Dieses Kapitel befasst sich mit der Bedeutung von Politikevaluierung und liefert Werkzeuge und Strategien zu deren Erstellung nach hohen Qualitätsstandards. Im Unterschied zum Monitoring ist der Gegenstand von Evaluierungen die Analyse von Verknüpfungen zwischen ergriffenen Maßnahmen und deren Wirkungen. Evaluierungen können demnach die Qualität von Entscheidungsprozessen verbessern und passgenauen Rat bieten, um die Gestaltung und Umsetzung von Maßnahmen zu unterstützen. Doch die von der OECD gesammelten Belege deuten darauf hin, dass die Politikevaluierung ungeachtet der Bekenntnisse zu deren Bedeutung oft das schwächste Glied im Maßnahmenzyklus darstellt und die Länder immer noch vor großen Herausforderungen stehen, um Evaluierungen zu fördern. Im ersten Abschnitt des Kapitels geht es um Hilfestellung beim Aufbau eines institutionellen Rahmenwerks und darum, wie Qualität und Nutzung von Evaluierungen gefördert werden können. Der darauffolgende Abschnitt unterstreicht noch einmal die Notwendigkeit, die Auswirkungen von Regelungen zu überprüfen.
Eckpunkte für gutes Verwaltungs- und Regierungshandeln
5. Belastbare Politikevaluierung
Abstract
Die Evaluierung von Ergebnissen trägt zum besseren Verständnis bei, weshalb manche Maßnahmen funktionieren und andere nicht. Durch die Produktion, Verwendung und Förderung von Daten über Politikergebnisse tragen Evaluierungen zur Qualität von Entscheidungsfindungsprozessen bei (Kapitel 2) und bieten gezielte Hinweise zur Verbesserung der Politikgestaltung (Kapitel 3) und -umsetzung (Kapitel 4). Zusammen mit anderen Verfahren, wie der Berücksichtigung des Feedbacks von Adressat*innen und Mitarbeiter*innen bei der Maßnahmenumsetzung, ermöglicht die Politikevaluierung den strategischen Einsatz von Feedbackmechanismen bei der Politikgestaltung, um deren Ergebnisse zu verbessern. So werden Ergebnisse und Wirkungen von Maßnahmen mit Entscheidungen der politisch Verantwortlichen verknüpft (Lernaspekt) ebenso wie staatliche Stellen mit den Adressaten der Maßnahmen verbunden (stärkere Fokussierung auf den Aspekt der Rechenschaftspflicht).
Bei der Politikevaluierung handelt es sich um die strukturierte und objektive Bewertung einer laufenden oder abgeschlossenen Maßnahme bzw. Reforminitiative. Dabei werden u. a. die Relevanz und die Umsetzung von Zielen ermittelt sowie Effizienz, Wirksamkeit, längerfristige Wirkung und Nachhaltigkeit der Initiative bestimmt1. Wie in Kapitel 4 erläutert, ist das Monitoring von Maßnahmen im Wesentlichen ein deskriptives Instrument. In Abgrenzung dazu werden bei einer Evaluierung die Verknüpfungen zwischen Maßnahmen und ihren Effekten analysiert. Ziel ist ein besseres Verständnis der beobachteten Erfolge oder Misserfolge von Maßnahmen, und zwar sowohl als Zweck an sich als auch als Mittel zur Korrektur des jeweils eingeschlagenen Wegs und zur Verbesserung von Ergebnissen und Wirkungen ergriffener Maßnahmen.
Bei soliden Evaluierungssystemen gehören Evaluierungen zum Politikzyklus und werden gründlich und systematisch durchgeführt. Die Ergebnisse werden von den Entscheidungsträger*innen genutzt und die Öffentlichkeit kann leicht auf Informationen zugreifen (Lázaro, 2015[66]). Die Evaluierungsmethoden müssen dafür in der Phase der Politikformulierung und -gestaltung berücksichtigt werden und in ein Gesamtkonzept eingebettet werden, um sicherzustellen, dass die für eine effektive Evaluierung erforderlichen Informationen und Daten während der Umsetzungsphase gesammelt werden können. Politikevaluierung muss ferner in die Gestaltung der Strategien zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele (SDG) eingebunden werden (OECD, 2019[47]). Allerdings gibt es bisher in nur wenigen Ländern Mechanismen zur Evaluierung der bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele erreichten Fortschritte. Die systematische Einbeziehung von Evaluierungen in Bezug auf die Nachhaltigkeitsziele und die Agenda 2030 ist daher ein wichtiges Element auf der politischen Agenda all der Länder, die an der Gestaltung und Verwirklichung der Nachhaltigkeitsziele mitwirken.
In Anbetracht der allgemeinen Bedeutung und des Nutzens von Evaluierungen betonen mehrere OECD-Empfehlungen – z. B. über Open Government und Public Integrity –, wie wichtig es ist, sie durchzuführen. Im Einzelnen handelt es sich dabei um folgende Empfehlungen:
Die Recommendation on Regulatory Policy and Governance (OECD, 2012[27]) [OECD/LEGAL/0390] ruft die Länder dazu auf, „den Bestand an wichtigen Regelungen unter Berücksichtigung von Kosten und Nutzen systematisch in Bezug auf klar definierte politische Ziele zu überprüfen, um sicherzustellen, dass die Regelungen auf dem neuesten Stand bleiben, dass ihre Kosten gerechtfertigt sind, dass sie kosteneffektiv und konsistent sind und dass sie die beabsichtigten politischen Ziele erreichen“.
Die Recommendation on Budgetary Governance (OECD, 2015[48]) [OECD/LEGAL/0410] empfiehlt den Ländern sicherzustellen, dass Ergebnisse, Evaluierung und das Kosten-Nutzen-Verhältnis wesentliche Bestandteile des Haushaltsprozesses sind. Zu diesem Zweck regt die Empfehlung die Länder dazu an, Ausgabenprogramme (einschließlich damit verbundener personeller Ressourcen sowie Steuervergünstigungen) objektiv und regelmäßig zu evaluieren und zu überprüfen, um die Mittelzuweisung und die Neufestlegung von Prioritäten sowohl innerhalb der Fachministerien als auch ressortübergreifend auf eine solide Basis zu stellen.
Dennoch ist die Politikevaluierung sehr häufig das schwächste Glied im Politikzyklus, und die Länder tun sich bei ihrer Förderung noch immer schwer (vgl. Abbildung 5.1).
Wie aus Abbildung 5.1 hervorgeht, stellt die Erarbeitung bzw. die Umsetzung einer Strategie zur Förderung eines verwaltungsebenen- und ressortübergreifenden Konzepts für die Politikevaluierung in vielen Ländern eine große Herausforderung dar. Eine derartige Strategie sollte im Idealfall zwei große Themen adressieren und entsprechende Empfehlungen geben:
Schaffung eines institutionellen Rahmens für die Politikevaluierung, der u. a. 1. die Rechtsgrundlage zur Durchführung von Evaluierungen und 2. Hinweise auf Makroebene bietet, wann und wie Evaluierungen vorzunehmen sind, sowie 3. Angaben zu den institutionell zuständigen Akteuren enthält, die mit Mitteln ausgestattet sind, um Evaluierungen zu überwachen oder durchzuführen.
Ressortübergreifende Förderung der Qualität und der Nutzung von Evaluierungen, u. a. durch den Aufbau personeller Kapazitäten, die Gewährleistung einer angemessenen Akteursbeteiligung usw.
Schaffung eines institutionellen Rahmens für Evaluierungen
In allen Bereichen der öffentlichen Governance bildet ein zweckdienlicher und angemessener institutioneller Rahmen ein solides Fundament, um Evaluierungen ressortübergreifend systematisch und systemisch in die Prozesse einzubetten. Allerdings gibt es auch in diesem Fall kein Patentrezept für die Gestaltung und Umsetzung entsprechender Rahmenwerke.
Tatsächlich bestehen zwischen den Ländern große Unterschiede bei der rechtlichen und politischen Verankerung von Evaluierungen. In manchen Ländern sind entsprechende Bestimmungen Teil der Verfassung. In anderen ist die Politikevaluierung im Primär- oder Sekundärrecht verankert, während wieder andere flexible Strukturen nutzen, die beispielsweise an bestimmte Reformstrategien des öffentlichen Sektors gekoppelt sind.
Tragfähige Evaluierungssysteme profitieren von klar festgelegten institutionellen Akteuren mit präzisem Mandat und eigenen Ressourcen zur Überwachung und/oder Durchführung von Evaluierungen. Auch hier sind Unterschiede zwischen den Ländern festzustellen. In einigen Ländern gibt es eine Stelle (bzw. einige wenige Stellen), die die Politikevaluierung ressortübergreifend fördert und/oder koordiniert. Eine nachhaltige Evaluierungskultur ist jedoch auch dann nicht unbedingt ausgeschlossen, wenn keine solche zentrale Stelle vorhanden ist.
Selbst wenn es eine klar definierte zentrale Koordinierungsstelle gibt, kann sie je nach Land ganz unterschiedlicher Natur sein:
Manche Länder haben Abteilungen oder Stellen innerhalb ihres Regierungszentrums (Präsidialamt, Kabinettsbüro, Regierungsbüro oder Büro des Premierministers) geschaffen.
Andere Länder haben unabhängige Stellen eingerichtet, die Evaluierungen verwaltungsebenen- und ressortübergreifend festlegen und koordinieren. Darüber hinaus können bestimmte Fachministerien bei der ressortübergreifenden Förderung und/oder Koordinierung der Politikevaluierung ebenfalls eine zentrale Rolle spielen.
Kasten 5.1. Policy on Results in Kanada
Die kanadische Regierung lancierte im Juli 2016 eine ergebnisorientierte Strategie (Policy on Results), mit der die in den einzelnen Ressorts erzielten Ergebnisse optimiert und ein besseres Verständnis der beabsichtigten und erzielten Ergebnisse sowie der dafür eingesetzten Ressourcen gefördert werden sollen.
Gemeinsam zuständig für die Evaluierungen sind das Privy Council Office und das Treasury Board. Diese Behörden sind für die Förderung der Nutzung von Evaluierungsergebnissen bei der Politikgestaltung bzw. die Festlegung und Aktualisierung der Evaluierungspolitik verantwortlich.
Vorgesehen ist, dass alle Ressorts über eine Evaluierungsstelle verfügen sollen. Die Fachministerien sind dabei für die Einrichtung eines Ergebnisrahmens (Departmental Results Framework) zuständig. Im Hinblick auf die Umsetzung der Policy on Results kann das Treasury Board of Canada verlangen, dass die Ressorts bestimmte Evaluierungen durchführen und an zentral geleiteten Evaluierungen teilnehmen; es kann Überprüfungen der Ressourcenausrichtung (Resource Alignment Reviews) vornehmen sowie den Departmental Results Framework der Fachministerien und etwaige Änderungen der Kernaufgaben ihrer Evaluierungsstellen billigen.
Quelle: Treasury board of Canada Secretariat (2016[68]), “Policy on Results”, https://www.tbs-sct.gc.ca/pol/doc-eng.aspx?id=31300 (Abruf: 2. August 2019).
Der Gegenstand der Evaluierung kann auch Auswirkungen auf den erforderlichen institutionellen Rahmen haben. Während unabhängige Einrichtungen die beste Option sein können, um Ex-post-Evaluierungen einschneidender Regelungen mit erheblichen Folgen durchzuführen oder zu überwachen, sind die für die Umsetzung der evaluierten Maßnahmen zuständigen Fachministerien und Stellen für weniger heikle Evaluierungen u. U. eher geeignet (OECD, 2018[52]).
Die obersten Rechnungskontrollbehörden können durch ihre Prüfungen, Evaluierungen und Hinweise eine entscheidende Aufgabe beim Evaluierungsprozess übernehmen und die Regierungen im Hinblick auf den Einsatz öffentlicher Mittel zur Rechenschaft ziehen (vgl. Kasten 5.2 bezgl. einer beispielhaften Beschreibung der Rolle der obersten Rechnungskontrollbehörde Chiles für die Stärkung guter Regierungsführung). Neben der Evaluierung von Maßnahmen und Programmen auf der Grundlage der Ergebnisse oder des Kosten-Nutzen-Verhältnisses können die obersten Rechnungskontrollbehörden in der staatlichen Verwaltung als „Evaluierungsstelle der Evaluierungsstellen“ fungieren, indem sie die Effektivität eines Evaluierungssystems und der dafür zuständigen Stellen prüfen.
Kasten 5.2. Rolle der obersten Rechnungskontrollbehörde Chiles für die Stärkung einer guten Regierungsführung
Die OECD führte 2014 eine Public Governance Review der obersten Rechnungskontrollbehörde Chiles durch. Der Bericht zeigt, dass Chiles oberste Rechnungskontrollbehörde (Contraloría General de la República de Chile bzw. CGR) eine Vorreiterrolle übernommen und ehrgeizige Initiativen zur Stärkung der Institutionen, zum Kapazitätsaufbau, zur Transparenzförderung und zur Bürgerbeteiligung ergriffen hat. Die CGR hat Instrumente zur strategischen Planung eingeführt, eine Personalumstrukturierung vorgenommen und sich zu einer vorbildlichen Institution in Bezug auf Transparenz im öffentlichen Sektor entwickelt.
Die CGR erkennt ihre Schlüsselrolle bei der Förderung guten Verwaltungs- und Regierungshandelns an. Sie hat das OECD-Review durchgeführt, um laufende Initiativen zu unterstützen, die positive Wirkung ihrer Arbeit auf die öffentliche Governance zu maximieren sowie Rechenschaftslegung und Qualität staatlicher Entscheidungsprozesse zu verbessern. Die CGR hat die Möglichkeit, ihren guten Ruf weiter zu festigen und sich selbst als Führungsinstanz zu positionieren, indem sie objektive und glaubwürdige Informationen bereitstellt, die für die Bewältigung der Herausforderungen im Bereich guter Regierungsführung allgemein als nützlich betrachtet werden. Das OECD-Review untersucht, wie die Prüfaufträge der CGR angepasst werden könnten, um den Einfluss der Institution auf die öffentliche Governance zu erhöhen, und wie das im Rahmen früherer und neuer Prüfaufträge gesammelte Wissen besser eingesetzt werden könnte, um den verschiedenen Akteur*innen einen Mehrwert zu bieten.
Quelle: OECD (2014[69]), Chile’s Supreme Audit Institutions: Enhancing Strategic Agility and Public Trust, OECD Public Governance Reviews, OECD Publishing, Paris, https://dx.doi.org/10.1787/9789264207561-en.
Qualität und Nutzung von Evaluierungen fördern
Die Förderung von Evaluierungen im Politikzyklus erfordert mehr als das Abhaken des Punkts, wonach Evaluierungen erfolgt sind. Die systematische Erstellung von Evaluierungen ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung, um die Qualität der öffentlichen Governance und Dienstleistungserbringung zu verbessern. Evaluierungen von unzureichender Qualität werden kaum zu einem besseren Lernprozess, einer stärkeren Rechenschaftspflicht, einer optimierten Entscheidungsfindung und Politikgestaltung oder zu besseren Ergebnissen für die Bürger*innen führen. Ebenso kann es sein, dass qualitativ hochwertige Evaluierungen aufgrund fehlender Anreize bei den eigentlichen Entscheidungen völlig ignoriert werden.
Auch wenn die Idee der Förderung einer Evaluierungskultur etwas ambitioniert klingen mag, so können doch konkrete Maßnahmen ergriffen werden, um die Relevanz und Nutzung von Evaluierungen zu stärken. Dazu gehören beispielsweise die Förderung von politischem Engagement und Akteursbeteiligung (vgl. Kapitel 1 und 2) wie auch die Unterstützung der Kompetenzentwicklung im Bereich Evaluierung. Zudem kann dem OECD-Bericht The Path to Becoming a Data-Driven Public Sector zufolge die Förderung einer Kultur der Datenorientierung im öffentlichen Sektor sehr wirksam sein, um die Qualität laufender Evaluierungen durch die Verwendung relevanter Daten zu erhöhen (OECD, 2019[60]). Daten im öffentlichen Sektor führen in der Tat zu einem Leistungsverständnis, das auf einen iterativen Planungsansatz ausgerichtet ist. Eine wachsende, mit Strategiezielen verknüpfte Datenmenge ermöglicht auf kurze Sicht nicht nur agile Anpassungen, sondern kann auf mittlere bis lange Sicht auch bessere Einblicke in den Politikprozess verschaffen. Die Politikverantwortlichen können so beurteilen, ob ihre Maßnahmen die beabsichtigte Wirkung erzielt haben. Wenn diese Daten im Open Data Format veröffentlicht werden, können auch andere Akteur*innen Bewertungen vornehmen. Politikevaluierung kann damit zu einem offenen, inklusiven und fortlaufenden Prozess werden.
Qualität ist ein wesentlicher Faktor, um die Belastbarkeit und die Validität von Evaluierungen zu gewährleisten. Sowohl Qualitätskontrolle (ergebnisorientiert) als auch Qualitätssicherung (prozessorientiert, d. h. das Richtige auf die richtige Art und Weise zu tun) sind in dieser Hinsicht unerlässlich. Aus diesem Grund empfiehlt die OECD Recommendation on Budgetary Governance (OECD, 2015[48]) [OECD/LEGAL/0410] z. B., dass die Länder die Verfügbarkeit von qualitativ hochwertigen (d. h. relevanten, konsistenten, umfassenden und vergleichbaren) Informationen zu Ergebnissen und Bewertungen sicherstellen, um evidenzbasierte Überprüfungen zu erleichtern.
Eine Analyse der im Rahmen des OECD Survey on Policy Evaluation erhobenen Daten zeigt, dass sich die Länder auf die Stärkung der Kompetenzen und Kapazitäten innerhalb des öffentlichen Sektors konzentrieren, um Evaluierungen durchzuführen oder in Auftrag zu geben, sowie auf die Förderung der Akteursbeteiligung, um sicherzustellen, dass Evaluierungen zielgenau und Empfehlungen für Verbesserungen konkret und adressatenorientiert sind (OECD, 2018[67]).
Wie aus Abbildung 5.1 ersichtlich, stellt die Verwendung der Evaluierungsergebnisse bei der Politikgestaltung eine große Herausforderung für die Länder dar.2 Faktoren wie Gesamtqualität, Zeitplan und politisches Engagement im Evaluierungsprozess können den Nutzen (und damit auch die längerfristige Wirkung) von Evaluierungsempfehlungen erhöhen. Daher haben einige Länder spezifische Maßnahmen ergriffen, um den strategischen Einsatz von Evaluierungsergebnissen zu fördern. Den Ergebnissen des OECD Survey on Policy Evaluation zufolge fördern z. B. nahezu 50 % der Teilnehmerländer (60 %) den Einsatz von Evaluierungen, indem sie die Evaluierungsergebnisse bei der Haushaltsplanung berücksichtigen (OECD, 2018[67]). Dies steht im Einklang mit der OECD Recommendation on Budgetary Governance [OECD/LEGAL/0410], die empfiehlt, dass die Länder den Evaluierungsergebnissen Rechnung tragen sollten, um die Ausrichtung der Gesamtausgaben (einschließlich Steuervergünstigungen) auf die Haushaltsziele und die nationalen Prioritäten neu zu bewerten (OECD, 2015[48]). Mehr als ein Drittel der Teilnehmerländer unterstützt zudem Evaluierungen, indem die Ergebnisse auf höchster politischer Ebene (Ministerrat oder äquivalentes Organ) diskutiert werden. Etwa gleich viele Länder haben Koordinierungsplattformen eingerichtet, um die Verwendung von Evaluierungsdaten zu ermöglichen.
Kasten 5.3. Nationale Maßnahmen zur Förderung der Verwendung von Evaluierungsergebnissen bei der Politikgestaltung
Die Länder gehen laut ihren Antworten auf den OECD Survey on Policy Evaluation auf unterschiedliche Art und Weise vor, um die Verwendung von Evaluierungsergebnissen in der Politikgestaltung zu fördern:
Norwegen hat auf einer gemeinsamen Plattform einen Webdienst (https://evalueringsportalen.no/) zur Erfassung der Ergebnisse aus Evaluierungen eingerichtet, die von der Zentralregierung durchgeführt werden. Durch die bessere Zugänglichkeit der Evaluierungsergebnisse zielt die Regierung darauf ab, die Nutzung und Wiederverwendung von Erkenntnissen und Ergebnissen aus Evaluierungen in allen staatlichen Politikbereichen, bei künftigen Evaluierungen und in der Gesamtgesellschaft zu erhöhen. Dies ist außerdem für die Legitimität und Transparenz staatlichen Handelns von Bedeutung.
Die Vereinigten Staaten von Amerika haben einen Interagency Council on Evaluation Policy eingerichtet, dessen Vorsitz das Office on Management and Budget (OMB) und das Department of Labor gemeinsam innehaben. Der Council setzt sich aus etwa zehn hochqualifizierten Evaluierungsbeauftragten der Regierungsbehörden zusammen, die sich monatlich treffen, um über Evaluierungsergebnisse zu diskutieren.
Evaluierungsergebnisse werden in mehreren anderen Ländern zudem auf parlamentarischer Ebene diskutiert:
In Deutschland erhält der Bundestag von der Bundesregierung jährlich rd. 80 Berichte über die Evaluation einzelner Strategien oder bestimmter Regelungen und Maßnahmen der Regierung. In den letzten fünf Jahren wurden Evaluierungsberichte vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen sowie das Hauptgutachten Monopolkommission 2016 und die Evaluation des Altersgeldgesetzes herausgegeben.
In Japan legt die Regierung dem Zweikammerparlament jedes Jahr einen Bericht über den Stand der Politikevaluierung und darüber vor, wie die Evaluierungsergebnisse in die Politikplanung und -gestaltung eingeflossen sind.
Quelle: OECD (2020[70]).
Regulierungsfolgen überprüfen
Die Bewertung von Rechtsvorschriften durch Ex-post-Evaluierungen ist von grundlegender Bedeutung, um sicherzustellen, dass die geltenden Vorschriften sowohl relevant als auch auf ihre Ziele ausgerichtet sind (OECD, 2017[1]). Nach der Umsetzung von Maßnahmen können unbeabsichtigte Folgen auftreten, die gegebenenfalls angegangen werden müssen. Es ist aber auch möglich, dass eine Regelung infolge des gesellschaftlichen oder des technischen Wandels hinfällig wird. Wenn keine Ex-post-Evaluierungen durchgeführt werden, tendieren Regulierungskosten und bürokratischer Aufwand nach und nach zu steigen. Dies geht zulasten der Unternehmen sowie der Bürger*innen (OECD, 2017[1]). Ex-post-Evaluierungen können daher Verbesserungsmöglichkeiten aufzeigen und als Instrument für die Regulierungsplanung dienen.
Der OECD-Ausschuss für Regulierungspolitik beschäftigt sich mit der Erarbeitung von Best-Practice-Grundsätzen für Ex-post-Evaluierungen, da es sich trotz ihrer Bedeutung für die Verbesserung der derzeitigen Regelungsbestände und die Ausgestaltung und Verwaltung neuer Regelungen noch immer um einen weniger entwickelten Bereich der Regulierungspolitik handelt.
Das geplante Dokument soll allgemeine Leitlinien für systemische Governance gemäß folgenden grundlegenden Prinzipien liefern:
Regulierungsrahmen sollten Ex-post-Evaluierungen explizit und dauerhaft als festen Bestandteil des Regulierungszyklus beinhalten.
Ein solides Ex-post-Evaluierungssystem sollte eine vollständige Erfassung des Regelungsbestands im Zeitverlauf sicherstellen, inklusive Qualitätskontrolle von Schlüsselevaluierungen und Monitoring der Systemabläufe.
Evaluierungen sollten eine evidenzbasierte Bewertung der Auswirkungen von Rechtsvorschriften im Hinblick auf ihren Zweck und ihre Ziele enthalten, Erkenntnisse festhalten und Empfehlungen zur Korrektur etwaiger Defizite liefern. Die Grundsätze werden mehrere Aspekte der öffentlichen Governance behandeln, u. a. Methodik, öffentliche Konsultation und Ablaufsteuerung, Kapazitätsaufbau und engagierter Einsatz der Führungsebenen für Evaluierungen.
Kernfragen
Fördert Ihr aktueller Rechts- und Politikrahmen systematische Evaluierungen auf allen Verwaltungsebenen und in allen Ressorts? Sind die notwendigen Mechanismen vorhanden, um Ex-post-Evaluierungen von Rechtsvorschriften sicherzustellen?
Wie wird verwaltungsebenen- und ressortübergreifend die Qualität von Evaluierungen gewährleistet? Gibt es spezifische Mechanismen dafür?
Inwieweit werden die betroffenen Akteur*innen in den Prozess der Politikevaluierung einbezogen?
In welchem Maß wird bei der Politikevaluierung Transparenz gewährleistet?
Wie wird die Verwendung von Evaluierungsergebnissen gefördert? Fließen die Evaluierungsergebnisse in die Haushaltsdiskussionen ein? Wie werden ergebnisbezogene Informationen genutzt, um die Gestaltung und die Umsetzung von Maßnahmen und Dienstleistungen zu verbessern? Anders formuliert: Sind Feedbackmechanismen institutionalisiert, um die Wirkung der Evaluierung von Politikergebnissen zu optimieren und ihren Einfluss auf die Politikgestaltung nachhaltig zu sichern?
Gewinnen Evaluierungen und Feedbackmechanismen im Kontext der Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 an Bedeutung? Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um die bei der Umsetzung dieser Agenda erzielten Fortschritte zu evaluieren und den Bürger*innen darüber Bericht zu erstatten?
Gibt es Maßnahmen, um die Durchführung von Ex-post-Evaluierungen zu fördern?
Zusätzliche Ressourcen
OECD-Rechtsinstrumente:
Recommendation of the Council on Regulatory Policy and Governance (2012) [OECD/LEGAL/0390], deutsche Fassung: Empfehlung des Rates zu Regulierungspolitik und Governance (2012)
Recommendation of the Council on Budgetary Governance (2015) [OECD/LEGAL/0410]
Weitere einschlägige OECD-Ressourcen:
Literaturverzeichnis
Lázaro, B. (2015), Comparative study on the institutionalisation of evaluation in Europe and Latin America, Eurosocial, http://sia.eurosocial-ii.eu/files/docs/1456851768-E_15_ENfin.pdf. [66]
OECD (2020), Improving Governance with Policy Evaluation: Lessons From Country Experiences, OECD Public Governance Reviews, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/ 10.1787/89b1577d-en. [70]
OECD (2019), Governance as an SDG Accelerator: Country Experiences and Tools, OECD Publishing, Paris, https://dx.doi.org/10.1787/0666b085-en. [47]
OECD (2019), The Path to Becoming a Data-Driven Public Sector, OECD Digital Government Studies, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/059814a7-en. [60]
OECD (2018), OECD-Ausblick Regulierungspolitik 2018 (Auszugsweise Übersetzung), OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/9789264307988-de. [52]
OECD (2018), Open Government: Globaler Kontext und Perspektiven für offenes Regierungs- und Verwaltungshandeln, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/9789264290655-de. [23]
OECD (2018), Survey on Policy Evaluation, OECD Paris. [67]
OECD (2017), Government at a Glance 2017, OECD Publishing, Paris, https://dx.doi.org/ 10.1787/gov_glance-2017-en. [1]
OECD (2015), Recommendation of the Council on Budgetary Governance, OECD, Paris, https://legalinstruments.oecd.org/en/instruments/OECD-LEGAL-0410. [48]
OECD (2014), Chile’s Supreme Audit Institution: Enhancing Strategic Agility and Public Trust, OECD Public Governance Reviews, OECD Publishing, Paris, https://dx.doi.org/10.1787/ 9789264207561-en. [69]
OECD (2012), Recommendation on Regulatory Policy and Governance, OECD, Paris, https://legalinstruments.oecd.org/en/instruments/OECD-LEGAL-0390; deutsche Fassung: OECD (2012), Empfehlung des Rates zu Regulierungspolitik und Governance, OECD, Paris, https://doi.org/10.1787/9789264209053-de. [27]
Treasury Board of Canada Secretariat (2016), “Policy on Results”, https://www.tbs-sct.gc.ca/ pol/doc-eng.aspx?id=31300. [68]
Anmerkungen
← 1. Diese Definition wurde aus dem Bericht Open Government: Globaler Kontext und Perspektiven für offenes Regierungs- und Verwaltungshandeln (OECD, 2018[23]) übernommen, dem das „OECD DAC Glossary“ in Guidelines for Project and Programme Evaluation zugrunde liegt.
← 2. Kapitel 2 dieses Eckpunktepapiers befasst sich mit allgemeineren Fragen in Bezug auf evidenzbasierte Politikgestaltung.