Dieses Kapitel betrachtet eine Reihe von Erfolgsfaktoren, die zusammen mit Governance-Werten zu einem wirkungsvollen Verwaltungs- und Regierungshandeln sowie zu Verbesserungen in Bezug auf die Festlegung und Umsetzung gesamtstaatlicher Politik- und Governance-Reformen beitragen können. Dabei werden vier Felder benannt, und zwar Engagement, Weitsicht und Führungskultur, gerechte und evidenzbasierte Politikgestaltung, ressortübergreifende Koordinierung sowie Changemanagement und Innovation. Wahrscheinlich werden diese Prinzipien in keiner Politik- oder Reforminitiative perfekt und systematisch angewandt, dennoch wird in diesem Kapitel die These vertreten, dass ihre Umsetzung dazu beitragen kann, die Art und Weise wie staatliche Stellen Entscheidungen treffen und Reformen angehen, substanziell zu verändern.
Eckpunkte für gutes Verwaltungs- und Regierungshandeln
2. Erfolgsfaktoren für gutes Verwaltungs- und Regierungshandeln
Abstract
Die Herausforderungen, vor der die Politik steht, werden immer komplexer und vielschichtiger. Gleichzeitig sind sie durch die Globalisierung und eine stärkere gegenseitige Abhängigkeit zwischen den Staaten auch zunehmend enger miteinander verknüpft. Kennzeichnend für die zu bewältigenden Aufgaben in Bezug auf Klimawandel, Migration und Ungleichheit sind eine wachsende Unsicherheit, zunehmende Komplexität sowie interdependente Prozesse, Strukturen und Akteure. In diesem schwer vorhersehbaren Umfeld stehen die Regierungen unter Druck, bessere Maßnahmen und Dienstleistungen zu konzipieren und umzusetzen, müssen zugleich aber auch die beispiellos schwierige Aufgabe der Haushaltskonsolidierung in den Griff bekommen. Dazu kommt außerdem ein Vertrauensschwund auf Werte unter dem nach der Finanzkrise von 2008 verzeichneten Niveau. Vertrauen lässt sich nicht so leicht wiederherstellen, wenn Reformen in der Bevölkerung als ineffizient wahrgenommen werden und der Eindruck besteht, dass den Bedürfnissen der Verlierer gegenüber den Vorteilen der Gewinner nicht hinreichend Rechnung getragen wird (OECD, 2017[1]).
Erkenntnisse, die die OECD aus ihren Erfahrungen mit der Unterstützung von Reformbemühungen in Mitglieds- und Partnerländern gezogen hat, legen den Schluss nahe, dass Reformen häufig eher als Mittel für Einsparungen und nicht als Instrument zur Bewältigung politischer Herausforderungen wahrgenommen werden. Public Governance ist ein politischer Prozess, in dem der Staat nicht unbedingt ein monolithischer Entscheidungsträger ist und vielfältige Interessen eine Rolle spielen. Dabei richten sich die Parameter für die Politikgestaltung und die Reform des Verwaltungs- und Regierungshandelns danach, wie öffentliche Entscheidungen getroffen werden, welche Informationen verwendet werden und wie Interessen im Hintergrund der Entscheidungen zusammenspielen. Mit zunehmender Interdependenz lassen sich Ergebnisse, Kompromisse sowie Reformgewinner*innen und -verlierer*innen immer schwieriger identifizieren, was eine erfolgreiche Politikgestaltung zusätzlich erheblich erschwert.
Die Länder müssen sich den neuen Herausforderungen für den öffentlichen Sektor anpassen. Dies erfordert möglicherweise große Veränderungen in den Verwaltungsabläufen, institutionellen Strukturen und Governance-Kulturen, die bereits seit Jahrzehnten (und in manchen Fällen Jahrhunderten) bestehen. Um mit Komplexität und Unsicherheit, sich überschneidenden Politikzyklen und einer größeren Nachfrage nach externer Mitsprache umzugehen, setzen einige Staaten verstärkt auf Agilität, Experimente, Bottom-up-Innovationen sowie Testen und Skalieren. Allerdings besteht neben dem Bedarf an neuen innovativen Ansätzen gleichzeitig die Notwendigkeit fort, den klassischen Anforderungen an die staatliche Verwaltung als Dienstleistungserbringer gerecht zu werden. Wie können staatliche Stellen diesen Transformationsprozess unter diesen Rahmenbedingungen planen und umsetzen? Wie können Bürger*innen und Staat sicher sein, dass hinter diesen Transformationen eine echte Problemlösebereitschaft steht? Und wie können sie zugleich komplexen Politikherausforderungen begegnen und einen effektiveren Reformprozess auf den Weg bringen?
Auf diese Fragen gibt es keine endgültigen Antworten. Die Länder suchen noch immer nach neuen Mechanismen für einen besseren Umgang mit komplexen Sachverhalten und der Zivilgesellschaft. Parallel dazu fordern die Bürger*innen weiterhin effektivere Möglichkeiten der Repräsentation und Teilhabe. Es wurden allerdings auch schon wichtige Maßnahmen ergriffen, um den Reform- und Transformationsprozess effektiver anzugehen:
Die Entwicklung einer Führungskultur in der Politik und dem öffentlichen Dienst ist von entscheidender Bedeutung, um Veränderungen auf allen Ebenen der öffentlichen Verwaltung und darüber hinaus zu fördern und voranzutreiben. Außerdem sind Reformen in der Regel wirksamer, wenn sie zur Verwirklichung eines gemeinsamen Leitbilds im Interesse aller beitragen, es sich also nicht um Einzelmaßnahmen handelt, die immer die gleichen Gewinner*innen und Verlierer*innen hervorbringen (OECD, 2014[30]).
Reformen sind in der Regel am effizientesten, wenn sich die höchste Politik- und Verwaltungsebene nachhaltig verpflichtet, ihre wirksame Umsetzung und Tragfähigkeit zu gewährleisten.
Öffentliche Entscheidungen sollten sozial gerecht und stets mit dem festen Willen getroffen werden, dem Gemeinwohl zu dienen. Eine evidenzbasierte Entscheidungsfindung kann bei der Verbesserung der Konzeption, Umsetzung und Evaluierung öffentlicher Maßnahmen daher eine Schlüsselrolle spielen. Das bedeutet auch, dass die staatlichen Stellen zur Optimierung von Rechenschaftslegung, Reaktivität und Integrität des Staats die Meinungen der betroffenen Akteur*innen an allen Schaltstellen des Politikzyklus proaktiv einholen sollten, wie dies in Kapitel 1 hervorgehoben wurde.
Für einen integrierten und innovativen Reformansatz müssen die traditionellen administrativen Schranken, die der Gestaltung, Umsetzung und Evaluierung der Ergebnisse multidimensionalen Politikhandelns im Wege stehen, durch eine solide, nachhaltige ressortübergreifende Koordinierung zwischen verschiedenen Politikbereichen, internen administrativen Silos und Verwaltungsebenen überwunden werden.
In erfolgreichen Reformen haben Innovation und Erprobung für ein erfolgreiches Changemanagement im Zeitverlauf ebenfalls hohe politische und institutionelle Priorität, um agilere und bürgernähere Einrichtungen zu schaffen.
Aller Wahrscheinlichkeit nach werden diese Praktiken in keiner Politik- oder Reforminitiative einwandfrei und systematisch angewandt. Denn politisch Verantwortliche haben in der Regel mit alltäglichen Dringlichkeiten zu tun, die ihnen wenig Spielraum lassen für Gespräche zur Förderung einer effektiven Koordinierung, für die Erprobung oder Entwicklung innovativer Ansätze oder für eine nachhaltige Einbindung der betroffenen Akteur*innen. Dennoch kann eine schrittweise Übernahme dieser Praxis dazu beitragen, den Umgang der öffentlichen Verwaltung mit Veränderungsprozessen grundlegend neu zu gestalten. Künftige Ausgaben des Eckpunktepapiers werden konkretere stufenweise Anleitungen sowie Hinweise zu Erfolgsfaktoren für Reformprozesse enthalten, z. B. in Form von Toolkits zur Umsetzung oder Reifegradmodellen.
Engagement, Leitbild und Führungskultur
Engagement auf höchster politischer Ebene – proportional zur Bedeutung der Reform – ist für eine erfolgreiche Reformumsetzung von entscheidender Bedeutung. Ohne Reformbereitschaft auf höchster politischer Ebene finden Führungskräfte in der öffentlichen Verwaltung nur schwer Anreize, um mittelfristige Reforminitiativen zu verfolgen, da sie ihre alltäglichen Aufgaben zu bewältigen und zugleich dringende, kurzfristige Probleme zu lösen haben.
Regierungsstellen können in diesem Bereich Führungsstärke unter Beweis stellen, indem sie ein starkes politisches Bekenntnis für eine bessere Governance zum Ausdruck bringen und den politischen Willen zeigen, diesen Ansatz in Bezug auf Regulierung, Geschlechtergleichstellung im öffentlichen Leben, digitale Verwaltung und Integrität zu stützen und mitzutragen.
In der Recommendation on Regulatory Policy and Governance [OECD/LEGAL/0390] wird empfohlen, dass sich die Unterzeichner auf höchster politischer Ebene ausdrücklich zu einer ebenen- und ressortübergreifenden Politik zur Steigerung der Regulierungsqualität verpflichten (OECD, 2012[27]).
Die Recommendation on Gender Equality in Public Life [OECD/LEGAL/0418] schlägt vor, dass die Teilnehmerstaaten sowohl auf höchster politischer Ebene als auch auf der jeweils zuständigen Verwaltungsebene Führungsstärke und Engagement zeigen, um eine ressortübergreifende Strategie für eine effektive Gleichstellung der Geschlechter und ein wirksames Gender Mainstreaming zu konzipieren und umzusetzen (OECD, 2015[25]).
In der Recommendation on Digital Government Strategies [OECD/LEGAL/0406] wird empfohlen, dass die Unterzeichnerländer ihre Anstrengungen bündeln, um das Einstehen der politischen Führung für die Strategie zu garantieren. Ziel der Anstrengungen ist es, eine ressortübergreifende Koordinierung und Zusammenarbeit zu fördern, Prioritäten zu setzen und die ebenenübergreifende Einbeziehung relevanter staatlicher Stellen und deren Abstimmung untereinander bei der Umsetzung der digitalen staatlichen Agenda zu erleichtern (OECD, 2014[31]).
Die Recommendation on Public Integrity [OECD/LEGAL/0435] empfiehlt, dass die teilnehmenden Staaten auf höchster Politik- und Verwaltungsebene ihr Bekenntnis zu Integrität und Korruptionsbekämpfung im öffentlichen Sektor zum Ausdruck bringen (2017[11]).
Das Regierungszentrum (Kasten 2.1) kann eine wichtige Rolle dabei spielen, den Reformgedanken in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung systematisch zu berücksichtigen. In OECD-Mitgliedsländern kommt dem Regierungszentrum bei der Verfolgung strategischer Prioritäten eine zunehmend wichtige Rolle zu. Diese steht in engem Zusammenhang mit den wachsenden Zuständigkeiten des Regierungszentrums bei der Ressortabstimmung (vgl. Abschnitt 2.3.). Dem OECD Survey on the Organisation and Functions of Centres of Government und dem Centre-Stage-Bericht zufolge, spielt das Regierungszentrum häufig eine wichtige Rolle, wenn es um die zeitweilige Steuerung sensibler und/oder struktureller Reformen der öffentlichen Verwaltung geht, insbesondere in deren Anfangsphase (OECD, 2018[32]). Diese vorübergehende Aufgabenübernahme kann sowohl innerhalb des öffentlichen Sektors als auch in der Öffentlichkeit ein klares Signal politischen Engagements aussenden. Dies war in einigen OECD-Ländern mit E-Government-Strategien und Initiativen zur Reduzierung des Verwaltungsaufwands der Fall (OECD, 2014[33]).
Kasten 2.1. Was ist unter Regierungszentrum zu verstehen?
Die strategische Rolle des Regierungszentrums hat im vergangenen Jahrzehnt an Bedeutung gewonnen. Gründe hierfür sind die zunehmende Komplexität politischer Entscheidungen, die Notwendigkeit ressortübergreifender Strategieplanung und -umsetzung, das strategische Monitoring der Regierungsarbeit auf mittlere Sicht und das Management strategischer Fragen.
Das Regierungszentrum ist das Organ bzw. die Gruppe von Organen, die den*die Regierungschef*in und den Ministerrat bzw. das Kabinett direkt unterstützt und berät. Aufgabe des Regierungszentrums ist es, die Konsistenz und Sorgfalt staatlicher Entscheidungen sicherzustellen und eine evidenzbasierte, strategische und kohärente Politik zu fördern (OECD, 2014[33]).
Das Konzept des Regierungszentrums bezieht sich nicht explizit auf eine bestimmte Organisationsstruktur: Die Institutionen sind von Land zu Land unterschiedlich. Sie hängen von der verfassungsmäßigen Ordnung, dem politischen System, der Verwaltungsstruktur des Landes, äußeren Rahmenbedingungen und historischen Faktoren und sogar von der Persönlichkeit des*der Regierungschef*in ab. Aus diesem Grund können erweiterte Definitionen des Regierungszentrums auch Stellen oder Behörden umfassen, die ressortübergreifende staatliche Kernfunktionen wahrnehmen, wie Finanz- und Planungsministerien, selbst wenn sie dem*der Staats- oder Regierungschef*in und dem Kabinett nicht direkt unterstehen bzw. diesem zuarbeiten.
Quelle: OECD (2014[33]) Centre Stage, Driving Better Policies from the Centre of Government, https://www.oecd.org/gov/Centre-Stage-Report.pdf; Alessandro, M, et al. (Alessandro, Lafuente und Santiso, 2013[34]) The Role of the Center of Government: a Literature Review, Institutions for Development, Technical Note, IDB-TN-581, IDB, Washington, DC, https://publications.iadb.org/handle/11319/5988.
Ein umfassendes Bekenntnis des Staats zu bestimmten Themen kommt in der Regel in einem Leitbild zum Ausdruck. Wie dem Centre-Stage-Bericht über die Rolle des Regierungszentrums bei der Förderung besserer Politik zu entnehmen ist, haben nahezu alle OECD-Mitgliedsländer in der einen oder anderen Form ein Konzept mit einem strategischen Leitbild entwickelt. In dieser Hinsicht haben die Erfahrungen, die die OECD in ihren Länderprüfungen gesammelt hat, gezeigt, dass Staaten ihr Handeln kohärenter gestalten können, wenn sie in der Lage sind, ihre strategischen Leitbilder zu definieren, umzusetzen, nach innen und außen zu kommunizieren und damit Staat, Zivilgesellschaft, Privatsektor und Bürger*innen auf ein gemeinsames Ziel auszurichten (OECD, 2011[78]).
Wie diese Leitbilder formuliert und in spezifischen lang- bzw. mittelfristigen Strategien und Entscheidungen umgesetzt werden, ist ein wichtiger Prozess. Er trägt dazu bei, Prioritäten und Ziele sowie Art und Umfang der Reformen zu definieren. Er stützt die Argumentation für eine bessere Koordinierung als Mittel zur Zielerreichung. Strategische Vorausschau, Früherkennung und der Austausch über Zukunftsalternativen mit betroffenen Akteur*innen sind verschiedene Instrumente, die Staaten bei der Erarbeitung eines Leitbilds unterstützen können, das Tendenzen und möglichen Szenarien Rechnung trägt. Offene Leitbildprozesse und Planungsverfahren, die betroffene Akteur*innen als festen Bestandteil einbeziehen, können die politische Entscheidungsfindung legitimieren und ein wirksames Instrument darstellen, um die Nachhaltigkeit von Reformen sicherzustellen (OECD, 2018[23]).
In diesem Zusammenhang ist auch die Führungskultur im öffentlichen Dienst für den Erfolg von Reformen für gutes Verwaltungs- und Regierungshandeln von entscheidender Bedeutung. Das Konzept der Führungskultur im öffentlichen Sektor bezieht sich auf Führungskräfte im öffentlichen Dienst, die auf höchster hierarchischer Ebene Entscheidungen treffen und Einfluss ausüben. Angesichts der heutigen komplexen politischen und strategischen Herausforderungen wird von Führungskräften im öffentlichen Sektor erwartet, dass sie über administrative Grenzen und ressortpolitische Silos hinaus effektiv zusammenarbeiten. Dabei sollen sie redlich und gewissenhaft rasche Veränderungen der Politikagenda unterstützen und auf unvorhersehbare Entwicklungen agil reagieren. Da Spitzenbeamt*innen Strategieentwicklung und -umsetzung in der Regel miteinander verknüpfen, sollten Staaten in den Aufbau einer werteorientierten Führungskultur im öffentlichen Sektor investieren, deren Ziel vor allem darin besteht, die Ergebnisse für die Gesellschaft zu verbessern. Führungskräfte in der öffentlichen Verwaltung können an einer effektiven Politikgestaltung und -umsetzung mitwirken, indem sie sich auf ihr institutionelles Wissen und ihre Erfahrungen stützen, um zu einer evidenzbasierten Entscheidungsfindung beizutragen.1 Investitionen in die Führungskultur sind unabhängig vom Verwaltungsfeld oder Politikthema ein wichtiger Katalysator für effektive Reformen. Sie umfassen auch die Einrichtung wirksamer Systeme für die Ernennung von Spitzenbeamt*innen und Dienststellenleiter*innen nach dem Wettbewerbs- und Leistungsprinzip.
In Anerkennung der entscheidenden Rolle, die diesen wichtigen Akteur*innen zukommt, wird den Teilnehmerstaaten in der OECD Recommendation on Public Service Leadership and Capability (OECD, 2019[9]) [OECD/LEGAL/0445] insbesondere empfohlen, im öffentlichen Sektor Führungskapazitäten aufzubauen. Nach den in der Empfehlung enthaltenen Leitlinien sind die Staaten gehalten
die Erwartungen, die an Spitzenbeamt*innen gestellt werden, klar zu formulieren. Diese sollen politisch neutrale Leiter*innen öffentlicher Einrichtungen sein, die verlässlich die Prioritäten der Regierung umsetzen und die höchsten Integritätsstandards ohne Angst vor politisch motivierten Vergeltungsmaßnahmen wahren und verkörpern. Entsprechend ist es notwendig, dass diese Erwartungen gesetzlich verankert werden und sichergestellt wird, dass sie eingehalten werden und dies regelmäßig überwacht wird. Desgleichen sollten Interessenkonflikte systematisch gemeldet und in klaren Verfahren geregelt werden.
geeignete Personen nach leistungsbezogenen Kriterien und in transparenten Verfahren für diese Positionen auszuwählen und mit ihnen zu besetzen sowie sie für ihre Leistungen mit angemessenen Mitteln rechenschaftspflichtig zu machen. Mit anderen Worten sollten Leistungsmanagementmechanismen für Führungskräfte eingeführt und in das Governance-System integriert werden.
sicherzustellen, dass Spitzenbeamt*innen über den Auftrag, die Kompetenzen und Voraussetzungen verfügen, um neutral und evidenzbasiert Stellung zu beziehen und der Staatsführung die Wahrheit zu sagen.
die Führungskapazitäten der aktuellen und potenziellen Spitzenbeamt*innen auszubauen.
Die OECD Recommendation on Public Integrity (2017[11]) [OECD/LEGAL/0435] legt Einrichtungen des öffentlichen Sektors ferner nahe, in eine integre Führungskultur zu investieren, um ihr Bekenntnis zu Integrität deutlich zu machen.
Kernfragen
Hat der Staat bei der Festlegung und Umsetzung einer wichtigen Reforminitiative explizite institutionelle Maßnahmen ergriffen, um sein nachhaltiges Engagement auf höchster Politik- und Verwaltungsebene unter Beweis zu stellen?
Wie kann die Verwaltung die Regierung dabei unterstützen, dieses Engagement für gutes Verwaltungs- und Regierungshandeln innerhalb und außerhalb der Verwaltung zu vermitteln?
Verfügt die Regierung über mittel- bis langfristige Leitbilder und Ziele sowie einen klaren institutionellen Auftrag und finanzielle Ressourcen, um diese zu erfüllen?
Wurden Spitzenbeamte*innen klar darauf hingewiesen, dass sie das individuelle und kollektive Leistungsmanagement fördern sollen? Investiert der Staat in Kompetenzen, um im öffentlichen Sektor Führungskapazitäten aufzubauen?
Verwendet die Regierung siloübergreifende Koordinierungsinstrumente oder -mechanismen, um sicherzustellen, dass die Maßnahmen und Entscheidungen einzelner Teile der Verwaltung auf die Hauptziele der Regierung abgestimmt sind, um damit eine stärkere Kohärenz staatlichen Handelns zu gewährleisten?
Ausgewogene und evidenzbasierte Politikgestaltung
Politikgestaltung und fachliche Entscheidungsfindung sind nicht gleichzusetzen. Politikgestaltung bedeutet in der Regel die Suche nach Kompromissen zwischen konkurrierenden gesellschaftlichen Werten und unterschiedlichen Interessen (Parkhurst, 2017[35]). Doch bilden ein effektives und effizientes Politikmanagement und fachliche Entscheidungsprozesse im allgemeinen öffentlichen Interesse den Kern guten Verwaltungs- und Regierungshandelns. Wie öffentliche Entscheidungen getroffen werden, welche Interessen hinter diesen Entscheidungen stehen und welche Ziele sie verfolgen, all dies sind Parameter, die den Entwurf und die Umsetzung von Reformen für ein gutes Verwaltungs- und Regierungshandeln bestimmen. Trotz der unterschiedlichen Merkmale und Funktionsweisen politischer Systeme sollte das Bekenntnis zum Gemeinwohl bei der öffentlichen Entscheidungsfindung immer im Vordergrund stehen. Dies spiegelt sich in der Formulierung im Begriff ausgewogene Politikgestaltung wider.
Mangelt es in Entscheidungsprozessen an Transparenz und Integrität, können Lobbyismus und sonstige Praktiken der Einflussnahme zum Zuge kommen – mit dem Ziel der Abkehr der Politik vom Gemeinwohl. Mächtige Interessen können die staatliche Entscheidungsfindung enorm unter Druck setzen, wenn sie bestimmen, wie und für wen unsere Gesellschaft arbeitet. Im Ergebnis ist die Politik einseitig ausgerichtet und bleibt unter ihren Möglichkeiten. Echte Fortschritte zur Bewältigung politischer Kernherausforderungen im Interesse der Öffentlichkeit werden untergraben. Dies kann zu einem bedeutenden Hindernis zur Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDG) werden. Um diesen Gefahren vorzubeugen, müssen verzerrte Entscheidungsprozesse korrigiert werden.
Für die Gewährleistung ausgewogener Entscheidungen kommt es daher entscheidend darauf an, unzulässigen Einfluss von Interessengruppen zu verhindern. Wenn staatliche Stellen auf Kosten des Gemeinwohls Festlegungen zugunsten einer spezifischen Interessengruppe oder Person treffen, beeinträchtigt das den gesamten Reformprozess. Die ergriffenen Maßnahmen würden einige wenige bevorzugen, die Evidenz wäre nicht mehr glaubwürdig und die Bürger*innen würden das Vertrauen in die staatlichen Einrichtungen verlieren. Die Schaffung gleicher Rahmenbedingungen für alle Beteiligten kann für einen breiteren Konsens sorgen und Entscheidungen mehr Legitimität verleihen. Dies bedeutet, dass ein gleichberechtigter Zugang zur Politikgestaltung und -umsetzung gewährt und die Transparenz und Integrität politischer Entscheidungsprozesse erhöht wird. Eine ausgewogene Entscheidungsfindung wird gestärkt, wenn eine Vielzahl von Akteuren dank solider Beteiligungsmechanismen und institutioneller Räume gemeinsam und repräsentativ im öffentlichen Interesse tätig werden und dieses fördern. Hierfür bedarf es starker, repräsentativer Organe, wie politischer Parteien, Gewerkschaften und Unternehmensverbände, die die unterschiedlichen Interessen der Gesellschaft vertreten. Andere Einrichtungen, wie gruppenspezifische oder themenorientierte Organisationen können ungebührliche Einflussnahme ebenfalls ausgleichen und für gleiche Ausgangsbedingungen sorgen. Weitere Maßnahmen sind der Einsatz neuer Medien und Repräsentationskanäle, die die Kosten senken und die Wirkung kollektiver Aktionen steigern können.
Keine Regierung ist gegen Versuche ungebührlicher Einflussnahme gefeit. In Anbetracht der auf dem Spiel stehenden wirtschaftlichen und politischen Interessen ist die öffentliche Bühne immer anfällig für mögliche Vereinnahmungen durch eine oder mehrere Partikularinteressen. Dies gefährdet möglicherweise eines der Grundprinzipien der Demokratie – die politische Gleichberechtigung – und kann zu einer unausgewogenen Politik führen, die unter dem Einfluss von Interessensgruppen steht. Dabei ist der Einfluss durch Einzelpersonen oder Gruppen mit besonderen Interessen nicht unbedingt illegal, sondern vielmehr Teil des demokratischen Prozesses. Fundamentale Probleme entstehen allerdings, wenn nicht alle dieselben Möglichkeiten haben, sicherzustellen, dass ihre Interessen in politischen Entscheidungsprozessen Berücksichtigung finden. Hierzu kann es aus folgenden Gründen kommen:
unverhältnismäßig starker Druck und privilegierter Zugang durch Lobbyarbeit gegenüber öffentlichen Amtsträger*innen
übermäßige Finanzierung von politischen Parteien und Wahlkampagnen von Kandidat*innen
Bereitstellung von manipulierten oder betrügerischen fachlichen oder technischen Daten
Nutzung persönlicher Beziehungen, die zu Interessenkonflikten führen
Kasten 2.2. Was versteht man unter Policy Capture?
Die politische Vereinnahmung durch Interessenverbände ist ein Prozess, in dem politische Entscheidungen nicht mehr im öffentlichen, sondern im Interesse einzelner Personen oder Gruppen getroffen werden. Vereinnahmung ist das Gegenteil von gerechter Politikgestaltung. In Fällen von Vereinnahmung werden grundlegende demokratische Werte untergraben, was im Allgemeinen gleichzeitig auch eine suboptimale staatliche Politik zur Folge hat. Zur Vereinnahmung politischer Entscheidungen kann es durch ein breites Spektrum an illegalen Instrumenten kommen, wie beispielsweise Korruption. Sie kann aber auch über legale Kanäle erfolgen, wie Lobbying und finanzielle Unterstützung für politische Parteien und Wahlkampagnen. Unzulässiger Einfluss kann auch ohne direktes Eingreifen bzw. ohne das Wissen öffentlicher Entscheidungsträger*innen ausgeübt werden, wenn die ihnen bereitgestellten Informationen manipuliert oder enge soziale bzw. emotionale Beziehungen zu ihnen aufgebaut werden.
Quelle: OECD (2017[36]), Preventing Policy Capture, Integrity in Public Decision Making, http://www.oecd.org/corruption/preventing-policy-capture-9789264065239-en.htm.
Politische Vereinnahmung kann in allen Stadien des politischen Geschehens erfolgen. Daher haben die OECD-Mitgliedsländer in den vergangenen Jahrzehnten unterschiedliche Maßnahmen ergriffen, um politischer Vereinnahmung vorzubeugen. Die Governance-Strukturen sollten Mechanismen enthalten, die gewährleisten, dass Politik- und Reformentscheidungen auf möglichst ausgewogene Weise getroffen werden. Hierzu gehört insbesondere die Entwicklung einer Kultur der Integrität, Offenheit, Inklusivität und Rechtsstaatlichkeit (vgl. Kapitel 1) durch Maßnahmen, wie:
frühestmögliche Einbeziehung betroffener Akteure in Entscheidungsprozesse. Dies ist ein Kerninstrument zur Schaffung gleicher Ausgangsbedingungen und Erzielung eines breiten Konsens sowie einer größeren Legitimität staatlicher Politik.
Stärkung der Integritätssysteme repräsentativer Einrichtungen, darunter auch Einzelinteressenvertreter*innen. Hierfür eignen sich beispielsweise spezifische Regelungen, die die Repräsentativität dieser Einrichtungen an Kriterien für die Integrität der öffentlichen Verwaltung ausrichten.
strategische Kommunikation, Transparenz und Zugang zu vollständigen und aktualisierten Informationen. Hierdurch erhalten die Zivilgesellschaft und alle beteiligten Akteur*innen in politischen Diskussionen dieselben Informationen, Daten und Erkenntnisse.
Förderung der Rechenschaftslegung durch Wettbewerbsbehörden, Regulierungsstellen und Oberste Rechnungskontrollbehörden
Erkennen und Minderung der Risiken politischer Vereinnahmung durch Integritätsmaßnahmen, die auf die Besonderheiten verschiedener öffentlicher Institutionen zugeschnitten sind
Aus OECD-Daten geht ferner hervor, dass Länder wichtige Instrumente einsetzen, um den Möglichkeiten bestimmter Handelnder zur Beeinflussung politischer Entscheidungsträger*innen zu Lasten des öffentlichen Interesses entgegenzuwirken. Dazu gehören
effektive Einschränkungen und Kontrolle der Parteienfinanzierung,
adäquate Prüfungen und Analysen politischer Entscheidungsprozesse, die allen auf offene, transparente und zugängliche Weise zur Verfügung gestellt werden sowie
die Einführung wirksamer Lobbyismus-Kontrollen, beispielsweise durch die Schaffung transparenter Statusregeln für Lobbyist*innen und Interessenvertreter*innen oder die Veröffentlichung der von einer Behörde entgegengenommenen Spenden und durchgeführten Reisen (Kasten 2.3).
Kasten 2.3. Frankreichs Hohe Behörde für Transparenz im öffentlichen Leben
Seit ihrer Einrichtung im Jahr 2014 hat sich Frankreichs Hohe Behörde für Transparenz im öffentlichen Leben zum Ziel gesetzt, die Integrität von öffentlichen Funktionsträger*innen zu wahren. Zwei der Hauptaufgaben der Behörde sind die Stärkung der Rechtschaffenheit von Amtsträger*innen und die Regulierung von Lobby-Tätigkeiten:
Über 15 000 öffentliche Funktionsträger*innen müssen bei Amtsantritt ihr Vermögen und ihre Beteiligungen der Hohen Behörde offenlegen. Seit ihrer Einrichtung hat sie mehr als 42 000 Erklärungen erhalten und mehr als 60 Fälle wegen Unregelmäßigkeiten an das zuständige Gericht weitergeleitet. Im Oktober 2016 wurden Online-Offenlegungen Pflicht. Einige Erklärungen sind nach Richtigkeitsprüfungen nun in einem offenen Datenformat frei einsehbar.
Die Hohe Behörde führt auch ein im Netz zugängliches Verzeichnis von Lobbyist*innen, damit sich die Bürger*innen über die Beziehungen zwischen Lobbyist*innen und öffentlichen Funktionsträger*innen informieren können. Die Registrierung ist für Unternehmen und Vereine Pflicht, die über Kontakte mit öffentlichen Funktionsträger*innen Entscheidungsprozesse zu beeinflussen suchen. Im Juli 2019 waren 1 900 Lobbyist*innen und 14 000 Aktivitäten registriert.
Quelle: Im Rahmen des Konsultationsprozesses für dieses Eckpunktepapier von Frankreich zur Verfügung gestelltes Praxisbeispiel.
Die Evidenznutzung in der Politikgestaltung, insbesondere wie Evidenz erhoben, eingesetzt und in Entscheidungsprozesse zu aktuellen bedeutenden sozialen, politischen und ökonomischen Herausforderungen für die Politik integriert wird, ist ein wichtiges – und komplementäres – Element, das Art und Wirkung von Reformen entscheidend beeinflussen kann (Parkhurst, 2017[35]). Eine evidenzbasierte Politikgestaltung kann eine entscheidende Rolle spielen, um die Konzeption, Umsetzung und Evaluierung aller staatlichen Maßnahmen zu verbessern, um gutes Regierungshandeln zu gewährleisten, insbesondere einen gleichberechtigten Zugang zu qualitativ hochwertigen, bedarfsorientierten und bürgernahen öffentlichen Dienstleistungen.
Die Evidenzerhebung kann für politische Entscheidungsträger*innen eine besondere Herausforderung darstellen, insbesondere in einem Kontext, in dem die Autorität der Wissenschaft infrage gestellt wird. Evidenz ist nicht immer einfach verfügbar und kann insbesondere in komplexen Politikbereichen widersprüchliche Befunde zutage fördern. Zudem ist es wichtig, die Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit von Informationen, Daten und Faktenevidenz, auf deren Basis Entscheidungen getroffen werden, zu überprüfen (z. B. durch Reproduzierbarkeit, Quellenvielfalt, unabhängige Validierung usw.). In Fällen, in denen staatliche Stellen keine Datenproduzenten, sondern Datennutzer sind, können die Befunde externer Akteur*innen einer internen Prüfung auf Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit unterzogen werden. Außerdem dürfte ein gutes Management des Evidenzbestands mittels solider Wissensmanagementprozesse und einer umfassenden Nutzung der Verwaltungsdaten einer einseitigen Politikgestaltung vorbeugen und Doppelarbeit verhindern helfen. Es dürfte zugleich sicherstellen, dass die knappen Ressourcen in Bereiche gelenkt werden, in denen der Bedarf am größten ist und Dienstleistungen auf der Basis von Befunden konzipiert und erbracht werden, die diesen Bedarf nachweisen. Da nicht unbedingt alle Länder hierzu in der Lage sind, ist es von entscheidender Bedeutung, Kompetenzen zu entwickeln, um die Erhebung von Daten in Auftrag zu geben, diese zu verstehen und sinnvoll zu nutzen. Damit bietet sich die größte Chance, Maßnahmen zu konzipieren, die den Bürger*innen zugutekommen, institutionelle Verzerrungen überwinden und vor Partikularinteressen schützen, die den Status quo beibehalten wollen.
Auch wenn der Evidenzbedarf im Allgemeinen weithin anerkannt wird, bleiben politische Umsicht und politisches Engagement auch bei evidenzbasierten Ansätzen unerlässlich. Allerdings sorgen diese dafür, dass alle politischen Entscheidungen und eingegangenen Kompromisse durchschaubar werden. In einer Zeit, in der soziale Medien eine immer größere Rolle spielen, über das Internet direkt auf viele Sachinformationen zugegriffen werden kann, deren Quellen von unterschiedlicher Qualität sind, und Fake News zunehmend Anlass zur Besorgnis geben, wird ein evidenzbasierter Ansatz für die Entscheidungsfindung immer notwendiger.
Dies bedeutet, dass die Umsetzungsschleife von Beginn an geschlossen werden muss, um sicherzustellen, dass die Reformvorschläge umsetzbar sind und umgesetzt werden. Implementierungsuntersuchungen (einschl. Leistungsnachweise) können entscheidend sein für die erfolgreiche Umsetzung eines Vorhabens im Gegensatz zu einer ineffizienten, ja potenziell sogar schädlichen Umsetzung. Sie geben Forscher*innen und Regierungsvertreter*innen Instrumente an die Hand, um die Umsetzung von Maßnahmen zu überwachen und damit sicherzustellen, dass die erzielte Wirkung den Erwartungen der Politikverantwortlichen und Bürger*innen entspricht. Dies erfordert Erprobungsmaßnahmen, die Fähigkeit zur Prototypentwicklung und Durchführung von Pilotprojekten ebenso wie Innovationsinteresse, -förderung und -fähigkeit im öffentlichen Sektor.
Am Ende der Umsetzungsschleife kann die Politikevaluierung (Kapitel 5) dazu beitragen, diejenigen Maßnahmen zu ermitteln, die die Ergebnisse tatsächlich verbessen. Stichhaltige Evidenz für die Effizienz, Politik- und Kostenwirksamkeit von Initiativen sorgt dafür, dass wir verstehen, „was, warum, für wen und unter welchen Umständen funktioniert“.
Kasten 2.4. Beispiele evidenzbasierter Politikgestaltung
Im Bereich des Kapazitätsaufbaus für die Evidenzgewinnung und -nutzung im öffentlichen Sektor haben mehrere Länder und Organisationen wertvolle Schritte unternommen. Im Vereinigten Königreich hat die NESTA-Stiftung (National Endowment for Science, Technology and the Arts) zusammen mit der Alliance for Useful Evidence „Evidenz-Masterklassen“ in Form einer immersiven Lernerfahrung für hochrangige Entscheidungsträger*innen eingerichtet, die ihre Kompetenzen und ihr Selbstvertrauen im Bereich der Auswertung von Datenmaterial erhöhen wollen.
Viele OECD-Mitgliedsländer verfügen über evidenzbasierte Clearingstellen und sogenannte What Works Centres, die systematisch die Evidenzbasis überprüfen, auf die sich Politikmaßnahmen und Vorgehensweisen stützen, ihre Aussagekraft beurteilen und die Ergebnisse auf klar verständliche Weise kommunizieren. Beispiele sind das California Evidence-Based Clearing House for Child Welfare, die What Works Centres des Vereinigten Königreichs und das Danish Clearinghouse for Educational Research, Kidsmatter Australia sowie das Swedish Institute for Educational Research.
Quelle: Autorenbeitrag.
Die bisherigen Erfahrungen bestätigen allerdings, dass die Erreichung dieses Stands eine Herausforderung darstellt. Selbst in den am weitesten entwickelten Systemen bleibt die evidenzbasierte Entscheidungsfindung eine schwierige Aufgabe:
Der öffentliche Dienst muss über die richtigen Kompetenzen verfügen, um die Erhebung von Daten in Auftrag zu geben, diese zu verstehen und sinnvoll zu nutzen. Hierzu ist es erforderlich, individuelle Fähigkeiten auszubauen und den Einsatz von Verfahren, Anreizen und Ressourcen zur verstärkten Evidenznutzung zu fördern.
Weitere Voraussetzungen für eine evidenzbasierte Politikgestaltung sind ein institutionelles Umfeld und eine Infrastruktur, die einen klaren und transparenten Rahmen für die Evidenzgewinnung und -nutzung bieten. Hierzu gehören möglicherweise auch Qualitätskontroll- und -sicherungsmaßnahmen, um die Verlässlichkeit und Solidität der gesammelten Daten zu überprüfen, bevor sie tatsächlich verwendet werden.
Auch wenn sie noch so solide und relevant ist, kann Evidenz immer nur eine Komponente im Prozess der Politikgestaltung darstellen. In die endgültige Politikentscheidung fließen neben Daten immer auch Intuition und Urteilsvermögen ein.
Kernfragen
Sind Mechanismen vorhanden, die es politischen Entscheidungsträger*innen ermöglichen, betroffene Akteur*innen, die in Entscheidungsprozessen unterschiedliche Interessen vertreten (und offenlegen) regelmäßig und proaktiv einzubeziehen?
Sind Bestimmungen in Kraft, um in öffentlichen Entscheidungsprozessen zwischen Interessengruppen und Entscheidungsträger*innen formelle und transparente Beziehungen einzurichten?
Gibt es für Nichtregierungsorganisationen, die spezifische Interessen vertreten, wie politische Parteien, Gewerkschaften oder Handelsverbände Rechtsvorschriften bzw. Regularien, die ihre Governance und Repräsentativität an Kriterien für die Integrität der öffentlichen Verwaltung ausrichten (wie z. B. kompetitive Wahlen für Spitzenkräfte, demokratische Entscheidungsfindung, finanzielle Transparenz und Audit-Auflagen, Regeln für die Wahlfinanzierung usw.)?
Verfügt der öffentliche Sektor über das Wissen, die Kompetenzen und die Kapazitäten, um sicherzustellen, dass für die Politikgestaltung eine qualitativ hochwertige Evidenzbasis genutzt wird?
Haben Spitzenbeamt*innen ein strategisches Verständnis für die Bedeutung evidenzbasierter Politikgestaltung? Können sie sicherstellen, dass Politikverantwortliche zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Form über die richtige Evidenz verfügen?
Verfügt der öffentliche Sektor über die Verfahren und institutionellen Voraussetzungen, um evidenzbasierte Informationen in die Politikgestaltung einzubeziehen?
Entspricht die von den Politikverantwortlichen zugrunde gelegte Evidenz den Transparenz- und Integritätsanforderungen? Erfolgt die Evidenzerhebung nach bestimmten Kriterien/Anforderungen, um ihre Validität zu garantieren?
Ressortübergreifende Koordinierung
In den vergangenen Jahrzehnten hat die Politikkoordinierung für mehr Kohärenz in der Politik in vielen OECD-Mitglieds- und Partnerländern besonders an Bedeutung gewonnen. Dies ist in erster Linie auf die zahlreichen neuen sektorübergreifenden, multidimensionalen Herausforderungen und die damit einhergehende Zersplitterung der Verwaltungsstrukturen zurückzuführen, die im exponentiellen Wachstum der Zahl der Behörden und sonstigen unabhängigen Organe zum Ausdruck kommt (Beuselinck, 2008[37]; Alessandro, Lafuente und Santiso, 2013[34]). Diese Entwicklung ist sowohl für die horizontale Koordinierung zwischen Verwaltungseinheiten (Ministerien, Behörden) als auch für die vertikale Koordinierung zwischen Verwaltungsebenen von Relevanz (Kasten 2.5).
Im Bereich der ressortübergreifenden Koordinierung hat die Mehrzahl der befragten Länder (59%) laut OECD Survey on Centre of Governments angegeben, dass die Zahl der ressortübergreifenden Politikinitiativen seit 2008 zugenommen hat (OECD, 2014[33]). Um die Kohärenz der Tätigkeit von Ministerien, Ämtern und sonstigen Verwaltungseinheiten zu erhöhen, hat die Mehrzahl (67%) der in der 2017 aktualisierten Erhebung von 2014 befragten OECD-Mitgliedsländer die institutionellen und finanziellen Kapazitäten ihrer Regierungszentren verstärkt, deren Aufgaben sich nach und nach von administrativer Unterstützung in Richtung Politikkoordinierung verlagert haben (OECD, 2018[32]).
Kasten 2.5. Die Bedeutung der Koordinierung zwischen Verwaltungsebenen
Auch wenn das Hauptaugenmerk ebenenübergreifender Governance-Reformen zunächst auf spezifischen Bereichen liegen mag, wie beispielsweise der Infrastruktur, zeigen OECD-Erfahrungen, dass solche Reformen ganzheitlich und multidimensional sein sollten, um negative und kontraproduktive Wirkungen zu verhindern. Außerdem sollten sie regionalen Unterschieden Rechnung tragen und Koordinierungs- und sonstige Managementinstrumente entwickeln, um Nachhaltigkeit zu sichern. In Anbetracht dieser Ziele sind in der OECD Recommendation of the Council on Effective Public Investment across Levels of Government (2014) [OECD/LEGAL/0402] zwölf Grundsätze dargelegt. Sie sind in drei Säulen eingeteilt, die systemische Herausforderungen des Managements öffentlicher Investitionen widerspiegeln. Vor allem in der ersten Säule wird die Bedeutung der ebenen- und ressortübergreifenden Koordinierung deutlich:
Säule 1 – Ebenen- und ressortübergreifende Koordinierung. Es geht insbesondere darum, im Rahmen einer integrierten Strategie, die auf verschiedene Standorte zugeschnitten ist, zu investieren, auf den verschiedenen Verwaltungsebenen effektive Koordinierungsinstrumente einzusetzen und die Koordinierung zwischen nachgeordneten Gebietskörperschaften sicherzustellen, damit Investitionen auf der passenden Ebene getätigt werden.
Säule 2 – Stärkung der Kapazitäten und Förderung von Lernprozessen auf allen Verwaltungsebenen
Säule 3 – Gewährleistung solider Rahmenbedingungen auf allen Verwaltungsebenen
Quelle: OECD (2017[38]), Multi-level Governance Reforms: Overview of OECD Country Experiences, OECD Multi-Level Governance Studies, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/9789264272866-en; OECD (2019[39]), Effective Public Investment Across Levels of Government: Implementing the OECD Principles, Centre for Entrepreneurship, SMES, Regions and Cities, https://www.oecd.org/effective-public-investment-toolkit/OECD_Principles_For_Action_2019_FINAL.pdf.
Trotz unterschiedlicher institutioneller Strukturen der Regierungszentren in den OECD-Mitgliedsländern geht aus den OECD-Untersuchungen von 2014 und 2017 zu diesem Thema (OECD, 2014[33]; OECD, 2018[32]) hervor, dass die Regierungszentren in Bezug auf ihre Funktion und Zuständigkeit für ressortübergreifende Koordinierung viele Gemeinsamkeiten haben (Abbildung 2.2). Diese lassen sich in folgende Kernbereiche gliedern:
Förderung evidenzbasierter, inklusiver und zeitgerechter Entscheidungen des/der Regierungschef*in
In den meisten Ländern wird der/die Regierungschef*in von einem Büro unterstützt, das das politische Tagesgeschäft strukturiert und ad hoc politische Informationen zur Verfügung stellt und ihm/ihr beratend zur Seite steht. Der Ort, an dem strategische Diskussionen hauptsächlich stattfinden, sind die regelmäßigen Kabinettssitzungen.
Rechtskonformität, Regulierungsqualität und ordnungsgemäße Kostenkalkulation sind drei wichtige Fachfunktionen, die Entscheidungsprozesse unterstützen und vom Regierungszentrum koordiniert werden können.
Ressortübergreifende Politikkoordinierung, die zunehmend auch die Steuerung ressortübergreifender, multidimensionaler Schwerpunktstrategien umfasst
Ein Kriterium für die Wirksamkeit des Regierungszentrums ist seine Fähigkeit, im Fall von Differenzen zwischen Ministerien eine Vermittlerrolle zu spielen.
Das Regierungszentrum übernimmt vor allem bei strategischen Prioritäten eine Führungsrolle, insbesondere in sensiblen Politikfragen, indem es in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Fachministerien Aktionspläne konzipiert und das Projektmanagement leitet.
Mehrere Regierungszentren bieten den Fachministerien fachliche Unterstützung und Beratung zur Bewältigung zusätzlicher Anforderungen im Zusammenhang mit Querschnittsprojekten. Die vom Regierungszentrum zur Förderung querschnittlichen Vorgehens am häufigsten verwendeten Anreize sind individuelle und kollektive Leistungsziele sowie Evaluierungen.
Ressortübergreifende mittelfristige strategische Planung
Die Mehrheit der OECD-Mitgliedsländer verabschiedet Strategiepapiere mit einem relativ kurzen Zeithorizont, der in etwa einer Legislaturperiode entspricht.
In den OECD-Mitgliedsländern sind drei Planungsmodelle geläufig: 1. eine hochrangige Beratergruppe im nahen Umfeld des/der Regierungschef*in, die ihm/ihr direkt untersteht, 2. ein vom Regierungszentrum koordiniertes Gefüge strategischer Sitzungsformate unter Beteiligung verschiedener Ministerien und 3. eine spezifische Einheit für strategische Früherkennung (horizon scanning).
Monitoring der Umsetzung der Regierungspolitik im Hinblick auf ihre Folgen und Ergebnisse
Das Monitoring kann unterschiedlich gestaltet sein: regelmäßige Berichte an das Regierungszentrum, Kabinettssitzungen zum Stand der Verwirklichung bestimmter Ziele sowie spezifischere Leistungsmanagementmechanismen, die auch Ausgabenplanungen sowie Input- und Wirkungsindikatoren beinhalten können.
Strategische Kommunikation. Das Regierungszentrum spielt auch in der strategischen Kommunikation eine immer größere Rolle, sei es intern oder nach außen gerichtet. Hierzu gehört auch das Management der staatlichen Social-Media-Strategien.
Leitung der Übergangsplanung. Regierungszentren werden auch immer häufiger herangezogen, um bei einem Regierungswechsel nach Wahlen die neue Regierung strategisch zu unterstützen, um einen reibungslosen Übergang und den Machtwechsel zwischen scheidender und neuer Regierung sicherzustellen und so die Stabilität über die Legislaturperiode hinaus aufrechtzuerhalten.
Kasten 2.6. Kohärente Politik für eine nachhaltige Entwicklung
Unter Punkt 17.4 der Nachhaltigen Entwicklungsziele werden die Länder aufgefordert, die Politikkohärenz als Mittel der Implementierung für eine nachhaltige Entwicklung zu verbessern. Dies setzt eine ressort- und ebenenübergreifende Zusammenarbeit und Koordinierung voraus. Des Weiteren bedeutet Politikkohärenz auch, dass kurzfristige Bestrebungen und langfristige Nachhaltigkeitsziele auf eine Weise miteinander kombiniert werden müssen, die den Folgen inländischer Maßnahmen für das globale Wohlergehen Rechnung trägt. Die 2019 geänderte OECD Recommendation of the Council on Policy Coherence for Sustainable Development hebt die Bedeutung folgender Maßnahmen hervor:
Entwicklung einer strategischen Vision, um die nachhaltigen Entwicklungsziele auf integrierte und kohärente Weise zu erreichen
Schaffung effektiver und inklusiver institutioneller Mechanismen, um ein sektorübergreifendes Zusammenwirken zu erreichen und die Maßnahmen der verschiedenen Verwaltungsebenen aufeinander abzustimmen sowie
Entwicklung rasch wirkender und passgenauer Instrumente, um nationale, grenzüberschreitende und langfristige Politikfolgen zu antizipieren, zu beurteilen und anzugehen
Quelle: OECD (2019[79]), Policy Coherence for Sustainable Development 2019: Empowering People and Ensuring Inclusiveness and Equality, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/a90f851f-en; OECD, 2019[43], OECD Recommendation of the Council on Policy Coherence for Sustainable Development, https://www.oecd.org/gov/pcsd/oecd-recommendation-on-policy-coherence-for-sustainable-development.htm.
Kernfragen
Wurde der öffentliche Verwaltungsdienst in Ihrem Land mit den notwendigen Kapazitäten ausgestattet, um hochrangige strategische Diskussionen und Planungsvorhaben der Politik zu organisieren und zu leiten?
Gibt es in Ihrer Regierung und Verwaltung Mechanismen zur Koordinierung sektorübergreifender Politikinitiativen, wie Gruppen oder Ausschüsse zur Politikkoordinierung?
Setzt Ihre Regierung Anreize zur Förderung der Koordinierung zwischen Ministerien und Behörden, wie beispielsweise finanzielle, individuelle oder kollektive Leistungsziele?
Wurden klar definierte Mechanismen entwickelt, wie z. B. eindeutige Arbeitsabläufe zur Umsetzung des Regierungsprogramms, Leistungsvorgaben oder Monitoring-Instrumente, um sicherzustellen, dass die Politikprioritäten der Regierung umgesetzt werden?
Innovation und Changemanagement
Bei Innovationen im öffentlichen Sektor geht es um die Einführung und Umsetzung neuer Ideen, die gutes Verwaltungs- und Regierungshandeln fördern und verbessern helfen, indem sie die strategische Agilität und Zukunftsorientierung des Staats verstärken. Es geht um die Frage, wie fortlaufende Veränderungen eingeführt werden und mit ihnen umgegangen wird und dabei gleichzeitig bürgernahe Ansätze in der Gestaltung und Umsetzung von öffentlichen Dienstleistungen gefördert werden.
Die Spanne reicht von eher inkrementellen Veränderungen (grundlegende Erneuerung bestehender oder Einführung ganz neuer Prozesse) bis zu radikalen Veränderungen (ganz neues Weltverständnis).
Es kann sich um eine disruptive Entwicklung (z. B. Einführung einer neuen Technologie und damit verbundener Arbeitsprozesse) oder eine Transformation (z. B. Übergang von analogen Prozessen zu digitalen Interaktionen) handeln ebenso wie um die Festlegung und Verfolgung strategischer Prioritäten und Ziele, die es zuvor nicht gab.
Aus den Daten geht hervor, dass Innovationsförderung im öffentlichen Sektor in vielen OECD-Mitgliedsländern eine der obersten Prioritäten zur Förderung guten Verwaltungs- und Regierungshandelns darstellt. Während die Leistungen des privaten Sektors durch Marktkräfte, wie den Wettbewerb, bestimmt werden, muss der öffentliche Sektor Mechanismen einführen, mit deren Hilfe das Potenzial dynamischer und disruptiver Veränderungen in einer sich rasch wandelnden Welt erfolgreich in den Dienst der Bürger*innen und Unternehmen gestellt werden kann, oder zumindest die Voraussetzungen hierfür schaffen. Staaten müssen heute mit einer Reihe von Faktoren zurechtkommen, die einen strukturierteren und kohärenteren Ansatz für das Changemanagement und die Innovationsförderung erfordern:
Aufgaben verändern sich – In einem sich wandelnden Umfeld müssen auch die staatlichen Stellen ihre Arbeitsweise weiterentwickeln.
Wer bestehen will, muss sich verändern – In einer dynamischen Wirtschaft müssen Staaten politische Weichenstellungen anpassen, nur um Ergebnisse zu halten.
Für Zuschauer ist kein Platz – Um Entscheidungsträger zu bleiben, müssen staatliche Stellen über tatsächliches Innovationswissen verfügen, sie können nicht warten, bis ihnen Antworten serviert werden.
Menschen erwarten mehr – Viele Politiker*innen, Bürger*innen und Beamt*innen wünschen und erwarten Veränderungen.
Es besteht Mismatch-Gefahr – Ein Staat, der nicht innoviert, läuft Gefahr, immer hinterherzulaufen und nur zu reagieren, d. h. ständig zu enttäuschen.
Innovation ist eine Kernkompetenz – Innovationsbedarf kann überall entstehen, deshalb muss jeder bereit sein, sich einzubringen.
Vieles bleibt noch darüber zu lernen, wie die Voraussetzungen für Innovation und die hierfür erforderlichen Kompetenzen, Fähigkeiten, Instrumente und Ressourcen am besten zu schaffen sind. Aus den Erfahrungen der OECD-Länder geht hervor, dass Innovationen auf allen Verwaltungsebenen stattfinden. Es ist Aufgabe der zentralstaatlichen Ebene, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass es Innovationen gibt (Kasten 2.7). Untersuchungen haben ergeben, dass die wichtigsten Erfolgsfaktoren für Innovationen in der staatlichen Verwaltung damit zusammenhängen, wie Mitarbeiter*innen geführt werden, ob die internen Vorschriften funktionieren und die Haushalte Spielraum für Innovationstätigkeit bieten, ob das Projektmanagement den Umgang mit Risiken ermöglicht und wie sich ein geschützter Raum zum Experimentieren schaffen lässt (Innovationslabore bzw. -labs).
Eine isolierte Betrachtung dieser Faktoren ergibt allerdings kein vollständiges Bild der Bereiche, in denen der Innovationsbedarf am dringendsten bzw. am größten ist. Sie kann auch dazu führen, dass Blockaden von einem Teil des Systems in ein anderes verlagert werden. Mit der OECD Declaration on Public Sector Innovation (2019[40]) [OECD/LEGAL/0450] soll Verwaltungen und anderen öffentlichen Einrichtungen geholfen werden, ihre Innovationsfähigkeit zu verbessern, um eine Vielzahl von Herausforderungen zu bewältigen und Chancen zu nutzen. Sie enthält fünf Grundsätze und damit verbundene Maßnahmen, die Grundlage für Innovationen und Innovationsmanagement sein können:
Innovationen innerhalb des öffentlichen Sektors umsetzen und verstärken
alle öffentlich Bediensteten zu Innovationen ermutigen und mit dem hierfür erforderlichen Rüstzeug ausstatten
neue Partnerschaften pflegen und verschiedene Stimmen einbeziehen
Untersuchungen, Erprobungen und Testen unterstützen
Erkenntnisse weitergeben und Praktiken teilen
Kasten 2.7. Innovation im öffentlichen Sektor in Kanada
Impact Canada
Die im Haushalt 2017 angekündigte Initiative Impact Canada ist eine ressortübergreifende Maßnahme, die es den Ministerien ermöglicht, die Einführung innovativer Ansätze zu beschleunigen, die der kanadischen Bevölkerung Nutzen bringen. Die Initiative zeigt, wie notwendig und wertvoll Innovationen für die Erreichung staatlicher Prioritäten und die Verbesserung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für die Bürger*innen sind. Impact Canada fördert ein breites Spektrum an innovativen Ansätzen, darunter:
die Auslobung von Preisen, bei denen die beste Lösung für ein spezifisches Problem anhand vorab definierter Kriterien belohnt wird
die Einführung von Pay-for-Results Instrumenten, d. h. Finanzierungskonzepte, die Ausgaben stärker auf die Grundlage positiver und messbarer Ergebnisse stellen
Nutzung verhaltensökonomischer Erkenntnisse aus Psychologie, Wirtschaft und anderen Sozialwissenschaften in der Regierungsarbeit
Canada’s Deputy Ministers Task Force on Public Sector Innovation (TF-PSI)
Im November 2017 rief Kanada die Task Force on Public Sector Innovation (TF-PSI) ins Leben. Die Task Force, die auf Ebene der Staatssekretäre angesiedelt ist, soll für das Testen innovativer Ansätze eine aktive Rolle spielen und der Regierung helfen, ihre politischen Prioritäten zu erreichen. Die Task Force unterstützt relevante Ressorts auf zwei wichtigen Themenfeldern:
(1) grundlegende Systemtransformationen
(2) disruptive Politiklösungen
Quelle: Im Rahmen des Konsultationsprozesses für dieses Eckpunktepapier von Kanada zur Verfügung gestelltes Praxisbeispiel.
Außerdem kann eine systemische Herangehensweise die Fähigkeit des öffentlichen Sektors stärken, bei Bedarf neue Ansätze zu erkennen, zu entwickeln und anzuwenden, um sowohl die laufenden Aufgaben zu erfüllen und auf neue Gefahren und Chancen reagieren zu können.2 Die OECD hat vier Bereiche ermittelt, auf die sich die öffentlichen Verwaltungen konzentrieren sollten, wenn Innovationen zu einer beständigen und zuverlässigen Ressource für den Staat werden sollen:
Klarheit – Wurden die Akteur*innen des öffentlichen Sektors klar über die Bedeutung von Innovationen und ihren Platz im Vergleich zu anderen Prioritäten informiert?
Gleichwertigkeit – Haben Innovationen den gleichen Stellenwert wie andere Handlungsoptionen?
Angemessenheit – Sind die Kapazitäten, Systeme und Infrastruktureinrichtungen den verfügbaren Optionen angemessen?
Normalität – Wird Innovation als integraler Teil des Systems oder eher als eine gelegentlich akzeptierte Abweichung von der Norm betrachtet?
2017 veröffentlichte der OECD Observatory of Public Sector Innovation überdies ein Beta-Modell von Kompetenzen, um Innovationen in Einrichtungen des öffentlichen Sektors zu fördern und zu ermöglichen (OECD, 2017[41]). Das Beta-Kompetenzmodell der OECD für Innovationen im öffentlichen Sektor beruht auf sechs Kernkompetenzbereichen. Kompetenzen in diesen Bereichen ermöglichen es öffentlich Bediensteten, das Innovationsniveau im öffentlichen Sektor zu erhöhen.
Fähigkeit zur Iteration: Maßnahmen, Produkte und Dienstleistungen inkrementell und experimentell entwickeln
Datenkompetenz: Sicherstellen, dass Entscheidungen auf Daten basieren und dass diese nicht erst im Nachhinein berücksichtigt werden
Nutzerzentriertheit: Öffentliche Dienstleistungen an den Bedürfnissen der Nutzer ausrichten
Neugier: Nach neuen Ideen oder Arbeitsweisen suchen und sie ausprobieren
Fähigkeit zum Storytelling: Veränderungen so erläutern, dass sie mitgetragen werden
Kreative Rebellion: Den Status quo infrage stellen und mit außergewöhnlichen Partnern zusammenarbeiten
Innovationen und Changemanagement sind zwei wichtige, aber unterschiedliche Erfolgsfaktoren für effektive Reformen. Beim Changemanagement geht es generell um den Übergang zu einem bekannten erwünschten Zustand oder Ergebnis, wohingegen Innovationen einen explorativen Lernprozess in einem komplexen und ungewissen Kontext darstellen. Beide Faktoren sind für ein effektives Regierungshandeln von wesentlicher Bedeutung, auch wenn sie unterschiedlicher Formen der Unterstützung bedürfen und unterschiedliche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit sie erfolgreich durchgeführt werden können.
Veränderungsprozesse und Reformen können zuweilen unbeliebt sein oder erst nach einer gewissen Zeit Früchte tragen. Eine der wesentlichen Herausforderungen für ein erfolgreiches Changemanagement besteht darin, die Akzeptanz von Reformen trotz politischer Hindernisse und Engpässe zu erhalten und gleichzeitig die Unterstützung dafür zu erhöhen. Ein effektives Veränderungsmanagement zielt darauf ab, die Reformdynamik aufrechtzuerhalten und zugleich den – internen wie auch externen – Widerstand gegen Veränderungen zu überwinden. Im öffentlichen Sektor ist das besonders schwierig, da Veränderungsprozesse oft gleichzeitig auftreten. Im OECD-Bericht “Making Reform Happen” (2010[83]) heißt es, dass ein erfolgreiches Changemanagement häufig von einem Wählerauftrag, einer effektiven Kommunikation, soliden Institutionen und einer gesunden Führungskultur, Priorisierung und Sequenzierung von Reformen sowie davon abhängt, wie wirksam sich Reformbefürworter mit den Gegnern der umzusetzenden Reformen auseinandersetzen.
Changemanagement ist bereits seit Langem zentraler Bestandteil der Arbeit im öffentlichen Sektor. Neu ist, dass in den OECD-Ländern verstärkt untersucht wird, wie Themen und Strategien für das Changemanagement besser in einen anspruchsvolleren und institutionalisierten Ansatz eingebunden werden können. Staatliche Stellen haben begonnen, sich von Top-down-Prozessen im Changemanagement zu verabschieden und eine breitere Perspektive einzunehmen, die sowohl Bottom-up- als auch Top-down-Maßnahmen vorsieht. Hierzu gehören eine systematische Problemidentifizierung, Ideengenerierung sowie die Suche nach geeigneten alternativen Lösungen und ihre Umsetzung.
Künftige Ausgaben des Eckpunktepapiers werden Praxisbeispiele zum Changemanagement aus einzelnen Ländern enthalten und als einen wichtigen, wenn auch noch im Aufbau befindlichen Bereich der öffentlichen Governance präsentieren und damit Belege für erfolgreiches Changemanagement und für die Auswirkungen erfolgreicher Veränderungsprozesse auf die Leistungen für die Bürger*innen vorlegen.
Kernfragen
Verfügt der öffentliche Sektor über die Kapazität, neue Trends aufzugreifen, sich mit zugrundeliegenden Umbrüchen auseinanderzusetzen und mögliche Veränderungen der Erwartungen und Bedürfnisse der Bürger*innen zu erkennen?
Wie lernt Ihre Regierung aus neuen Praktiken und wie gelingt die systematische Einbeziehung neu gewonnener Erkenntnisse in die Kerntätigkeiten der Verwaltung?
Unterstützt Ihre Regierung Behörden, Beschäftigte im öffentlichen Dienst und Handelnde auf lokaler Ebene (durch Beratung, Anleitung und Ressourcenbereitstellung), um sie in die Lage zu versetzen, neue Wege zu gehen, um einen öffentlichen Nutzen zu erzielen?
Zusätzliche Ressourcen
OECD-Rechtsinstrumente:
Recommendation of the Council on Policy Coherence for Sustainable Development (2019) [OECD/LEGAL/0381]
Recommendation of the Council on Effective Public Investment across Levels of Government (2014) [OECD/LEGAL/0402]
Recommendation of the Council on Public Integrity (2017) [OECD/LEGAL/0435], deutsche Fassung: Empfehlung des Rates zu Integrität im öffentlichen Leben (2017)
Recommendation of the Council on Open Government (2017) [OECD/LEGAL/0438]
Recommendation of the Council on Digital Government Strategies (2014) [OECD/LEGAL/0406]
Recommendation of the Council on Principles for Transparency and Integrity in Lobbying (2010) [OECD/LEGAL/0379]
Declaration on Public Sector Innovation (2019) [OECD/LEGAL/0450]
Recommendation of the Council on Public Service Leadership and Capability (2019) [OECD/LEGAL/0445]
Recommendation of the Council on Gender Equality in Public Life (2015) [OECD/LEGAL/0410]
Recommendation of the Council on Regulatory Policy and Governance (2012) [OECD/LEGAL/0390], deutsche Fassung: Empfehlung des Rates zu Regulierungspolitik und Governance (2012)
Weitere einschlägige OECD-Ressourcen:
Managing Change in OECD Governments.An Introductory Framework (2008)
“Modernising Government”, in Making Reform Happen, Lessons from OECD Countries (2010)
SIGMA Methodological Framework for the Principles of Public Administration(2019)
Preventing Policy Capture, Integrity in Public Decision Making (2017)
Summary of OECD conference on Evidence-Informed Policy Making (2017)
Centre Stage: Driving Better Policies from the Centre of Government (2014)
Literaturverzeichnis
Alessandro, M., M. Lafuente und C. Santiso (2013), “The Role of the Center of Government A Literature Review”, Technical Note, No. IDB-TN-581, Interamerikanische Entwicklungsbank, Washington, D.C., https://publications.iadb.org/en/role-center-government-literature-review (Abruf: 4. Oktober 2019). [34]
Beuselinck, E. (2008), Shifting public sector coordination and the underlying drivers of change: a neo-institutional perspective, Katholieke Universiteit Leuven, https://soc.kuleuven.be/ io/pubpdf/IO02050140_2008_Beuselinck.pdf. [37]
OECD (2019), Declaration on Public Sector Innovation, OECD, Paris, https://legalinstruments.oecd.org/en/instruments/OECD-LEGAL-0450. [40]
OECD (2019), Effective Public Investment Across Levels of Government: Implementing the OECD Principles, Centre for Entrepreneurships, SMES, Regions and Cities, OECD, Paris, https://www.oecd.org/effective-public-investment-toolkit/OECD_Public_Investment_Implementation_Brochure_2019.pdf. [39]
OECD (2019), Policy Coherence for Sustainable Development 2019: Empowering People and Ensuring Inclusiveness and Equality, OECD Publishing, Paris, https://dx.doi.org/10.1787/a90f851f-en. [79]
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OECD (2018), Open Government: Globaler Kontext und Perspektiven für offenes Regierungs- und Verwaltungshandeln, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/9789264290655-de. [23]
OECD (2017), Core Skills for Public Sector Innovation, Observatory of Public Sector Innovation, OECD, Paris, https://www.oecd.org/media/oecdorg/satellitesites/opsi/contents/files/ OECD_OPSI-core_skills_for_public_sector_innovation-201704.pdf. [41]
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Anmerkungen
← 2. In einem systemischen Ansatz werden die verschiedenen Systemelemente analysiert, die einem Problem zugrunde liegen, ebenso wie die Dynamik und Interaktionen dieser Elemente, die zu einem bestimmten Ergebnis führen. Der Begriff „systemischer Ansatz“ steht für eine Reihe von Prozessen, Methoden und Praktiken, die auf Systemveränderungen abzielen (OECD, 2017[2]).