In diesem Kapitel geht es um die verschiedenen Managementtools und Instrumente der Politik, die die OECD-Länder einsetzen, um bei der Problemermittlung sowie der Formulierung und Gestaltung von Politikmaßnahmen eine höhere Qualität zu erzielen. Die hier vorgestellten Praktiken zeigen, dass folgende Managementtools für mehr Qualität bei der Politikformulierung und -gestaltung sorgen können: strategische Planung, Einsatz konzeptioneller Kompetenzen und Nutzung digitaler Fähigkeiten. Das Kapitel legt auch dar, wie ordnungspolitische und haushaltspolitische Maßnahmen strategisch eingesetzt werden können, um Governance-Fehler bei der Politikformulierung zu vermeiden. Regulierungspolitik und Governance können dazu beitragen, dass Rechtsvorschriften die gewünschten Zielsetzungen erreichen und neuen Herausforderungen so effizient wie möglich gerecht werden. Haushaltsgovernance ist ein Instrument zur Umsetzung politischer Zusagen, Ziele und Vorgaben in Entscheidungen darüber, welche Projekte finanziert und wie die hierfür notwendigen Finanzmittel generiert werden.
Eckpunkte für gutes Verwaltungs- und Regierungshandeln
3. Solide Problemermittlung, Formulierung und Gestaltung von Politikmaßnahmen
Abstract
Der erste Schritt einer soliden Politikgestaltung ist die korrekte Erfassung eines Problems und die Gestaltung der richtigen Reaktion(en), um es anzugehen. Welche Herausforderungen als solche erkannt und in die öffentliche Agenda aufgenommen werden, wird durch eine Reihe unterschiedlicher Faktoren beeinflusst, u. a.
die Fähigkeit der Interessenvertretungen (z. B. politischer Parteien, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden), das Thema zu formulieren,
die Rolle der Medien im Hinblick darauf, die Herausforderung auf eine Art und Weise zu kommunizieren, die die Bürger*innen mitnimmt,
die Verfügbarkeit von Daten und Befunden, anhand derer sich der Staat vergewissern kann, dass es sich um ein echtes Thema handelt und seine Behandlung in seinen Zuständigkeitsbereich fällt,
eine effektive Einbeziehung der beteiligten Akteur*innen, die die staatlichen Stellen in die Lage versetzt, mit wichtigen Handelnden der Zivilgesellschaft sowie mit den Bürger*innen zum betreffenden Thema und zu den Lösungsstrategien einen Dialog zu initiieren und aufrechtzuerhalten sowie
die Fähigkeit des Staats, Herausforderungen beispielsweise durch strategische Vorausschau, Früherkennungsmaßnahmen (horizon scanning) und Debatten über Zukunftsalternativen – u. a. mit der Zivilgesellschaft – frühzeitig zu erkennen.
In Kapitel 1 und 2 dieses Eckpunktepapiers wurden Governance-Verfahren herausgearbeitet, die eine offene, ausgewogene und auf Daten beruhende Problemerfassung fördern, womit u. a. eine Vereinnahmung der staatlichen Politik durch Interessengruppen verhindert werden soll. In Abschnitt 3.1.2 dieses Kapitels wird ferner darauf eingegangen, wie wichtig es ist, dass die Beschäftigten des öffentlichen Diensts die richtigen analytischen Kompetenzen besitzen, um Problemstellungen zu definieren und insbesondere deren Ursachen zu verstehen.
Ist ein Thema korrekt erfasst, definiert und abgegrenzt, können die zuständigen Stellen entscheiden, welche Maßnahmen angemessen sind, um das Problem zu lösen und/oder eine Reform umzusetzen. Die Phase der Formulierung von Politikmaßnahmen ist der Prozess, in dem die staatlichen Stellen lang-, mittel- und kurzfristige Politikziele in konkrete Handlungsoptionen übersetzen.
Die staatliche Verwaltung ist kein monolithischer Entscheidungsträger. Daher bietet der Prozess der Formulierung von Politikmaßnahmen eine Gelegenheit zur Zusammenarbeit zwischen Staat und Bürger*innen, der Wirtschaft sowie Organisationen der Zivilgesellschaft, um Innovationen hervorzubringen und die Dienstleistungen der öffentlichen Hand zu verbessern. Beispiele für eine solche Zusammenarbeit und gemeinsame Entscheidungsfindung reichen von Referenden zu Konsultationsverfahren, bei denen Maßnahmen mit einem breiten Spektrum von Akteuren und Interessengruppen erarbeitet und beraten werden (OECD, 2011[44]). Wie in Kapitel 2 erläutert, kann die Einbeziehung beteiligter Akteur*innen auch ein Mittel darstellen, um eine Vereinnahmung der Politik während des politischen Entscheidungsprozesses zu verhindern. Resultat solcher Verfahren können Gesetzesvorlagen, Rechtsvorschriften, Mittelzuweisungen oder Fahrpläne und Rahmenkonzepte für künftige Verhandlungen über detailliertere Planungen sein. Im Idealfall umfasst die Formulierung von Politikmaßnahmen daher die Feststellung, Prüfung, Erörterung und das Entwerfen von Politikoptionen, um den gesellschaftlichen Bedürfnissen und Herausforderungen Rechnung zu tragen.
Ein grundlegender Teil der Formulierungsphase ist die Politikgestaltung, bei der es um die Planung der Umsetzungs-/Vollzugs-, der Monitoring- und der Evaluierungsphase geht. Idealerweise wird auf der Ebene des Regierungs- und Verwaltungsapparats – in erster Linie von Mandatsträger*innen und Spitzenbeamt*innen – auf der Grundlage eines breiten Spektrums politischer und fachlicher Beiträge entschieden, welche Instrumente zum Zuge kommen sollen und welche finanziellen und personellen Ressourcen für die Um- und Durchsetzung einer Strategie zugewiesen werden sollten. Die Übersetzung dieser Visionen und Pläne in durchführbare Maßnahmen ist eine der größten Herausforderungen für die politische Entscheidungsfindung. Die Regierungsstellen sollten in Erwägung ziehen, für die Formulierungs- und Gestaltungsphase neuer Rechtsvorschriften und Politikmaßnahmen Evaluierungsmechanismen einzuführen. Gegebenenfalls sollten auch spezifische Regelungen wie Befristungsklauseln bei der Politikgestaltung berücksichtigt werden. Entscheidungsträger*innen müssen sich in der Regel für eine von vielfältigen Optionen entscheiden, die von einer immer größeren Zahl von Politikberater*innen angeboten werden – von Beschäftigten des öffentlichen Diensts bis hin zu externen Akteuren wie z. B. Lobbyfirmen, Vertreter*innen des privaten Sektors, Beiräten oder Sachverständigengruppen, NRO, Thinktanks, Wissenschaftler*innen oder politischen Parteien. Die Befunde zeigen beispielsweise, dass gegenüber der Regierung nicht weisungsgebundene Beiräte eine zunehmend große Rolle bei der politischen Entscheidungsfindung spielen und eine inklusive und solide Politikgestaltung begünstigen können (OECD, 2017[45]). In Kapitel 2 dieses Eckpunktepapiers, in dem die Erfolgsfaktoren für gutes Verwaltungs- und Regierungshandeln umrissen werden, wird hervorgehoben, welche Rolle die Regierungszentren sowie institutionelle treibende Kräfte dabei spielen, die strategischen Prioritäten zu definieren und die mittelfristige strategische Planung voranzutreiben, um diese Prioritäten in konkrete Maßnahmen zu überführen.
Die politischen, wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Vor- und Nachteile der verschiedenen Politikmaßnahmen abzuwägen, bildet somit den Kern der Politikformulierungsphase. Die OECD-Daten lassen darauf schließen, dass öffentliche Entscheidungen und Rechtsvorschriften ohne angemessenes Governance-Rahmenkonzept besonders anfällig für Einflussnahme oder Vereinnahmung durch Partikularinteressen sind (CleanGovBiz, 2012[46]). Außerdem zählen mangelnde Kapazitäten in Regierung und Verwaltung, wie z. B. begrenzte finanzielle, personelle und technologische Ressourcen, oder eine unzureichende Ausgestaltung, wie z. B. Unzulänglichkeiten des institutionellen Rahmens oder inadäquate Rechtsvorschriften, zu den zahlreichen Hindernissen für die Politikgestaltung, die in der Folge eine effektive Politikumsetzung und Leistungserbringung behindern.
Die OECD hat in den vergangenen Jahrzehnten einige dieser Hindernisse benannt und spezifische Arbeiten zur Governance 1. von Managementinstrumenten und 2. von Politikinstrumenten durchgeführt, die die Qualität der Politikformulierung und -gestaltung verbessern können:
In den Abschnitten 3.1.1, 3.1.2 und 3.1.3 dieses Kapitels wird auf Möglichkeiten zur Stärkung der strategischen Planung, der Kompetenzen der Beschäftigten des öffentlichen Diensts und der digitalen Fähigkeiten eingegangen, um dieses Ziel zu erreichen.
In Abschnitt 3.2.1 wird beschrieben, wie die Regulierungspolitik ein strategisches Politikinstrument sein kann, um zu verhindern, dass es bei der Politikformulierung zu Fehlern in der Governance-Gestaltung kommt.
In Abschnitt 3.2.2 dieses Kapitels wird darauf eingegangen, wie sich die Haushaltsführung als Politikinstrument nutzen lässt, um Unzulänglichkeiten bei den Governance-Kapazitäten abzuschwächen.
Um die Wirksamkeit der von den Entscheidungsträger*innen ausgewählten Maßnahmen ebenso wie Unterstützung für diese sicherzustellen, ist es wichtig, dass die beteiligten Akteur*innen die Maßnahmen als begründet, effizient und umsetzbar betrachten. Daher bietet die Phase der Politikformulierung und - gestaltung den Politikverantwortlichen die Gelegenheit sicherzustellen, dass die mit den Werten für die öffentliche Governance (Kapitel 1) verbundenen Verfahrensweisen eingeführt, systematisch angewendet und in den Umsetzungsprozess eingebunden werden. Zusätzlich zu den Verfahrensweisen, auf die in diesem Kapitel besonders eingegangen wird, sind erfolgreiche Vorgehensweisen und Erwartungen in Bezug auf die systematische Berücksichtigung von Governance-Werten in der OECD Recommendation of the Council on Digital Government Strategies (OECD, 2014[31]) [OECD/LEGAL/0406], der revidierten Recommendation on Promoting Good Institutional Practices for Policy Coherence for Development (2019) [OECD/LEGAL/0381], die in die Zuständigkeit des Entwicklungsausschusses fällt und für die zurzeit im Entwicklungsausschuss und im Ausschuss für öffentliche Governance der Entwurf einer revidierten Empfehlung erarbeitet wird, sowie in der Recommendation on Public Integrity (OECD, 2017[11]) [OECD/LEGAL/0435], der Recommendation on Open Government (OECD, 2017[22]) [OECD/LEGAL/0438] und der Recommendation on Gender Equality in the Public Life (2015) [OECD/LEGAL/0418] kodifiziert.
Managementinstrumente für die Politikformulierung und -gestaltung
In der Phase der Politikformulierung und -gestaltung sind Managementinstrumente ein Mittel, um die Kompetenzen im öffentlichen Sektor sowie dessen Fähigkeiten zur Politikgestaltung zu verbessern. Managementinstrumente wie z. B. digitale Lernplattformen können als direkte Kanäle für die Umsetzung von Politikmaßnahmen dienen. Zu den wichtigsten Managementinstrumenten, um die Qualität der Politikgestaltung zu verbessern und damit die Politikergebnisse zu prägen, zählen 1. strategische Planung, 2. Politikgestaltungskompetenzen, 3. digitale Fähigkeiten.
Strategische Planung
Gut verankerte Planungsverfahren können nützlich sein, um politische Zusagen und Ziele sowohl in lang- bzw. mittelfristige Strategien als auch in praktische Aktionspläne zu übersetzen, die als Orientierungshilfe für die Arbeit der staatlichen Stellen dienen können. Dadurch ist die strategische Planung ein wichtiges Managementinstrument, das mit den in Abschnitt 2.1 und 2.3 dieses Eckpunktepapiers erörterten Erfolgsfaktoren zusammenhängt. Auch bei der Anpassung nationaler Politikmaßnahmen, um den multidisziplinären und komplexen Inhalten der Agenda 2030 Rechnung zu tragen, kann eine strategische Planung zielführend sein. Bei der Einbindung der Ziele für nachhaltige Entwicklung in die innerstaatliche Planung müssen die staatlichen Stellen die jeweiligen nationalen Realitäten und Einschränkungen ebenso wie die bestehenden internationalen Verpflichtungen berücksichtigen (OECD, 2019[47]). In dieser Hinsicht zeigen die aus den bisherigen praktischen Ländererfahrungen gezogenen Lehren:
In den Frühstadien der Politikgestaltung ist es wichtig, basierend auf der Problemermittlung Prioritäten festzulegen. Die Staaten verfügen in der Regel nicht über die nötigen Ressourcen, um alle Probleme zu beheben (zumindest nicht gleichzeitig). Priorisierung kann zu realistischeren Zusagen und besser gestalteten Maßnahmen und somit zu glaubwürdigeren staatlichen Planungen führen.
Planung muss systematisch erfolgen, um die verschiedenen Pläne ebenso wie die auf ein gemeinsames Ziel ausgerichteten lang-, mittel- und kurzfristigen Politikprioritäten aufeinander abzustimmen.
Bei der strategischen Planung muss sichergestellt werden, dass Politikinstrumente wie Budgetierung, Regelungen und Personalplanung auf die jeweilige Strategie ausgerichtet sind. Grundsatz 2 der OECD Recommendation on Budgetary Governance (OECD, 2015[48]) [OECD/LEGAL/0410] soll den Politikverantwortlichen dabei helfen, den Haushalt als wesentliches Politikinstrument zu nutzen, um die mittelfristigen strategischen Prioritäten des Staats zu verwirklichen – darunter diejenigen, die auf den Zielen für nachhaltige Entwicklung beruhen.
Die Obersten Rechnungskontrollbehörden können bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen für eine strategischere Entscheidungsfindung ebenfalls eine entscheidende Rolle spielen. Aufgrund ihrer Prüfungstätigkeit können diese Stellen die Angemessenheit von Prozessen evaluieren, die dazu dienen, langfristige Visionen festzulegen und die Übersetzung von Zielen in Maßnahmen zu planen (OECD, 2016[18]).
Die jüngsten Erfahrungen in den OECD-Mitgliedsländern zeigen, dass eine strategische Planung die Legitimität der Politikgestaltung und den Bestand von Politikmaßnahmen über die jeweilige Legislaturperiode hinaus verbessern kann, wenn der Planungsprozess offen ist und die beteiligten Akteur*innen beispielsweise im Rahmen von Bürgerbeteiligungsmechanismen aktiv mitwirken können (OECD, 2018[23]).
Kasten 3.1. Norwegens Instructions for Official Studies
Am 19. Februar 2016 verabschiedete Norwegen Anweisungen für die Vorbereitung von Maßnahmen der Zentralregierung (Instructions for the Preparation of Central Government Measures – „Instructions for Official Studies“). Die Anweisungen gelten für ein breites Spektrum von Maßnahmen der Zentralregierung und regeln u. a. den Zeitplan für den Politikgestaltungsprozess, die Koordinierung der beteiligten Handelnden, Folgenabschätzungen, öffentliche Anhörungen und Alternativvorschläge. Die Anweisungen und die dazugehörigen Leitlinien sollen in Bezug auf Maßnahmen der Zentralregierung sinnvolle Vorgaben für den Entscheidungsprozess fördern. Dazu gehört, dass die Beweggründe für Entscheidungen dargelegt werden, ehe darüber entschieden wird, welche Maßnahme umgesetzt werden sollte.
Quelle: Im Rahmen des Konsultationsprozesses für dieses Eckpunktepapier von Norwegen zur Verfügung gestelltes Praxisbeispiel.
Politikgestaltungskompetenzen
Beschäftigte des öffentlichen Diensts sind mit Problemen beispielloser Komplexität in zunehmend pluralistischen Gesellschaften befasst. Parallel dazu haben sich die Verwaltungsinstrumente weiterentwickelt. Sie zeichnen sich nunmehr durch einen höheren Grad an Digitalisierung, Offenheit und Vernetzung aus. Die erste Herausforderung besteht daher darin festzustellen, welche Kompetenzen heute und in Zukunft für die Politikformulierung und -gestaltung benötigt werden. Die OECD hebt eine Reihe von Kompetenzen für einen leistungsfähigen öffentlichen Dienst hervor: 1. Kompetenzen im Bereich der Politikgestaltung, 2. Kompetenzen im Bereich der Bürgerbeteiligung und der Leistungserbringung, 3. Kompetenzen im Bereich der Auftragsvergabe und der Beschaffung und 4. Kompetenzen im Bereich der Steuerung von Netzwerken.
Kompetenzen im Bereich der Politikgestaltung sind für die Phase der Politikformulierung besonders wichtig. Sie kombinieren klassische Fähigkeiten, wie z. B. die Fähigkeit, auf Daten beruhenden, ausgewogenen und objektiven Rat zu erteilen und zugleich (partei-)politischem Druck zu widerstehen, mit einer Reihe neuer Kompetenzen, um die Erwartungen an eine digitale, offene und innovative Verwaltung zu erfüllen sowie technologische Veränderungen und die zunehmende Komplexität der Politikaufgaben zu meistern. Die Betonung evidenzbasierter Entscheidungen und Innovationen spiegelt die in Abschnitt 2.2 und 2.4 dieses Eckpunktepapiers festgelegten Prioritäten wider. Die politisch Verantwortlichen müssen wissen, wann und wie die institutionellen und administrativen Instrumente für Politikformulierung und -gestaltung einzusetzen sind. Daher ist es so wichtig, die professionellen, strategischen und Innovationskompetenzen zu stärken, um:
Politikaufgaben zu definieren: Beschäftigte des öffentlichen Diensts müssen in der Lage sein, die grundlegenden Ursachen von Problemstellungen aufzuspüren und zu verstehen. Dies erfordert „analytische Fähigkeiten, um Sachverhalte aus unterschiedlichen Fachgebieten und/oder unterschiedliche Sichtweisen in einem einheitlichen Narrativ zusammenzufassen“ (OECD, 2017[49]). Hierzu zählt die Fähigkeit, unterschiedliche und manchmal widersprüchliche Visionen korrekt zu interpretieren und miteinander zu verbinden sowie Politiken neu auszurichten und umzuformulieren. Ferner gehören dazu die Fähigkeit zum Netzwerken und digitale Kompetenzen, um die richtigen Akteur*innen und Sachverständigen außerhalb des öffentlichen Diensts ausfindig zu machen, die an der Politikformulierung mitwirken können.
Lösungen zu konzipieren: Beschäftigte des öffentlichen Diensts müssen über die nötigen Kompetenzen verfügen, um mögliche Zukunftsszenarien zu verstehen und tragfähige Lösungen für künftige Herausforderungen zu finden. Hierzu könnten Kompetenzen im Bereich der Vorausschau (Foresight) sowie systemisches und strukturelles Denken zählen, um die Wechselwirkungen zwischen internen und externen Akteur*innen zu verstehen und zu beeinflussen und das Fachwissen aus unterschiedlichen Gebieten zusammenzuführen. Sie müssen in der Lage sein, interne und externe Ressourcen zu erkennen und einzusetzen, die die Optimierung und Umsetzung der Lösung erleichtern. Sie benötigen ein Verständnis dafür, was in der jüngeren Vergangenheit funktioniert hat, und müssen empfehlenswerte Verfahrensweisen erkennen und anpassen können, um die Aufgaben von heute zu lösen.
die Politikagenda zu beeinflussen: Spitzenbeamt*innen und diejenigen, die mit der Politikgestaltung betraut sind, müssen über Kompetenzen verfügen, um die politischen Rahmenbedingungen zu verstehen und die richtigen Gelegenheiten zu erkennen, um Initiativen voranzutreiben und Politiker*innen im Hinblick auf Optionen und Zielkonflikte zu beraten. Jenseits der Analyse technokratischer Fragen müssen öffentlich Bedienstete daher auch in der Lage sein, Sachverhalte abzuwägen, die politische und soziale Werte betreffen. Hierfür ist Urteilsvermögen erforderlich, um rechtzeitig Rat zu erteilen, Risiken und Ungewissheiten zu erkennen und zu steuern sowie Maßnahmenkonzepte zu erstellen, die den jeweils aktuellen politischen Imperativen Rechnung tragen. Darüber hinaus kann die Fähigkeit, politische Ideen – etwa anhand visueller Präsentationen und Storytelling – zu kommunizieren, für Interaktionen mit gewählten wie auch mit politisch ernannten Entscheidungsträger*innen von zentraler Bedeutung sein.
Wenn die staatlichen Stellen die für die Politikformulierung und -gestaltung benötigten Kompetenzen ermittelt haben, besteht die nächste Herausforderung darin zu bestimmen, wie der Staat diese Kompetenzen am besten ausbilden kann, um seine Ergebnisse zu verbessern (vgl. Kasten 3.2 für ein Beispiel). Die OECD Recommendation on Public Service Leadership and Capability (2019[9]) [OECD/LEGAL/0445] bietet den der Empfehlung zustimmenden Ländern Orientierungshilfe im Hinblick auf Möglichkeiten, Kapazitäten im öffentlichen Dienst aufzubauen, um diesen effektiv und vertrauenswürdig zu gestalten. Dies umfasst spezifische Grundsätze und Leitlinien, um
kontinuierlich die Kompetenzen zu überprüfen, die benötigt werden, um politische Visionen in gesellschaftlich sinnvolle Dienstleistungen umzusetzen,
Mitarbeiter*innen mit den benötigten Kompetenzen anzuwerben und zu halten,
Einstellungen, Auswahl und Beförderungen im Rahmen transparenter und offener Verfahren nach Leistungskriterien vorzunehmen, um eine faire und gleiche Behandlung zu gewährleisten,
durch Schaffung einer Lernkultur und günstiger Lernbedingungen im öffentlichen Dienst die nötigen Kompetenzen auszubilden und
Leistung, Talent und Initiative zu beurteilen, zu belohnen und anzuerkennen.
Kasten 3.2. Konzept für eine kundenfreundliche öffentliche Verwaltung 2030 in der Tschechischen Republik
Das Konzept für eine kundenfreundliche öffentliche Verwaltung 2030 ist ein Strategiepapier, in dem die Entwicklung der tschechischen öffentlichen Verwaltung im Zeitraum 2021-2030 definiert ist. Darin wird eine Reihe von Maßnahmen hervorgehoben, mit denen die Politikgestaltungskompetenzen gestärkt werden sollen:
Umsetzung evidenzbasierter Entscheidungsprozesse in der öffentlichen Verwaltung – einschließlich Fachschulungen für öffentlich Bedienstete, die für die analytische Forschung und Analyseberichte zuständig sind (strategisches Ziel 3.1.1)
Einrichtung einer Arbeitsgruppe zur Zusammenarbeit von Analyseeinheiten sowie Bildung von Analyseteams innerhalb des öffentlichen Diensts – kooperative Netzwerk- und Webplattform für den Austausch analytischer Daten (strategisches Ziel 3.1.3, 3.1.4)
Ausbildung von Kompetenzen, um zeitgerechte Politikberatung und -analysen durchzuführen bzw. zu liefern (strategisches Ziel 3.1.1)
Schulungsmaßnahmen für Beschäftigte des öffentlichen Diensts mit Bürgerkontakt, um die kundenorientierte Kommunikation und die Dienstleistungen für die Bürger*innen zu verbessern; Einführung bzw. Nutzung eines E-Learning-Tools zur zentralisierten Schulung öffentlich Bediensteter zu allgemeinen bereichsübergreifenden Themen (strategisches Ziel 1.1.5, 4.3.1) – beides dient dazu, einen effektiven und vertrauenswürdigen öffentlichen Dienst zu schaffen
Quelle: Im Rahmen des Konsultationsprozesses für dieses Eckpunktepapier von der Tschechischen Republik zur Verfügung gestelltes Praxisbeispiel.
Digitale Fähigkeiten
Um allen wichtigen Beteiligten die Möglichkeit zu geben, bei der Formulierung von Politikmaßnahmen aktiv mit den politisch Verantwortlichen zusammenzuarbeiten, sind die digitalen Fähigkeiten der staatlichen Stellen von grundlegender Bedeutung. In der OECD Recommendation on Open Government (OECD, 2017[22]) [OECD/LEGAL/0438] wird hervorgehoben, dass neue Technologien und der digitale Fortschritt einen Politikgestaltungsprozess ermöglichen, der dank einer konstruktiveren Einbindung der betroffenen Akteur*innen stärker auf Partizipation und Akteursbeteiligung ausgerichtet ist. Tatsächlich sorgen digitale Instrumente für einen besseren Informationszugang und erhöhen daher die Bürgerbeteiligung an der Formulierung von Politikmaßnahmen. Dies kann zu einer ausgewogenen Entscheidungsfindung beitragen, welche einer der in Abschnitt 2.2 dieses Eckpunktepapiers beschriebenen Erfolgsfaktoren für eine solide Politikgestaltung ist.
Kasten 3.3. Digitalisierung und elektronische Fallbearbeitung an den lettischen Gerichten
Die Digitalisierung des Gerichtssystems in Lettland wird durch die Einführung des Portals manas.tiesas.lv veranschaulicht, das kostenfreie elektronische Gerichtsdienstleistungen anbietet. Über dieses Portal kann die breite Öffentlichkeit Gerichtsverfahren in jedem beliebigen Gericht in Lettland verfolgen. Mit dieser Maßnahme soll durch den Technologieeinsatz ein direkter Zugang zu den Gerichten ermöglicht werden. Zudem sollen die Übermittlung von Daten sowie die Dienstleistungserbringung für Bürger*innen und Unternehmen verbessert werden.
Darüber hinaus baut Lettland seit 2018 ein einheitliches elektronisches Verfahrenssystem für die Gerichte auf. Damit sollen die Verfahrensdauer verkürzt und ein breiterer Informationszugang geschaffen werden. Diese Maßnahme wird einen elektronischen Datenaustausch zwischen den einschlägigen Einrichtungen, Zugang zu Fallunterlagen und elektronische Aktualisierungen für Verfahrensbeteiligte umfassen. Statistische Daten werden in einem offenen Datenformat verfügbar gemacht.
Quelle: Im Rahmen des Konsultationsprozesses für dieses Eckpunktepapier von Lettland zur Verfügung gestelltes Praxisbeispiel; Tiesu Administracija:The Court Administration Judicial System in Latviahttps://www.ta.gov.lv/UserFiles/TA_buklets_ENG.pdf.
Das neue digitale Umfeld ermöglicht und verstärkt sich rasch verändernde Beziehungen zwischen den beteiligten Akteur*innen und deren Dynamik. An diese Veränderungen muss sich der öffentliche Sektor rasch anpassen (OECD, 2014[31]). In der OECD Recommendation on Digital Government Strategies (OECD, 2014[31]) [OECD/LEGAL/0406] wird betont, dass die neuen digitalen Möglichkeiten auch die Erwartungen in Bezug auf die Leistungsfähigkeit der staatlichen Verwaltung verändern, wenn es gilt, einen Mehrwert für die Allgemeinheit zu schaffen. Folglich werden die staatlichen Stellen aufgefordert, bei der Regelung digitaler Technologien Effizienz mit anderen gesellschaftspolitischen Zielen zu verbinden. Eine solide Strategie für die digitale Verwaltung geht daher mit den in Abschnitt 2.4 dieses Eckpunktepapiers erörterten Erfolgsfaktoren Changemanagement und Innovation Hand in Hand.
Kasten 3.4. Das Webportal für die öffentlichen Haushalte in Norwegen
Die norwegische Behörde für Finanzmanagement startete im Oktober 2017 das Webportal statsregnskapet.no („öffentliche Haushalte des Staats“). Das Portal bietet aktuelle Finanzdaten für alle Ministerien und Behörden auf Ebene der Zentralregierung mit Suchfunktionen nach Haushaltskapitel und Standardkontenplan. Hierdurch wird eine Grundlage für behördenübergreifende Vergleiche und die Analyse von Trends beim Ressourcenverbrauch im Zeitverlauf in einem offenen Datenformat geschaffen.
Quelle: Im Rahmen des Konsultationsprozesses für dieses Eckpunktepapier von Norwegen zur Verfügung gestelltes Praxisbeispiel.
Allerdings sind die staatlichen Stellen häufig noch nicht angemessen ausgestattet, um digitale Innovationen und neue Technologien zu nutzen. Außerdem verfügen die Beschäftigten des öffentlichen Diensts – wie in Abschnitt 3.1.2 dieses Eckpunktepapiers beschrieben – oft nicht über die nötige Ausbildung, um neue Technologien zu nutzen. In Anbetracht des digitalen Fortschritts und der damit einhergehenden Verbesserung der Möglichkeiten, den Politikprozess zu leiten bzw. zu steuern, müssen die staatlichen Stellen regelmäßig ihre digitalen Fähigkeiten überprüfen. So können diese angepasst werden, um den Unwägbarkeiten des sich ständig verändernden digitalen Umfelds Rechnung zu tragen. Zu diesem Zweck können Regierungen der Verwaltung bei der Digitalisierung Rückendeckung geben, indem sie die interministerielle Zusammenarbeit fördern und die Koordinierung der maßgeblichen staatlichen Ebenen erleichtern. Wenn es der Verwaltung nicht gelingt, mit dem Wandel Schritt zu halten, könnte dies zu ernsthaften Sicherheitsverletzungen und in der Folge zum Verlust des Vertrauens der Bürger*innen in die öffentlichen Institutionen führen. Daher sollte im Rahmen der Strategien für die Digitalisierung der Verwaltung im Hinblick auf Sicherheits- und Datenschutzanliegen auch ein Risikomanagementansatz verfolgt werden (OECD, 2014[31]).
Die OECD Recommendation on Digital Government Strategies (OECD, 2014[31]) [OECD/LEGAL/0406] hilft den Staaten dabei, kohärentere und strategischere, an den digitalen Fähigkeiten der jeweiligen Regierung ausgerichtete Ansätze für „die Nutzung digitaler Technologien in allen Bereichen und auf allen Verwaltungsebenen“ einzuführen, um eine offenere, auf Partizipation ausgerichtete und innovative Verwaltung zu fördern. Für sich genommen sind digitale Instrumente kein Erfolgsgarant, sodass es unerlässlich ist, Strategien und Standards für ihre Nutzung zu erarbeiten. Im Hinblick auf die Entwicklung und Umsetzung von Strategien für die Digitalisierung der Verwaltung enthält die Recommendation on Digital Government Strategies folgende Empfehlungen:
Die staatlichen Stellen sollten eine transparentere, offenere und inklusivere Gestaltung der Verwaltungsverfahren und -praktiken sicherstellen (Grundsatz 1), und
sie sollten die Einbeziehung und Mitwirkung von Akteuren des öffentlichen und privaten Sektors und der Zivilgesellschaft im Rahmen der politischen Entscheidungsfindung sowie der Gestaltung und Erbringung öffentlicher Dienstleistungen fördern (Grundsatz 2).
Kernfragen
Verfügt die Verwaltung in Ihrem Land über ein solides mehrjähriges strategisches Planungskonzept? Sind die Strategiepläne nach diesem Konzept miteinander und mit dem Staatshaushalt verknüpft?
Wurden seitens der staatlichen Stellen konkrete Maßnahmen ergriffen, um im öffentlichen Dienst Kompetenzen im Bereich Politikformulierung und -gestaltung aufzubauen (z. B. in Form von Einstellungs-, Beförderungs- und Schulungskonzepten)?
Wurden in ihrem Staat Rechtsvorschriften erlassen oder Maßnahmen ergriffen, um die IKT-Nutzung zu erleichtern und so die Akteursbeteiligung sowie partizipative Ansätze zur Entscheidungsfindung und zur Gestaltung und Erbringung von Dienstleistungen zu fördern?
Wird die Effizienz des öffentlichen Beschaffungswesens durch die Verwaltung in ihrem Staat evaluiert?
Strategische Nutzung von Instrumenten der Politik
Während der Phase der Problemermittlung und der Politikformulierung müssen die politisch Verantwortlichen nicht nur entscheiden, was zu tun ist; sie müssen bei der Festlegung der angestrebten Ziele auch prüfen, wie die jeweilige Aufgabe am besten zu lösen ist. Hierfür müssen sie die Kosten und Wirkungen der Lösungsvorschläge erörtern. Im Rahmen dieses Prozesses müssen sie entscheiden, mit welchen substanziellen Politikinstrumenten sich die Aufgaben am besten bewältigen und Lösungen umsetzen lassen. Dabei handelt es sich um „die tatsächlichen Mittel, mit denen die staatlichen Stellen Maßnahmen umsetzen“ (Howlett, Ramesh und Perl, 2009[42]). Im Bereich der öffentlichen Governance hebt die OECD die Bedeutung der Haushaltsplanung und der Rechtssetzung als Politikinstrumente hervor, um sicherzustellen, dass Maßnahmen so gestaltet sind, dass die angestrebten Ziele so effizient wie möglich erreicht und neue Herausforderungen bewältigt werden können.
Regulierungspolitik und Governance
Rechtsvorschriften sind ein zentrales Politikinstrument, mit dem Staaten in das Wirtschaftsleben eingreifen und die gesellschaftliche Entwicklung steuern. Die politischen Entscheidungsträger*innen können die Rechtssetzung als Instrument einsetzen, indem sie verbindliche Regeln festlegen oder den Zugang zu bestimmten Leistungen und/oder Vorteilen direkt oder indirekt einschränken. Wenn Regelungen verhältnismäßig, zielgerichtet und intelligent sind, können sie die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Rahmenbedingungen verbessern. Unzulängliche Regelungen können hingegen schwerwiegende Folgen haben, namentlich nicht umsetzungsfähige Gesetze und häufige Gesetzesänderungen, die die Rechtssicherheit und das Geschäftsumfeld beeinträchtigen. Um sicherzustellen, dass Rechtsvorschriften zu keinem überhöhten Bürokratieaufwand führen, fordert die OECD die Staaten auf, übermäßig wettbewerbsbeschränkende Maßnahmen zu ermitteln und durch wettbewerbsfreundlichere Alternativen zu ersetzen. In der OECD Recommendation on Competition Assessment (OECD, 2009[50]) [OECD/LEGAL/0376], für die der Wettbewerbsausschuss der OECD verantwortlich zeichnet, wird den Staaten empfohlen, weitere Anstrengungen zu unternehmen, um die Anzahl übermäßig restriktiver Rechtsvorschriften zu verringern und vorteilhafte Marktaktivitäten zu fördern.
Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 und die ihr zugrunde liegenden Governance- und Regulierungsdefizite haben gezeigt, wie wichtig Regulierungspolitik als Instrument für eine solide Politikgestaltung ist. Ein gut funktionierender nationaler Regulierungsrahmen für transparente und effiziente Märkte ist von zentraler Bedeutung, um neues Vertrauen aufzubauen und das Wirtschaftswachstum wiederherzustellen (OECD, 2012[27]). Darüber hinaus können solide Rechtsvorschriften den Verantwortlichen in der Politik letztlich dabei helfen, grundlegende gesellschaftliche Ziele etwa in den Bereichen Gesundheit, Soziales und öffentliche Sicherheit zu verwirklichen. Zudem stellen sie ein wichtiges Instrument dar, um ökologische Herausforderungen zu bewältigen.
Die richtigen Regelungen einzuführen, um Politikprobleme zu lösen, ist jedoch eine fortwährend anspruchsvolle Aufgabe. Die Entscheidungsträger*innen müssen evaluieren, ob eine Regelung nötig ist bzw. inwieweit andere Mittel jenseits von Regulierungsinstrumenten – z. B. Sensibilisierungs- und Kommunikationskampagnen, Selbstregulierung oder Koregulierung – effektiver und effizienter zur Verwirklichung der Politikziele führen könnten. Um den staatlichen Stellen dabei zu helfen, eine Regulierungspraxis umzusetzen und voranzutreiben, mit der die erklärten Politikziele erreicht werden, gibt die Recommendation on Regulatory Policy and Governance (OECD, 2012[27]) [OECD/LEGAL/0390] folgende Handreichungen:
Sie bietet klare und aktuelle Orientierungen zu den Grundsätzen, Mechanismen und Institutionen, die erforderlich sind, um die Konzeption, Durchsetzung und Überprüfung ihrer Regulierungsrahmen so zu verbessern, dass sie den höchsten Standards genügen.
Sie gibt Hinweise, wie die Rechtssetzung effektiv genutzt werden kann, um bessere soziale, ökologische und wirtschaftliche Ergebnisse zu erzielen, und
sie fordert ein ressortübergreifendes Reformkonzept, das den Schwerpunkt auf Konsultation, Koordinierung, Kommunikation und Kooperation legt, um die aus den Verflechtungen der Sektoren und Volkswirtschaften resultierenden Herausforderungen zu bewältigen.
Die Recommendation on Regulatory Policy and Governance ist das erste umfassende internationale Papier zur Regulierungspolitik seit der Finanzkrise. Es enthält Ratschläge für die politischen Entscheidungsträger*innen zur Gestaltung und zur Qualität der Rechtssetzung in der Phase der Politikformulierung. In der Empfehlung wird die Bedeutung der in Kapitel 1 und in der OECD Recommendation on Open Government (OECD, 2017[22]) [OECD/LEGAL/0438] beleuchteten Governance-Werte hervorgehoben. Dazu zählen Transparenz und Teilhabe am Regulierungsprozess, um sicherzustellen, dass Regulierung dem öffentlichen Interesse dient und von den legitimen Bedürfnissen der an Regulierung Interessierten und davon Betroffenen geleitet wird.
Transparenz kann einen positiven Effekt auf die Rechenschaftslegung der Verantwortlichen haben und das Vertrauen der Bürger*innen in den Regulierungsrahmen steigern. In der Recommendation on Open Government wird die Rolle öffentlicher Konsultationen hervorgehoben, um die Betroffenen in alle Aspekte des Politikgestaltungsprozesses einzubeziehen. Dies schließt die Erwägung und Erörterung von Regelungsalternativen ebenso mit ein wie den Erstellungsprozess. Konsultation und Teilhabe verbessern letztlich die Transparenz und die Qualität von Rechtsvorschriften, da die Ideen, Informationen und sonstiges Datenmaterial der betroffenen Akteur*innen in die Gestaltung der Politikmaßnahmen einfließen können. Die staatlichen Stellen sollten wiederum transparent kommunizieren, inwiefern die Konsultationen den Prozess beeinflusst haben, um einen dauerhaften Dialog zwischen externen Beteiligten und staatlichen Stellen zu fördern.
Konsultationen mit externen Beteiligten tragen entscheidend dazu bei zu verhindern, dass Regulierungsstellen – vor allem während der Phase der Politikformulierung – einseitig beeinflusst werden. Damit helfen sie sicherzustellen, dass Regulierungsstellen im öffentlichen Interesse handeln und dem gesellschaftlichen Zusammenhalt dienen. In der OECD Recommendation on Public Integrity (OECD, 2017[11]) [OECD/LEGAL/0435] wird ferner unterstrichen, wie wichtig es ist, gleiche Rahmenbedingungen zu schaffen, indem allen Akteur*innen – insbesondere solchen mit unterschiedlichen Interessen – die Möglichkeit geboten wird, sich an der Erarbeitung von Maßnahmen der Politik zu beteiligen. Hierfür muss einerseits sichergestellt werden, dass die betroffenen Akteur*innen an den Politikgestaltungsverfahren konstruktiv mitwirken, und andererseits bei Lobbyarbeit und Parteienfinanzierung Integrität und Transparenz herrscht. Insgesamt können Transparenz und Akteursbeteiligung (die auch wichtige Komponenten der OECD Recommendation on Open Government (OECD, 2017[22]) [OECD/LEGAL/0438] sind, wie in Abschnitt 1.2 erörtert) das Vertrauen in den Staat weiter erhöhen, die Inklusivität von Rechtsvorschriften verbessern und zu einer größeren Gesetzestreue beitragen, da sich die Betroffenen stärker mit den Normen identifizieren.
Die Mehrzahl der OECD-Mitgliedsländer hat Verfahren eingeführt, um betroffene Akteur*innen an der Ausarbeitung von Rechtsvorschriften zu beteiligen. Die Beteiligung kann unterschiedlich gestaltet werden. Das Spektrum reicht dabei von öffentlichen Online-Konsultationen bis hin zu informellen Beteiligungsformen. In den Ländern mit der stärksten Beteiligung betroffener Akteur*innen an der Ausarbeitung von Rechtsvorschriften wurden beispielsweise die Konsultationsverfahren für alle betroffenen Parteien geöffnet; außerdem werden alle Stellungnahmen solcher Beteiligten sowie Antworten der staatlichen Stellen veröffentlicht (vgl. Abbildung 3.1).
Um Nutzen, Kosten und Wirkungen verschiedener regulatorischer und alternativer Lösungen in der Phase der Politikformulierung zu beurteilen, bieten Ex-ante-Folgenabschätzungen den Verantwortlichen ein wichtiges Instrument, um die jeweils beste Lösung für konkrete Politikprobleme zu finden. Die Erfahrungen der OECD-Länder haben gezeigt, dass Ex-ante-Folgenabschätzungen eine effizientere Regulierung ermöglichen und die politisch Verantwortlichen in die Lage versetzen, den für die Verwirklichung der gesteckten Ziele jeweils am besten geeigneten Lösungsansatz zu ermitteln. In der OECD Recommendation on Regulatory Policy and Governance (OECD, 2012[27]) [OECD/LEGAL/0390] wird vorgeschlagen, dass die Staaten Folgenabschätzungen in ein frühes Stadium des politischen Verfahrens zur Formulierung neuer Regulierungsvorschläge aufnehmen. Ferner enthält die Empfehlung Hinweise zur Gestaltung und zur Umsetzung von Folgenabschätzungen.
Folgenabschätzungen können dazu beitragen, die Politikkohärenz zu verbessern, indem sie Zielkonflikte in den Regelungsvorhaben aufdecken und die potenziellen Nutznießer von Rechtsvorschriften ermitteln. Zudem können sie zu einer stärker evidenzbasierten Politikgestaltung beitragen und Regulierungsversagen in Fällen vorbeugen, in denen entweder gar kein Regulierungsbedarf besteht oder in denen es Regulierungsdefizite gibt. Die Datenerhebung im Rahmen des Folgenabschätzungsverfahrens kann dazu führen, dass die Politik in der Formulierungsphase stärker Rechenschaft über ihre Entscheidungen ablegt. Darüber hinaus können externe Aufsichts- und Kontrollstellen wie die Obersten Rechnungskontrollbehörden prüfen, ob die Ausarbeitung von Rechtsnormen mit einer kohärenten, evidenzbasierten und verlässlichen Folgenabschätzung einherging (OECD, 2017[36]). In der OECD Recommendation on Public Integrity (2017[11]) [OECD/LEGAL/0435] wird die entscheidende Rolle betont, die diese Behörden bei der Förderung der Rechenschaftspflicht in staatlichen Entscheidungsprozessen spielen.
Für die Durchführung von Folgenabschätzungen haben alle OECD-Mitgliedsländer formelle Vorgaben eingeführt und Methoden entwickelt (OECD, 2018[52]). Idealerweise sollten Folgenabschätzungen nicht nur die potenziellen Kosten und Nutzeffekte von Regelungsvorhaben prüfen, sondern auch darauf abzielen, etwaige Probleme der Regeleinhaltung und -durchsetzung im Zusammenhang mit einer Rechtsvorschrift festzustellen.
Kasten 3.5. Evaluierungszyklus der CONSOB im Hinblick auf die Einführung und Überprüfung des nationalen Ordnungsrahmens für Eigenkapitalbeteiligungen per Crowdfunding in Italien
Die italienische Börsenaufsicht CONSOB führte im Zusammenhang mit der Einführung von Rechtsvorschriften für Eigenkapitalbeteiligungen per Crowdfunding einen Evaluierungszyklus durch. Bei dem Verfahren wurde u. a. aufgezeigt, wie stark die verschiedenen betroffenen Akteur*innen durch die Umsetzung der Regelungen belastet werden, und eine qualitative Untersuchung der Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt.
Im anlässlich der Anpassung der Vorschriften im Jahr 2013 veröffentlichten Bericht zur Gesetzesfolgenabschätzung werden die erwarteten Folgen der Regelungen für unterschiedliche Beteiligte genannt. Der Bericht enthält auch eine Folgenabschätzung, anhand derer geprüft werden kann, ob die vom Gesetzgeber angestrebten Ziele tatsächlich erreicht werden. Auch Kosten und Nutzen können so geschätzt werden. Ferner findet sich darin eine Reihe von Indikatoren für die Ex-post-Kosten-Nutzen-Analyse der Rechtsvorschriften. Nach Inkrafttreten der Regelungen begann die CONSOB mit dem Monitoring; die Grundlage hierfür bildeten die für die Quantifizierung der Indikatoren erhobenen Daten und die Ergebnisse der Konsultationsverfahren.
Infolge dieser Evaluierung ermittelte die CONSOB eine alternative Handlungsoption. Diese besteht darin, die Schutzvorkehrungen zu stärken, um tatsächlich ein vertrauenswürdiges Investitionsumfeld zu schaffen und die Belastung aller beteiligten Akteur*innen auf ein Mindestmaß zu begrenzen. Bei diesen handelt es sich um diejenigen, die in der Lage sind, das Kosten-Nutzen-Verhältnis zu maximieren sowie sachkundige Investitionen und hohe Dienstleistungsstandards aufseiten der Portale zu fördern. Die erwarteten Nutzeffekte und Kosten der überarbeiteten Rechtsvorschriften wurden im Rahmen einer anschließenden Konsultation vorgestellt.
Quelle: Im Rahmen des Konsultationsprozesses für dieses Eckpunktepapier von Italien zur Verfügung gestelltes Praxisbeispiel.
Haushaltsgovernance
Ein weiteres Instrument der Politik für eine solide öffentliche Governance ist die Haushaltsführung. Der Haushalt spiegelt die politischen Prioritäten der Regierung wider. Zudem übersetzt er politische Zusagen und Ziele in Entscheidungen über die zur Verwirklichung dieser Ziele zugewiesenen finanziellen Mittel und über die beabsichtigte Generierung dieser Mittel. Er dient der Regierung dazu, ihre Ausgabenprioritäten im Zusammenhang mit der Verfolgung ihrer strategischen Ziele festzulegen und die Maßnahmen in einer Reihenfolge abzuarbeiten, die der im Haushaltsrahmen festgelegten Mittelverteilung Rechnung trägt. Wie weiter oben in Abschnitt 3.1.1 erwähnt, stimmen Regierungen ihre Planungsprioritäten systematischer auf die Ausgabenprioritäten ab, indem sie Planung und Haushaltsführung stärker miteinander verzahnen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der Staat eine ergebnisorientierte Haushaltsführung verfolgt (vgl. Kasten 3.6 zu Estlands diesbezüglichen Bemühungen). In Verbindung mit einer strategischen Planung kann die Haushaltsgovernance eine Mittelverteilung begünstigen, die in höherem Maße zur Gestaltung von Maßnahmen führt, mit denen die nationalen Ziele für nachhaltige Entwicklung umgesetzt werden. Auch die Kontinuität dieser Politikziele über Legislaturperioden hinaus lässt sich so sicherstellen (OECD, 2019[47]). Unabhängige Beiräte, parlamentarische Haushaltsgremien und Oberste Rechnungskontrollbehörden können diesbezüglich einen Zweck erfüllen, indem sie beispielsweise die Haushaltsdebatten beaufsichtigen oder sicherstellen, dass dem Haushalt belastbare Annahmen zugrunde liegen. Darüber hinaus sind eine wirkungsvolle interne Kontrolle im öffentlichen Sektor und ein Risikomanagement unerlässlich, um sicherzustellen, dass die Staaten effiziente Politikmaßnahmen konzipieren, die rechtskonform, ethisch und finanziell angemessen sind.
Kasten 3.6. Ergebnisorientierte Haushaltsführung in Estland
Estland führt derzeit eine ergebnisorientierte Haushaltsführung ein. Im Mai 2019 billigte die Regierung die erste ergebnisorientierte Haushaltsstrategie des Landes für den Zeitraum 2020-2023 und den entsprechenden Staatshaushalt für 2020. Aufgrund dieser neuen Ergebnisorientierung müssen die Ministerien die Zahl der Programmziele verringern und die verbleibenden Ziele mit Leistungsindikatoren versehen. Diese Reformen sollen den öffentlichen Dienst effektiver und effizienter machen und die Entscheidungsfindung in Haushaltsangelegenheiten verbessern.
Quelle: Im Rahmen des Konsultationsprozesses für dieses Eckpunktepapier von Estland zur Verfügung gestelltes Praxisbeispiel.
Anhand der Haushaltszuweisungen können die Politikverantwortlichen bestimmte Maßnahmen strategisch fördern oder bremsen. Über die Staatsausgaben lässt sich beispielsweise das Dienstleistungs- oder Infrastrukturangebot beeinflussen, wenn es in Bereichen wie dem öffentlichen Gesundheitswesen oder dem Umweltschutz zu Marktunvollkommenheiten bzw. Marktversagen kommt. Außerdem können öffentliche Ausgaben als Hebel dienen, um Investitionen und Innovationen des privaten Sektors zu fördern (Kasten 3.7). Darüber hinaus können sie einen positiven Beitrag zum räumlichen, sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhalt leisten. Durch den Einsatz von Haushaltsinstrumenten wie Steuern, Zöllen, Abgaben und Gebühren können die politisch Verantwortlichen Unternehmen oder Einzelpersonen ferner von bestimmten Verhaltensweisen im Wirtschafts- oder Privatleben abhalten.
Kasten 3.7. OECD-Konzept für Infrastrukturgovernance
Eine unzureichende Infrastrukturgovernance ist einer der häufigsten Hemmschuhe für eine langfristige Entwicklung. Sie beeinträchtigt nicht nur die Fähigkeit des öffentlichen Sektors, eine hochwertige Infrastruktur bereitzustellen, sondern hat auch einen negativen Effekt auf die Investitionstätigkeit des privaten Sektors. Eine gute Governance fördert Kosteneffizienz und führt dazu, dass die Mittel fließen, wohingegen eine schlechte Governance zu Fehlinvestitionen führt und weitere Investitionen daher behindert.
Das OECD-Konzept für Infrastrukturgovernance wurde von den nationalen Regierungen und anderen internationalen Organisationen als wichtigstes Rahmenkonzept anerkannt, um sicherzustellen, dass die Staaten in die richtigen Vorhaben investieren – und zwar so, dass Kosteneffizienz, Finanzierbarkeit und das Vertrauen von Investor*innen, Nutzer*innen und Bürger*innen gewährleistet werden. Nach 5 Jahren der Umsetzung wird vorgeschlagen, das Konzept zu aktualisieren und im Zuge dessen in eine OECD-Empfehlung einzubetten. Das Konzept soll den Staaten helfen, die Steuerung ihrer Infrastrukturpolitik zu verbessern – von der strategischen Planung bis hin zur Verwirklichung der einzelnen Vorhaben. Es stützt sich auf zehn wichtige Aspekte der Infrastrukturgovernance, darunter die Festlegung einer langfristigen nationalen strategischen Vision für den Infrastrukturbereich, die Verzahnung der Infrastrukturpolitik mit anderen staatlichen Prioritäten, Mechanismen für die ressort- und ebenenübergreifende Koordinierung der Infrastrukturpolitik sowie die Beteiligung und Konsultation der betroffenen Akteur*innen. Außerdem werden Monitoringverfahren betrachtet, mit denen die Infrastrukturergebnisse über die gesamte Lebensdauer hinweg überwacht werden können, sowie die zur Wahrung der Integrität in jeder Phase der Infrastrukturvorhaben erforderlichen Maßnahmen. Auch auf die Verfahren, mit denen Machbarkeit, Finanzierbarkeit und Kosteneffizienz gewährleistet werden, wird eingegangen, ebenso wie auf die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit Vorhaben mit privater Beteiligung zu besseren Ergebnissen führen können.
Quelle: OECD (2017[56]), Getting Infrastructure Right: a Framework for Better Governance.
Zusammen mit einem effektiven Ausgabenmanagement kann eine Reform der Steuerpolitik und der Steuerverwaltung ein entscheidender Ausgangspunkt sein, um die staatlichen Kapazitäten zu verbessern und nötige Reformen einzuleiten (OECD, 2013[55]). Darüber hinaus geht das Steuerwesen häufig mit Forderungen nach größerer Reaktivität und Rechenschaftspflicht zusammen mit einem besseren Ausgabenmanagement einher. Umgekehrt wiederum schafft Steuerabhängigkeit Anreize für die staatliche Verwaltung, empfänglicher für die Forderungen der Öffentlichkeit zu sein. Für die Steuerpolitik ist es allerdings eine Gratwanderung, dem Staat Einnahmen zu sichern, ohne Innovationen, Produktivität und ein inklusives Wirtschaftswachstum zu behindern. Das OECD-Zentrum für Steuerpolitik und -verwaltung unterstützt den Ausschuss für Steuerfragen und seine Organe bei ihren Arbeiten, um den Staaten bei der Konzipierung solider Steuerpolitiken und Reformen der Steuerverwaltung zu helfen. So bietet beispielsweise die Global Revenue Statistics Database den größten öffentlichen Bestand an Vergleichsdaten zum Steueraufkommen und stärkt damit die Fähigkeit der Staaten, Steuerreformen zu konzipieren und umzusetzen. Zusätzlich bietet die Tax Administration Series der OECD internationale Vergleichsdaten zu bestimmten Aspekten der Steuersysteme und der Steuerverwaltung in 58 fortgeschrittenen und aufstrebenden Volkswirtschaften.
Mit einem auf Inklusivität abzielenden Haushalt lässt sich darauf hinwirken, dass während der Phase der Politikformulierung auf eine stärkere Inklusivität der Maßnahmen geachtet wird. Die Einbeziehung einer Genderperspektive bei Haushaltsentscheidungen, die durch besondere Verfahren und Analyseinstrumente ermöglicht wird, kann dazu beitragen, geschlechtergerechte Maßnahmen zu fördern, die bestehenden geschlechtsspezifischen Ungleichheiten bzw. Unterschieden entgegenwirken. Der OECD Budget Practices and Procedures Survey von 2018 hat gezeigt, dass fast die Hälfte der OECD-Mitgliedsländer (17 Länder) Genderfragen im Haushaltsverfahren bereits systematisch berücksichtigt (OECD, 2018[53]).
Die Berücksichtigung von Umweltbelangen in den Haushaltsplanungsunterlagen und im Haushaltsrahmen, vor allem auch im Jahreshaushalt, kann den Staaten dabei helfen, die Finanzierung und Umsetzung von Maßnahmen sicherzustellen, die der Erreichung ihrer Umweltziele dienen. Durch Abstimmung der nationalen Ausgaben- und Einnahmenstrukturen auf Klimaschutzziele und umweltpolitische Maßnahmen können die Staaten außerdem besser Rechenschaft über ihre Zusagen ablegen und auf einen ökologisch nachhaltigeren Entwicklungspfad einschwenken, wie es das Pariser Klimaabkommen und die Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen vorsehen. Damit Staaten zwischen konfligierenden Zielen Abwägungen treffen können – beispielsweise zwischen Industriewachstum und biologischer Vielfalt – kommt es entscheidend auf die Haushaltsführung an (OECD, 2019[47]).
In Anbetracht ihrer zentralen Bedeutung für die öffentliche Governance und die politische Entscheidungsfindung hat die OECD die OECD Recommendation on Budgetary Governance (OECD, 2015[48]) [OECD/LEGAL/0410] erarbeitet, die sich mit den Prozessen, Gesetzen, Strukturen und Institutionen befasst, mit denen sichergestellt wird, dass das Haushaltssystem seine Ziele effektiv, nachhaltig und dauerhaft erreicht (OECD, 2015[48]).
Kasten 3.8. Maßnahmen zur Gewährleistung der Effizienz der öffentlichen Politik
Das Kosten-Nutzen-Team in der Slowakischen Republik
Das Kosten-Nutzen-Team des slowakischen Finanzministeriums arbeitet mit anderen Analyseeinheiten in verschiedenen Ministerien zusammen, um unnötige Staatsausgaben zu ermitteln. So müssen beispielsweise alle Investitionen, deren Umfang 40 Mio. EUR übersteigt, einer Kosten-Nutzen-Analyse durch das Team unterzogen werden. Das Regierungszentrum der Slowakischen Republik (Government Office) hat eine Umsetzungseinheit eingerichtet, die prüft, ob die Empfehlungen des Kosten-Nutzen-Teams umgesetzt werden.
Mikrosimulation der Steuern und Sozialabgaben in Polen
Das polnische Finanzministerium hat ein Mikrosimulationsmodell konzipiert, um die fiskalischen Kosten von Vorhaben auf den Gebieten Einkommensteuer und Sozialversicherungsbeiträge zu schätzen. Das Modell beruht auf Mikrodaten aus Steuererklärungen und von der Sozialversicherung. Es kommt zum Einsatz, um die fiskalischen Kosten von Änderungen der Einkommensbesteuerung, der Sozialversicherungsbeiträge und der Krankenversicherungsbeiträge zu schätzen. Fortgeschrittene Modellierungsinstrumente auf der Grundlage von Verwaltungsdaten auf Mikroebene ermöglichen die Beurteilung von Politikmaßnahmen und führen damit zu einer evidenzbasierten Politik.
Quelle: Im Rahmen des Konsultationsprozesses für dieses Eckpunktepapier von der Slowakischen Republik und von Polen zur Verfügung gestellte Praxisbeispiele.
Die Recommendation on Budgetary Governance gibt einen kurzen Überblick über empfehlenswerte Haushaltsverfahren und umfasst zehn Grundsätze, die den politischen Entscheidungsträger*innen Orientierungshilfe im Hinblick darauf bieten können, wie sich das Haushaltssystem nutzen lässt, um Politikziele zu erreichen und Zukunftsaufgaben zu bewältigen. Zusätzlich zu dem oben erwähnten Grundsatz 2 (zur Abstimmung des Haushalts auf die nationalen Prioritäten im Einklang mit Abschnitt 2.1 des Eckpunktepapiers) sind drei Grundsätze für die Phase der Politikformulierung besonders wichtig:
Grundsatz 3 fordert die Staaten auf, die Vorschriften für die Kapitalbedarfsplanung so zu gestalten, dass sie dem nationalen Entwicklungsbedarf auf kosteneffiziente und kohärente Art und Weise Rechnung tragen. Wie die Regierungen ihre Anlageinvestitionen priorisieren, planen, im Haushalt veranschlagen, bereitstellen, regulieren und evaluieren ist von grundlegender Bedeutung, um sicherzustellen, dass bei Infrastrukturvorhaben die Ziele im Hinblick auf die Zeit- und Haushaltsplanung sowie die Dienstleistungserbringung erreicht werden.
Grundsatz 4 weist darauf hin, wie wichtig es ist sicherzustellen, dass die Haushaltsunterlagen und -daten offen, transparent und zugänglich sind und auf dem in Kapitel 1 des Eckpunktepapiers erörterten Wert der Offenheit beruhen. Nur mit klaren, sachlichen Haushaltsberichten, die als Grundlage für die Politikformulierung dienen, können die Verantwortlichen hinreichend sachkundige Haushaltsbeschlüsse treffen, um Herausforderungen an die Politik zu bewältigen. Alle Haushaltsdaten sollten zudem in vergleichbarer Form vorgelegt werden, um mit den Bürger*innen, der Zivilgesellschaft und anderen Beteiligten Alternativen zu erörtern. Dies würde eine effektive Entscheidungsfindung und Rechenschaftslegung fördern.
Grundsatz 5 empfiehlt den politischen Entscheidungsträger*innen, eine inklusive, partizipative und realistische Debatte über Haushaltsbeschlüsse zu ermöglichen, die im allgemeinen öffentlichen Interesse getroffen werden müssen. Die Einbeziehung der Parlamente, Bürger*innen und Organisationen der Zivilgesellschaft in eine realistische Debatte über die wichtigsten Prioritäten, Zielkonflikte, Opportunitätskosten und das Kosten-Nutzen-Verhältnis kann die Qualität von Haushaltsbeschlüssen verbessern. Voraussetzung für die Einbeziehung der Öffentlichkeit ist jedoch auch, dass Klarheit über die relativen Kosten und Nutzeffekte der Ausgaben des öffentlichen Sektors bzw. von Steuervergünstigungen herrscht. Das Vorlegen bürgerfreundlicher, verständlicher Haushaltsberichte ist ebenfalls wichtig, um das Interesse der Bürger*innen an der Haushaltsführung zu steigern.
Kernfragen
Hat der Staat Maßnahmen, Einrichtungen und Instrumente eingeführt, um die Qualität und Kohärenz der Regulierungspolitik zu gewährleisten (z. B. Gestaltung, Kontrolle und Durchsetzung von Regeln in allen Sektoren)?
Wurden Einrichtungen und Instrumente eingeführt, um die Einbeziehung der beteiligten Akteur*innen in den Prozess der Politikformulierung sicherzustellen (wozu die Information der betroffenen Parteien über die politischen Absichten und ein interaktiver Dialog mit den beteiligten Akteur*innen während des Prozesses der Politikformulierung zählen)?
Inwiefern werden Folgenabschätzungen genutzt, um die allgemeineren Auswirkungen und Folgen von Regelungen – u. a. für den Wettbewerb, KMU und das Investitionsklima – zu evaluieren?
Sind in Ihrem Staat Jahreshaushalt, mehrjährige Haushaltsplanung und Investitionsausgabenplanung auf die strategischen Politikziele wie z. B. die nationalen Entwicklungspläne oder die Ziele für nachhaltige Entwicklung abgestimmt?
Gibt es in Ihrem Staat Mechanismen, um den Haushalt transparenter zu gestalten und während des Haushaltsverfahrens mit betroffenen Akteur*innen wie den Bürger*innen sowie Organisationen der Zivilgesellschaft zu erörtern?
Wurden in Ihrem Staat konkrete Maßnahmen umgesetzt oder ist dies geplant, um bei Haushaltsbeschlüssen die Genderperspektive zu berücksichtigen?
Wurden in Ihrem Staat konkrete Maßnahmen umgesetzt oder ist dies geplant, um Umwelterwägungen in den Haushaltsplanungsunterlagen und dem Haushaltsrahmen Rechnung zu tragen?
Zusätzliche Ressourcen
OECD-Rechtsinstrumente:
Recommendation of the Council on Public Service Leadership and Capability (2019) [OECD/LEGAL/0445]
Recommendation of the Council on Open Government (2017) [OECD/LEGAL/0438]
Recommendation of the Council on Digital Government Strategies (2014) [OECD/LEGAL/0406]
Recommendation of the Council on Regulatory Policy and Governance (2012) [OECD/LEGAL/0390], deutsche Fassung: Empfehlung des Rates zu Regulierungspolitik und Governance (2012)
Recommendation of the Council on Policy Coherence for Sustainable Development (2019) [OECD/LEGAL/0381]
Recommendation of the Council on Public Integrity OECD (2017) [OECD/LEGAL/0435], deutsche Fassung: Empfehlung des Rates zu Integrität im öffentlichen Leben (2017)
Recommendation of the Council on Budgetary Governance (2015) [OECD/LEGAL/0410]
Recommendation of the Council on Competition Assessment (2009) [OECD/LEGAL/0376]
Recommendation of the Council on Improving the Quality of Government Regulation (1995) [OECD/LEGAL/0278]
Weitere einschlägige OECD-Ressourcen:
OECD Public Governance Review: Skills for a High Performing Civil Service (2017)
OECD Best Practice Principles on Stakeholder Engagement in Regulatory Policy (erscheint demnächst)
OECD CleanGovBiz Toolkit “Regulatory Policy: Improving Governance” (2012)
OECD Principles for Public Governance of Public-Private Partnerships (2012)
OECD-Ausblick Regulierungspolitik 2018 (Auszugsweise Übersetzung) (2018)
OECD Toolkit for Mainstreaming and Implementing Gender Equality (2018)
Literaturverzeichnis
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OECD (2019), Recommendation of the Council on Public Service Leadership and Capability, OECD, Paris, https://legalinstruments.oecd.org/en/instruments/OECD-LEGAL-0445. [9]
OECD (2018), OECD-Ausblick Regulierungspolitik 2018 (Auszugsweise Übersetzung), OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/9789264307988-de. [52]
OECD (2018), OECD Budget Practices and Procedures Survey, Fragen 32 und 36, OECD, Paris. [53]
OECD (2018), Open Government: Globaler Kontext und Perspektiven für offenes Regierungs- und Verwaltungshandeln, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/ 9789264290655-de. [23]
OECD (2017), Getting Infrastructure Right: A framework for better governance, OECD Publishing, Paris, https://dx.doi.org/10.1787/9789264272453-en. [56]
OECD (2017), Policy Advisory Systems: Supporting Good Governance and Sound Public Decision Making, OECD Public Governance Reviews, OECD Publishing, Paris, https://dx.doi.org/10.1787/9789264283664-en. [45]
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OECD (o. J.), “Indicators of Regulatory Policy and Governance”, http://www.oecd.org/gov/ regulatory-policy/indicators-regulatory-policy-and-governance.htm (Abruf: 7. Oktober 2019). [51]