Der Corporate-Governance-Rahmen sollte den Unternehmen und ihren Anlegern Anreize bieten, Beschlussfassung und Steuerung ihrer Risiken in einer Weise vorzunehmen, die zur Nachhaltigkeit und Resilienz des Unternehmens beiträgt.
Unternehmen spielen eine zentrale Rolle in unseren Volkswirtschaften, indem sie Arbeitsplätze schaffen, zur Innovation beitragen, für Wohlstand sorgen und wichtige Waren und Dienstleistungen produzieren. Die Länder haben sich gemäß dem Pariser Klimaabkommen und den Zielen für nachhaltige Entwicklung zum Übergang zu einer nachhaltigen, klimaneutralen bzw. CO2-armen Wirtschaft verpflichtet. Dies erfordert von den Unternehmen, dass sie auf rasche Veränderungen ihres Regulierungs- und Geschäftsumfelds reagieren und dabei die einschlägigen Politikmaßnahmen und die Übergangspfade der einzelnen Staaten berücksichtigen. Darüber hinaus setzen sich viele Unternehmen und Anleger freiwillige Ziele oder treffen anderweitige Maßnahmen, um den Übergang zu einer nachhaltigen Entwicklung zu antizipieren. Ein solider Rahmen für die Corporate Governance würde es Investoren und Unternehmen ermöglichen, die potenziellen Risiken und Chancen solcher Übergangspfade zu berücksichtigen und zu steuern, was wiederum zur Nachhaltigkeit und Resilienz der Wirtschaft beitragen könnte.
Die Investoren achten zudem zunehmend auf Angaben darüber, wie Unternehmen wesentliche Risiken und Chancen im Zusammenhang mit dem Klimawandel und anderen Nachhaltigkeitsaspekten bewerten, identifizieren und steuern, einschließlich der Auswirkungen auf das Humankapitalmanagement. Daher ist in vielen Staaten eine verpflichtende Offenlegung von Informationen über die Nachhaltigkeitsrisiken von Unternehmen und den Umgang damit vorgeschrieben oder geplant. Ein bezeichnendes Merkmal dieser Informationen ist, dass sie den Anlegern ein besseres Verständnis der Governance- und Managementstrukturen und -prozesse für den Umgang mit Klima- und anderen Nachhaltigkeitsrisiken und die Identifizierung der damit verbundenen Chancen vermitteln. Der Corporate-Governance-Rahmen sollte sowohl den gewissenhaften Umgang mit diesen Risiken als auch die kohärente, vergleichbare und verlässliche Offenlegung wesentlicher Informationen begünstigen, um die Finanz-, Anlage- und Abstimmungsentscheidungen der Anleger zu erleichtern. Die Kombination aus verantwortungsvoller Unternehmensführung und klar kommunizierten Informationen fördert faire Märkte und eine effiziente Kapitalallokation und stärkt gleichzeitig das langfristige Wachstum und die Resilienz der Unternehmen.
Mehrere Staaten haben ihre Kapitalmarktpolitik darauf ausgerichtet, einen nachhaltigeren und resilienteren Unternehmenssektor zu fördern. Dabei sollten entsprechende Maßnahmen auch darauf abzielen, den Zugang zu den Kapitalmärkten aufrechtzuerhalten, indem prohibitiv hohe Kosten für die Börsennotierung eines Unternehmens vermieden werden und zugleich sicherstellt wird, dass die Anleger Zugang zu den Informationen haben, die für eine effiziente Allokation ihres Kapitals erforderlich sind. Investoren, Board-Mitglieder und Geschäftsführung müssen offen sein für einen konstruktiven Dialog über die beste Strategie zur Förderung der Nachhaltigkeit und Resilienz des Unternehmens. Für Unternehmen, die die Interessen von Stakeholdern berücksichtigen, dürfte es leichter sein, produktive Arbeitskräfte anzuwerben, die Unterstützung der lokalen Gemeinschaften an ihren Standorten zu gewinnen und die Kundenloyalität zu steigern.
In Staaten, in denen die Berücksichtigung von Stakeholder-Interessen vorgesehen oder vorgeschrieben ist, sollten Unternehmen dennoch den finanziellen Interessen ihrer Aktionäre gerecht werden. Ein rentables Unternehmen bietet Arbeitsplätze für die Belegschaft und Wertschöpfung für die Anleger, bei denen es sich vielfach um private Haushalte handelt, die ihre Altersersparnisse investiert haben.
Von der Geschäftsleitung wird nicht erwartet, dass sie die großen ökologischen und sozialen Herausforderungen, die sich aus ihren Aufgaben ergeben, im Alleingang löst. Als Orientierungshilfe für Unternehmensaktivitäten sollten die Politikverantwortlichen sektorpolitische Maßnahmen in Betracht ziehen, die die Unternehmen dazu veranlassen, ökologische und soziale Externalitäten zu internalisieren, ebenso wie Corporate-Governance-Rahmen, die verlässliche Grenzen setzen, innerhalb derer die Board-Mitglieder ihre treuhänderischen Pflichten erfüllen müssen. Diese Maßnahmen könnten sich beispielsweise auf Umweltschutzbestimmungen oder Direktinvestitionen in bzw. Anreize für Forschung und Entwicklung von Technologien beziehen, die zur Bewältigung großer ökologischer Herausforderungen beitragen können.
VI.A. Nachhaltigkeitsbezogene Angaben sollten kohärent, vergleichbar und verlässlich sein, und rückblickende und zukunftsorientierte wesentliche Informationen enthalten, die für einen rational handelnden Anleger ein wichtiges Kriterium bei Anlage- oder Abstimmungsentscheidungen darstellen.
Um die Effizienz der Kapitalmärkte zu gewährleisten, müssen die Anleger in der Lage sein, die bisherigen Ergebnisse und die Zukunftsaussichten verschiedener Unternehmen zu vergleichen und dann zu entscheiden, wie sie ihr Kapital investieren und in den Unternehmen ihren Einfluss geltend machen wollen. Angesichts ökologischer und sozialer Risiken und einer wachsenden Sensibilisierung dafür verlangen die Anleger von den Unternehmen eine verbesserte Offenlegung von Informationen über die Governance-Praktiken, die Strategie, das Risikomanagement (z. B. Überblick über die Risikobewertungen verschiedener Klimawandelszenarien) und nachhaltigkeitsbezogene Kennzahlen (z. B. zu Treibhausgasemissionen und Biodiversität), die für sie bei der Analyse der Geschäftsaussichten und ‑risiken eines Unternehmens wesentlich sind.
Auch wenn die Stakeholder in der Regel nicht die Hauptnutzer von nachhaltigkeitsbezogenen Angaben der Unternehmen sind, können diese Informationen für sie dennoch von Nutzen sein. Informationen zur Tarifbindung und zu den Mechanismen der Arbeitnehmervertretung können beispielsweise den Investoren helfen, den Unternehmenswert zu beurteilen, aber auch für die Beschäftigten und andere Stakeholder von Belang sein.
Gleichzeitig müssen die Regeln für die nachhaltigkeitsbezogene Offenlegung im Hinblick auf die vorhandenen Kapazitäten der betreffenden Unternehmen und Institutionen flexibel sein. Wenn nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten nur für börsennotierte Unternehmen gelten würden, könnte dies die Unternehmen davon abhalten, an die Börse zu gehen. In Anbetracht dieser Herausforderungen müssen die Politikverantwortlichen u. U. nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten erarbeiten, die sich an der Größe und dem Entwicklungsstadium der Unternehmen orientieren.
Die Unternehmen und ihre Dienstleister sowie die Regulierungsbehörden selbst haben u. U. noch Wissensrückstände in Nachhaltigkeitsfragen und brauchen daher Zeit, um geeignete Verfahren und gute Praktiken zu entwickeln. Deshalb kann es gerechtfertigt sein, Offenlegungspflichten für die wichtigsten Nachhaltigkeitsaspekte zu priorisieren, andere Anforderungen, wie z. B. unabhängige, externe Überprüfungen, nach und nach einzuführen, oder einschlägige Empfehlungen in Corporate-Governance-Kodizes auf „Comply or Explain“-Basis aufzunehmen.
VI.A.1. Nachhaltigkeitsbezogene Informationen können als wesentlich betrachtet werden, wenn vernünftigerweise davon auszugehen ist, dass diese Informationen beeinflussen, wie Investoren den Unternehmenswert beurteilen, welche Anlageentscheidungen sie treffen oder wie sie von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen.
Unbeschadet freiwilliger Initiativen oder konkreter Umweltauflagen, die zusätzliche Offenlegungspflichten enthalten können, verlangen die Regeln für die Offenlegung von Unternehmen zumindest Informationen darüber, was für die Anleger bei der Beurteilung des Unternehmenswerts und bei Anlage- oder Abstimmungsentscheidungen wesentlich ist. In der Regel gehören dazu u. a. der Betrag, der zeitliche Anfall und die Sicherheit der künftigen Cashflows eines Unternehmens auf kurze, mittlere und lange Sicht.
Wesentliche Nachhaltigkeitsinformationen können sich auf Umwelt- und soziale Aspekte beziehen, bei denen vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass sie den Substanzwert eines Unternehmens und seine Fähigkeit, Umsatzerlöse und langfristiges Wachstum zu erzielen, beeinflussen. Der Einfluss, den das Unternehmen selbst auf die Gesellschaft und die Umwelt hat, kann ebenfalls als wesentlich angesehen werden, wenn zu erwarten ist, dass sich dadurch der Unternehmenswert verändert, wie im Fall von Umweltauflagen im Rahmen bestehender nationaler Gesetze bzw. Vorschriften oder Treibhausgasemissionen, die in Zukunft gedeckelt oder besteuert werden könnten. Auch Maßnahmen zur Einhaltung von Menschenrechten und Personalentwicklungsmaßnahmen, wie z. B. Schulungsprogramme, Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung, Belegschaftsaktien und Diversitätsstrategien, können den Marktteilnehmern wichtige Informationen über die Wettbewerbsstärken von Unternehmen vermitteln.
Die Einschätzung, welche Informationen wesentlich sind, kann sich im Laufe der Zeit und je nach dem lokalen Kontext, den unternehmensspezifischen Umständen und den Auflagen des jeweiligen Staates verändern. Bei der Beurteilung von wesentlichen Informationen können auch Nachhaltigkeitsbelange berücksichtigt werden, die für die Beschäftigten und andere zentrale Stakeholder entscheidend sind. So können z. B. Nachhaltigkeitsrisiken, die auf kurze Sicht finanziell nicht wesentlich erscheinen, aber für die Gesellschaft wichtig sind, auf lange Sicht für ein Unternehmen finanziell wesentlich werden. Darüber hinaus betrachten manche Staaten auch den Einfluss der Unternehmen auf nicht diversifizierbare Risiken als wesentliche Information für die Anleger. Ein Anleger könnte beispielsweise der Ansicht sein, dass der Wert, den ein gewinnmaximierendes, stark CO2-emittierendes Unternehmen in seinem Portfolio schafft, durch die Wertverluste anderer Portfoliounternehmen, die vom Klimawandel betroffen sind, aufgezehrt wird. Einige Staaten verlangen oder empfehlen in diesem Kontext u. U. auch die Offenlegung von Informationen zu Nachhaltigkeitsbelangen, die für die zentralen Stakeholder eines Unternehmens entscheidend sind, oder zum Einfluss eines Unternehmens auf nicht diversifizierbare Risiken.
VI.A.2. Die Rahmen für die nachhaltigkeitsbezogene Offenlegung sollten mit qualitativ hochwertigen, verständlichen, durchsetzbaren und international anerkannten Standards in Einklang stehen, die die Vergleichbarkeit der Nachhaltigkeitsinformationen zwischen verschiedenen Unternehmen bzw. Märkten erleichtern.
Die Effizienz der Kapitalmärkte wird gesteigert, wenn die Anleger die nachhaltigkeitsbezogenen Informationen von Unternehmen – einschließlich derer, die in verschiedenen Staaten börsennotiert sind – verglei-chen können, um zu entscheiden, wie sie am besten ihr Kapital investieren und in den Unternehmen ihren Einfluss geltend machen sollen. Die Kohärenz und Interoperabilität von regionalen bzw. nationalen Rahmen für die nachhaltigkeitsbezogene Offenlegung und international anerkannten Standards kann dennoch ein gewisses Maß an Flexibilität hinsichtlich zusätzlicher lokaler Offenlegungspflichten ermöglichen, z. B. bei Belangen, deren Wesentlichkeit von besonderen geografischen Merkmalen oder den Auflagen des jeweiligen Staates abhängen kann.
VI.A.3. Nachhaltigkeitsinformationen, Finanzinformationen und andere Unternehmensinformationen sollten miteinander verzahnt sein.
Die Regeln für die Offenlegung von Unternehmen, darunter die Rechnungslegungsstandards und die Publizitätspflichten (z. B. Prospekte für öffentliche Angebote von Wertpapieren und Vermögensanlagen), sollten dasselbe Ziel haben, nämlich die Bereitstellung von Informationen, die für einen rational handelnden Anleger ein wichtiges Kriterium bei Anlage- oder Abstimmungsentscheidungen darstellen. Daraus folgt, dass Informationen, die in einem Nachhaltigkeitsbericht als wesentlich angesehen werden, auch bei der Erstellung und Darstellung des Jahresabschlusses berücksichtigt und bewertet werden sollten. Bei der Erfassung und Berichterstattung von Nachhaltigkeitsinformationen sollten ebenso strenge Maßstäbe angelegt werden wie bei der Erfassung und Berichterstattung von Finanzinformationen. Um eine entsprechende Verzahnung zwischen den verschiedenen Informationsveröffentlichungen eines Unternehmens zu gewährleisten, müssen wesentliche Nachhaltigkeitsaspekte bei den im Jahresabschluss vorgenommenen finanziellen Schätzungen und Annahmen sowie bei der Offenlegung von Risiken, die einen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens hatten oder haben könnten, berücksichtigt werden.
VI.A.4. Wenn ein Unternehmen öffentlich ein nachhaltigkeitsbezogenes Ziel festlegt, sollten die Offenlegungsregeln vorsehen, dass verlässliche Kennzahlen regelmäßig in leicht zugänglicher Form mitgeteilt werden, damit die Anleger die Glaubwürdigkeit und die Fortschritte bei der Erfüllung des angekündigten Ziels beurteilen können.
Nachhaltigkeitsbezogene Ziele, wie z. B. eine Senkung der Treibhausgasemissionen oder Ziele im Rahmen von Klimaschutzplänen, können sich darauf auswirken, wie ein Anleger den Betrag, den zeitlichen Anfall und die Sicherheit der künftigen Cashflows eines Unternehmens beurteilt. Diese Ziele können einem Unternehmen auch dabei helfen, Investoren zu gewinnen, denen die entsprechenden Nachhaltigkeits-aspekte wichtig sind. Wenn ein Unternehmen öffentlich ein nachhaltigkeitsbezogenes Ziel festlegt, sollte der Offenlegungsrahmen sowohl im Interesse der Markteffizienz als auch des Anlegerschutzes eine ausreichende Offenlegung kohärenter, vergleichbarer und verlässlicher Kennzahlen vorschreiben. Dies würde es den Anlegern ermöglichen, die Glaubwürdigkeit des angekündigten Ziels und die Fortschritte der Geschäftsführung bei der Erreichung dieses Ziels zu beurteilen. Die Offenlegungen können beispielsweise Zwischenziele für langfristige Zielsetzungen, die jährliche und kohärente Mitteilung wichtiger Nachhaltigkeitskennzahlen und etwaige Korrekturmaßnahmen des Unternehmens bei Zielverfehlungen umfassen.
VI.A.5. Die schrittweise Einführung obligatorischer jährlicher Prüfzertifikate, die von unabhängigen, kompetenten und qualifizierten Zertifizierungsdienstleistern unter Einhaltung hoher, international anerkannter Prüfstandards vergeben werden, sollte in Betracht gezogen werden, um eine externe und objektive Beurteilung der nachhaltigkeitsbezogenen Offenlegung von Unternehmen zu gewährleisten.
Nachhaltigkeitsbezogene Angaben, die von einem unabhängigen, kompetenten und qualifizierten Zertifizierungsdienstleister geprüft werden, können das Vertrauen der Anleger in die offengelegten Informationen stärken und den Vergleich der Nachhaltigkeitsinformationen verschiedener Unternehmen erleichtern. Wenn eine entsprechende Qualitätssicherung für alle offengelegten Nachhaltigkeitsinformationen nicht möglich oder zu kostspielig ist, kann eine Prüfpflicht für die wichtigsten nachhaltigkeits-bezogenen Kennzahlen oder Angaben, wie z. B. die Treibhausgasemissionen, in Erwägung gezogen werden. Langfristig sollte jedoch eine stärkere Konvergenz der Prüfungen von Jahresabschlüssen und nachhaltigkeitsbezogenen Angaben das Ziel sein.
VI.B. Corporate-Governance-Rahmen sollten einen Dialog zwischen Unternehmen, ihren Aktionären und Stakeholdern ermöglichen, mit dem Ziel des Meinungsaustauschs über Nachhaltigkeitsfragen, die für die Geschäftsstrategie des Unternehmens relevant sind, und die Einschätzung des Unternehmens, welche Aspekte als wesentlich betrachtet werden sollten.
Hauptversammlungen sind ein wichtiges Forum für einen strukturierten Entscheidungsprozess. Der Dialog zwischen Unternehmen, Aktionären, Mitarbeitenden und anderen Stakeholdern kann ebenfalls maßgeblich dazu beitragen, die Entscheidungsfindung der Geschäftsführung zu unterstützen und Vertrauen in eine langfristige Geschäftsstrategie aufzubauen. Ein solcher Dialog kann bei unterschiedlichen Fragen nützlich sein, besonders wichtig ist er jedoch bei Entscheidungen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit und Resilienz eines Unternehmens, die kurzfristig zwar zu Mittelabflüssen führen können, aber langfristig vorteilhaft sind. Er kann dem Unternehmen auch helfen zu beurteilen, welche Nachhaltigkeitsaspekte wesentlich sind und daher offengelegt werden sollten. Im Dialog mit den Aktionären sollte das Unternehmen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Aktionäre beachten.
VI.B.1. Wenn Corporate-Governance-Rahmen bestehenden Unternehmen den Umbau zu einer Unternehmensform ermöglichen, die sowohl gewinnorientierte als auch gemeinnützige Ziele beinhaltet, sollten die Rechte von Aktionären, die damit nicht einverstanden sind, in angemessener Weise berücksichtigt werden.
In einer Reihe von Staaten gibt es die Möglichkeit zur Gründung von gemeinnützigen Kapitalgesellschaften oder anderen speziellen Unternehmensformen, die es den Unternehmen ermöglichen, sowohl gewinnorientierte als auch gemeinnützige Ziele zu verfolgen, womit sich die Unternehmen explizite Ziele im Zusammenhang mit Umwelt- und sozialen Aspekten setzen können. In solchen Fällen, in denen sich ein bestehendes gewinnorientiertes Unternehmen gemeinnützige Ziele setzt, sind Mechanismen wichtig, die eine angemessene Berücksichtigung der Rechte dissentierender Aktionäre gewährleisten. Mögliche Lösungen zum Schutz der Interessen dissentierender Aktionäre könnten darin bestehen, dass ein Unternehmen die Zustimmung der Minderheitsaktionäre oder die qualifizierte Mehrheit der Aktionäre benötigt, um gemeinnützige Ziele in seine Satzung aufzunehmen, oder dass dissentierende Aktionäre ihre Aktien zu einem fairen Preis an das Unternehmen zurückverkaufen können.
VI.C. Der Corporate-Governance-Rahmen sollte sicherstellen, dass Boards bei Erfüllung ihrer Schlüsselfunktionen, darunter Überprüfung, Überwachung und Steuerung der Governance-Praktiken, der Offenlegung, der Strategie sowie des Risikomanagements und der internen Kontrollsysteme, u. a. in Bezug auf klimabedingte physische Risiken und Transformationsrisiken, wesentliche Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen angemessen berücksichtigen.
Bei der Erfüllung ihrer Schlüsselfunktionen stellen die Boards zunehmend sicher, dass auch wesentliche Nachhaltigkeitsfragen berücksichtigt werden. Das Board muss insbesondere für wirksame Governance und interne Kontrollen sorgen, um die Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit von nachhaltigkeitsbezogenen Angaben zu verbessern. Beispielsweise können die Boards prüfen, ob und wie sich Nachhaltigkeitsfragen auf das Risikoprofil von Unternehmen auswirken. Diese Prüfungen können sich auch auf die Vergütung und Nominierung von Mitgliedern der Geschäftsführung beziehen (z. B. darauf, ob die in die Vergütungspläne der Führungskräfte aufgenommenen Ziele quantifizierbar sind, mit finanziell wesentlichen Risiken verknüpft sind und langfristig orientiertes Handeln fördern) oder darauf, wie das Board und seine Ausschüsse mit dem Thema Nachhaltigkeit umgehen. Die Sorgfaltsgrundsätze der OECD für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln können einen wichtigen Rahmen für die Einbindung von Nachhaltigkeitsfaktoren in Risikomanagementsysteme und -prozesse bilden.
VI.C.1. Boards sollten sicherstellen, dass die Lobbyaktivitäten der Unternehmen mit ihren nachhaltigkeitsbezogenen Zielen in Einklang stehen.
Boards sollten die Lobbyaktivitäten, die die Geschäftsleitung im Namen des Unternehmens durchführt und finanziert, wirksam überwachen, um sicherzustellen, dass die Geschäftsleitung der vom Board beschlossenen langfristigen Nachhaltigkeitsstrategie gebührend Rechnung trägt. So kann beispielsweise Lobbying gegen die CO2-Bepreisung die kurzfristigen Gewinne eines Unternehmens steigern, aber nicht mit dem Ziel des Unternehmens im Einklang stehen, einen geordneten Übergang zu einer CO₂-armen Wirtschaftsweise zu vollziehen. In einigen Ländern haben Boards auch die Aufgabe, die Offenlegung politischer Spenden zu überwachen, u. a. im Zusammenhang mit Lobbyaktivitäten.
VI.C.2. Boards sollten prüfen, ob die Kapitalstruktur des Unternehmens mit seinen strategischen Zielen und dem damit verbundenen Risikoprofil vereinbar ist, um sicherzustellen, dass sie verschiedenen Szenarien standhält.
Die Geschäftsleitung und die Board-Mitglieder sind am besten in der Lage zu entscheiden, ob die Kapitalstruktur eines Unternehmens mit den strategischen Zielen und dem damit verbundenen Risikoprofil innerhalb der von den Aktionären festgelegten Grenzen vereinbar ist. Um die finanzielle Solidität des Unternehmens zu gewährleisten, sollte das Board die Kapitalstruktur und die Angemessenheit des Kapitals unter Berücksichtigung verschiedener Szenarien überwachen, einschließlich solcher, die eine geringe Wahrscheinlichkeit aufweisen, aber große Auswirkungen haben können.
VI.D. Der Corporate-Governance-Rahmen sollte den Rechten, Rollen und Interessen der Stakeholder Rechnung tragen und eine aktive Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Aktionären und Stakeholdern fördern, um Wertschöpfung, hochwertige Arbeitsplätze sowie nachhaltige und resiliente Unternehmen hervorzubringen.
Ziel der Corporate Governance ist es, die verschiedenen Stakeholder eines Unternehmens dazu zu ermutigen, wirtschaftlich optimale Investitionen in unternehmensspezifisches Human- und Sachkapital vorzunehmen. Für die Mitarbeitenden ist das Unternehmen sowohl Einkommensquelle als auch der Ort, an dem sie einen Großteil ihres Lebens verbringen, weshalb die langfristige Nachhaltigkeit des Unternehmens für sie wichtig ist. Die Wettbewerbsfähigkeit und damit letztlich der Erfolg eines Unternehmens sind das Ergebnis gemeinsamer Anstrengungen einer Vielzahl von Beteiligten, die unterschiedliche Ressourcen beisteuern, darunter Investoren, Beschäftigte, Gläubiger, Kunden, betroffene Gemeinschaften, Lieferanten sowie andere Interessenträger. Die Unternehmen sollten sich bewusst sein, dass diese Stakeholder einen wertvollen Beitrag zum Aufbau wettbewerbsfähiger, rentabler Unternehmen leisten. Es kann daher im langfristigen Interesse der Unternehmen liegen, eine der Wertschöpfung dienende Zusammenarbeit unter den Stakeholdern zu fördern.
VI.D.1. Die gesetzlich verankerten oder einvernehmlich festgelegten Rechte der Stakeholder müssen gewahrt werden.
Die Rechte der Stakeholder sind weitgehend durch gesetzliche (z. B. Arbeitsrecht, Wirtschaftsrecht, Handelsrecht, Umweltrecht und Insolvenzrecht) oder vertragliche Bestimmungen geregelt, die von den Unternehmen eingehalten werden müssen. In einigen Staaten müssen die Unternehmen menschenrechtlichen und ökologischen Sorgfaltspflichten nachkommen. Selbst dort, wo die Interessen der Stakeholder nicht gesetzlich oder vertraglich geschützt sind, gehen viele Unternehmen den Stakeholdern gegenüber zusätzliche Verpflichtungen ein, da die Sorge um das Ansehen des Unternehmens und den Unternehmenserfolg häufig die Anerkennung weitreichenderer Interessen erfordert. In manchen Ländern kann dies dadurch erreicht werden, dass die Unternehmen die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und die damit verbundenen Due-Diligence-Standards für risikoabhängige Due-Diligence-Prüfungen anwenden, um tatsächliche und potenzielle negative Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit zu ermitteln, zu verhüten und zu mindern sowie Rechenschaft darüber abzulegen, wie sie diesen Auswirkungen begegnen.
VI.D.2. Wenn die Interessen der Stakeholder gesetzlich geschützt sind, sollten diese bei Verletzung ihrer Rechte die Möglichkeit haben, effektive Entschädigung zu vertretbaren Kosten und ohne übermäßige Verzögerung zu erhalten.
Der Rechtsrahmen und die rechtlichen Verfahren sollten transparent sein und die Stakeholder nicht daran hindern, sich mitzuteilen und zu vertretbaren Kosten und ohne übermäßige Verzögerung Entschädigung für die Verletzung ihrer Rechte zu erhalten.
VI.D.3. Die Entwicklung von Mechanismen zur Mitarbeiterbeteiligung sollte ermöglicht werden.
Inwieweit die Beschäftigten Einfluss auf die Corporate Governance nehmen können, hängt von den nationalen Gesetzen und Gepflogenheiten ab und kann auch von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich sein. Im Kontext der Corporate Governance können Verfahren der Mitarbeiterbeteiligung für die Unternehmen sowohl direkt als auch indirekt – über die Bereitschaft der Mitarbeitenden in firmenspezifische Kompetenzen zu investieren – von Vorteil sein. Beispiele für derartige Verfahren sind die Arbeitnehmervertretung in den Boards sowie Corporate-Governance-Mechanismen wie Betriebsräte, die dafür sorgen, dass der Standpunkt der Arbeitnehmenden bei bestimmten wichtigen Entscheidungen berücksichtigt wird. In internationalen Übereinkommen und nationalen Normen wird zudem das Recht der Arbeitnehmenden auf Unterrichtung, Anhörung und Verhandlungen anerkannt. Als Leistungsanreize existieren in vielen Ländern Mitarbeiteraktienprogramme oder andere Mechanismen zur Gewinnbeteiligung. Auch betriebliche Pensionsverpflichtungen sind oft Teil der Beziehungen zwischen den Unternehmen und ihren früheren und gegenwärtigen Mitarbeitenden. Wenn diese Verpflichtungen mit der Einrichtung eines unabhängigen Fonds einhergehen, sollten dessen Treuhänder von der Geschäftsführung des Unternehmens unabhängig sein und den Fonds im Interesse aller Berechtigten verwalten.
VI.D.4. Wenn Stakeholder am Corporate-Governance-Prozess beteiligt sind, sollten sie zeitnah und regelmäßig Zugang zu relevanten, hinreichenden und verlässlichen Informationen erhalten.
Wenn die Gesetze und die Corporate-Governance-Praxis die Beteiligung von Stakeholdern vorsehen, ist es wichtig, dass diese Zugang zu Informationen erhalten, die sie für die Wahrnehmung ihrer Verantwortlichkeiten benötigen.
VI.D.5. Stakeholder, wie z. B. die Beschäftigten und ihre Vertretungsorgane, sollten die Möglichkeit haben, einen Verdacht auf illegale oder unethische Praktiken dem Board und/oder den zuständigen Behörden gegenüber frei zu äußern, ohne dass dies ihre Rechte gefährdet.
Unethische und illegale Praktiken von Führungskräften des Unternehmens können nicht nur die Rechte der Stakeholder verletzen, sondern auch dem Ruf des Unternehmens schaden. Daher ist es wichtig, dass Unternehmen eine vertrauliche Whistleblowing-Politik mit Verfahren und Schutzklauseln für Hinweise auf illegale und unethische Verhaltensweisen ausarbeiten, die entweder von den Beschäftigten – persönlich oder über ihre Vertretungsorgane – oder von externen Hinweisgebern vorgebracht werden. Das Board sollte angehalten werden, diese Personen und Vertretungsorgane zu schützen und ihnen direkten, vertraulichen Zugang zu einem unabhängigen Board-Mitglied – häufig ein Mitglied des Prüfungs- oder Ethikausschusses – zu ermöglichen. Einige Unternehmen setzen eine Ombudsperson ein, um entsprechenden Hinweisen nachzugehen. Die zuständigen Behörden haben zudem vertrauliche Telefon- und E-Mail-Kontaktmöglichkeiten für Verdachtsmeldungen eingerichtet. Auch wenn sich in einigen Ländern die Arbeitnehmervertretungen darum kümmern, die Unternehmensführung über derartige Bedenken der Belegschaft zu informieren, sollten die Beschäftigten nicht daran gehindert werden, im Alleingang zu handeln, und sie sollten deshalb auch nicht weniger geschützt sein. Falls zeitnahe Abhilfemaßnahmen ausbleiben oder ein plausibles Risiko besteht, dass Hinweise auf Gesetzesverstöße negative Konsequenzen haben könnten, sind die Beschäftigten angehalten, in gutem Glauben erfolgende Verdachtsmeldungen an die zuständigen Behörden zu richten. In vielen Ländern besteht auch die Möglichkeit, Verstöße gegen die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen der Nationalen Kontaktstelle zu melden. Das Unternehmen sollte von Diskriminierungs- bzw. Disziplinarmaßnahmen gegen die betreffenden Beschäftigten oder Vertretungsorgane absehen.
VI.D.6. Die Ausübung der Rechte von Anleiheinhabern börsennotierter Unternehmen sollte erleichtert werden.
Die anhaltende und beträchtliche Zunahme der Anleihefinanzierung durch börsennotierte Unternehmen und ihre Tochtergesellschaften rechtfertigt eine stärkere Beachtung der Rolle und der Rechte von Anleiheinhabern in der Corporate Governance sowie ihrer Bedeutung für die Resilienz von Unternehmen.
Bei Anleiheemissionen, die einer Vielzahl von Anlegern angeboten werden, wird in der Regel ein unabhängiger Treuhänder beauftragt, diese zu vertreten, Fälle von Covenant-Verletzungen zu prüfen und die Interessen der Anleihegläubiger bei einer Schuldenumstrukturierung zu schützen. Der genaue Tätigkeitsumfang eines Treuhänders wird meist vertraglich festgelegt, die Politikverantwortlichen können jedoch Regelungen über die Auswahlkriterien für Treuhänder und deren Pflichten vor und während eines Zahlungsausfalls erlassen.
Die Ausübung der Rechte von Anleiheinhabern kann auch dadurch erleichtert werden, dass institutionellen Anlegern Anreize geboten werden, Unternehmen zu überwachen und ihren Einfluss geltend zu machen. Institutionelle Anleger weisen unterschiedliche Geschäftsmodelle und Verbindlichkeitsstrukturen auf. Dementsprechend unterscheiden sich auch ihre Anreize, als Anleihegläubiger mehr oder weniger aktiv zu sein. Corporate-Governance-Rahmen können die Investoren jedoch anspornen, sich als Gläubiger aktiver einzubringen, indem beispielsweise in einem Stewardship-Code empfohlen wird, dass die Unterzeichner ihre Rechte in Bezug auf Unternehmensanleihen aktiv ausüben können. Marktinitiativen können nützlich sein, um Standards zu setzen und zur Nutzung klar definierter und durchsetzbarer Covenants anzuregen. Die Verwendung anpassbarer Finanzkennzahlen, die es den Emittenten ermöglichen, selbst zu definieren, ob sie die Covenants einhalten, muss möglicherweise vermieden werden.
Eine außergerichtliche Umstrukturierung von Schulden, z. B. durch einen Umtausch notleidender Schuldtitel (Distressed Debt Exchange), ist oft kostengünstiger als ein förmliches Insolvenzverfahren. Daher könnte der Einsatz solcher Umschuldungen erleichtert werden. Neben der Einhaltung international anerkannter Standards für Gläubigerrechte und Insolvenzordnungen könnten die Länder von einer erleichterten Beteiligung von Anleihegläubigern an außergerichtlichen Umstrukturierungen der Schulden börsennotierter Unternehmen profitieren. So könnten beispielsweise klare Leitlinien für die Anwendung der Vorschriften zum Insiderhandel während einer Umschuldung oder einem Covenant-Waiver die Anleihegläubiger eher dazu veranlassen, an solchen Verfahren teilzunehmen. Eine andere Möglichkeit wäre, die Identifizierung der Anleihegläubiger zu erleichtern, damit die Unternehmensschuldner sie schnell finden und Verhandlungen über eine Umstrukturierung der Schulden aufnehmen können. Dies unterliegt jedoch der jeweiligen nationalen Gesetzgebung, wie z. B. den Sanierungs- und Abwicklungsvorschriften für Banken und Kreditinstitute.
VI.D.7. Der Corporate-Governance-Rahmen sollte durch eine wirksame und effiziente Insolvenzordnung und eine effektive Durchsetzung der Gläubigerrechte ergänzt werden.
Gläubiger bilden eine wichtige Stakeholder-Gruppe, und die Bedingungen, das Volumen und die Art der den Unternehmen eingeräumten Kredite hängen in entscheidendem Maße von den Gläubigerrechten sowie deren Durchsetzbarkeit ab. Unternehmen, die eine gute Corporate Governance vorweisen können, sind im Allgemeinen in der Lage, größere Beträge zu günstigeren Bedingungen aufzunehmen als Unternehmen, bei denen das nicht der Fall ist bzw. die auf weniger transparenten Märkten tätig sind. Die Regelungen für Unternehmensinsolvenzen sind von Land zu Land sehr unterschiedlich. In einigen Ländern sind die Boards bei drohender Zahlungsunfähigkeit der Unternehmen gesetzlich verpflichtet, im Interesse der Gläubiger zu handeln, was diesen in Fragen der Unternehmensführung eine äußerst wichtige Rolle einräumen kann.
Zudem haben nicht alle Gläubiger die gleichen Rechte, denn ihr Spektrum reicht von Inhabern besicherter Schuldverschreibungen bis hin zu Gläubigern ohne jegliche Sicherheiten. Insolvenzverfahren erfordern in der Regel effiziente Mechanismen, um den Interessen der verschiedenen Kategorien von Gläubigern Rechnung zu tragen. In vielen Staaten existieren bestimmte Sonderrechte, z. B. im Rahmen der „Debtor in Possession“-Finanzierung, die Anreize/Schutz für Geldgeber bietet, die Unternehmen in Eigenverwaltung während des Insolvenzverfahrens neue Mittel bereitstellen.