Der Corporate-Governance-Rahmen sollte dafür sorgen, dass entlang der gesamten Anlagekette vernünftige Anreize bestehen und die Aktienmärkte in einer Art und Weise funktionieren, die zu guter Corporate Governance beiträgt.
Um wirksam zu sein, muss der gesetzliche und regulatorische Rahmen für die Corporate Governance auf die realen wirtschaftlichen Gegebenheiten abgestimmt werden, in denen er umgesetzt werden soll. Die Realität von Unternehmensführung und Unternehmenseigentum ist in vielen Staaten nicht mehr durch einen geradlinigen, eindeutigen Zusammenhang zwischen den Ergebnissen des Unternehmens und den Erträgen gekennzeichnet, die die Endbegünstigten seiner Aktien erzielen. Tatsächlich steht zwischen den Endbegünstigten und dem Unternehmen oft eine lange und komplexe Anlagekette mit zahlreichen Intermediären. Die Präsenz von Intermediären, die als unabhängige Entscheidungsträger agieren, hat Auswirkungen auf die Anreize und die Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Corporate Governance.
Der Anteil der Anlagen, die von institutionellen Anlegern wie z. B. Investmentfonds, Pensionsfonds, Versicherungsgesellschaften und Hedgefonds gehalten werden, hat sich deutlich erhöht, wobei das Management dieser Anlagen vielfach in den Händen spezialisierter Vermögensverwalter liegt. Die Kapazitäten der institutionellen Anleger und der Vermögensverwalter zur Einflussnahme auf die Corporate Governance – sowie ihr Interesse daran – unterscheiden sich stark. Für einige dieser Akteure stellt die Einflussnahme auf die Unternehmensführung – u. a. durch die Ausübung von Stimmrechten – einen elementaren Bestandteil ihres Geschäftsmodells dar. Andere dagegen bieten ihren Begünstigten bzw. Kunden Geschäftsmodelle und Investmentstrategien an, die keinen Einsatz von Ressourcen für aktives Shareholder Engagement beinhalten oder rechtfertigen. Wenn Shareholder Engagement im Geschäftsmodell bzw. in der Investmentstrategie des jeweiligen Akteurs nicht vorgesehen ist, kann sich eine Pflicht zur Mitwirkung, beispielsweise durch Stimmrechtsausübung, als wirkungslos erweisen und könnte dazu führen, dass diese lediglich pro forma erfüllt wird.
In den Grundsätzen wird empfohlen, dass institutionelle Anleger die Corporate-Governance-Politik, die sie in ihren Portfoliounternehmen verfolgen, offenlegen. Allerdings stellt die Ausübung des Stimmrechts bei Aktionärshauptversammlungen lediglich eine von mehreren Formen des Shareholder Engagements dar. Andere häufig genutzte Möglichkeiten sind der direkte Kontakt und Dialog mit dem Board und der Geschäftsführung des Unternehmens. In vielen Staaten wurden Shareholder-Engagement-Kodizes („Stewardship-Codes“) als ergänzendes Governance-Instrument eingeführt, um sowohl die Rechenschaftspflicht der institutionellen Anleger als auch ihre Rolle bei der Rechenschaftslegung des Boards und der Geschäftsführung zu stärken. Wenn Corporate-Governance-Kodizes auf dem „Comply or Explain“-Prinzip basieren, ist die Rolle der institutionellen Anleger in ihrer Eigenschaft als Aktionäre besonders wichtig, um Unternehmen für ihre Erklärungen zu Abweichungen von den Bestimmungen dieser Kodizes zur Verantwortung zu ziehen.
III.A. Der Corporate-Governance-Rahmen sollte die Mitsprache institutioneller Anleger in den Unternehmen, in die sie investieren, erleichtern und unterstützen. Institutionelle Anleger, die in treuhänderischem Auftrag handeln, sollten die Corporate-Governance- und Abstimmungspolitik für ihre Portfoliounternehmen offenlegen, einschließlich der Verfahren, mit denen sie über die Ausübung ihrer Stimmrechte entscheiden. Stewardship-Codes können einen ergänzenden Mechanismus zur Förderung dieses Engagements bilden.
Die Wirksamkeit und Glaubwürdigkeit des gesamten Corporate-Governance-Rahmens und der Aufsichtsmechanismen könnten z. T. von der Bereitschaft und Fähigkeit institutioneller Anleger abhängen, in den Unternehmen, in die sie investieren, ihre Aktionärsrechte sachkundig zu nutzen und ihre Eigentümerfunktionen effektiv auszuüben. Dieser Grundsatz verpflichtet die institutionellen Anleger zwar nicht zur Ausübung ihrer Stimmrechte, er hält sie aber dazu an, möglicherweise offenzulegen, auf welche Weise sie ihre Aktionärsrechte unter gebührender Berücksichtigung von Kosteneffizienzerwägungen wahrnehmen. Bei institutionellen Anlegern, die treuhänderische Aufgaben wahrnehmen, wie z. B. Pensions- oder Investmentfonds bzw. bestimmten Versicherungssparten sowie Vermögensverwaltern, könnte das Stimmrecht als Bestandteil des Werts der für die Kunden getätigten Investitionen betrachtet werden. Die Nichtausübung der Eigentumsrechte könnte zu einem Verlust für den Kunden führen, der folglich über die Strategie der betreffenden institutionellen Anleger informiert werden sollte.
In einigen Staaten sind die Vorgaben für die Unterrichtung des Markts über die Corporate-Governance- und Abstimmungspolitik sehr detailliert und umfassen auch eine genaue Erläuterung der Strategien in Bezug auf die Umstände, unter denen die institutionellen Anleger Einfluss auf ein Unternehmen ausüben, wie sie dabei vorgehen und wie sie die Wirksamkeit der Strategie beurteilen. Die Offenlegung des bisherigen Abstimmungsverhaltens gilt als gute Praxis, insbesondere in Fällen, in denen die Politik der institutionellen Anleger eine Stimmrechtsausübung ausdrücklich vorsieht. Die Offenlegung erfolgt entweder gegenüber den Kunden (nur für die von den jeweiligen Kunden gehaltenen Wertpapiere) oder – im Fall von Anlageberatern eingetragener Kapitalanlagegesellschaften – gegenüber dem Markt durch öffentliche Bekanntgabe.
Als Teil ihrer Mitwirkungspolitik können institutionelle Anleger einen kontinuierlichen Dialog mit ihren Portfoliounternehmen aufnehmen, entweder zu unternehmensspezifischen Angelegenheiten oder nicht diversifizierbaren Faktoren, die ihr gesamtes Portfolio betreffen. Dieser Dialog zwischen institutionellen Anlegern und Unternehmen sollte gefördert werden, wobei die Unternehmen allerdings verpflichtet sind, alle Anleger gleichzubehandeln und den institutionellen Anlegern keine Informationen zukommen zu lassen, die nicht gleichzeitig auch dem Markt zur Verfügung gestellt werden. Bei den zusätzlichen Angaben, die ein Unternehmen liefern kann, wird es sich daher normalerweise um allgemeine Hintergrundinformationen über die Märkte handeln, auf denen das Unternehmen tätig ist, bzw. um eingehendere Erläuterungen von Informationen, die dem Markt bereits vorliegen.
In vielen Staaten sind Stewardship-Codes fest etabliert und ergänzen andere Offenlegungspflichten für institutionelle Anleger in Bezug auf ihre Mitwirkungs- und Abstimmungspolitik. Die meisten Shareholder-Engagement-Kodizes überlassen es dem Ermessen der institutionellen Anleger, ob sie den betreffenden Kodex anwenden oder nicht. Dieser freiwillige und flexible Ansatz soll den Anlegern die Möglichkeit geben, die Kodizes an ihre jeweiligen Anlagestrategien anzupassen. Einige Staaten haben zudem einen Umsetzungsmechanismus für diese Kodizes entwickelt, um deren Einhaltung zu gewährleisten und die Verbreitung von Best Practices zu fördern. Manche Staaten legen darüber hinaus Wert auf die regelmäßige Aktualisierung und Überprüfung der Kodizes, um ihre Relevanz sicherzustellen und ihre effektive Umsetzung zu überwachen.
Wenn institutionelle Anleger eine Corporate-Governance- und Stewardship-Politik ausgearbeitet und offengelegt haben, müssen sie zur Gewährleistung der effektiven Umsetzung auch die nötigen personellen und finanziellen Mittel bereitstellen, damit diese Politik in der Praxis den Erwartungen ihrer Begünstigten und Portfoliounternehmen gerecht wird. Die Ausgestaltungsmerkmale und die praktische Umsetzung einer aktiven Corporate-Governance- und Abstimmungspolitik, einschließlich der personellen Ausstattung, sollten für Kunden, die auf institutionelle Anleger mit aktiver Corporate-Governance- und Stewardship-Politik setzen, transparent sein.
III.B. Das Stimmrecht sollte von Verwahrstellen oder Bevollmächtigten gemäß den Weisungen der wirtschaftlich Berechtigten der Aktien ausgeübt werden.
Verwahrstellen, die Wertpapiere als Bevollmächtigte für Kunden halten, sollte es nicht gestattet sein, das Stimmrecht für diese Wertpapiere auszuüben, ohne diesbezüglich konkrete Weisungen erhalten zu haben. In einigen Staaten sind in den Börsenzulassungsvorschriften verschiedene Punkte aufgeführt, zu denen Verwahrstellen nicht ohne Weisung abstimmen dürfen, während diese Möglichkeit für bestimmte Routineangelegenheiten besteht. Anlageberater oder Verwahrstellen sollten verpflichtet werden, die Aktionäre rechtzeitig über ihre Möglichkeiten der Stimmrechtsausübung zu informieren. Die Aktionäre können ihr Stimmrecht entweder selbst wahrnehmen oder alle Stimmrechte dem Verwahrer übertragen. Sie können alternativ aber auch von der Möglichkeit Gebrauch machen, sich über alle bevorstehenden Abstimmungen informieren zu lassen, und dann von Fall zu Fall entscheiden, ob sie ihr Stimmrecht selbst ausüben oder aber an den Verwahrer delegieren.
Die Inhaber von Hinterlegungsscheinen sollten dieselben Rechte und praktischen Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Unternehmensführung haben wie die Inhaber der entsprechenden Aktien. Wenn sich die unmittelbaren Aktieninhaber durch Bevollmächtigte vertreten lassen können, sollte die Verwahrstelle bzw. das Treuhandbüro oder ein äquivalentes Organ den Inhabern von Hinterlegungsscheinen rechtzeitig Vollmachtsformulare zukommen lassen. Die Inhaber von Hinterlegungsscheinen sollten die Möglichkeit haben, bindende Abstimmungsanweisungen für die Aktien zu erteilen, die die Verwahrstelle oder das Treuhandbüro für sie hält.
Dabei ist zu beachten, dass sich dieser Grundsatz nicht auf die Ausübung der Stimmrechte durch Treuhänder oder andere Personen bezieht, die im Rahmen eines besonderen rechtlichen Mandats handeln (wie etwa Konkurs- oder Nachlassverwalter).
III.C. Institutionelle Anleger, die treuhänderische Aufgaben wahrnehmen, sollten offenlegen, wie sie im Falle wesentlicher Interessenkonflikte verfahren, die sich auf die Ausübung maßgeblicher mit ihren Investitionen verbundenen Eigentumsrechte auswirken können.
Die Anreize für Intermediäre zur Ausübung ihrer Stimmrechte und zur Wahrnehmung maßgeblicher Eigentümerfunktionen können unter bestimmten Umständen von denen direkter Anteilseigner abweichen. Solche Abweichungen können manchmal berechtigte kommerzielle Gründe haben, sie können aber auch das Resultat von Interessenkonflikten sein. Besonders gravierend ist dieses Risiko, wenn die treuhänderische Einrichtung eine Tochtergesellschaft oder ein verbundenes Unternehmen eines anderen Finanzinstituts – insbesondere eines integrierten Finanzkonzerns – ist. Ergeben sich solche Konflikte aus wesentlichen Geschäftsbeziehungen, z. B. aus einem Vertrag über die Verwaltung von Vermögen für das Portfoliounternehmen, sollten sie identifiziert und offengelegt werden.
Parallel dazu sollten die institutionellen Anleger darüber informieren, welche Maßnahmen sie treffen, um den potenziell negativen Einfluss zu reduzieren, den derartige Situationen auf ihre Fähigkeit zur Ausübung maßgeblicher Aktionärsrechte gemäß nationalem Recht haben. Diese Maßnahmen können beispielsweise darin bestehen, Bonuszahlungen für das Fondsmanagement von Bonuszahlungen für die Akquise von Neugeschäft in anderen Unternehmensbereichen zu trennen. Die Gebührenstrukturen für die Vermögensverwaltung und andere Intermediärdienstleistungen sollten transparent sein.
III.D. Der Corporate-Governance-Rahmen sollte Dienstleister, die Anlegern entscheidungsrelevante Analysen oder Empfehlungen liefern, wie z. B. Stimmrechtsberater, Analysten, Broker, Anbieter von ESG-Ratings und -Daten, Ratingagenturen und Indexanbieter, sofern sie reguliert sind, zur Offenlegung und Minimierung von Interessenkonflikten verpflichten, die die Integrität ihrer Analysen oder Empfehlungen gefährden könnten. Die von den Anbietern von ESG-Ratings und -Daten, Ratingagenturen, Indexanbietern und Stimmrechtsberatern angewendeten Methoden sollten transparent und öffentlich zugänglich sein.
Die Anlagekette zwischen den Endeigentümern und den Unternehmen umfasst nicht nur verschiedene Intermediäre, sondern auch ein breites Spektrum an Anbietern von Beratungs- und anderweitigen Dienstleistungen für Intermediäre. Stimmrechtsberater, die Abstimmungsempfehlungen für institutionelle Anleger sowie Dienstleistungen zur Erleichterung des Abstimmungsprozesses anbieten, sind aus Corporate-Governance-Sicht von besonderer Bedeutung. In einigen Fällen bieten Stimmrechtsberater auch Corporate-Governance-Beratungsdienste für Unternehmen an. Ratingagenturen bewerten Unternehmen nach ihrer Fähigkeit, ihren Schuldendienstverpflichtungen nachzukommen. ESG-Ratinganbieter bewerten Unternehmen nach verschiedenen Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien (ESG-Kriterien). Analysten und Broker erfüllen ähnliche Funktionen und sind denselben potenziellen Interessenkonflikten ausgesetzt.
Angesichts der Bedeutung – und bisweilen Abhängigkeit – von verschiedenen Dienstleistungen im Bereich der Corporate Governance sollte der Corporate-Governance-Rahmen die Integrität von regulierten Dienstleistern fördern, die Anlegern entscheidungsrelevante Analysen oder Empfehlungen liefern, wie z. B. Stimmrechtsberater, Analysten, Broker, Anbieter von ESG-Ratings und -Daten, Ratingagenturen und Indexanbieter. Diese Dienstleister, insbesondere ESG-Rating- und Indexanbieter, können aufgrund ihrer Ratingmethoden und Kriterien für die Aufnahme in einen Index erheblichen Einfluss auf die Governance- und Nachhaltigkeitspolitik und -praxis von Unternehmen haben. Daher sollten die Methoden der regulierten Dienstleister zur Erstellung von Ratings, Indizes und Daten für Kunden und Marktteilnehmer transparent und öffentlich zugänglich sein, insbesondere wenn sie als Indikatoren für regulatorische Zwecke herangezogen werden. Wird in der Regulierungspraxis ausschließlich auf Ratings zurückgegriffen, kann dies Fragen aufwerfen. Das Verfahren zur Bestimmung, welche Ratings für regulatorische Zwecke verwendet werden können, sollte transparent sein und in unterschiedlichen Abständen evaluiert werden können. Der Aufruf zum Handeln der IOSCO von November 2022 enthält gute Praktiken für Anbieter von ESG-Ratings und -Daten und richtet sich an freiwillige Standardsetzer und Branchenverbände, die auf den Finanzmärkten tätig sind, um gute Praktiken unter ihren Mitgliedern zu fördern.
Allerdings können dabei auch Interessenkonflikte auftreten und die Beurteilungen dieser Anbieter von Empfehlungen, Ratings oder Daten möglicherweise beeinflussen, beispielsweise wenn der Anbieter das betreffende Unternehmen als Kunde für andere Leistungen gewinnen will, wenn der Anbieter oder sein Eigentümer eine direkte wesentliche Beteiligung an dem Unternehmen oder dessen Konkurrenten hält, oder wenn der Ratinganbieter gleichzeitig ein Indexanbieter ist, der auf der Grundlage der von ihm erstellten Ratings über die Aufnahme von Unternehmen in einen Index entscheidet. Viele Staaten haben gesetzliche Regelungen oder freiwillige Verhaltenskodizes verabschiedet oder die Umsetzung von Selbstregulierungskodizes gefördert, um die Gefahr solcher Interessenkonflikte oder anderer Integritätsrisiken zu verringern, und haben private und/oder öffentliche Überwachungsmechanismen eingerichtet.
Viele Staaten verlangen oder empfehlen, dass Stimmrechtsberater die Öffentlichkeit und/oder die Anleger über die Analysen und Methoden, die ihren Empfehlungen zugrunde liegen, sowie die für ihre Kunden relevanten Kriterien für ihre Abstimmungspolitik informieren. Einige Staaten schreiben vor, dass Stimm-rechtsberater einen Verhaltenskodex anwenden und veröffentlichen und Informationen über ihre Analysen, Ratschläge und Abstimmungsempfehlungen, über Interessenkonflikte oder Geschäftsbeziehungen, die ihre Analysen, Ratschläge oder Abstimmungsempfehlungen beeinflussen könnten, sowie über die Maßnahmen, die sie zur Beseitigung, Abschwächung oder Regelung tatsächlicher oder potenzieller Interessenkonflikte getroffen haben, offenlegen. In manchen Fällen wird den Stimmrechtsberatern eine angemessene Ausstattung mit personellen und betrieblichen Ressourcen vorgeschrieben, um ihre Aufgaben effektiv wahrnehmen zu können.
III.E. Insiderhandel und Marktmanipulation sollten untersagt sein und die diesbezüglichen Bestimmungen sollten entsprechend durchgesetzt werden.
Da Insiderhandel und Marktmanipulation das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Kapitalmärkte und deren wirksames Funktionieren untergraben, sind sie in den meisten Ländern durch das Wertpapierrecht, das Gesellschaftsrecht und/oder das Strafrecht untersagt. Derartige Praktiken können als Verstoß gegen die Regeln guter Corporate Governance betrachtet werden, da sie den Grundsatz der Gleichbehandlung der Aktionäre verletzen. Allerdings ist die Wirksamkeit eines Verbots solcher Praktiken von einer entschlossenen Rechtsdurchsetzung abhängig.
III.F. Bei Unternehmen, die in einem anderen Staat als ihrem Gründungsstaat börsennotiert sind, sollte klar angegeben werden, welche Corporate-Governance-Gesetze und -Vorschriften für sie maßgeblich sind. Im Fall von Mehrfachnotierungen (Cross-Listings) sollten die Kriterien und Verfahren zur Anerkennung der Zulassungsanforderungen der Hauptnotierung transparent gemacht und dokumentiert werden.
Es kommt immer häufiger vor, dass Aktien eines Unternehmens an Handelsplätzen notiert bzw. gehandelt werden, die in einem anderen Staat als dem Gründungsstaat des Unternehmens liegen. Dies kann bei den Anlegern Unsicherheit darüber hervorrufen, welche Corporate-Governance-Regeln und -Vorschriften für das betreffende Unternehmen gelten. Davon können verschiedenste Aspekte betroffen sein, von den Verfahren und dem Ort der Aktionärshauptversammlung bis hin zu den Rechten von Minderheitsaktionären. Das Unternehmen sollte daher klar darlegen, welche nationalen Regelungen in solchen Fällen maßgeblich sind. Wenn wesentliche Corporate-Governance-Bestimmungen einer anderen Rechtsordnung unterliegen als der Rechtsordnung des Staates, in dem die Aktien gehandelt werden, sollte auf die wichtigsten Unterschiede hingewiesen werden.
Eine weitere bedeutende Folge der zunehmenden Internationalisierung und Integration der Aktienmärkte sind Zweitnotierungen bereits börsennotierter Unternehmen an einer anderen Börse, sogenannte Cross-Listings. Unternehmen mit Cross-Listings unterliegen oft den Rechtsvorschriften und der Zuständigkeit des Staates ihrer Hauptnotierung. Im Fall einer Zweitnotierung werden in der Regel Befreiungen von lokalen Zulassungsregeln gewährt, die auf der Anerkennung der Zulassungsanforderungen und Corporate-Governance-Vorschriften des Börsenplatzes beruhen, an dem das Unternehmen seine Hauptnotierung hat. Aktienmärkte sollten die für Cross-Listings geltenden Regeln und Verfahren sowie die damit verbundenen Befreiungen von den lokalen Corporate-Governance-Regeln klar offenlegen.
III.G. Aktienmärkte sollten eine faire und effiziente Preisbildung gewährleisten, um eine effektive Corporate Governance zu fördern.
Effektive Corporate Governance bedeutet, dass die Aktionäre in der Lage sein sollten, die Entwicklung ihrer Kapitalbeteiligungen zu beobachten und zu bewerten, indem sie Marktinformationen mit den Angaben vergleichen, die das Unternehmen selbst zu seinen Erfolgsaussichten und Ergebnissen macht. Wenn es den Aktionären vorteilhaft erscheint, können sie entweder ihre Stimme nutzen, um die Entscheidungen des Unternehmens zu beeinflussen, ihre Aktien verkaufen (bzw. weitere zukaufen) oder die Aktien dieses Unternehmens in ihrem Portfolio neu bewerten. Die Qualität von Marktinformationen und der Zugang zu diesen Informationen, einschließlich einer fairen und effizienten Preisbildung für ihre Kapitalanlagen, sind für die Aktionäre daher wichtig, um ihre Rechte ausüben zu können.
Alle Arten von Anlegern, unabhängig davon, ob sie aktive oder passive Anlagestrategien verfolgen, tragen zu gut funktionierenden Kapitalmärkten und einer effizienten Preisbildung bei. In dieser Hinsicht sind die Qualität von markt- und unternehmensspezifischen Informationen und der Zugang dazu von entscheidender Bedeutung, insbesondere für Anleger, die diese Informationen nutzen, um aktive Corporate-Governance-Strategien zu verfolgen.