Die Metropolregion Hamburg (MRH) ist mit etwa 8% der Landesfläche die zweitgrößte Metropolregion in Deutschland. Der erste OECD-Bericht zur Regionalentwicklung, der sich mit Deutschland befasst, untersucht die MRH unter dem Blickwinkel ihrer Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit sowie einer nachhaltigen Stadt- und Regionalentwicklung.
OECD-Berichte zur Regionalentwicklung: Metropolregion Hamburg, Deutschland
Abstract
Executive Summary
Kernpunkte
Die Metropolregion Hamburg (MRH), die knapp 5,4 Millionen Einwohner zählt, umfasst heterogene städtische und ländliche Räume in vier Bundesländern (die Freie und Hansestadt Hamburg sowie Teile der drei angrenzenden Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein). Die Geschäftsstelle der Metropolregion Hamburg hat die Funktion einer Koordinierungsstelle, die den Dialog fördern soll, verfügt jedoch nicht über eigene Kompetenzen.
In der MRH, in der sich Deutschlands größter Seehafen befindet, haben sich leistungsstarke Cluster in verschiedenen Wirtschaftszweigen entwickelt, von den traditionell führenden Branchen maritime Wirtschaft, Logistik und Hafenwirtschaft bis hin zu Luftfahrt, erneuerbare Energien und Lebenswissenschaften. Die MRH hat insgesamt eine starke Wirtschaft. Beim Wachstum des Pro-Kopf-BIP ist sie im Zeitraum 2005-2015 jedoch hinter allen anderen deutschen Metropolregionen – und vor allem den süddeutschen Metropolregionen – zurückgefallen.
Die Arbeitsproduktivität in der MRH ist gemessen am Durchschnitt vergleichbarer Metropolregionen des OECD-Raums eher gering (sie entspricht dem Niveau von Vancouver in Kanada, ist aber geringer als in der Metropolregion Mailand). Zurückzuführen ist dies u.a. auf ein vergleichsweise niedriges Kompetenzangebot und eine geringe Innovationskapazität. Die Unternehmen haben mit Fachkräftemangel zu kämpfen. Zudem wird das Wachstumspotenzial der Region durch fehlende Koordination bei der Clusterentwicklung beeinträchtigt.
Die MRH ist gut positioniert, um die Chancen der Digitalisierung voll auszuschöpfen. Dennoch besteht zwischen den städtischen und den ländlichen Räumen nach wie vor eine digitale Kluft, u.a. in Bezug auf Konnektivität und Breitbandversorgung. Um die Verkehrsbelastung in den städtischen Räumen zu verringern und die Mobilität in entlegeneren Gebieten zu verbessern, investiert die MRH in Intelligente Verkehrssysteme (ITS).
Trotz einer erfolgreichen regionalen Zusammenarbeit im Bereich Verkehr, vor allem über den Hamburger Verkehrsverbund (HVV), bestehen innerhalb der MRH nach wie vor beträchtliche Unterschiede bei der öffentlichen Verkehrsanbindung, insbesondere zwischen städtischen und ländlichen Räumen. Dies schafft Herausforderungen im Hinblick auf die wirtschaftliche Integration und den territorialen Zusammenhalt.
Fragmentierte Raumplanungsstrukturen tragen zu anhaltenden Ungleichgewichten zwischen Angebot und Nachfrage am Wohnungsmarkt bei. Die Wohnimmobilienpreise und Mieten in Hamburg zählten 2016 zu den höchsten in Deutschland und sie steigen weiter, auch im unmittelbaren Umland. Einige Kommunen im breiteren zweiten Ring der MRH, d.h. in den nicht direkt an die Kernstadt Hamburg angrenzenden Kreisen, sehen sich dagegen mit einem Bevölkerungsrückgang und höheren Leerständen konfrontiert.
Angesichts ihrer Küstenlage, ihres großen Potenzials für die Windkrafterzeugung und ihrer wettbewerbsstarken Unternehmen im Bereich erneuerbare Energien hat die MRH das Potenzial, zu einem globalen Marktführer in diesem Bereich zu werden. Dieses Potenzial sollte besser genutzt werden, u.a. im Rahmen der Initiative Norddeutsche Energiewende (NEW 4.0). Dies gilt besonders vor dem Hintergrund weiterer Investitionen in die Übertragungsnetzinfrastruktur auf Bundesebene.
Die Region bietet vielfältige Kultur-, Natur- und Freizeitstätten. Da es jedoch an einer gemeinsamen Markenstrategie fehlt, wird dieses Potenzial nach wie vor nicht voll ausgeschöpft. Zudem gibt es kein koordiniertes Tourismusangebot für die Region.
Zentrale Empfehlungen
Die Zusammenarbeit über Kommunal-, Länder- und Staatsgrenzen hinweg ausbauen – insbesondere mit Skandinavien –, um das internationale Profil der MRH zu stärken: Allem voran gilt es, in größeren Kategorien, d.h. über Kommunal-, Länder- und auch Staatsgrenzen hinaus zu denken (think big), um die in einem internationalen Kontext erforderliche kritische Masse zu erreichen und den langfristigen Nutzen für die gesamte Region zu maximieren.
Eine integrierte regionale Innovationsstrategie entwickeln: Eine gemeinsame Fokussierung auf Cluster in Bereichen wie Energie, Luftfahrt, Lebens- und Gesundheitswissenschaften, Lebensmittelindustrie und maritime Wirtschaft kann helfen, die Effizienz von Wissensaufbau und Wissenstransfer zu steigern, Synergien zwischen verschiedenen Branchen und verschiedenen Teilen der MRH zu nutzen, neue Arbeitsplätze zu schaffen und die internationale Präsenz und Wettbewerbsfähigkeit der Region zu stärken. Dazu könnte eine – mit ausreichenden Kapazitäten und Ressourcen ausgestattete – regionale Innovationsagentur eingerichtet werden.
In Bildung und Humankapital investieren: Die politisch Verantwortlichen der MRH müssen auf eine Anhebung des derzeit niedrigen FuE-Niveaus sowie auf stärkere Vernetzungen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft hinwirken. Eine ihrer gemeinsamen Prioritäten sollte darin bestehen, das Potenzial neuer Forschungseinrichtungen wie der European X-Ray Free-Electron Laser Facility (XFEL) voll auszuschöpfen.
Die Chancen der Digitalisierung nutzen, um neue Wachstumsmärkte zu erschließen und das öffentliche Dienstleistungsangebot zu verbessern: Die vier Bundesländer müssen ihre Kräfte im öffentlichen und privaten Sektor, im Bildungswesen und in der Forschung bündeln, um Arbeitskräfte, Studierende und Auszubildende mit den erforderlichen Kompetenzen auszustatten. Die Wirtschaftsstruktur der MRH ist stark durch Klein- und Mittelunternehmen geprägt, denen die Einführung digitaler Technologien und Lösungen in der Regel größere Schwierigkeiten bereitet. Besonders wichtig ist daher gezielte Unterstützung, um solchen Unternehmen bei der Digitalisierung zu helfen.
Die regionale Wohnungsbau- und Verkehrsplanung verbessern: Durch die Schaffung eines regionalen Planungsverbands, der mit der Ausarbeitung eines integrierten Regionalplans für die gesamte oder einen beträchtlichen Teil der MRH betraut wird, könnten Angebot und Nachfrage am Wohnungsmarkt besser aufeinander abgestimmt, eine nachhaltigere ÖPNV-orientierte Entwicklung gefördert und Wohnungsbau- und Verkehrsplanung integriert werden. Die Engpässe in und im Umkreis der Stadt Hamburg müssen beseitigt werden. Beim Güterverkehr sollte eine Verlagerung von der Straße auf die Schiene gefördert werden. In den ländlichen Regionen bedarf es einer besseren Verkehrsanbindung. Erreicht werden könnte dies z.B. durch die Einführung eines Tarifverbunds für die gesamte MRH und die Nutzung digitaler Mobilitätslösungen.
Die biologische Vielfalt und die führende Rolle der Region bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien nutzen: Es sollte mehr Zusammenarbeit über administrative Grenzen hinweg geben, z.B. bei Biosphärenreservaten. Die städtischen und regionalen Entwicklungspläne sollten Konzepte für Energieversorgung und -verbrauch umfassen, um die Energieeffizienz in der MRH zu steigern.
Kräfte um eine gemeinsame Kultur-und Tourismusmarke bündeln, die für ein ausgewogenes Wachstum in der Region sorgt: Eine gemeinsame Marketing- und Markenstrategie könnte die MRH für Fachkräfte, Unternehmen und Touristen sichtbarer und attraktiver machen.
Ein kohärenterer und stärker integrierter Ansatz bei Innovation, Planung und Markenentwicklung wäre insgesamt ein wirksames Mittel, um die Produktivität zu steigern, Zielkonflikte bei der Raumplanung zu lösen, demografischem Druck effektiver zu begegnen, die Lebensqualität für Einwohner und Besucher zu verbessern und das Profil der Metropolregion Hamburg im In- und Ausland zu stärken.
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