im Jahr 1964 (Abbildung 1.1). Daten zu einer Vielzahl von Ländern zeigen, dass das Vertrauen in die nationalen Regierungen, das heute im OECD-Durchschnitt bei rd. 40 % liegt, in vielen der am stärksten von der Krise betroffenen Ländern (z. B. Griechenland, Spanien und Portugal) um mindestens 10 Punkte zurückgegangen ist, während es sich in den weniger stark betroffenen Ländern wie Deutschland stark verbessert hat (OECD, 2017b).12
Bedenken wie diese veranlassten Präsident Sarkozy dazu, die Kommission einzurichten. Als gewählter Amtsträger war er besorgt, dass das Vertrauen in den Staat verlorengeht, wenn die Aussagen der Politiker über die wirtschaftliche Entwicklung nicht mit der Wahrnehmung der Wähler übereinstimmen. Sorge bereiteten ihm auch die widersprüchlichen Signale, die er als öffentlicher Amtsträger erhielt. Er wusste, dass seine Leistung u. a. an der Wirtschaftsentwicklung gemessen würde. Er wusste aber auch, dass für die Wähler viele Aspekte wichtig waren, die mit dem BIP nicht erfasst werden: Ihnen ging es um die Qualität der Arbeitsplätze, die Wohnbedingungen, die schlechteren Zukunftschancen ihrer Kinder, Umweltverschmutzung, Lärm und andere Faktoren, die zwar in unsere Messgrößen für wirtschaftliche Leistung und sozialen Fortschritt einfließen sollten, aber nicht berücksichtigt werden.13
1.3. Die Kommission und ihre wichtigsten Empfehlungen
Die von Joseph E. Stiglitz, Amartya Sen und Jean-Paul Fitoussi geleitete Kommission bestand aus führenden Volkswirten und anderen Sozialwissenschaftlern.14 Ihre Hauptaufgabe war es, die Eignung des BIP als Leistungsindikator zu beurteilen, seine Grenzen aufzuzeigen und zu prüfen, wie bessere Messgrößen für Lebensqualität und sozialen Fortschritt entwickelt werden können. Die Empfehlungen der Kommission richteten sich insbesondere an Statistikbehörden und Regierungen, wobei betont wurde, dass mehr Daten und Forschungsarbeiten erforderlich sind. Die Kommission legte mehrere konkrete Vorschläge zur Verbesserung unserer Messgrößen vor. Die Kernaussage der Empfehlungen lautete: Unsere Messgrößen spielen eine entscheidende Rolle. Bei der Beurteilung der Gesundheit eines Landes sollten wir daher über das BIP hinausgehen und ein breiter gefasstes Dashboard mit Indikatoren entwickeln, die Aspekte wie Wohlstandsverteilung und Nachhaltigkeit in all ihren Dimensionen erfassen.
Wie groß sollte dieses Dashboard sein? Bürger und Politikverantwortliche können nur eine begrenzte Menge von Informationen aufnehmen und verarbeiten. Die Kommission empfahl daher, sich auf eine relativ kleine Zahl von Indikatoren zu stützen (das sogenannte Dashboard). Einige dieser Indikatoren sollten anzeigen, wie gut es den Normalbürgern geht (das Medianeinkommen der Haushalte kann beispielsweise ein besserer Indikator für das wirtschaftliche Wohlergehen einer „typischen“ Person sein als das Durchschnittseinkommen, das u. U. durch wenige Personen mit extrem hohen Einkommen nach oben verzerrt wird). Andere sollten über die Nachhaltigkeit Auskunft geben. Die wirtschaftliche Nachhaltigkeit wird generell am besten durch monetäre Wohlstandsindikatoren erfasst, während die ökologische Nachhaltigkeit wahrscheinlich durch nicht monetäre Messgrößen besser zu beurteilen ist. Analog dazu ist es auch sinnvoll, das Gesundheitssystem einer Gesellschaft anhand von Indikatoren wie Lebenserwartung und Morbidität zu beurteilen und diese Werte nicht in Dollaräquivalente umzurechnen.
Die Herausforderung bestand darin, dieses Indikatoren-Dashboard so zu konzipieren, dass es klein genug ist, um leicht verständlich zu sein, aber auch groß genug, um die für uns wichtigsten Aspekte zu erfassen.
1.3.1. Messen ist wichtig
Wir leben in einer von Maßzahlen geprägten Welt, in der wir ständig unseren Fortschritt und unseren Erfolg quantifizieren. Die Wahl der Messgröße hat Auswirkungen auf unser Handeln. Wenn wir uns an den falschen Messgrößen orientieren, ergreifen wir die falschen Maßnahmen. Fehlen entsprechende Messgrößen, werden Probleme vernachlässigt, so als würden sie nicht existieren. Wenn wir z. B. die Ungleichheit oder die Umweltzerstörung nicht messen, werden wir mit geringerer Wahrscheinlichkeit etwas dagegen unternehmen.
Maßzahlen sind natürlich immer unvollkommen. Aber darum geht es nicht. Die entscheidende Frage ist, ob sie irreführend sind. Auch wenn Messgrößen unvollkommen sind, können wir nicht auf sie verzichten. Genauso wie es zur Steuerung eines Flugzeugs einer Instrumententafel bedarf, bedarf es zur Steuerung einer Volkswirtschaft eines Indikatoren-Dashboards. Die einfache Botschaft der Kommission lautete im Grunde, dass wir ein Dashboard brauchen, die einzelnen Indikatoren dieses Dashboards besser verstehen und neue Messgrößen für wichtige Aspekte entwickeln müssen, die bisher nur unzureichend erfasst werden. Um all dies zu erreichen, muss der gesellschaftliche Dialog über unser eigentliches Ziel und die größten Risiken auf dem Weg dorthin wieder angestoßen werden.
1.4. Eine Vielzahl von Problemen
So wichtig Messgrößen auch sind, sie sind immer mit Problemen verbunden. Auch in vielen anderen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens ist die Wahl der Messgrößen Gegenstand von Debatten. Eine Antwort auf Kritik an der Qualität unserer Schulen z. B. bestand darin, bessere Schulleistungsstudien zu fordern. Damit könne man feststellen, ob Handlungsbedarf in den Schulen besteht. Doch abgesehen davon, wie solche Studien genutzt werden, stellt sich auch die Frage, was dabei eigentlich gemessen werden soll. Die Standardtests konzentrieren sich häufig auf Grundkompetenzen wie Lesen, Schreiben und Rechnen. In der Schulbildung geht es jedoch um mehr. Die Schule vermittelt auch soziale Kompetenzen – wie man gut mit anderen auskommt – und grundlegende Lebenskompetenzen – jeden Morgen pünktlich einzutreffen, Anweisungen zu befolgen oder im Team zu arbeiten. Darüber hinaus werden höhere kognitive Kompetenzen vermittelt, die die Kreativität fördern können. Wenn sich die Schülertests nur auf die Grundkompetenzen konzentrieren, vernachlässigen die Lehrkräfte die anderen Kompetenzen. Dadurch verschlechtert sich die Gesamtleistung der Schulen, obwohl sie bei den Grundkompetenzen besser abschneiden. Solche Erwägungen führten zu Änderungen im Testverfahren der bekannten Internationalen Schulleistungsstudie der OECD (PISA). Ende der 1990er Jahre wurden bei PISA lediglich die Grundkompetenzen der 15-jährigen Schüler in Lesen, Naturwissenschaften und Mathematik getestet, heute werden jedoch auch Soft Skills und das Wohlergehen der Lernenden in der Schule gemessen.
1.4.1. Eine monetäre Messgröße
Wenn es eine einfache Methode gäbe, jede Dimension der Lebensqualität in Geld umzurechnen, könnten wir einfach den Gesamtgeldwert von Lebensqualität schätzen. In Verbindung mit einem Indikator für die Verteilung dieses Werts böte dies eine klare Orientierungshilfe, um das gesellschaftliche Wohlergehen zu erhöhen: Soweit möglich, sollten Aktivitäten mit einem niedrigen Geldwert durch Aktivitäten mit einem höheren Geldwert ersetzt werden. Mit den richtigen Informationen wären wir vielleicht sogar in der Lage, Anreize für richtiges Verhalten zu setzen. In diesem System würde die monetäre Maßzahl nicht nur die Marktpreise der erwirtschafteten Waren und Dienstleistungen widerspiegeln, sondern auch den inneren (gesellschaftlichen) Wert der jeweiligen Tätigkeit. Die Herstellung von Schuhen, die die Muskulatur stärken (deren Wert nicht im Marktpreis enthalten war) würde dann beispielsweise höher bewertet als die Herstellung von Schuhen, die die Muskulatur schwächen.
Die Marktwirtschaft funktioniert ähnlich. Solange es viele kleine und keine großen Unternehmen und privaten Haushalte, kein Marktversagen (die genaue Bedeutung dieses Begriffs wird später erläutert) und keine Externalitäten gibt, ist die Wirtschaft effizient und maximiert den Marktwert der produzierten Waren und Dienstleistungen.15 Wenn der Marktwert der erwirtschafteten Waren und Dienstleistungen steigt, sollte der gesamtgesellschaftliche Wohlstand also auch zunehmen.
Ganz so einfach ist es jedoch nicht. Ein Grund hierfür liegt darin, dass sich die relativen Preise und die Geldpreise in einer Volkswirtschaft im Lauf der Zeit verändern. Das Problem höherer Geldpreise (beispielsweise in Dollar oder Euro) ist leicht zu lösen. Der Anstieg der Geldpreise wird Inflation genannt. Um die Veränderung der realen Produktion zu beurteilen, wird der Effekt der Inflation herausgerechnet. Wenn die Preise aller Waren und Dienstleistungen um durchschnittlich 3 % gestiegen sind, reduzieren wir einfach die Veränderung des nominalen BIP um 3 %, um eine Maßzahl für die Veränderung des realen BIP zu erhalten. Wenn das reale BIP gestiegen ist, hat auch der gesamtwirtschaftliche Wohlstand zugenommen. Damit verfügen wir also über eine monetäre Messgröße für den gesamtwirtschaftlichen Wohlstand.
Schwieriger wird der Sachverhalt, wenn sich die relativen Preise verändern, d. h. der Preis einer Ware im Verhältnis zum Preis einer anderen Ware. Ökonomen und Statistiker haben Methoden entwickelt, um approximativ, aber relativ genau zu schätzen, welche Auswirkungen eine Veränderung der relativen Preise auf das reale BIP hat. Preise verändern sich normalerweise nicht sehr schnell. Wenn wir das BIP auf Jahresbasis ermitteln, sind die Unterschiede bei den meisten relativen Preisen folglich recht klein. Wir können den Wert des BIP zum Zeitpunkt t+1 berechnen, indem wir die Preise zum Zeitpunkt t heranziehen. Wenn dieser Wert beispielsweise um 3 % gestiegen ist, können wir also sagen, dass sich der wirtschaftliche Wohlstand (laut unserer monetären Messgröße) ebenfalls entsprechend erhöht hat. Wir können das BIP von 2018 mit dem von 2007 vergleichen, indem wir dieses Verfahren jedes Jahr durchführen. Das Ergebnis ist der sogenannte kettengewichtete BIP-Index.
1.4.2. Mehr als nur technische Probleme
Sobald wir von diesem einfachen Modell abweichen, sehen wir uns mit grundlegenderen Problemen konfrontiert.
Zunächst einmal ist darauf hinzuweisen, dass viele Tätigkeiten außerhalb des Marktes erfolgen. Bildungs- und Gesundheitsleistungen können durch den Staat bereitgestellt werden, und wirtschaftliche Produktion findet auch zu Hause statt. Außerdem erhöht die Marktproduktion nicht immer den wirtschaftlichen Wohlstand der Menschen, weil Unternehmen ihre Kunden im Hinblick auf den Wert der von ihnen verkauften Waren und Dienstleistungen u. U. täuschen.
Hinzu kommt, dass für das Wohlergehen der Menschen neben der ökonomischen Produktion und den dadurch erzielten Einkommen auch noch andere Faktoren ausschlaggebend sind. Zu nennen wären hier z. B. das Sicherheitsgefühl und die Beziehung zu anderen, insbesondere zum Arbeitgeber. Das einfache ökonomische Modell geht zudem davon aus, dass die Menschen zum geltenden Lohn so viel Arbeit „verkaufen“ können, wie sie wollen, sodass der Lohn den marginalen Wert der Freizeit (oder der Zeit) misst. Das wiederum bedeutet, dass es keine Arbeitslosigkeit gibt, oder zumindest, dass jede Arbeitslosigkeit freiwillig ist, d. h., dass die Menschen beim geltenden Lohn indifferent gegenüber (dem Grenznutzen von) mehr Freizeit oder mehr Arbeit sind – eine Annahme, die offensichtlich falsch ist.
Außerdem gibt es zu jedem Zeitpunkt viele Fälle von Marktversagen (d. h., Märkte, die nicht vollkommen effiziente Ergebnisse produzieren, wie dies in der in den Lehrbüchern beschriebenen „idealen“ wettbewerbsorientierten Marktwirtschaft mit vollständiger Information der Fall ist). Marktversagen führt immer dazu, dass sich die Marktpreise vom „inneren marginalen Wert“ (dem Wert einer zusätzlichen Einheit) der ausgetauschten Waren, Dienstleistungen und Vermögenswerte unterscheiden. Marktversagen, Externalitäten und öffentliche Güter haben zur Folge, dass in einer Volkswirtschaft, die den Marktwert von Waren und Dienstleistungen maximiert, nicht zwangsläufig auch der gesamtgesellschaftliche Wohlstand maximiert wird und dass Marktpreise weder die sozialen Kosten noch den sozialen Nutzen angemessen widerspiegeln. Zurückzuführen ist Marktversagen auf unvollkommene Information, Marktmacht, Umweltexternalitäten, fehlende Märkte für bedeutende Risiken, öffentliche Güter, Schwächen in Unternehmensführung und Insolvenzregelungen sowie viele andere Probleme. Solche Fälle von Marktversagen sind weit verbreitet. Es handelt sich dabei nicht um eine kleine Störung im ökonomischen System. Marktversagen ist vielmehr eine notwendige Folge der Tatsache, dass es kostspielig ist, Informationen und Wissen zu erwerben und weiterzugeben bzw. Märkte zu schaffen und Transaktionen durchzuführen. Außerdem ist es effizient, bestimmte Güter öffentlich bereitzustellen oder zu produzieren. Die Folgen sind in einigen Fällen möglicherweise gering, in vielen Fällen sind sie jedoch von großer Tragweite, und zwar nicht nur im Hinblick auf die Gewährleistung der Effizienz der Volkswirtschaft, sondern auch im Hinblick auf die Frage, ob unsere statistischen Standardmessgrößen geeignet sind, die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft zu beurteilen.
Bei der Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Lage sind noch weitere Aspekte zu berücksichtigen, insbesondere die Nachhaltigkeit der Wirtschaft. Die heutige Generation könnte die vorhandenen Ressourcen verbrauchen und nichts für künftige Generationen übrig lassen. Gesellschaftlicher Wohlstand im weiteren Sinne umfasst auch wirtschaftliche, soziale und ökologische Nachhaltigkeit – Aspekte, die im BIP nicht angemessen erfasst werden.
Ein wichtiger Stellenwert kommt in unserer Gesellschaft auch der Frage der Wohlstandsverteilung zu. Vielleicht bevorzugen die Menschen Wachstumsmodelle, bei denen weite Teile der Bevölkerung profitieren, gegenüber Modellen, bei denen der Nutzen auf wenige begrenzt oder auf die Wohlhabenden konzentriert ist.
Es gibt also viele Gründe, warum das BIP keine geeignete Messgröße für den gesellschaftlichen Wohlstand ist.
Wie Kuznets betonte, wurde das BIP mit einem wesentlich bescheideneren Ziel vor Augen konstruiert, nämlich um das Niveau der Marktaktivität zu messen. Das BIP wurde während der Großen Depression entwickelt, um eine sehr wichtige Frage zu beantworten: Wie kann man den offensichtlichen Rückgang der wirtschaftlichen Produktion quantifizieren? Im Lauf der Zeit avancierte das BIP jedoch zu einem Wohlstandsmaß, das zuerst über den wirtschaftlichen Wohlstand und dann über den Wohlstand im weiteren Sinne Auskunft geben sollte. Diese Aufwertung des BIP ist der Kern des Problems.16
Die Kommission zur Messung von wirtschaftlicher Leistung und sozialem Fortschritt und die hochrangige Sachverständigengruppe, die ihre Nachfolge antreten sollte, hatten die Aufgabe, bessere Messgrößen für die wirtschaftliche Leistung und den sozialen Fortschritt zu entwickeln. Sie zeigten die Grenzen häufig genutzter Messgrößen wie des BIP auf und untersuchten, wie diese Messgrößen zu einer besseren Politik beitragen können.
Die Kommission befasste sich mit Messbereichen, die seit Langem Probleme bereiten wie die Messung öffentlicher Leistungen (bei denen individuelle Entscheidungen keine Informationen über individuelle Bewertungen liefern), sowie mit der Messung von wirtschaftlichen Ungleichheiten, Nachhaltigkeit und Lebensqualität. Die Messung der Lebensqualität umfasst u. a. den neuen Bereich des subjektiven Wohlbefindens, d. h. Messgrößen, die aus Erhebungen abgeleitet werden, in denen die Befragten Angaben zu ihrem Leben insgesamt machen oder über ihre Alltagserfahrungen berichten. Solche Erhebungen liefern nachweislich relevante und verlässliche Informationen über die Lebensqualität, die in anderen Messgrößen nicht enthalten sind. Dadurch wird die Aufmerksamkeit auf Wohlstandsdimensionen gelenkt, die sonst möglicherweise vernachlässigt würden, wie z. B. die Bedeutung sozialer Beziehungen, politischer Mitsprache oder guter Arbeitsplätze. Wir wissen heute beispielsweise, dass der Verlust des Arbeitsplatzes mehr ist als der damit verbundene Einkommensverlust. Das bedeutet, dass die Lebensqualität der Betroffenen auch durch einen vollständigen Einkommensausgleich nicht wirklich wieder hergestellt werden kann.
Die Themen Ungleichheit und Nachhaltigkeit werden in den folgenden Kapiteln dieses Buchs eingehender behandelt. Hier sei lediglich noch einmal auf die zentrale Bedeutung dieser Themen verwiesen: Es geht nicht nur um die Größe des Kuchens, sondern auch um die Verteilung, die Zutaten und die Frage, ob diese Zutaten in Zukunft weiter verfügbar sein werden. Bei einer Volkswirtschaft, die nicht breiten Teilen der Bevölkerung zugutekommt und in der ganze Branchen, Berufe und Regionen abgehängt werden, besteht die Gefahr, dass sie von denen, die aufgefordert werden, sich an Veränderungen anzupassen, die sie nicht verursacht haben, abgelehnt wird (Kuznets, 1962). Eine Volkswirtschaft, deren Wachstum nicht (wirtschaftlich, sozial und ökologisch) nachhaltig ist, lebt auf Kosten künftiger Generationen. Rückblickend ist klar, dass das BIP-Wachstum in einem großen Teil der entwickelten Welt bis 2008 nicht nachhaltig war. Ebenso sollte heute klar sein, dass unser Wirtschaftswachstum ökologisch nicht nachhaltig ist: Der Klimawandel stellt eine existenzielle Bedrohung dar. Einige Indikatoren unseres Dashboards hätten uns darauf aufmerksam machen sollen.
1.5. Ein nationaler Dialog
Im Bericht der Kommission wurde darauf hingewiesen, dass ein nationaler Dialog über die Frage, welche Aspekte im Indikatoren-Dashboard berücksichtigt werden sollten und inwieweit die bestehenden Messgrößen die Anliegen der Gesellschaft angemessen widerspiegeln, ein wichtiges Element der demokratischen Teilhabe ist. Seitdem haben sich zahlreiche zivilgesellschaftliche Gruppen zu Wort gemeldet und Veränderungen in unserem Messsystem gefordert. Viele Regierungen haben darauf reagiert, indem sie Messinitiativen (vgl. Anhang) angestoßen und Schritte unternommen haben, um Indikatoren für Lebensqualität im Politikprozess zu verankern (vgl. Kapitel 4). Die Reaktion ging in vielerlei Hinsicht über die Erwartungen der Kommission hinaus, was die zunehmende weltweite Besorgnis über Aspekte wie Einkommensungleichheit und Umwelt widerspiegelt. Dass dieser Dialog tatsächlich geführt wird, zeigt auch die wachsende Teilnahme an den OECD-Weltforen zum Thema „Statistik, Wissen und Politik“17, die 2004 – vor der Großen Rezession und der Einsetzung der Kommission – begannen und weiter regelmäßig von der OECD organisiert werden, um die Agenda zur Wohlstandsmessung jenseits des BIP voranzutreiben.
Es besteht jedoch auch ein gewisses Spannungsverhältnis zwischen dem Wunsch, Messgrößen heranzuziehen, die die konkrete Situation in einem Land abbilden, und der Notwendigkeit, Messkonzepte zu verwenden, die länderübergreifende Vergleiche ermöglichen und zeigen, wie ein Land im Vergleich zu anderen abschneidet. Beide Blickwinkel sind wichtig: Wir wollen alle wissen, wie wir (in der ein oder anderen Dimension) im Vergleich zu früher und zu anderen Ländern abschneiden. Die Better-Life-Initiative der OECD, die 201118 als Reaktion auf die Empfehlungen der Kommission ins Leben gerufen wurde, und der damit einhergehende zweijährliche Bericht How’s Life? Measuring Well-being (OECD, 2017a, vgl. Anhang) beruhen auf einem Dashboard mit Indikatoren für Lebensqualität, die OECD-weit vergleichbar sind. Einzelne Länder haben ihre eigenen Dashboards entwickelt, indem sie das Rahmenkonzept an die jeweiligen Gegebenheiten angepasst haben.
Eine der wichtigsten Empfehlungen, die die Kommission gegen Ende ihres Mandats abgab, besagte, dass auf internationaler Ebene mehr getan werden muss. Die OECD hat diese Botschaft aufgegriffen und sich bereit erklärt, den institutionellen Rahmen für die HLEG bereitzustellen, die die Nachfolge der Kommission antreten sollte. Diese Gruppe beschloss, nicht das gesamte Spektrum der im Kommissionsbericht aufgeworfenen Fragen zu behandeln, sondern sich auf ausgewählte Themen zu konzentrieren, die im Kommissionsbericht nicht angemessen oder nur unzureichend behandelt worden waren.
Diese Studie und der Begleitband (For Good Measure: Advancing Research on Well-being Metrics Beyond GDP) konzentrieren sich folglich auf eine Reihe ausgewählter Themen, die zum großen Teil zusammenhängen: die Relevanz der Agenda zur Wohlstandsmessung jenseits des BIP für weniger entwickelte Länder; die Verteilung von Einkommen, Verbrauch und Vermögen der privaten Haushalte; horizontale Ungleichheiten zwischen Personen, die dieselben Merkmale aufweisen; Chancenungleichheit; subjektives Wohlbefinden; wirtschaftliche Unsicherheit; Nachhaltigkeit und Vertrauen. Einige dieser Themen wurden im Bericht der Kommission nicht behandelt, rücken aber zunehmend in den Fokus. Dies gilt beispielsweise für die Anfälligkeit – das Risiko, dass eine Volkswirtschaft (oder eine Einzelperson) in eine nicht nachhaltige Situation gerät – und für die Resilienz – die Fähigkeit einer Volkswirtshaft (oder einer Einzelperson), sich von einem negativen Schock zu erholen. Einige dieser Themen sind alt, geben nun jedoch zunehmend Anlass zur Sorge: Ein BIP-Wachstum wie bisher ist angesichts der begrenzten Ressourcen auf unserem Planeten nicht möglich. Die globale Erwärmung und der Klimawandel sind real und hinterlassen bereits Spuren. Wetterschwankungen und höhere Durchschnittstemperaturen haben bereits beträchtliche Auswirkungen auf die Lebensqualität und in naher Zukunft ist mit weiteren Klimafolgen wie dem Anstieg des Meeresspiegels und der Versauerung der Ozeane zu rechnen. Unsere Indikatoren müssen diese Gegebenheiten abbilden.
Die Themen wurden ausgewählt, weil sie wichtig sind und weil entsprechende Messgrößen entwickelt werden könnten. Die Aufzählung der Themen allein zeigt schon, wie vielfältig sie sind und wie sehr sie das Leben der Menschen beeinflussen. Die Tatsache, dass die Standardmessgrößen Veränderungen bei diesen Variablen noch nicht einmal im Ansatz erfassen, erklärt teilweise, weshalb es uns so schwerfällt, unsere Gesellschaft und ihr Verhalten zu verstehen und Strategien zu entwickeln, die das Wohlergehen des Einzelnen und der Gesellschaft verbessern. Einige der in diesem Buch und im Begleitband erörterten Themen sind an der Grenze dessen, was wir mit hinreichender Zuverlässigkeit beurteilen können. Messprobleme sind komplex, doch das ist keine Entschuldigung: Wir entscheiden, was wir messen, und die Wahl unserer Messgrößen spiegelt implizit unser Wertesystem wider. Die Entscheidung, etwas nicht zu messen, auch nicht ansatzweise, hat, wie wir bereits festgestellt haben, Folgen.
Eines der Ziele des Berichts der Kommission zur Messung von wirtschaftlicher Leistung und sozialem Fortschritt bestand darin, aufzuzeigen, wie wichtig Messgrößen für die Politikgestaltung sind. Außerdem sollte ein aktiverer Dialog zwischen der ökonomischen Theorie, der statistischen Praxis und der Wirtschaftspolitik angeregt werden, der die Annahmen, die der statistischen Praxis zugrunde liegen und ihre realen Konsequenzen verdeutlicht. Dies sind auch die Ziele dieses Buchs.
1.6. Die wichtigsten Veränderungen
Im Kommissionsbericht wurde beschrieben, wie sich Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft auf die Wahl und die Angemessenheit unserer Messgrößen auswirken. Bevor der Klimawandel als Problem erkannt wurde, gab es keinen Grund, die CO2-Emissionen einer Volkswirtschaft zu messen. Im Bericht wurde zudem festgestellt, dass der Strukturwandel in der Wirtschaft zu einem verstärkten Einsatz von Imputationen geführt hat – d. h., dass die Statistikämter die Zahlen nicht direkt erheben, sondern indirekt schätzen.
Seit der Veröffentlichung des Kommissionsberichts gab es mehrere Veränderungen, die einen neuen Bericht mit neuen Denkansätzen erforderlich machen. Die Kommission wurde vor der Großen Rezession 2008 eingesetzt. Diese lange und tiefe Rezession lenkte die Aufmerksamkeit natürlich auf die Frage, ob unser Messsystem geeignet ist, um die Folgen eines tiefen Abschwungs zu beurteilen – was in gewisser Weise die ursprüngliche Aufgabe des Systems der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen war. Sie verdeutlichte auch, wie wichtig Messgrößen zur Beurteilung der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit sind, d. h., Indikatoren, die anzeigen, inwieweit eine Volkswirtschaft anfällig gegenüber großen Schocks ist.
1.6.1. Größere wirtschaftliche Unsicherheit und geringeres Vertrauen
Die Große Rezession zog sowohl eine Zunahme der wirtschaftlichen Unsicherheit als auch einen Vertrauensverlust in der Bevölkerung nach sich, insbesondere gegenüber öffentlichen Institutionen (worauf weiter oben bereits eingegangen wurde). Die Kommission hat die zentrale Bedeutung von Unsicherheit und Vertrauen erkannt, aber keine großen Anstrengungen unternommen, um neue Messgrößen vorzuschlagen oder auch nur die konzeptuellen Grundlagen derartiger Messgrößen zu beleuchten. Dabei war klar, dass durch die Nichtberücksichtigung der wirtschaftlichen Unsicherheit einer der gravierendsten negativen Effekte des tiefen Abschwungs ignoriert wurde. Ebenso war klar, dass der Vertrauensschwund in der Bevölkerung gegenüber öffentlichen Institutionen soziale, politische und sogar wirtschaftliche Auswirkungen hatte, die angegangen werden mussten, auch wenn bislang keine allgemein akzeptierten Messgrößen für Vertrauen zur Verfügung standen.
1.6.2. Wachsende Ungleichheiten, globale Erwärmung und Nachhaltigkeit
Die wachsende Besorgnis über die Zunahme der Ungleichheiten und die globale Erwärmung rückte die Bedeutung von Nachhaltigkeit in all ihren Dimensionen noch stärker in den Fokus. Das wiederum führte zu zwei globalen Abkommen: den im September 2015 in New York vereinbarten Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDG), die darauf ausgerichtet sind, Nachhaltigkeit zu gewährleisten und niemanden zurückzulassen, und zum im Dezember 2015 in Paris vereinbarten gemeinsamen Ziel, die globalen Treibhausgasemissionen zu reduzieren, um den Anstieg der globalen Temperatur auf 1,5‑2 Grad zu begrenzen.
Die SDG, die einstimmig von der VN-Generalversammlung angenommen wurden, zeigen, wie effektiv gemeinsam vereinbarte Ziele sind. 15 Jahre zuvor hatten die Länder die Millenniumsentwicklungsziele (MDG) verabschiedet, bei denen es darum ging, die extreme Armut um die Hälfte zu reduzieren und weitere Aspekte des Lebensstandards in den Entwicklungsländern zu verbessern. Die Tatsache, dass die MDG die Aufmerksamkeit auf diese gemeinsam vereinbarten Ziele lenkten, war sicherlich ein Grund dafür, dass die internationale Gemeinschaft einige dieser Ziele erreichte. Der erfolgreichen Umsetzung waren jedoch Grenzen gesetzt: Während die extreme Armut weltweit halbiert wurde, blieb die Armut in Afrika hoch. Die neuen SDG hatten die Funktion, globale Normen festzulegen, die nicht nur für die Entwicklungsländer, sondern auch für die entwickelten Länder gelten.
Es gab ernsthafte Auseinandersetzungen darüber, was in die SDG aufgenommen werden sollte. Die NRO forderten die Aufnahme der Themen, für die sie sich einsetzten, möglicherweise in dem Glauben, dass die dadurch erzeugte Aufmerksamkeit ihren Zielen dienen würde. Daher gab es Versuche, Themen wie Rechtsstaatlichkeit oder auch Landrechte aufzunehmen. Die darauffolgende Agenda 2030 war eine Mischung aus „Zielen“ und „Mitteln zur Erreichung der Ziele“, da die eigentlichen Ziele häufig schwer zu erfassen waren.
Einen breiten Konsens gab es im Hinblick auf die Festlegung eines Ziels zur Reduzierung der Einkommensungleichheit.19 Die MDG hatten, wie bereits festgestellt, die Aufmerksamkeit auf extreme Armut gelenkt, wobei für alle Länder die gleiche Einkommensschwelle herangezogen wurde. Im Lauf der SDG-Verhandlungen entwickelte sich jedoch ein Konsens, nicht nur die Bevölkerung am untersten Ende der Einkommensskala zu berücksichtigen. Einige Teilnehmer zeigten sich besorgt über den Rückgang der Chancengleichheit, andere über das Schrumpfen der Mittelschicht und wieder andere argumentierten, dass die große Kluft zwischen der Einkommensspitze und der übrigen Bevölkerung ein gesellschaftliches Problem darstelle. Dies sind verschiedene Aspekte der Einkommensverteilung. Kein Ungleichheitsmaß kann all diese Aspekte erfassen. Dennoch gab es starke Argumente dafür, eine Messgröße für Einkommensungleichheit aufzunehmen.
Wie Kanbur, Patel und Stiglitz in ihrem Kapitel im Begleitband betonen, hatte die Forderung, die SDG so umfassend wie möglich zu gestalten, einen negativen Effekt: Letztendlich wurden 17 Ziele mit 169 Unterzielen und 232 Indikatoren aufgenommen – zu viele, um noch überschaubar oder politisch umsetzbar zu sein. Es handelte sich also nicht um das eng gefasste Indikatorenset, das die Kommission empfohlen hatte. Dies führte den Autoren zufolge dazu, dass die Länder Ziele auswählen mussten, auf die sie sich in den folgenden Jahren konzentrieren wollten. In den meisten Entwicklungsländern dürfte diese kurze Liste mit ziemlicher Sicherheit Messgrößen für Beschäftigung, Umwelt und den Lebensstandard der Normalbürger enthalten – und nicht nur das BIP. Weiter entwickelte Länder sind ebenfalls mit diesem Problem der Prioritätensetzung konfrontiert. Um ihnen zu helfen, den dringendsten Handlungsbedarf zu ermitteln und eine überschaubare Liste von Prioritäten festzulegen, hat die OECD ein Instrument entwickelt, mit dem beurteilt werden kann, wie weit die Länder von den einzelnen SDG-Unterzielen entfernt sind.20
Selbst wenn eine Liste breit definierter Ziele beschlossen ist, kann die Wahl der jeweiligen Messgrößen einen Unterschied machen, so eine weitere Botschaft der Kommission. Jede Messgröße basiert auf – häufig subtilen – Annahmen darüber, was wichtig ist und was nicht. Die Messung der Einkommensungleichheit wird weiter unten näher erörtert. Hier sei lediglich angemerkt, dass es im Zeitverlauf zu zahlreichen, komplexen Veränderungen in der Struktur der Einkommensverteilung kommen kann. Mit der Zahl der Armen wird lediglich der Anteil der Bevölkerung unterhalb eines bestimmten monetären Schwellenwerts erfasst. Bei einer derartigen Messgröße besteht die Gefahr, dass die Länder den Messwert einfach dadurch verbessern, dass sie das Einkommen der Menschen, die sich knapp unter der Armutsgrenze befinden, über diese Grenze anheben. Im Gegensatz dazu misst die Armutslücke die Tiefe der Armut, d. h. den Betrag, um den das Einkommen angehoben werden müsste, um alle aus der Armut zu befreien. Große Besorgnis herrscht heute über die schrumpfende Mittelschicht, den Rückgang des Medianeinkommens und des Anteils der Bevölkerung mit einem Einkommen nahe der Mitte der Einkommensverteilung, z. B. ½ Punkt über oder unter dem Medianeinkommen. Um diese Aspekte zu erfassen, scheint der Anteil des Einkommens, der auf die mittleren Dezile der Einkommensverteilung entfällt (bzw. die Relation zwischen den Einkommen am 10. oder 1. Perzentil und den Einkommen am 50. Perzentil, die den Abstand zwischen den Reichen und der übrigen Bevölkerung zeigt), besser geeignet. Die SDG stützen sich auf eine Reihe anderer Indikatoren, z. B. den Einkommensanteil, der an die unteren 40 % fließt. Da der Einkommensanteil der Mittelschicht in vielen Ländern vergleichbar ist, gab es auch Stimmen, die sich für die Palma-Verhältniszahl aussprachen – d. h. das Verhältnis zwischen dem Einkommensanteil der obersten 10 % und der unteren 40 %.21
Die SDG sind in erster Linie Absichtserklärungen, sie können jedoch auch als Teil einer expliziten globalen Normensetzung gesehen werden. Wir wollen alle in einer „guten“ Gesellschaft leben. Was genau das bedeutet, weiß niemand so genau. Doch wenn Politikverantwortliche weltweit gemeinsam festlegen, was darunter zu verstehen ist – wie dies bei den SDG der Fall war –, erhalten besorgte Bürger einen Bezugspunkt, auf den sie sich stützen können, um die politischen Entscheidungsträger unter Druck zu setzen, ihre Verpflichtungen einzuhalten.
In der Praxis stehen die SDG heute in mehreren Ländern im Mittelpunkt der Politikagenda,22 insbesondere die prioritären Ziele der jeweiligen Länder, z. B. im Hinblick auf Armut, Ungleichheit und Nachhaltigkeit. Wenn nationale Ziele festgelegt wurden, wollen Länder auch wissen, wie sie abschneiden und ob mehr Ressourcen für bestimmte Bereiche, wie die Verringerung der Ungleichheit oder die Förderung der Nachhaltigkeit, bereitgestellt werden sollten. Die Frage „Wie schneiden wir ab?“ wird teilweise durch unsere Messgrößen beantwortet. Deshalb sind die 232 Indikatoren, die im Rahmen der SDG-Agenda vereinbart wurden, so wichtig. Wie weiter oben bereits festgestellt, heißt das aber natürlich nicht, dass jedes Land ein Dashboard mit 232 Indikatoren verwenden sollte. Es sollte vielmehr eine begrenzte Untergruppe ausgewählt werden, sobald die politischen Prioritäten festgelegt wurden. Im Idealfall würde die Auswahl der Ziele und Unterziele in einem offenen Verfahren erfolgen, um den gesellschaftlichen Werten Rechnung zu tragen. Dies würde zugleich die Demokratie, die Solidarität, das Vertrauen und den sozialen Zusammenhalt stärken.
1.6.3. Veränderung der Wirtschaftsstruktur
Die Notwendigkeit besserer Messgrößen, insbesondere in wirtschaftlicher Hinsicht, hängt teilweise mit dem Strukturwandel in unseren Volkswirtschaften zusammen. Seit Einführung des Systems der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen gab es zahlreiche Veränderungen, die sowohl Auswirkungen auf die Fähigkeit des Systems hatten, seine ursprüngliche Aufgabe zu erfüllen – den Zustand der Marktwirtschaft überwachen –, als auch auf seinen Nutzen als Messgröße des wirtschaftlichen Wohlstands.
Wie wir bereits festgestellt haben, wurde im Kommissionsbericht auf mehrere dieser Veränderungen hingewiesen. Viele wirtschaftliche Tätigkeiten wurden beispielsweise vom Privathaushalt auf den Markt verlagert. Mit zunehmender Erwerbstätigkeit der Frauen wurde die Kinderbetreuung, die früher zu Hause erfolgte, häufiger über den Markt bereitgestellt. Durch diese Zunahme der Marktaktivität wurde das Wachstum der Produktion überzeichnet, da der gleichzeitige Rückgang der von den privaten Haushalten bereitgestellten Leistungen ausgeklammert blieb. Außerdem wird der Wohlstandsbeitrag von Haushaltsgeräten möglicherweise unterschätzt, weil die privaten Haushalte dadurch u. U. mehr Freizeit haben, deren Wert im BIP nicht berücksichtigt wird. In den Vereinigten Staaten erforderte der massive Anstieg der Inhaftierungsquote höhere Ausgaben für den Strafvollzug, die wiederum das BIP-Wachstum steigerten, den gesellschaftlichen Wohlstand aber mit ziemlicher Sicherheit nicht erhöhten. Der Abbau des Wohlfahrtsstaats und der in einigen fortgeschrittenen Ländern vollzogene Übergang von leistungsbezogenen zu beitragsbezogenen Rentensystemen hat nicht nur die Resilienz von Volkswirtschaften verringert und ihre Anfälligkeit gegenüber Schocks erhöht, sondern auch die wirtschaftliche Unsicherheit der Menschen gesteigert, weil dabei Risiken von Unternehmen und Staat auf die Menschen übertragen wurden. Es ist deshalb umso dringlicher, den Faktor Unsicherheit bei der Wohlstandsmessung zu berücksichtigen, wie dies in diesem Buch und ausführlicher auch im Begleitband erörtert wird.
Der Kommissionsbericht verweist auf zwei weitere Faktoren: Obwohl der Wohnungssektor einen immer größeren Teil des BIP ausmacht, basiert der Wert der Wohnungsdienstleistungen großenteils auf Imputationen. Und das ist nicht alles. Bei selbstgenutztem Wohneigentum sind Wohnungsdienstleistungen keine Markttransaktion. Im System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen werden diese Leistungen jedoch als Mietzahlungen von Eigenheimbesitzern an sich selbst verbucht, wobei der Betrag auf der Beobachtung von Mieten für ähnliche Wohnungen basiert. Da Imputationen bei den BIP-Schätzungen immer wichtiger werden, sinkt möglicherweise die Aussagekraft des BIP im Hinblick auf Marktaktivitäten.
Da vom Staat produzierte Waren und Dienstleistungen zum großen Teil nicht auf Märkten verkauft werden, kann ihr Wert nicht auf der Basis von Marktpreisen abgeleitet werden. Stattdessen wird er auf der Basis der Vorleistungskosten gemessen, die in der Praxis normalerweise auf den Faktor Arbeit begrenzt sind. Je nachdem, welche Methode zur Messung von Preis und Volumen herangezogen wurde, besteht bei diesem Ansatz die Gefahr, dass das BIP-Wachstum unterschätzt wird, wenn der Staat bei der Erbringung dieser Leistungen effizienter wird. Wenn eine Messgröße für den Arbeitseinsatz herangezogen wird, um Preis- und Volumenänderungen zu schätzen, haben Effizienzgewinne ein niedrigeres Produktionsvolumen und eine geringere Wertschöpfung zur Folge, wodurch das BIP-Wachstum unterzeichnet wird. Mehrere Länder nutzen heute Output-Indikatoren, um das Volumen der staatlichen Nichtmarktproduktion zu messen (z. B. staatliche Gesundheits- und Bildungsleistungen)23, die meisten Länder stützen sich bei der Volumenmessung der staatlichen Produktion jedoch weiterhin auf den Arbeitseinsatz. Da die Größe des Sektors Staat zunimmt, werden die BIP-Messwerte dadurch u. U. nach unten verzerrt.
1.6.4. Digitalisierung der Wirtschaft
Eine Veränderung in der Struktur unserer Wirtschaft, die in den letzten zehn Jahren besonders offenkundig war, im Kommissionsbericht jedoch nicht erörtert wurde, ist die zunehmende Bedeutung der digitalen Wirtschaft. Google, Facebook und andere Digitalunternehmen scheinen zu den innovativsten Unternehmen der Welt zu gehören und ihre Aktienkurse sind stark gestiegen. Andere Unternehmen verzeichnen große Effizienzgewinne durch den Einsatz digitaler Technologien und Algorithmen. Der Erfolg dieser Unternehmen hat viele zu der Schlussfolgerung veranlasst, dass wir in einem „innovativen Zeitalter“ leben. Aggregierte Daten über dieses „innovative Zeitalter“ deuten jedoch darauf hin, dass die in den letzten 20‑30 Jahren in vielen fortgeschrittenen Volkswirtschaften verzeichnete längerfristige Verlangsamung des Produktivitätswachstums anhält (Abbildung 1.2). Wie lässt sich erklären, dass dieses sogenannte Zeitalter beispielloser Innovation mit einem langsamen Produktivitätswachstum einhergeht? Gordon (2016) ist der Auffassung, dass wir heute gar nicht in einem besonders innovativen Zeitalter leben, und verweist darauf, dass die Erfindung der Elektrizität viel weitreichendere Effekte auf unsere Wirtschaft und Gesellschaft hatte als das Internet. Man könnte in der Tat argumentieren, dass die Gewinne dieser Internetgiganten, die vor allem auf Werbeeinnahmen basieren, zum großen Teil lediglich auf einen Verlagerungseffekt zurückzuführen sind (weg von traditionellen Medien), der sicherlich nur einen minimalen Nettoeffekt auf den gesellschaftlichen Wohlstand hat. Andere vertreten die Ansicht, dass sich das Tempo des technischen Fortschritts nicht verlangsamt hat, dass die Einführung der Technologien aber Veränderungen in den Organisationsstrukturen und Geschäftsmodellen erfordert. Deshalb bleibe das Produktivitätswachstum hinter den Innovationen zurück (Brynjolfsson und Mac Afee, 2011; Baily, Manyika und Gupta, 2013).
Manche weisen auch darauf hin, dass unsere BIP-Messgrößen den Wert der neuen Technologien unterschätzen, weil einige der wichtigsten darauf basierenden Dienstleistungen kostenlos angeboten werden. Googles Suchmaschine beispielsweise hat einen großen gesellschaftlichen Nutzen. Da sie kostenlos ist, fließt der Wert dieser Dienstleistungen jedoch nicht direkt ins BIP ein (die Werbeeinnahmen werden allerdings berücksichtigt). Es gibt natürlich gute Gründe dafür, den Wert dieser Dienstleistungen nicht direkt im BIP zu berücksichtigen (Ahmad und Schreyer, 2016). Da die Suche kostenlos angeboten wird, ist ihr marginaler Wert null. Unser System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen bewertet Waren zu ihrem marginalen Wert (der Wert der letzten angebotenen Einheit), sodass der „Konsumentenrente“ nicht Rechnung getragen wird. Der Wert aller bis zur letzten Einheit konsumierten Einheiten wird also nicht berücksichtigt. Es gibt noch andere Aspekte neuer Technologien, die einen hohen Wert haben dürften, wie beispielsweise die Vernetzung durch die sozialen Medien, und im BIP ebenfalls nicht erfasst sind.
Andererseits verweisen Kritiker auf einige weniger positive soziale Auswirkungen der Digitalisierung, wie beispielsweise die gesellschaftliche Polarisierung und eine sinkende Aufmerksamkeitsspanne. Außerdem werden dank der neuen Technologien zwar wertvolle Dienstleistungen angeboten, dafür geht aber das Angebot anderer wertvoller Dienstleistungen zurück. Ein Beispiel hierfür ist der Bereich der Printmedien. Die Verbraucher haben sich längst an kostenlose Zeitungen, investigative Berichte und Fernsehprogramme gewöhnt, die durch Werbeeinnahmen finanziert werden. Aktuelle Schätzungen deuten darauf hin, dass die Auswirkungen dieser „Ausklammerung“ zumindest derzeit nicht signifikant sind und die in diesem „innovativen Zeitalter“ verzeichnete Verlangsamung des Produktivitätswachstums nicht erklären können (Ahmad, Ribarsky und Reinsdorf, 2017), da sie maximal 0,1 % des jährlichen BIP-Wachstums der Vereinigten Staaten ausmachen.24 Bei den Preisen ist die Wahrscheinlichkeit von mit der Digitalisierung zusammenhängenden Messfehlern höher, insbesondere im Zusammenhang mit Dienstleistungen und neuen Technologien, die mit raschen Qualitätsveränderungen einhergehen. Aber selbst hier wird der Effekt auf das reale BIP-Wachstum und die Messung der Verbraucherpreisinflation auf maximal 0,2 Prozentpunkte pro Jahr geschätzt (Schreyer und Reinsdorf, 2018).
1.7. Fortschritte bei der Datenverfügbarkeit
Wie wir gesehen haben, gibt es viele wirtschaftliche Veränderungen, die Anpassungen bei den Messgrößen erforderlich machen. Die Entwicklung dieser neuen Messgrößen wird durch die Verfügbarkeit neuer Datensätze und technologische Fortschritte, die es ermöglichen, große Datenmengen schnell zu verarbeiten und zu analysieren und verschiedene Datensätze zu verknüpfen, maßgeblich erleichtert. Darauf wird in diesem Buch mehrfach und im Begleitband noch häufiger eingegangen. Man könnte beispielsweise Indikatoren für das Einkommen der Superreichen von Steuererklärungen ableiten und die gesamte Einkommensverteilung durch die Fusion verschiedener administrativer Datensätze (z. B. Steuern und Sozialversicherung) besser erfassen. Die HLEG beschäftigte sich u. a. mit der Aufnahme von Verteilungsdaten in die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (Distributional National Accounts – DINA, vgl. Kapitel 6 im Begleitband). Sie befasste sich jedoch nicht mit Themen wie der Nutzung des Potenzials von Big Data, beispielsweise durch Web- Scraping, oder der Nutzung von Geodaten zur Erstellung von Indikatoren, was manchmal in Echtzeit geschieht. Dieses Thema wird in Zukunft wahrscheinlich immer wichtiger werden. Dabei ist allerdings Vorsicht geboten, da sichergestellt werden muss, dass diese Daten die geltenden Qualitätskriterien erfüllen. Sie müssen beispielsweise repräsentativ für die gesamte Bevölkerung sein.
1.8. Politikimplikationen der Wohlstandsmessung jenseits des BIP
Wie bereits festgestellt, zielten die Bemühungen, „über das BIP hinauszugehen“, insbesondere auf eine bessere Politikgestaltung ab: Die Wahl der Messgröße hat Auswirkungen auf unser Handeln. Wenn wichtige Phänomene nicht gemessen werden, wird vielleicht auch ein eventueller Handlungsbedarf nicht erkannt. Verzerrte Messgrößen können aber noch schlimmer sein. Wenn die wirtschaftlichen Messgrößen die Umweltzerstörung ausklammern, können wir beispielsweise nicht feststellen, ob sich der Wohlstand eines Landes durch einen Ausbau der Kohleverstromung insgesamt erhöht. Die Eigentümer von Kohlebergwerken könnten argumentieren, dass die Schließung von Bergwerken im Namen des Umweltschutzes auf Kosten des BIP geht. In Wirklichkeit würde der Wohlstand bei korrekter Messung dadurch jedoch insgesamt steigen, da der BIP-Rückgang durch den ökologischen Nutzen sauberer Luft und einer Abschwächung des Klimawandels mehr als ausgeglichen wird. Ebenso könnte ein Entwicklungsland einem ausländischen Unternehmen gestatten, in seinem Hoheitsgebiet eine Goldmine zu betreiben, weil dadurch das BIP steigt. Wenn allerdings die Auswirkungen der Mine auf die Lebensqualität der Bewohner des Landes angemessen berücksichtigt würden, ergäbe sich ein anderes Bild. In einigen (aber bei Weitem nicht allen) Ländern werden im Rahmen des Systems der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen bessere Messgrößen als das BIP bereitgestellt, die bessere Entscheidungen ermöglichen würden, so z. B. das Sozialprodukt und das Nationaleinkommen, manchmal abzüglich der Abschreibung der in der Produktion genutzten Investitionsgüter. Diese Indikatoren werden von den Entscheidungsträgern jedoch nicht routinemäßig genutzt.
Manche argumentieren, dass sich durch die Privatisierung der Sozialversicherung aufgrund der Effizienzsteigerungen und der damit verbundenen geringeren Kosten für die Haushalte das BIP erhöht. Eine korrekte Berücksichtigung des Werts der Sozialversicherung könnte jedoch auch zeigen, dass der Privatsektor diese Dienstleistungen weniger effizient erbringt als der Staat, selbst wenn der Privatsektor Gewinne erwirtschaftet, und dass sich durch die Privatisierung die wirtschaftliche Unsicherheit der Menschen erhöht.
Besonders deutlich werden die Folgen verzerrter Messgrößen an folgendem Beispiel, das später noch genauer behandelt wird: Da das BIP nicht alle negativen Effekte eines Konjunkturabschwungs auf die Lebensqualität erfasst, sind die politischen Entscheidungsträger möglicherweise weniger energisch gegen die Rezession vorgegangen, als es der Fall gewesen wäre, wenn sie über zusätzliche oder bessere Messgrößen verfügt hätten.
1.9. Schlussbemerkungen
Der Kommissionsbericht, der unter dem englischen Titel Mismeasuring Our Lives: Why GDP Doesn’t Add Up (Stiglitz et al., 2009) veröffentlicht wurde,25 zog nicht nur wichtige Arbeiten von nationalen Statistikbehörden und Wissenschaftlern nach sich, sondern gab auch den Anstoß zu einer globalen Bewegung. Diese Bewegung findet ihren Niederschlag in Parlamentsausschüssen und Statistikinitiativen, bei denen die Zivilgesellschaft eingebunden wird, sowie darin, dass Zentralregierungen und nachgeordnete Gebietskörperschaften bei politischen Entscheidungen verstärkt Messgrößen „jenseits des BIP“ heranziehen. Einer der Höhepunkte dieser globalen Bewegung auf internationaler Ebene ist das regelmäßig stattfindende OECD-Weltforum „Statistik, Wissen und Politik“, das Vertreter der Zivilgesellschaft, der Wissenschaft, der nationalen Statistikbehörden und der Regierungen zusammenbringt, um die Agenda zur Wohlstandsmessung jenseits des BIP voranzutreiben. Die bisherigen Konferenzen fanden in Palermo (2004), Istanbul (2007), Busan (2009), Neu-Delhi (2012), Guadalajara (2015) und Incheon (wo wir 2018 dieses Buch vorstellten) statt. Die Teilnehmerzahl erhöhte sich mit jeder Konferenz.
Eine wesentliche Veränderung seit Veröffentlichung des Kommissionsberichts besteht darin, dass sich die Öffentlichkeit zunehmend der Tatsache bewusst ist, dass Messgrößen für den gesellschaftlichen Wohlstand im weiteren Sinne erforderlich sind und dass eine Politik, die nur darauf abzielt, das BIP zu steigern, verfehlt sein kann.
Es gibt mehrere Gründe für dieses zunehmende Interesse. Umweltschützer waren besorgt, dass Umweltbelange durch eine Fokussierung auf das BIP nicht angemessen berücksichtigt werden. Und das aus gutem Grund: Bei der derzeitigen BIP-Messung werden die Erschöpfung der Ressourcen und die Umweltzerstörung ausgeklammert. Eine Erfahrung, die Stiglitz als Mitglied des Council of Economic Advisers unter Präsident Clinton machte, ist diesbezüglich aufschlussreich. Gemeinsam mit dem Handelsminister setzte er sich dafür ein, das konventionelle BIP zu einem „grünen BIP“ zu erweitern, das die Erschöpfung der Ressourcen und die Umweltzerstörung berücksichtigt. Eine höhere Kohleproduktion kann das konventionell berechnete BIP steigern. Dabei wird aber den negativen Effekten der zunehmenden Luftverschmutzung auf die Gesundheit, den Klimawandel oder die Umwelt vor Ort nicht Rechnung getragen. Es ist nicht überraschend, dass die Kohlelobby zurückschlug und der Kongress drohte, die Finanzmittel der zuständigen Bundesbehörden zu kürzen, falls sie an der Entwicklung dieser Messgrößen festhielten. Diese Reaktionen machten deutlich, dass die Kohleindustrie selbst davon ausging, dass die Wahl der Messgrößen Auswirkungen auf das staatliche Handeln hat. Wenn ein Land die Umweltzerstörung misst, wird es mit größerer Wahrscheinlichkeit dagegen vorgehen. Und genau das wollten die Politiker aus den Kohlestaaten verhindern.
Das Gleiche gilt für andere Bereiche. Diejenigen, die wegen des Klimawandels besorgt waren, bemängelten das Fehlen von Messgrößen für Nachhaltigkeit und Resilienz. Sie argumentierten, dass diesen Schlüsselmerkmalen eines guten Wirtschaftssystems ohne entsprechende Messgrößen zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Diejenigen, die für ein aktiveres staatliches Handeln eintraten – in manchen Fällen in Form höherer Staatsausgaben –, sprachen sich ebenfalls für eine Änderung der Messmethoden aus. Wie das nächste Kapitel verdeutlicht, werden die Kosten einer Rezession vom BIP nicht vollständig erfasst. Wenn diese Kosten unterzeichnet werden, sind energische Gegenmaßnahmen weniger wahrscheinlich. Und eine einseitige Fokussierung auf die staatlichen Verbindlichkeiten – ohne Berücksichtigung der Aktiva – hat in einer Rezession eine unzureichende staatliche Kreditaufnahme zur Folge.
Diejenigen, denen die soziale Ungerechtigkeit sowie die Ergebnis- und Chancenungleichheit Sorge bereiteten, kritisierten, dass durch die Fokussierung auf das BIP die Frage vernachlässigt wird, „wie der Kuchen verteilt wird“. Länder, in denen das BIP zunahm, es den meisten Menschen aber nicht gut ging, erhielten dadurch eine genauso gute Note wie Länder, in denen breite Teile der Bevölkerung vom BIP-Wachstum profitierten. Das hätte aber nicht so sein sollen.
Aus all diesen Gründen wurde eine Vielzahl von Messinitiativen eingeleitet, sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Anlässlich der Präsentation des Kommissionsberichts im Jahr 2009 forderte Präsident Sarkozy das französische Statistikamt Insee auf, die Umsetzung der Kommissionsempfehlungen auf nationaler Ebene sicherzustellen. Die OECD sollte die Umsetzung auf internationaler Ebene gewährleisten. Zudem kündigte er an, dass die französische Regierung die Aufmerksamkeit der gesamten internationalen Gemeinschaft auf die Argumente der Kommission lenken werde.26 Die Reaktion der statistischen Fachwelt ging über unsere Erwartungen hinaus, was erklärt, weshalb der HLEG mehrere Vertreter von Statistikämtern angehören. Diese Statistikinitiativen (die im Anhang näher beschrieben werden) verfolgten zwei Ziele. Einerseits sollten die bestehenden Statistiken (z. B. Statistiken über den Lebensstandard der privaten Haushalte, Ungleichheiten und Umweltbelastungen) besser genutzt werden. Dazu sollten sie in Dashboards gebündelt werden, die ein umfassendes Bild des gegenwärtigen Wohlstands und seiner Nachhaltigkeit liefern. Andererseits ging es darum, die Grundlagen für neue und bessere Statistiken zu den vielen, für Menschen und Gemeinwesen wichtigen Aspekten zu schaffen, die von den offiziellen Statistiken noch nicht angemessen erfasst werden. In beiden Bereichen sind Fortschritte erforderlich, um das Ziel der Kommission umzusetzen, den Fokus des Statistiksystems von der Messung des Volumens der Wirtschaftsproduktion auf die Erfassung der Lebensbedingungen der Menschen im „hier und jetzt“ zu verlagern, um deren Nachhaltigkeit zu sichern.
Die Reaktion auf den Kommissionsbericht ging über die Entwicklung neuer Messgrößen hinaus. Es wurden auch Möglichkeiten aufgezeigt, diese Messgrößen systematisch direkt im Politikprozess zu nutzen. Wie in Kapitel 4 deutlich wird, ist ein Dashboard mit Indikatoren für Lebensqualität in manchen Fällen nicht ausreichend. Es sind vielmehr institutionelle Instrumente erforderlich, um die staatlichen Stellen zu zwingen, diese Indikatoren zu berücksichtigen. Außerdem muss das Schubladendenken überwunden werden, das dazu führt, dass jede Behörde ihr eigenes eng gefasstes Ziel verfolgt, ohne darauf zu achten, wie sich ihr Handeln auf die von anderen Ministerien verfolgten Ziele auswirkt. Dadurch werden unbeabsichtigte negative Effekte erst im Nachhinein erkannt. In einigen Ländern (z. B. Frankreich und Italien) forderten die für den Haushalt zuständigen nationalen Parlamente bessere Messgrößen, weil sie besorgt waren, dass unzureichende Messkonzepte zu falschen Mittelzuweisungen führen könnten. In anderen Ländern (z. B. Neuseeland) ergriffen die Finanzministerien die Initiative und entwickelten umfassende Rahmenkonzepte zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeit, Ungleichheiten und Risiken, auf die sich die Beamten bei der Gestaltung von Politikreformen oder der Beratung anderer Ministerien stützen können. In wieder anderen Ländern greift die Politik vor allem auf Messgrößen für Lebensqualität zurück, um Prioritäten und Maßnahmen ressort- und ebenenübergreifend abzustimmen (Schottland) und die zur Erreichung bestimmter Ziele am besten geeigneten Methoden zu ermitteln (Vereinigtes Königreich). Dabei werden die Initiativen verschiedener staatlicher Stellen und Akteure genutzt, um die auf höherer Ebene festgelegten Ziele zu erreichen.
All diese Initiativen, die in Kapitel 4 näher beschrieben werden, wurden erst vor relativ kurzer Zeit ergriffen. Sie haben das gleiche Ziel: gesellschaftliche Aspekte, die derzeit von den politisch Verantwortlichen nicht die Aufmerksamkeit erhalten, die ihnen gebührt, in der politischen Praxis zu verankern. Es ist zu hoffen, dass die Diskussion über Messkonzepte ein größeres demokratisches Engagement bei den zentralen Fragen zur Folge hat, mit denen alle Gesellschaften konfrontiert sind: Was ist uns wichtig? Was sollten wir messen? Was sollten wir stärker beachten?
Anmerkungen
← 1. Rede an der University of Kansas vom 18. März 1968.
← 2. Das von diesen frühen BIP-Schätzungen vermittelte Bild des Wirtschaftsgeschehens war ein Schock für die Beobachter, denen bis zu diesem Zeitpunkt nur partielle Daten über Produktion, Beschäftigung und Umsatz für die verschiedenen Sektoren und Regionen zur Verfügung standen: In den Vereinigten Staaten ging das Nettoeinkommen der Bürger in diesem Dreijahreszeitraum (1929-1932) um 40 % zurück (US-Kongress, 1934).
← 3. Von Paul Samuelson stammt der berühmte Witz: „Was passiert, wenn ein Professor seine Haushälterin heiratet? Das BIP sinkt“.
← 4. Im selben Artikel stellte Simon Kuznets fest, dass niemand eine Beschleunigung der Wachstumsrate begrüßen würde, die in erster Linie auf einen deutlichen Anstieg der Verteidigungsausgaben zurückzuführen ist. Er argumentierte, dass Anstrengungen erforderlich seien, um einen Konsens über die erwünschten Komponenten des Wirtschaftswachstums herbeizuführen, wobei Anstößiges, Belangloses und Gefährliches auszuschließen sei. Außerdem müsse dieser Konsens auf die sich verändernden Bedingungen abgestimmt werden (Kuznets, 1962).
← 5. Rede an der Sorbonne in Paris, 14. September 2009, anlässlich der Veröffentlichung des Kommissionsberichts.
← 6. Am 15. Oktober 2007 beurteilte Ben Bernanke (Vorsitzender der Federal Reserve von 2006 bis 2014) in seiner Rede „The Recent Financial Turmoil and its Economic and Financial Consequences” im Economic Club in New York die Lage folgendermaßen: „Das Finanzsystem ist der Entwicklung der letzten Monate mit starken Kapitalpositionen und einer robusten Infrastruktur entgegengetreten. Der Bankensektor ist gesund. Die Hedgefonds scheinen sich trotz einiger bemerkenswerter Insolvenzen insgesamt gut zu behaupten und ihre Kontrahenten haben bisher keine hohen Verluste erlitten. Die Verrechnungs- und Abwicklungsinfrastruktur hat trotz der in einigen Fällen extrem hohen Handelsvolumen generell gut funktioniert. Die Anspannung an den Märkten war jedoch groß […] und stellte Risiken für die Wirtschaft insgesamt dar” (www.federalreserve.gov/newsevents/ speech/bernanke20071015a.htm). Im August 2008 beurteilte Olivier Blanchard – der sein Mandat als Chefökonom des IWF im darauffolgenden Monat antreten sollte – in einer Studie den Zustand der Volkswirtschaftslehre mit den Worten „The state of macro is good“ (Blanchard, 2009). Diese Aussage fiel genau in die Zeit, in der der gesamte Berufsstand der Ökonomen nicht in der Lage war, das wichtigste makroökonomische Ereignis seit einem Dreivierteljahrhundert vorherzusehen, weil das vorherrschende DSGE-Modell (dynamisch-stochastisches allgemeines Gleichgewichtsmodell) besagte, dass eine Krise mit derartigen Merkmalen und einem solchen Ausmaß nicht eintreten kann oder wird. Die Ökonomen waren nicht in der Lage, einen analytischen Rahmen zur Bewältigung der Krise zu entwickeln oder wichtige politische Fragen zu beantworten. Es handelte sich um eine Finanzkrise. Im traditionellen DSGE-Modell wurden Faktoren wie das Bankensystem, das Finanzsystem, Kreditrationierung und Liquidität jedoch nicht ausreichend berücksichtigt. Und was wohl noch wichtiger ist: Nachdem die Tiefe und das Ausmaß der Krise offenkundig geworden waren, stellte Bernanke in einer Publikation fest, dass die zugrunde liegenden Modelle gar nicht fehlerhaft seien, sondern nur falsch angewendet worden waren (Lectures at Princeton University, Bernanke, 2014).
← 7. Vortrag von Alan Greenspan im Economic Club von New York am 20. Mai 2005. Greenspan stellte außerdem fest: „Ich würde die Situation auf nationaler Ebene nicht als Blase bezeichnen. Es ist allerdings klar, dass das zugrunde liegende Muster nicht nachhaltig ist und dass es landesweit viele lokale Blasen gibt” (www.federalreserve.gov/boarddocs/speeches/2005/200505202/default. htm).
← 8. Die G20 erkannte im Rahmen der G20 Data Gaps Initiative, die vom IWF und dem Finanzstabilitätsrat geleitet und von mehreren internationalen Organisationen umgesetzt wird, die Notwendigkeit, Bilanzdaten zu den institutionellen Sektoren zu erheben. Die G20 Data Gaps Initiative umfasst 23 Empfehlungen. Empfehlung II.8 (zu Sektorkonten, einschließlich Daten zum „woher und wohin“, d. h. zu den Finanzbeziehungen nach Ursprungs- und Bestimmungssektor) und Empfehlung II.9 (zur Berücksichtigung von Informationen über die Verteilung in den Haushaltskonten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung) werden unter der Federführung der OECD umgesetzt.
← 9. Das Bureau of Economic Analysis hatte das BIP-Wachstum in den USA für das dritte und vierte Quartal 2009 ursprünglich auf -0,5 % geschätzt (tatsächliche Wachstumsrate). Dieser Wert wurde drei Jahre später (schrittweise) auf -1,6 % nach unten revidiert. Die endgültige Schätzung des durchschnittlichen BIP-Wachstums für diese beiden Quartale lag bei -1,3 %.
← 10. Im Euroraum stieg das Pro-Kopf-BIP von 2009 bis 2012 um insgesamt 0,7 %, während das verfügbare Haushaltseinkommen pro Kopf im gleichen Zeitraum um 0,7 % zurückging, was einen Abstand von 1,8 Punkten bedeutet. In den von der Großen Rezession am stärksten betroffenen Ländern war der Abstand größer (in Spanien z. B. schrumpfte das reale BIP im gleichen Zeitraum um 1,6 %, während das Haushaltseinkommen um 3,6 % zurückging). In einigen OECD-Ländern hatte dieser Abstand allerdings ein umgekehrtes Vorzeichen – in den Vereinigten Staaten etwa überstieg das Wachstum der realen Haushaltseinkommen (1,5 %) knapp das Wachstum des realen BIP (1,3 %).
← 11. Die Übertragung geistiger Eigentumswerte innerhalb multinationaler Unternehmen wurde durch Irlands günstiges Steuersystem maßgeblich gefördert.
← 12. Es gab noch viele andere Faktoren, die zum wachsenden Vertrauensverlust beigetragen haben. Überzeugende Studien zum relativen Anteil dieser Faktoren liegen unseres Wissens bislang nicht vor. Viele Kommentatoren verweisen beispielsweise auf die fehlende Rechenschaftspflicht der Banker. Sie wurden als die Verursacher der Krise betrachtet. Die staatlichen Rettungsaktionen konzentrierten sich jedoch auf die Banken, statt denjenigen zu helfen, die Opfer der missbräuchlichen Kreditvergabe waren. Man hatte den Eindruck, dass die Entscheidungen über die Reaktion auf die Krise häufig von denen getroffen wurden, die die Krise herbeigeführt hatten. Dies verstärkte das Gefühl, dass die Bevölkerung kaum Einfluss auf das Regierungshandeln hat: Im OECD-Durchschnitt ist nur ein Drittel der Menschen der Auffassung, dass sie das Handeln ihrer Regierung beeinflussen können (OECD, 2017b, S. 183). Wegen einer ausführlicheren Auseinandersetzung mit dem Vertrauensverlust, vgl. Kapitel 10 von Yann Algan im Begleitband und Kapitel 3 in diesem Bericht.
← 13. Eine der zentralen Aufgaben der Kommission bestand darin sicherzustellen, dass unsere Messgrößen die Aufmerksamkeit auf die Aspekte lenken, die für das Leben von Normalbürgern wirklich wichtig sind.
← 14. Die Mitglieder der Kommission waren Bina Agarwal, University of Delhi; Kenneth J. Arrow, Stanford University; Anthony B. Atkinson, Nuffield College, Oxford; François Bourguignon, Paris School of Economics; Jean-Philippe Cotis, Insee; Angus S. Deaton, Princeton University; Kemal Dervis, UNPD ; Marc Fleurbaey, Université Paris 5; Nancy Folbre, University of Massachusetts; Jean Gadrey, Université de Lille; Enrico Giovannini, OECD; Roger Guesnerie, Collège de France, Paris; James J. Heckman, Chicago University; Geoffrey Heal, Columbia University; Claude Henry, Sciences-Po/Columbia University; Daniel Kahneman, Princeton University; Alan B. Krueger, Princeton University; Andrew J. Oswald, University of Warwick; Robert D. Putnam, Harvard University; Nick Stern, London School of Economics; Cass Sunstein, University of Chicago und Philippe Weil, Sciences-Po, Paris.
← 15. Dabei wird unterstellt, dass es auch für künftige Produkte vollständige Märkte gibt.
← 16. Abramovitz (1959) stellte fest, dass Ökonomen seit Pigou generell zwischen Wohlstand im weiteren Sinne und wirtschaftlichem Wohlstand im engeren Sinne unterscheiden, wobei das Sozialprodukt als das objektive und messbare Gegenstück zum wirtschaftlichen Wohlstand betrachtet wird. Und Easterlin (1974) wies darauf hin, dass Arthur Pigou als Erster die Auffassung vertrat, dass Veränderungen des wirtschaftlichen Wohlstands auf Veränderungen des Wohlstands im weiteren Sinne in die gleiche Richtung, wenn nicht im gleichen Ausmaß schließen lassen.
← 19. In seiner letzten Rede zur Lage der Nation im Jahr 2016 beschrieb Präsident Obama die zunehmende Einkommensungleichheit als die „entscheidende Herausforderung unserer Zeit” (www. nytimes.com/2016/01/13/us/politics/obama-2016-sotu-transcript.html).
← 21. Vgl. Doyle und Stiglitz (2014). In gekürzter Fassung nachgedruckt in Ministers Reference Book Commonwealth 2015, London: Henley Media Group, S. 86-88.
← 22. Vgl. beispielsweise die Nationale Entwicklungsstrategie Sloweniens: www.vlada.si/en/projects/ slovenian_development_strategy_2030/.
← 23. In Europa haben mehrere Statistikämter Schritte unternommen, um „qualitative Veränderungen“ bei der Volumenmessung verschiedener staatlicher Leistungen zu berücksichtigen (Eurostat, 2016).
← 24. Diese Arbeiten werden gemeinsam von der OECD und dem IWF durchgeführt.
← 25. Der Bericht ist auch auf Französisch, unter dem Titel Richesse des nations et bien-être des individus, bei Odile Jacob, auf Chinesisch (gekürzte Fassung) bei Xinhua, auf Italienisch bei Etas, auf Koreanisch bei Dongnyok und auf Spanisch bei RBA erschienen.
← 26. Im Anschluss an die französische Initiative veröffentlichten die Staats- und Regierungschefs der G20 in Pittsburgh (November 2009) und Toronto (Juni 2010) eine Erklärung, in der die Entwicklung von Messmethoden gefordert wurde, die den sozialen und ökologischen Dimensionen der wirtschaftlichen Entwicklung besser Rechnung tragen. In Europa veröffentlichte die EU-Kommission 2009 eine Mitteilung an den Europäischen Rat und das Europäische Parlament mit dem Titel „Das BIP und mehr: Die Messung des Fortschritts in einer Welt im Wandel“, in der auf den Kommissionsbericht verwiesen wird. In dieser Mitteilung werden fünf konkrete Maßnahmen vorgeschlagen: 1. Ergänzung des BIP durch ökologische und soziale Indikatoren, 2. Informationen in Beinahe-Echtzeit für die Entscheidungsfindung, 3. genauere Berichterstattung über Verteilung und Ungleichheiten, 4. Entwicklung eines europäischen Anzeigers für nachhaltige Entwicklung und 5. Einbeziehung von ökologischen und sozialen Anliegen in die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen.