Das vorliegende Kapitel diskutiert die zentralen Merkmale der Forschungsbasis für Innovationen in Deutschland. Das deutsche Innovationssystem wird von einem großen, autonomen und finanziell gut ausgestatteten Netzwerk aus Forschungseinrichtungen und Universitäten getragen. Dabei wird die institutionalisierte öffentliche Forschung durch einen hochinnovativen Unternehmenssektor ergänzt.
OECD-Berichte zur Innovationspolitik: Deutschland 2022
4. Die deutsche Forschungslandschaft für Innovationen
Abstract
Einleitung
Die Forschungsbasis – also die Stärke und die Kompetenzen der der Forschung verschriebenen Institutionen und Beschäftigten – ist ein zentraler Bestandteil des Innovationsökosystems. Sie spielt sowohl als Träger von Fachkompetenzen und Fähigkeiten als auch als Partner bei Innovationsaktivitäten eine wichtige Rolle für die Förderung von Innovationen in Unternehmen, insbesondere im Mittelstand. Die Bedeutung der Forschungsbasis wird im Transformationskontext weiter zunehmen, da dieser von den Unternehmen und Forschungseinrichtungen neue Formen von Fachkompetenz und mehr interdisziplinäre Zusammenarbeit erfordert. Die Erleichterung dieser Zusammenarbeit ist ein zentrales Ziel der durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgelegten Reihe von Förderprogrammen, die in der Dachinitiative „Von der Idee zum Markterfolg“ zusammengefasst sind. Diese zusätzlichen Anforderungen sind besonders wichtig, damit die Forschungsbasis jene Arten von Sprunginnovationen unterstützen kann, die für die ökologische Transformation benötigt werden.
Wie auch in anderen Volkswirtschaften setzt sich die deutsche Forschungsbasis aus einem breiten Spektrum von Institutionen zusammen, die jeweils eine bestimmte Rolle im Wissenschafts-, Technologie- und Innovationssystem (WTI-System) einnehmen. Dies umfasst öffentliche Forschungseinrichtungen, die unterschiedliche Arten von innovationsfördernder Forschung betreiben, von der Grundlagenforschung bis hin zur angewandten Forschung an bestimmten Technologien. Hochschuleinrichtungen sind ein weiterer wichtiger Bestandteil der Forschungsbasis, da sie sowohl Forschung betreiben als auch die wissenschaftlichen Fachkräfte hervorbringen, die über das gesamte WTI-System hinweg benötigt werden. In Deutschland werden diese institutionellen Gruppierungen unterstützt durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die aus öffentlichen Mitteln finanzierte Forschungsförderung für Forschende an deutschen Forschungs- oder Hochschuleinrichtungen bereitstellt.
Der vorliegende Abschnitt gibt einen Überblick über die zentralen Merkmale der Forschungsbasis in Deutschland. Er stellt sowohl die wesentlichen in der Forschung aktiven Akteure innerhalb des WTI-Systems als auch das diesen zur Verfügung stehende Forschungspersonal vor.
4.1. Forschungskapazitäten im internationalen Vergleich
Mit 450 700 Forschenden (gerechnet in Vollzeitäquivalenten) gehört Deutschland weltweit zu den Staaten mit den höchsten dauerhaften Forschungskapazitäten. Nur China, die Vereinigten Staaten und Japan verfügen über mehr Vollzeitäquivalente in der Forschung. In der Europäischen Union führt Deutschland mit großem Abstand vor Frankreich (314 100) und Italien (160 800).
Wie in anderen fortgeschrittenen Volkswirtschaften der OECD ist auch in Deutschland die überwiegende Mehrheit der Forschenden im Unternehmenssektor beschäftigt (61 %). Im Hochschulsektor liegt die Anzahl der Forschenden (24 %) etwas unter dem OECD-Durchschnitt (30 %), im öffentlichen Sektor (13 %) über dem OECD-Durchschnitt (6,5 %).
Im weltweiten Vergleich verfügte Deutschland 2019 nach China, den Vereinigten Staaten, Japan und Korea über die fünftgrößte Anzahl von vollzeitäquivalenten Forschenden im Unternehmenssektor (277 000). In der Europäischen Union stellt Deutschland mit seinen 277 000 Vollzeitäquivalenten den größten Anteil (27 %) der Forschenden im Privatsektor, vor Frankreich (197 400) und Italien (78 100). Der Anteil der Forschenden an den Beschäftigten (9,7 %) ist im Großen und Ganzen mit Ländern wie Frankreich (10,9 %) und den Vereinigten Staaten (9,8 %) vergleichbar, aber geringer als in bestimmten südasiatischen und nordeuropäischen Ländern wie Korea (15,2 %), Schweden (14,7 %) und Finnland (14,4 %) (Abbildung 4.1).
Die umfangreichen Forschungskapazitäten in Deutschland verschleiern erhebliche Herausforderungen bei der Teilhabe, insbesondere von Frauen. Wie an anderer Stelle in diesem Bericht erörtert, sind Frauen im Forschungssystem unterrepräsentiert, da sie lediglich 28 % der Vollzeitäquivalente in der Forschung insgesamt und 15 % im Unternehmenssektor ausmachen. Geschlechtergleichstellung und andere Teilhabeherausforderungen in der Forschungsbasis werden in Kapitel 16 erörtert.
Darüber hinaus wirken sich auch prekäre Arbeitsbedingungen im akademischen Bereich auf die Forschungseinrichtungen in Deutschland aus. Forschende an Universitäten und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen haben häufig befristete Kettenarbeitsverträge, die auf sechs bis neun Jahre begrenzt und in der Praxis oft kürzer sind und eingeschränkte Aussichten auf einen beruflichen Aufstieg bieten (77 % der Postdoktoranden an Hochschuleinrichtungen und 72 % an außeruniversitären Forschungseinrichtungen) (OECD, 2021[2]). 2017 führte Deutschland zur Schaffung besserer und stabilerer Karrierewege in der Wissenschaft ein (begrenztes) Tenure-Track-Programm ein, auch um für Nachwuchswissenschaftler*innen Anreize zu setzen, zu einem früheren Zeitpunkt die Wahl für eine Karriere innerhalb oder außerhalb der Hochschule zu treffen. Weitere Maßnahmen sollten wie bisher vorrangig dazu dienen, Grundlagenforschung und angewandte Forschung in der Hochschule als einen attraktiven Karriereweg für begabte Hochschulabsolvent*innen aller Disziplinen und unterschiedlicher Herkunft zu positionieren, beispielsweise durch die Förderung teilhabeorientierter Governance-Modelle in Forschungseinrichtungen oder durch die Verbesserung des Personalmanagements (ebd.).
Für die Forschungsbasis wichtige Bundesmittel sind in den vergangenen Jahrzehnten angestiegen. 2019 gingen 50,1 % der FuE-Finanzierung des Bundes an öffentliche Forschungseinrichtungen (einschließlich staatlicher Stellen), 10,7 % an Hochschuleinrichtungen, 12,6 % an die DFG (die wiederum Projekte an Hochschuleinrichtungen finanziert), 18,3 % an Unternehmen (einschließlich eines sehr geringen Anteils an Unternehmen im Ausland) und 8,3 % an internationale Organisationen (BMBF, 2021[3]). Insgesamt wuchs die FuE-Förderung des Bundes zwischen 2005 und 2020 real um ungefähr 3,9 % pro Jahr (Abbildung 4.2). Infolge der Exzellenzinitiative stieg die FuE-Finanzierung für Hochschuleinrichtungen und die DFG deutlich stärker (real um 5,8 % bzw. 6,8 % pro Jahr). Die Förderung öffentlicher Forschungseinrichtungen wuchs real um 3,5 % pro Jahr, während der Unternehmensbereich (+3,1 %), internationale Organisationen und Programme und andere Empfänger außerhalb Deutschlands (+2,6 %) ein geringeres Wachstum verzeichneten.
4.2. Forschungseinrichtungen im Überblick
Die Forschungsbasis in Deutschland setzt sich aus mehreren Bausteinen zusammen. Das Land zählt mehr als 1 000 mit öffentlichen Mitteln finanzierte Forschungseinrichtungen (Hochschuleinrichtungen sind darin nicht eingeschlossen), die Grundlagenforschung und angewandte Forschung genauso umfassen wie wissenschaftliche und auf Innovationen ausgerichtete Arbeit (Abbildung 4.3) (BMBF, o. J.[4]). Diese Zahl beinhaltet die von den vier größten öffentlichen Forschungseinrichtungen (Fraunhofer-Gesellschaft, Helmholtz-Gemeinschaft, Leibniz-Gemeinschaft und Max-Planck-Gesellschaft) betriebenen Institute, die in ganz Deutschland vertreten sind. Zusätzlich dazu unterstützen rund 30 Forschungseinrichtungen des Bundes und 144 Einrichtungen der Bundesländer die Bundesregierung und die regionalen Gebietskörperschaften mit wissenschaftlichen Informationen bei der politischen Entscheidungsfindung (BMBF, o. J.[4]).
Neben den 1 000 Einrichtungen im mit öffentlichen Mitteln finanzierten Netzwerk von Forschungsorganisationen umfasst die deutsche Forschungsbasis auch über 400 Hochschuleinrichtungen, darunter 120 Universitäten, mehr als 200 Fachhochschulen und rund 60 Kunst- und Musikakademien (BMBF, o. J.[5]). Im Jahr 2020 arbeiteten rund 760 000 Personen in Hochschuleinrichtungen, von denen ein Drittel als wissenschaftliches Personal gilt (Destatis, o. J.[6]). Mit mehr als 100 000 Beschäftigten stehen Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern an der Spitze der 16 Bundesländer im Bereich Hochschulpersonal. Neben den Hochschuleinrichtungen bilden mehr als 1 000 außeruniversitäre öffentliche Forschungseinrichtungen, die durch Bundes- oder Landesmittel finanziert werden, Teil der Forschungsbasis und sind häufig eng mit dem Innovationssystem verbunden (OECD, 2011[7]). Viele Forschungsprojekte in Hochschuleinrichtungen und öffentlichen Forschungseinrichtungen werden durch die zentrale Organisation für Forschungsfinanzierung, die DFG, gefördert, die durch den Bund (69 %) und die Bundesländer (30 %) sowie durch EU-Mittel und private Spenden mit einem Jahresbudget von rund 3 Mrd. EUR ausgestattet ist (DFG, 2020[8]).
Die deutschen Universitäten und öffentlichen Forschungseinrichtungen – und auch die DFG – verfügen über Organisations- und Governancestrukturen, die sie vor staatlichem Mikromanagement abschirmen. Anders als es bei ihren Pendants in anderen Ländern der Fall ist, handelt es sich bei ihnen nicht um staatliche Behörden, sondern um sich selbst verwaltende Gemeinschaften. Die Organisationen im Land genießen einen hohen Grad an institutioneller Autonomie, der über den internationalen Standard der Lehr- und Wissenschaftsfreiheit hinausgeht. Das Wissenschaftsfreiheitsgesetz aus dem Jahr 2012 vergrößert die universitäre Unabhängigkeit weiter, indem es den Universitäten größere haushalterische Freiheit gewährt.
Deutschland verfügt über vier primäre Netzwerke von öffentlichen Forschungseinrichtungen. Beim ersten handelt es sich um die Fraunhofer-Gesellschaft, die 76 hauptsächlich auf angewandte Forschung ausgerichtete Institute und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland in sich vereint. Das zweite ist die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren, deren 18 Zentren Forschungsinfrastrukturen für das Innovationssystem betreiben, darunter Beschleuniger, Teleskope, Forschungsschiffe und Supercomputer. Das dritte dieser Netzwerke ist die Leibniz-Gemeinschaft. Sie fungiert als Dachverband für fast 100 Forschungseinrichtungen, die wissenschaftliche Problemstellungen von gesellschaftlicher und internationaler Bedeutung untersuchen. Das vierte ist die Max-Planck-Gesellschaft, die auf fortgeschrittene Grundlagenforschung spezialisiert ist. Jede dieser öffentlichen Forschungseinrichtungen ist weitestgehend autonom, profitiert aber gleichzeitig von erheblicher öffentlicher Förderung (siehe Abschnitt 4.3).
Die DFG, die wissenschaftsgesteuerte Forschungsförderung bereitstellt, genießt eine ähnliche Autonomie. Alle fünf Organisationen werden von unterschiedlich gestalteten Mitgliederversammlungen geleitet und ernennen ihre eigenen Mitglieder. Damit hat der Staat keinerlei Möglichkeiten, unmittelbar Einfluss auf die Organisationen oder ihre Grundsätze zu nehmen. In der Praxis sind diese Einrichtungen auf öffentliche Mittel angewiesen, wodurch der Staat über ein hohes Maß an Kontrolle verfügt – dies allerdings auf aggregierter Ebene, was Mikromanagement verhindert.
4.3. Öffentliche Forschungseinrichtungen im deutschen WTI-System
Deutschland hebt sich mit seinem besonders großen Sektor öffentlicher Forschungseinrichtungen von vielen anderen Ländern ab. Dieser Sektor umfasst vier führende öffentliche Forschungseinrichtungen mit sehr unterschiedlichen Aufgaben:
Die Helmholtz-Gemeinschaft unterhält 18 mittlere bis große unabhängige Forschungszentren mit Schwerpunkt Großforschung und Infrastrukturen.
Die Fraunhofer-Gesellschaft betreibt 105 Institute und Zentren mit Schwerpunkt angewandte Wissenschaften, Ingenieurwissenschaften und Innovation.
Die Max-Planck-Gesellschaft umfasst 82 Institute, die Grundlagenforschung in verschiedensten Disziplinen betreiben.
Die Leibniz-Gemeinschaft vereint 93 eigenständige Institute aus sehr unterschiedlichen Disziplinen, vor allem den Geisteswissenschaften (einschließlich Museen), Künsten und Sozialwissenschaften.
Der Sektor der öffentlichen Forschungseinrichtungen umfasst auch Forschungseinrichtungen des Bundes („Ressortforschungseinrichtungen“) und von den Bundesländern betriebene FuE-Institute (Tabelle 4.1). FuE-Statistiken zu öffentlichen Forschungseinrichtungen beinhalten Daten zu FuE in allen Disziplinen, einschließlich FuE in Bibliotheken, Museen und zahlreichen öffentlich kofinanzierten FuE-Einrichtungen, die oft in ähnlicher Weise wie private Organisationen ohne Erwerbszweck betrieben werden.
Tabelle 4.1. Gruppierungen öffentlicher Forschungseinrichtungen in Deutschland
Institutionelle Förderung Bund: Länder |
Anzahl der Institute/Zentren |
Personal (Vollzeitäquivalente, 2018) |
||||
Insgesamt |
Wissenschaftliches Personal |
FuE-Personal |
||||
Helmholtz |
90 : 10 |
18 |
32 962 |
16 685 |
32 853 |
|
Fraunhofer |
90 : 10 |
105 |
15 736 |
9 146 |
15 736 |
|
Max Planck |
50 : 50 |
82 |
18 206 |
9 207 |
18 206 |
|
Leibniz |
50 : 50 |
93 |
14 622 |
7 228 |
12 946 |
|
Bundesforschungseinrichtungen |
100 : 0 |
38 |
19 286 |
9 644 |
9 747 |
|
FuE-Institute der Länder |
0 : 100 |
53 |
5 976 |
2 937 |
2 620 |
|
Bibliotheken/Museen |
unterschiedlich |
176 |
11 128 |
3 402 |
3 548 |
|
Sonstige |
unterschiedlich |
463 |
17 152 |
10 078 |
13 831 |
|
Insgesamt |
1 028 |
135 066 |
68 325 |
109 487 |
Quelle: Destatis (2022[9]) .
Die Anzahl der Vollzeitäquivalente in den öffentlichen Forschungseinrichtungen ist von 76 000 im Jahr 2005 auf 110 000 im Jahr 2018 kontinuierlich gewachsen (Abbildung 4.4), wobei die Fraunhofer-Gesellschaft einen etwas stärkeren Zuwachs verzeichnete als die anderen. Im Gegensatz dazu ist die Zahl der Beschäftigten an den FuE-Instituten der Länder zwischen 2005 und 2018 um ungefähr 2 % pro Jahr gesunken.
Die vier großen öffentlichen Forschungseinrichtungen verfügen über äußerst ähnliche Governance-Systeme. Jede Einrichtung wählt ihre Mitglieder selbst aus, die wiederum unmittelbar oder mittelbar den Präsidenten, die oberste Leitung und sonstige leitende Ausschüsse bestellen und berufen. Obwohl die Regierungen auf Bundes- und Länderebene mitunter in diesen Strukturen repräsentiert sind, sind die vier großen öffentlichen Forschungseinrichtungen autonom.
4.3.1. Helmholtz-Gemeinschaft
Die Helmholtz-Gemeinschaft umfasst 18 Großforschungseinrichtungen, die nicht nur im Hinblick auf die Beschäftigtenzahlen groß sind, sondern tendenziell auch auf große Forschungsinfrastrukturen zurückgreifen können. Die Gemeinschaft entstand aus einem 1958 errichteten Arbeitsausschuss von Organisationen, die Atomreaktoren entwickelten und neben verschiedenen Hochschulinstituten die Forschungszentren Karlsruhe und Jülich umfassten. In den 1960er Jahren stießen weitere große Forschungszentren aus Bereichen wie der Luftfahrt, Hochenergiephysik und den Material- und Gesundheitswissenschaften zu dem Arbeitsausschuss, der 1970 die Arbeitsgemeinschaft der Großforschungseinrichtungen gründete, um das Verhältnis zum Staat zu regeln, staatliches Mikromanagement der Zentren zu reduzieren und deren Autonomie zu vergrößern.
In absoluten Zahlen entfiel der größte Anteil am Wachstum der FuE-Kapazitäten zwischen 2005 und 2018 auf die Helmholtz-Gemeinschaft (33,1 %), wobei der größte Anstieg bis 2014 stattfand. Der zweitgrößte Anteil entfiel auf die Fraunhofer-Gesellschaft, die für 25,9 % des Wachstums verantwortlich zeichnete. Was die wissenschaftlichen Disziplinen angeht, so war das Wachstum der FuE-Kapazitäten in öffentlichen Forschungseinrichtungen gleichmäßig auf die Naturwissenschaften, Ingenieurwissenschaften und Medizin verteilt, mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 2,7 % im Jahr 2005 bis 2,9 % im Jahr 2018. Der größte Teil des absoluten Wachstums der FuE-Kapazitäten entfiel auf öffentliche Forschungseinrichtungen, die in den Naturwissenschaften (45,8 %) und den Ingenieurwissenschaften (24,5 %) forschen. Prozentual wuchs die sozialwissenschaftliche Forschung ungefähr doppelt so schnell, allerdings von einem niedrigen Ausgangsniveau aus.
4.3.2. Max-Planck-Gesellschaft
Die Vorgängerorganisation der Max-Planck-Gesellschaft war die 1911 gegründete Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, deren Institute einer Mischung aus wissenschaftlicher Grundlagenforschung und angewandter technischer, industrieller und Rüstungsforschung nachgingen. Die Alliierten lösten die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft 1946 auf, da einige der Institute durch Forschung und technische Hilfsleistungen am Holocaust beteiligt gewesen waren. Die Max-Planck-Gesellschaft wurde 1948 errichtet und griff teilweise auf die Infrastruktur und das Personal ihrer Vorgängerorganisation zurück, konzentrierte sich jedoch auf die Grundlagenforschung. Mehr als andere deutsche Institute folgt die Max-Planck-Gesellschaft dem nach dem ersten Präsidenten der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft Adolf von Harnack benannten „Harnack-Prinzip“, nach dem ein Institut um die Fähigkeiten einer zentralen Forscherpersönlichkeit errichtet werden sollte und die Emeritierung dieser Forscherpersönlichkeit nur dann überdauern sollte, wenn ein*e hinreichend kongeniale*r Nachfolger*in gefunden werden kann. Andere Institutsgruppierungen sind unternehmerischer und kollektiver ausgerichtet.
Die Max-Planck-Gesellschaft wird durch ihre Mitglieder geleitet, die fördernde und wissenschaftliche Mitglieder genauso umfassen können wie Ehrenmitglieder und Mitglieder von Amts wegen. Die Mitgliederversammlung wählt einige Mitglieder des Senats, der auch zwei Vertreter der Bundesregierung und drei Vertreter der Landesregierungen umfasst. Der Senat wiederum wählt den Präsidenten und die weiteren Mitglieder des Verwaltungsrats und entscheidet über die Gründung und Schließung einzelner Institute.
4.3.3. Fraunhofer-Gesellschaft
Die Fraunhofer-Gesellschaft wurde ursprünglich 1949 von der bayerischen Landesregierung und der Bundesregierung gegründet und vom damaligen Bundesministerium für Wirtschaft nach der DFG und der Max-Planck-Gesellschaft als dritter großer Baustein des nationalen Forschungssystems anerkannt. Die Fraunhofer-Gesellschaft eröffnete ihre ersten Institute im Jahr 1954 und verfolgte bis 1969 in 19 Instituten mit rund 1 200 Beschäftigten eine Mischung aus industrieller und Rüstungsforschung. Eine Kommission zur Entwicklung der Fraunhofer-Gesellschaft entwarf daraufhin das „Fraunhofer-Modell“ der Finanzierung, nach dem der Staat rund ein Drittel der Einkünfte der Fraunhofer-Gesellschaft in Form von institutioneller Förderung zur Verfügung stellt. Von den Instituten wird erwartet, dass sie ein weiteres Drittel aus wettbewerblichen staatlichen Quellen (die heute das EU-Rahmenprogramm umfassen) und das verbleibende Drittel aus der Industrie akquirieren. Die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) (die 2008 durch die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz [GWK] ersetzt wurde) vereinbarte 1973 ein neues Finanzierungsmodell. Demnach soll die Fraunhofer-Gesellschaft ihre Aktivitäten auf industrielle Technologien und FuE verlagern und dabei besonderes Augenmerk auf die Entwicklung kleiner und mittlerer Unternehmen legen, wie es ihrer derzeitigen Rolle entspricht. Nach der Wiedervereinigung übernahm die Fraunhofer-Gesellschaft einige der industriellen Forschungsinstitute der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), wobei auch viele der Forschungsstätten der DDR geschlossen wurden. In ihrer nach 1973 existierenden Form gilt die Fraunhofer-Gesellschaft unter den öffentlichen Forschungseinrichtungen international als das Vorbild schlechthin. Jedoch weicht sie vom üblichen Modell der öffentlichen Forschungseinrichtungen insofern ab, als sie über verschiedene kleine Büros, Institute und Kollaborationen außerhalb Deutschlands verfügt, die nicht nur als internationale „Antennen“ und Marketingmöglichkeiten der Fraunhofer-Gesellschaft, sondern auch als Träger deutscher Wissenschaftsdiplomatie zu dienen scheinen. Die Fraunhofer-Gesellschaft ist ein größerer Exporteur von FuE- und technischen Dienstleistungen als die meisten anderen öffentlichen Forschungseinrichtungen.
Die Fraunhofer-Gesellschaft ist stärker dezentral strukturiert als andere große öffentliche Forschungseinrichtungen wie die Niederländische Organisation für Angewandte Naturwissenschaftliche Forschung (TNO) oder das Technische Forschungszentrum Finnland VTT. Das Fraunhofer-Modell bedeutet in der Praxis, dass die Institutsleitungen einen hohen Grad an Autonomie genießen, sofern sie die haushalterischen Anforderungen der Fraunhofer-Gesellschaft erfüllen. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat die oberste Führung der Gesellschaft erfolgreich Institute in verwandten Bereichen miteinander vernetzt, Verwaltungs- und Managementdienstleistungen gestärkt und sowohl eine Technologietransfer-Stelle als auch eine internationale Abteilung gegründet. Trotzdem stellen die einzelnen sehr bewusst unabhängigen Institute die strategischen Unternehmenseinheiten der Fraunhofer-Gesellschaft dar. Die Institutsleitungen haben einer Teilzeitbeschäftigung als Universitätsprofessor*innen nachzugehen, üblicherweise an einer benachbarten Universität, wodurch die Verbindungen zur Grundlagenforschung gefestigt werden und für stetigen Nachschub an Doktorand*innen gesorgt wird, die in mit der Fraunhofer-Gesellschaft verbundenen Bereichen tätig sind. Die Fraunhofer-Gesellschaft strebt ausdrücklich an, aus dieser Gruppe Personal anzuwerben, und hat sich ein Minimalziel für die Personalfluktuation gesetzt, wobei sie dem Grundsatz folgt, dass die meisten promovierten Wissenschaftler*innen einige Jahre lang ihre Fertigkeiten an einem Fraunhofer-Institut vervollkommnen sollten, um danach in die Industrie zu wechseln. Diese Regelung bedeutet auch, dass die Fraunhofer-Institute auf einem theoretischeren und grundlegenderen Niveau agieren als Technologieunterstützungs- und -transferorganisationen wie die Steinbeis-Stiftung, die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) und die Deutsche Industrieforschungsgemeinschaft Konrad Zuse e. V.
Die Fraunhofer-Gesellschaft wird von einer Mitgliederversammlung geleitet. Ordentliche Mitglieder können „natürliche und juristische Personen, auch Vereine und Gesellschaften ohne Rechtsfähigkeit (Vereinigungen) werden, die die Arbeiten der Gesellschaft fördern wollen“ (Fraunhofer, 2015[10]). Eine Mitgliedschaft von Amts wegen steht den Mitgliedern des Senats, des Vorstands, der Institutsleitungen und der Kuratorien offen.
4.3.4. Leibniz-Gemeinschaft
Die Leibniz-Gemeinschaft entstand 1949 auf einer Versammlung der Bundesländer, auf der einvernehmlich beschlossen wurde, dass mehrere bestehende Institute zu groß für die Finanzierung durch ein einzelnes Bundesland waren und dass Vorkehrungen getroffen werden sollten, diese Institute gemeinschaftlich zu finanzieren. Im Jahr 1969 wurde das Grundgesetz dahingehend geändert, dass die gemeinschaftliche Finanzierung von Forschungseinrichtungen durch den Bund und die Länder möglich wurde. Nach intensiven Verhandlungen einigte man sich 1977 auf eine Liste – nach der Papierfarbe als „Blaue Liste“ bezeichnet – von 46 für die gemeinschaftliche Finanzierung vorgesehenen Instituten. Im Jahr 1990 errichteten die Institute dieser Blauen Liste eine Arbeitsgemeinschaft Blaue Liste. Nach der Wiedervereinigung wuchs diese bis zum Jahr 1992 auf 81 Institute an. Der von der Arbeitsgemeinschaft Blaue Liste eingerichtete Grundsatzausschuss beriet über die Zukunft der Institute, was 1995 zur Gründung der „Wissenschaftsgemeinschaft Blaue Liste“ führte, die sich 1997 in „Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz“ umbenannte und heute schlicht als Leibniz-Gemeinschaft bezeichnet wird.
Die Leibniz-Gemeinschaft gliedert sich in fünf Sektionen, d. h. auf die folgenden Bereiche spezialisierte Institutsgruppen:
Geisteswissenschaften und Bildungsforschung
Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Raumwissenschaften
Lebenswissenschaften
Mathematik, Natur- und Ingenieurwissenschaften
Umweltwissenschaften
Die Mitgliedschaft in der Leibniz-Gemeinschaft setzt sich zusammen aus den Instituten, von deren Leitungen der*die Präsident*in und die Vize-Präsident*innen gewählt werden. Auf Mitgliederversammlungen wird über die Aufnahme von Instituten als Mitglieder entschieden. Das Präsidium besteht aus der Leitung der Leibniz-Gemeinschaft und den Sprecher*innen der fünf Sektionen. Der Senat umfasst die Leitung der Leibniz-Gemeinschaft, Vertreter*innen der fünf Sektionen und eine Mischung aus Vertreter*innen der Bundesregierung und der Landesregierungen. Anders als bei den anderen drei großen öffentlichen Forschungseinrichtungen kommt dem Senat der Leibniz-Gemeinschaft eine beratende Rolle zu.
4.4. Hochschuleinrichtungen
Nahezu alle größeren Universitäten sind öffentliche Einrichtungen und erhalten Grundfinanzierung von ihren jeweiligen Landesregierungen. Viele andere Hochschuleinrichtungen stehen in privater (üblicherweise gemeinnütziger) Trägerschaft. Mit Ausnahme einiger weniger Hochschulen des Bundes werden sämtliche öffentlichen Hochschuleinrichtungen von den Landesregierungen verwaltet. Bei Forschungsqualität und Leistung unterscheiden sich die Universitäten wenig: Im Shanghai-Ranking für das Jahr 2021 werden 51 deutsche Universitäten unter den besten 1 000 Universitäten geführt, und 4 sind unter den besten 100 vertreten (die LMU München auf Rang 48, die TU München auf Rang 52, die Universität Heidelberg auf Rang 57 und die Universität Bonn auf Rang 84) (Shanghai Ranking, 2021[11]). Ungefähr 20 Universitäten haben einen ingenieurwissenschaftlichen und technischen Schwerpunkt; viele von ihnen verwenden die Bezeichnung „Technische Universität“ und arbeiten traditionell eng mit der Industrie zusammen.
Tabelle 4.2. Hochschuleinrichtungen in Deutschland
Art der Hochschuleinrichtungen |
Anzahl der Einrichtungen |
Personal (Kopfzahl, 2019) |
Anzahl der Studierenden (2019/20) |
Anzahl der Absolvent*innen (2019) |
||||
Insgesamt |
Wissenschaft-liches Personal |
Professor*innen |
Insgesamt |
Promotionen |
||||
Universitäten |
112 |
574 545 |
213 658 |
24 854 |
1 749 734 |
301 961 |
28 509 |
|
(einschließlich Technische Universitätena) |
20 |
130 797 |
58 806 |
5 927 |
478 843 |
86 608 |
7 902 |
|
Fachhochschulen |
236 |
136 782 |
38 578 |
20 234 |
1 023 146 |
182 907 |
0 |
|
Andere Hochschulenb |
108 |
26 435 |
8 375 |
3 459 |
118 169 |
27 417 |
181 |
|
Insgesamt |
456 |
737 762 |
260 611 |
48 547 |
2 891 049 |
512 285 |
28 690 |
Anmerkung: a) 20 Universitäten mit großen technischen Fakultäten: RWTH Aachen, TU Berlin, Ruhr-Universität Bochum, TU Braunschweig, TU Chemnitz, TU Clausthal, TU Cottbus-Senftenberg, TU Darmstadt, TU Dortmund, TU Dresden, Universität Erlangen-Nürnberg, TU Freiberg, TU Hamburg, Leibniz-Universität Hannover, TU Ilmenau, TU Kaiserslautern, Karlsruhe IT, TU München, Universität Stuttgart, Universität Wuppertal. b) pädagogische Hochschulen, theologische Hochschulen, Kunsthochschulen, Verwaltungsfachhochschulen und andere.
Quelle: Destatis (o. J.[6])
Aufgrund der Vorgabe, die Studierendenzahlen zu erhöhen, ist der Universitätssektor erheblich angewachsen: von ungefähr 349 000 Erstsemestern im Jahr 2005 auf 496 000 im Jahr 2019 (Tabelle 4.2). Der Anteil der Studienanfänger*innen an der gleichaltrigen Bevölkerung hat sich in Deutschland von einem Drittel auf die Hälfte erhöht. Die Studierendenschaft ist dennoch recht international: Ein Viertel der Erstsemester besitzt nicht die deutsche Staatsangehörigkeit. Entsprechend ist auch die Zahl des wissenschaftlichen Personals gestiegen (Abbildung 4.5). Die Forschungstätigkeit der Universitäten dürfte sowohl durch die Fächerwahl der Studierenden beeinflusst werden (da die Universitäten das für die Lehre notwendige wissenschaftliche Personal einstellen müssen) als auch durch die thematischen Prioritäten externer Forschungsförderer.
Die Universitäten (insbesondere die Technischen Universitäten) können mit einem oder mehreren „An-Instituten“ zusammenarbeiten oder diese sogar eingliedern. Obwohl sie sich formal außerhalb der Universitätsstrukturen befinden, sind An-Institute im Allgemeinen auf dem Universitätsgelände oder in der Nähe angesiedelt. Viele An-Institute beraten die Industrie oder sind an anderen Formen des Technologietransfers beteiligt, mitunter im Rahmen einer Zusammenarbeit mit einem Industrieverband oder einzelnen Unternehmen. Außerdem können sie die Zusammenarbeit mit anderen Teilen des Forschungssektors ermöglichen. Mitglieder der vier großen öffentlichen Forschungseinrichtungen – insbesondere der Fraunhofer- und Max-Planck-Gesellschaften – können ebenfalls bei Universitäten angesiedelt sein. Die Institutsdirektor*innen müssen einen Lehrstuhl in Teilzeit innehaben, oftmals an einer benachbarten Universität.
Änderungen am Hochschulrahmengesetz in den Jahren 1998 und 2000 zielten darauf ab, den Wettbewerb im Universitätssektor anzuregen, indem Regulierung abgebaut wurde und leistungsbezogene Anreize gesetzt wurden, indem die Rolle der Ministerien bei der Führung der Hochschulen begrenzt wurde und indem die interne Universitätsleitung durch die Verringerung der relativen Macht des Kollegiums gestärkt wurde. Die Bundesländer verfügen über unterschiedliche Modelle für die Hochschulräte, die um das Jahr 2012 eingeführt wurden. Zu dem Zeitpunkt stellten 12 von 15 Bundesländern die Anforderung auf, dass Hochschulräte mehrheitlich mit hochschulexternen Mitgliedern besetzt sein müssen (in einem Bundesland wurden keine entsprechenden Regeln eingeführt) (Stockinger, 2018[13]). Hochschulrektor*innen werden weiterhin durch den akademischen Senat und den Hochschulrat gewählt, üblicherweise jedoch formal durch das zuständige Ministerium bestellt.
Während deutsche Universitäten einen hohen Grad an akademischer Freiheit genießen, sind ihrer finanziellen Freiheit engere Grenzen gesetzt. Seit 2011 dürfen sie keine Studiengebühren mehr erheben. Während sie (eingeschränkt) Geld leihen dürfen, ist es ihnen nicht gestattet, Eigentümer von Gebäuden zu sein. Das wissenschaftliche Personal ist verbeamtet und erhält damit eine Vergütung innerhalb festgelegter Gehaltsstrukturen, die die Einstellung von „Superstar”-Professor*innen verhindern; der Beamtenstatus bedeutet außerdem, dass das wissenschaftliche Personal schwer kündbar ist (Bennetot Pruvot und Eastermann, 2017[14]).
Der Bologna-Prozess verstärkte ab 1999 die Einrichtung von Studiengängen mit fester Dauer und förderte die regelmäßige Evaluierung der Universitäten. Zusammen mit der verstärkten Verwendung von Englisch als Unterrichtssprache in der Hochschullehre führte dies zu einem dramatischen Anstieg der Zahl ausländischer Studierender an deutschen Universitäten.
4.5. Ressortforschungseinrichtungen
Die Bundesregierung betreibt insgesamt 42 Ressortforschungseinrichtungen mit FuE-Ausgaben von zusammengenommen rund 1,2 Mrd. EUR im Jahr 2020 (BMBF, 2021[15]). Anders als bei öffentlichen Forschungseinrichtungen handelt es sich hierbei um den Bundesministerien unterstellte Fachbehörden. Sie decken die standardmäßige Breite an Fachgebieten ab, darunter Metrologie, Gesundheitswesen, Geologie und Sozialpolitik. Wie anderswo auch unterscheidet sich der Anteil, den die Forschung im Vergleich zu anderen Aufgaben wie Datenerhebung und routinemäßigeren Funktionen einnimmt, sehr stark je nach Institut.
Seit 2004 ist der Wissenschaftsrat für die Evaluierung der Ressortforschungseinrichtungen zuständig. 2005 haben sich diese Forschungseinrichtungen in einer Arbeitsgemeinschaft der Ressortforschungseinrichtungen zusammengeschlossen.
Das BMBF hat 2007 teilweise auf der Grundlage von Evaluierungen einiger Ressortforschungseinrichtungen Leitlinien für die Qualitätssicherung und Verwaltung und ein Konzept für die Ressortforschungseinrichtungen erstellt, welches die folgenden Aufgaben für die Einrichtungen festlegte (BMBF, 2007[16]):
Forschungs- und Entwicklungsleistungen
wissenschaftsbasierte Beratungs- und Informationsleistungen
wissenschaftsbasierte Dienstleistungen wie Prüfung, Zertifizierung und Zulassung
Zwar werden in diesem Konzept die Ressortforschungseinrichtungen als Hauptanbieter dieser Dienstleistungen positioniert, es wird aber eingeräumt, dass auch Universitäten, öffentliche Forschungseinrichtungen und sonstige Einrichtungen zur Erbringung ähnlicher Dienstleistungen herangezogen werden können. Dem Konzept zufolge sollte die finanzielle Autonomie der Ressortforschungseinrichtungen erhöht werden, indem ihnen freigestellt wird, zusätzlich zur institutionellen Förderung durch die ihnen übergeordneten Ministerien auch Drittmittel einzuwerben. Um die wissenschaftliche Vernetzung der Ressortforschungseinrichtungen zu fördern, sah das Konzept mehrere Maßnahmen vor, wie z. B. die Mitgliedschaft in Forschungsnetzwerken, die Entsendung und den Austausch von Personal und die Teilnahme an gemeinschaftlichen Forschungsvorhaben.
Nachdem der Wissenschaftsrat damit beauftragt worden war, Vorschläge zur Verbesserung des Systems der Ressortforschungseinrichtungen zu entwickeln, empfahl er im Jahr 2010, dass sich diese Einrichtungen aktiver an internationalen Kooperationen und am laufenden Prozess der Rationalisierung und Neuzuteilung unter den Forschungseinrichtungen beteiligen sowie sich stärker in die Themensetzung des EU-Forschungsrahmenprogramms einbringen sollten (Wissenschaftsrat, 2010[17]), was eine bessere Koordinierung sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene umfassen würde. Des Weiteren schlug der Wissenschaftsrat vor, die Ressortforschungseinrichtungen in regelmäßigen Abständen evaluieren zu lassen und sie stärker mit dem Wissenschaftssystem zu vernetzen. Ferner sollten FuE-intensive Ressortforschungseinrichtungen (also fast alle) über den Freiraum verfügen, mindestens 15 % ihrer vorgesehenen FuE-Kapazitäten auf selbst entwickelte Projekte zu verwenden. Der Rat empfahl außerdem, dass Ressortforschungseinrichtungen, die größere Forschungsinfrastrukturen betreiben, diese so weit wie möglich für die Nutzung durch externe Wissenschaftler*innen öffnen sollten.
Seit dem Jahr 2010 scheint sich wenig geändert zu haben. Obwohl der Wissenschaftsrat von Zeit zu Zeit einzelne Ressortforschungseinrichtungen auf Anfrage der ihnen übergeordneten Ministerien evaluiert, wurde die Rolle der Ressortforschungseinrichtungen insgesamt nicht wieder thematisiert. Zudem unterhalten viele Bundesländer eigene Forschungseinrichtungen, die keiner nationalen Aufsicht oder Evaluierung unterliegen.
Literaturverzeichnis
[14] Bennetot Pruvot, E. und T. Eastermann (2017), University Autonomy in Europe III: The Scorecard 2017, European University Association, Brüssel, https://eua.eu/downloads/publications/university%20autonomy%20in%20europe%20iii%20the%20scorecard%202017.pdf.
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