Mehr als zehn Jahre nach der Finanzkrise von 2008 bemühen sich die Regierungen heute die COVID-19-Pandemie und ihre Folgen so zu bewältigen, dass für alle Bürger*innen bestmögliche und nachhaltige Ergebnisse erzielt werden. Dabei stehen die Staaten vor zunehmend multidimensionalen Herausforderungen, die angesichts sinkender öffentlicher Ressourcen und eines geringen Vertrauens in den Staat bereichsübergreifende, vielschichtige Antworten erfordern (OECD, 2017[1]).
Obgleich die Welt vor systemischen und miteinander verbundenen Herausforderungen wie dem Klimawandel und einer wachsenden Ungleichheit steht, sind die Länder noch immer schlecht darauf vorbereitet, diese Probleme wirksam anzugehen (OECD, 2017[2]). Dieses neue Szenario stellt auch die öffentlichen Verwaltungen vor vielerlei Herausforderungen. Die bisherigen Governance-Probleme, wie Korruption, übermäßige Bürokratie, ineffiziente Ausgaben und fehlende Kompetenzen, werden nun durch Engpässe verstärkt, die eine wirksame Koordinierung zwischen den verschiedenen Verwaltungseinheiten und Politikbereichen erschweren oder verhindern. Hinzu kommt die Notwendigkeit für den öffentlichen Sektor, neue Kompetenzen und Kapazitäten zu ermitteln, zu gewinnen und zu halten, um neuen politischen und technologischen Entwicklungen wirksam zu begegnen. Schlecht konzipierte und verwaltete Institutionen und Governance-Instrumente sind ursächlich für Governance-Versagen und hindern Regierungen und Verwaltungen daran, die Ziele für ihr Land und ihre Bürger*innen zu erreichen (Meuleman, 2018[3]). So geht beispielsweise aus dem OECD-Bericht über Governance of Inclusive Growth (OECD, 2016[4]) hervor, dass Governance-Versagen zu weitverbreiteter informeller Beschäftigung, begrenztem Bildungszugang und unzureichenden formalen Sicherheitsnetzen führen kann – die allesamt der Ungleichheit Vorschub leisten. Solches Versagen ist häufig mit erheblichen finanziellen Kosten verbunden, die entstehen, um Probleme anschließend durch Reformen zu beheben oder den verursachten Schaden zu mindern. Governance-Versagen kann daher das Vertrauen der Bürger*innen in den Staat untergraben.
Die ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit erfordern einen mehrdimensionalen und integrierten Ansatz für die öffentliche Politik und die Dienstleistungserbringung. Es ist klar, dass nicht länger möglich ist, mit den traditionellen Analyseinstrumenten und Problemlösungsmethoden bessere Ergebnisse und Wirkungen zu erzielen, die von den Bürger*innen verlangt und erwartet werden. Neben ganzheitlichen und stärker integrierten Strategien sind innovative Ansätze für das Verwaltungs- und Regierungshandeln notwendig, damit die staatlichen Stellen den mehrdimensionalen, gesellschaftlichen Herausforderungen wirksam begegnen können. Die Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes für eine mehrdimensionale und kohärente Politikgestaltung und -umsetzung sowie für Governance-Strukturen, mit denen diese Verpflichtung erfüllt werden kann, kommt in der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen zum Ausdruck.
Die staatlichen Anstrengungen sind nunmehr darauf ausgerichtet, Kapazitäten zur Bewältigung von komplexen und systemischen Herausforderungen zu stärken und gleichzeitig auf unmittelbare Prioritäten zu reagieren, die sich aus den politischen Erfordernissen ergeben. Zugleich verlangen die Bürger*innen und die Zivilgesellschaft eine gerechtere, offenere und inklusivere Governance-Kultur, in deren Rahmen Entscheidungen im öffentlichen Interesse und nicht unter dem ungebührlichen Einfluss mächtiger Interessengruppen getroffen werden.
Der Bericht ist nicht dafür konzipiert worden, um Governance-Versagen und die tiefer liegenden Ursachen dafür zu ermitteln. Allerdings hebt er verschiedene empfehlenswerte Governance-Praktiken der OECD-Mitglieds- und Partnerländer hervor, denen ein wertebasierter Ansatz für das Verwaltungs- und Regierungshandeln zugrunde liegt, bei dem Ressourcen effizient und im öffentlichen Interesse generiert und eingesetzt werden. Diese grundlegenden Praktiken wurden und werden von den OECD-Mitgliedern und ‑Partnern in einer Form entwickelt und angewandt, die einen wertebasierten Governance-Ansatz widerspiegelt, bei dem Ressourcen effizient und im öffentlichen Interesse generiert und eingesetzt werden.