Die Wohnraumversorgung ist ein vielschichtiger Politikbereich. Für evidenzbasierte Reformen bedarf es einer Reihe von Indikatoren zu den Ergebnissen und Instrumenten der Wohnungspolitik. Besonders relevant sind die Datenlücken in den Bereichen Wohnimmobilienpreise, Zugang zu Wohnraum und lokale Flächennutzungs- bzw. Bebauungsvorschriften. Diese Datenlücken sollten geschlossen werden, um fundiertere wohnungspolitische Entscheidungen treffen zu können.
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9. Die Evidenzbasis verbessern
Abstract
Wichtigste Erkenntnisse und Verbesserungsmöglichkeiten
In den letzten zehn Jahren wurden internationale statistische Standards für die Erstellung von Wohnimmobilienpreisindizes geschaffen. Heute veröffentlichen alle OECD-Länder international vergleichbare Statistiken zur Entwicklung der Wohnimmobilienpreise auf nationaler Ebene. Neun OECD-Länder erstellen allerdings nach wie vor keine Statistiken zur Entwicklung der Wohnimmobilienpreise auf regionaler oder städtischer Ebene.
Belastbare, international vergleichbare Messgrößen für das Immobilienpreisniveau gibt es dagegen kaum. Solche Messgrößen würden helfen, Hindernisse für die Arbeitskräftemobilität aufzuzeigen, die finanziellen Herausforderungen der privaten Haushalte in verschiedenen Regionen zu beleuchten und wirtschaftspolitische Maßnahmen auf regionaler Ebene zu konzipieren. Es wäre sinnvoll, in einigen Ländern Pilotprojekte durchzuführen, die dann als Grundlage für die Erarbeitung internationaler statistischer Leitlinien dienen könnten. Eine statistische Fortschrittsagenda könnte hierzu folgende Maßnahmen umfassen:
Preisindizes für Wohnimmobilien auf subnationaler Ebene im Einklang mit internationalen Standards erstellen
Immobilienpreisindizes entwickeln, die möglichst alle Wohnungstypen sowie Neu- und Bestandsbauten erfassen
Statistiken zu Wohnimmobilienpreisen im städtischen Raum das Konzept funktionaler städtischer Gebiete zugrunde legen
Statistiken zum Wohnimmobilienpreisniveau auf nationaler und subnationaler Ebene erstellen
Außerdem ist es wichtig, die Wohnsituation vulnerabler Haushalte zu erfassen, insbesondere angesichts der größeren wirtschaftlichen Risiken im Kontext der Covid-19-Pandemie. Die Affordable Housing Database der OECD bietet zwar Daten zu Wohnsituation, bezahlbarem Wohnraum, Zwangsräumungen und Wohnungslosigkeit, es gibt jedoch noch erhebliche Datenlücken, die teilweise von unterschiedlichen Definitionen und Methoden herrühren. Eine statistische Fortschrittsagenda könnte also folgende Maßnahmen umfassen:
das Monitoring von Zwangsräumungen verbessern
Fragen in Bezug auf Zwangsräumungen in regelmäßigen nationalen und internationalen Erhebungen vorsehen
regelmäßig Daten über Wohnungslosigkeit erheben und den geografischen Erfassungsbereich erweitern
verschiedene Datenquellen zu Wohnungslosigkeit (z. B. Verwaltungs- und/oder Erhebungsdaten, Gesundheitsdaten und Daten zur Wohnungslosigkeit) berücksichtigen
Die Bauleitplanung ist wichtig, um attraktive, nachhaltige und produktive Städte zu schaffen. Flächennutzungs- und Bebauungsvorschriften können das Wohnungsangebot jedoch auch einschränken und insbesondere in den teuersten Städten zu höheren Wohnkosten führen. Zu diesen Vorschriften liegen nur wenig systematische Daten vor, was teilweise auf ihre Komplexität zurückzuführen ist, aber auch darauf, dass dafür in erster Linie die Kommunen zuständig sind. Die OECD zielt darauf ab, international vergleichbare Messgrößen für die Flächennutzungs- und Bebauungsvorschriften zu erstellen und will dazu bei den Kommunen Daten zu folgenden Bereichen erheben:
Vorschriften über die Art der Flächennutzung
Vorschriften über die Bebauungsdichte (Gebäudegrundfläche, Geschossfläche, Gebäudehöhe usw.)
Informationen über die Genehmigungsverfahren
Mehr Daten über die Trends und das Niveau der Wohnimmobilienpreise in den einzelnen Ländern erheben
Immobilienpreisindizes messen die Entwicklung im Zeitverlauf unter Berücksichtigung von Qualitätsänderungen
Die globale Finanzkrise hat u. a. gezeigt, dass es nötig ist, Datenlücken in Bereichen aufzuzeigen, in denen bessere und umfangreichere international vergleichbare Daten helfen könnten, entstehende Ungleichgewichte früher zu erkennen. Ein Beispiel hierfür sind die Wohnimmobilienmärkte. 2009 verabschiedeten die G20-Finanzminister*innen und -Zentralbankpräsident*innen 20 Empfehlungen zur Behebung der durch die globale Finanzkrise zutage getretenen Datenlücken. Diese G20 Data Gaps Initiative führte zur Entwicklung internationaler statistischer Standards für die Erstellung von Wohnimmobilienpreisindizes (ILO et al., 2013[1]). Derzeit veröffentlichen alle G20-Länder außer Argentinien mindestens einen amtlichen Index, der nach diesen Leitlinien erstellt und für die Entwicklung der Wohnimmobilienpreise in ihrem Land repräsentativ ist. Die OECD erhebt diese Informationen vierteljährlich und stellt sie über OECD.Stat kostenlos online zur Verfügung.
Immobilienpreisindizes messen, wie stark sich die Preise der von privaten Haushalten erworbenen Wohnimmobilien im Zeitverlauf ändern. Diese Indizes werden um etwaige Qualitätsunterschiede der verkauften Wohnungen zwischen dem Beobachtungs- und dem Bezugszeitraum bereinigt. Mit anderen Worten: Sie sollen reine Preisveränderungen messen. Sie erfassen, wenn möglich, sowohl die Neu- als auch die Bestandsbauten, unabhängig von deren Endnutzung (Eigennutzung oder Vermietung). In den Preisen ist auch der Preis des Grundstücks, auf dem sich die Wohngebäude befinden, inbegriffen.
Auf nationaler Ebene wird ein großer Erfassungsgrad erreicht
Für jedes der 37 OECD-Mitgliedsländer steht mindestens ein nach internationalen statistischen Standards erstellter landesweiter Wohnimmobilienpreisindex zur Verfügung (Tabelle 9.1). Doch nur 32 OECD-Länder erstellen Gesamtindizes auf nationaler Ebene, die sowohl für Ein- und Mehrfamilienhäuser als auch für Neu- und Bestandsbauten repräsentativ sind. In fünf Ländern – Griechenland, Kanada, Korea, der Schweiz und den Vereinigten Staaten – bleiben einzelne Kategorien im nationalen Gesamtindex unberücksichtigt. In den Vereinigten Staaten beispielsweise bezieht sich der repräsentativste Index auf nationaler Ebene nur auf Einfamilienhäuser und Bestandsbauten, sodass es u. U. schwierig ist, die Entwicklung der Wohnimmobilienpreise in städtischen Gebieten zu erfassen, in denen Mehrfamilienhäuser vorherrschend sind.
Tabelle 9.1. Verfügbarkeit von Wohnimmobilienpreisindizes in den 37 OECD-Mitgliedsländern
Neu- oder Bestandsbauten |
Neu- und Bestandsbauten |
Neubauten |
Bestandsbauten |
|
---|---|---|---|---|
Nationale Ebene |
|
|||
Ein- oder Mehrfamilienhäuser |
37 |
|||
Ein- und Mehrfamilienhäuser |
32 |
25 |
26 |
|
Einfamilienhäuser |
9 |
5 |
9 |
|
Mehrfamilienhäuser |
9 |
4 |
9 |
|
Subnationale Ebene (Regionen und/oder Städte) |
||||
Ein- oder Mehrfamilienhäuser |
28 |
|||
Ein- und Mehrfamilienhäuser |
16 |
8 |
12 |
|
Einfamilienhäuser |
10 |
4 |
6 |
|
Mehrfamilienhäuser |
10 |
3 |
7 |
Anmerkung: In den Zellen der obigen Tabelle ist die Anzahl der OECD-Länder angegeben, für die die entsprechenden Immobilienpreisindizes verfügbar sind. In dieser Tabelle werden nur subnationale Immobilienpreisindizes für zusammenhängende geografische Gebiete erfasst. Indizes für Städte in verschiedenen Landesteilen beispielsweise, die die Entwicklung der Wohnimmobilienpreise in städtischen Gebieten abbilden sollen, werden nicht berücksichtigt.
Quelle: OECD Database on National and Regional House Price Indices.
Der Erfassungsbereich wurde ausgeweitet, ist auf regionaler Ebene jedoch nach wie vor begrenzt
Darüber hinaus erstellen 28 OECD-Länder mindestens einen Wohnimmobilienpreisindex auf subnationaler Ebene, und 16 dieser Länder verfügen über subnationale Gesamtindizes, die sowohl Ein- und Mehrfamilienhäuser als auch Neu- und Bestandsbauten erfassen (Tabelle 9.1). In einigen Fällen sind die Zeitreihen jedoch sehr kurz. Regionale Indizes für Israel sind beispielsweise erst ab 2018 verfügbar. Neun Länder veröffentlichen keine Immobilienpreisindizes für einzelne Regionen oder Städte – Belgien, Deutschland1, Estland, Litauen, Luxemburg, Neuseeland, Portugal, die Slowakische Republik und die Tschechische Republik. Darunter gibt es einige große Länder, für die die in anderen OECD-Ländern beobachteten Daten auf eine heterogene Entwicklung bei den Wohnimmobilienpreisen schließen lassen (OECD, 2020[2]).
Die internationale Vergleichbarkeit regionaler Immobilienpreisstatistiken kann erheblich verbessert werden. Die verfügbaren Statistiken stützen sich auf die Definitionen von Verwaltungsregionen in den einzelnen Ländern und ermöglichen in der Regel eine direkte Zuordnung nach international vereinbarten regionalen Klassifikationen wie der NUTS-Klassifikation von Eurostat und der Territorial-Level-Klassifikation der OECD bzw. eine Bezugnahme auf andere verfügbare regionale Statistiken. Die Abgrenzung von Städten zur Erstellung spezifischer Wohnimmobilienpreisindizes ist jedoch schwieriger, und die diesbezüglichen Verfahren der Länder sind nicht standardisiert. Eine Erfassung der Immobilienpreisentwicklung innerhalb funktionaler städtischer Gebiete (functional urban areas – FUA), idealerweise mit einer Unterscheidung zwischen Stadt (d. h. Zentrum) und Pendlerzone, würde eine länderübergreifende Vergleichbarkeit gewährleisten und wäre für wirtschaftliche Analysen am sinnvollsten. Dijkstra et al. (2019[3]) definieren FUA und führen die gemeinsame Methodik der Europäischen Union und der OECD zur Abgrenzung dieser Gebiete ein. Die UN Statistical Commission 2020 hat die FUA-Klassifizierung vor Kurzem als Abgrenzungsmethode für internationale Vergleiche angenommen. Auch wenn entsprechende Hilfsvariablen verfügbar sind, stützt sich bisher allerdings keine offizielle Statistikbehörde explizit auf das FUA-Konzept, um den Immobilienpreisindizes zugrunde gelegten geografischen Raum abzustecken. Dies sollte jedoch gefördert werden.
Weiterer Arbeiten bedarf es insbesondere im Hinblick auf das Wohnimmobilienpreisniveau
Die Preisindizes für Wohnimmobilien sind darauf ausgerichtet, die Entwicklung der Wohnimmobilienpreise im Zeitverlauf in einem bestimmten geografischen Gebiet zu messen, ein Vergleich der Preisniveaus in verschiedenen geografischen Gebieten ist damit jedoch nicht möglich. Auf ähnliche Weise kann mit Verbraucherpreisindizes (VPI) die Inflation (d. h. die Entwicklung der Verbraucherpreise im Zeitverlauf) gemessen werden. Ein Vergleich der Preisniveaus in verschiedenen Regionen ist dagegen nur mit Kaufkraftparitäten (KKP) möglich.
Statistiken, die ähnlich wie KKP, einen Vergleich des Wohnimmobilienpreisniveaus in verschiedenen Regionen ermöglichen, sind in Statistikämtern in der Regel nicht verfügbar.2 Solche Daten sind jedoch von entscheidender Bedeutung, um Mobilitätshindernisse und finanzielle Herausforderungen der privaten Haushalte in verschiedenen Regionen aufzuzeigen und die regionale Wirtschaftspolitik zu gestalten. Der OECD Regional Outlook 2019 (OECD, 2019[4]) zeigt, dass das Ausmaß der Unzufriedenheit in der Bevölkerung eng mit dem Ausmaß regionaler Ungleichheiten zusammenhängt und dass Gegenmaßnahmen den lokalen Gegebenheiten Rechnung tragen müssen. Die regionalen Immobilienpreisunterschiede tragen zu regionalen Ungleichheiten bei und diesbezügliche Statistiken könnten in die Gestaltung der regionalen Wirtschaftspolitik einfließen.
Statistiken zum Preisniveau der Wohnimmobilien sollten idealerweise Informationen zum Wohnungstyp im Wohnungsbestand der einzelnen geografischen Gebiete beinhalten (z. B., dass Einzelhäuser mit Garten in ländlichen Gebieten häufiger vorkommen als in städtischen Gebieten). Dabei könnten die Wohnimmobilienpreise anhand beobachteter Transaktionen oder Bewertungen erhoben werden. Die Gewichtung bei der Erstellung von Wohnimmobilienpreisindizes würde jedoch von den Merkmalen des Wohnimmobilienbestands in der jeweiligen Region abhängen. Die zugrunde gelegten Daten über den Wohnungsbestand würden auf dem Zensus oder anderen Verwaltungsregistern beruhen. Solche bestandsbasierten Gewichtungen können zwar auch für die Erstellung von Immobilienpreisindizes verwendet werden, kommen jedoch seltener zum Einsatz als transaktionsbasierte Gewichtungen.
Eine Weiterentwicklung der amtlichen Statistiken zum Preisniveau der Wohnimmobilien erfordert u. a. folgende Maßnahmen:
Statistiken über die Merkmale des Wohnungsbestands (Qualität, Größe, Alter) erstellen und regelmäßig aktualisieren
ein Niveau festlegen, bei dem die Gewichtung greift, um der Heterogenität der Wohnimmobilienpreise Rechnung zu tragen; Gewichtungen sind nur dann sinnvoll, wenn die Merkmale und Preise der Häuser in einer bestimmten Region hinreichend heterogen sind. Bei homogenen Preisen und Merkmalen gibt es keinen Unterschied zwischen transaktionsgewichteten, bestandsgewichteten und ungewichteten Immobilienpreisstatistiken.
mögliche Diskrepanzen zwischen der Entwicklung der Wohnimmobilienpreise und der Indizes analysieren; sie können mit dem Niveau zusammenhängen, bei dem die Gewichtung greift, mit den Gewichtungssystemen (transaktions- oder bestandsbasiert) oder mit den Bewertungsmethoden (z. B. Stratifikation gegenüber hedonischen Methoden).
die Granularität der mit der beobachteten Zahl von Transaktionen erfassten Immobilienpreisniveaus berücksichtigen
u. U. Angebotspreise auf den Websites von Immobilienagenturen in die Immobilienpreisstatistiken einfließen lassen
die Maßnahmen in einigen Pilotländern erproben, um sie zu optimieren. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse könnten für die anschließende Entwicklung internationaler statistischer Leitlinien genutzt werden.
Agenda zur Verbesserung der Immobilienpreisstatistik
Der oben beschriebene Status quo legt folgende Agenda zur Verbesserung der Immobilienpreisstatistik nahe:
Häuserpreisindizes auf subnationaler Ebene im Einklang mit internationalen statistischen Standards erstellen, insbesondere für Regionen, in denen die Entwicklung der Wohnimmobilienpreise am stärksten vom nationalen Durchschnitt abweichen dürfte; möglichst lange Zeitreihen bereitstellen, um die wirtschaftliche Analyse zu erleichtern
den Erfassungsbereich der Häuserpreisindizes so weit wie möglich ausdehnen, sodass sowohl Ein- und Mehrfamilienhäuser als auch Neu- und Bestandsbauten berücksichtigt werden; für verschiedene Kategorien können separate Indizes erstellt werden, einige Indizes sollten jedoch alle Kategorien umfassen.
Statistiken zu Wohnimmobilienpreisen im städtischen Raum das Konzept funktionaler städtischer Gebiete zugrunde legen und dabei, wenn möglich, zwischen Stadt und Pendlerzone unterscheiden
Statistiken zum Wohnimmobilienpreisniveau auf nationaler und subnationaler Ebene erstellen; diese Informationen wären von entscheidender Bedeutung, um Mobilitätshindernisse und finanzielle Herausforderungen der privaten Haushalte in verschiedenen Regionen aufzuzeigen und die regionale Wirtschaftspolitik zu gestalten.
Die wohnungsbezogenen Risiken der Haushalte besser erfassen
Belastbarere Daten über Zwangsräumungen bereitstellen
Über Zwangsräumungen – definiert als gerichtlich erzwungene Entfernung von Menschen aus ihrer Wohnung – liegen in den OECD-Ländern nur bruchstückhafte Daten vor (OECD, o. J.[5]). Dieser Abschnitt bezieht sich ausschließlich auf Zwangsräumungen von Mietwohnungen, wenngleich, wie nachstehend erörtert, auch Eigenheimbesitzer*innen davon betroffen sein können. Das formelle Räumungsverfahren ist komplex und kann von Land zu Land und sogar innerhalb der einzelnen Länder variieren. Es gliedert sich im Allgemeinen in drei Phasen: Phase 1) der*die Vermieter*in leitet das formelle Räumungsverfahren ein, indem er*sie eine Räumungsklage einreicht (was dazu führen kann, dass beide Parteien vor Gericht geladen werden); Phase 2) die gerichtliche Instanz erlässt ein Räumungsurteil und erteilt einen Räumungstitel oder lehnt die Räumungsklage ab; und Phase 3) der Mieterhaushalt wird durch die Vollstreckung des Gerichtsurteils außer Besitz gesetzt (notfalls mit Unterstützung der Polizei).
Nicht alle Haushalte, die eine Kündigung oder einen Vollstreckungsbescheid erhalten, werden auch außer Besitz gesetzt. Es kann beispielsweise sein, dass die betroffenen Haushalte die Mietrückstände bezahlen, um eine Zwangsräumung zu vermeiden. Andererseits ist es auch möglich, dass Mieter*innen die Wohnung vorzeitig verlassen, weil sie nicht wissen, dass Räumungsurteile bzw. Räumungstitel nicht unbedingt zu formellen Zwangsräumungen führen müssen. In Finnland finden die Gerichtsvollzieher*innen beispielsweise bei rd. 39 % aller vorgesehenen Zwangsräumungen eine bereits geräumte Wohnung vor (Valtakunnanvoudinvirasto, 2020[6]). Hinzu kommt, dass in der Regel nur Daten über formelle bzw. gerichtliche Zwangsräumungen vorliegen; Daten über „informelle“ Räumungen (ohne Gerichtsverfahren) gibt es dagegen wesentlich seltener (Kenna et al., 2016[7]).
Die Erhebung, die Analyse und länderübergreifende Vergleiche dieser Daten werden durch eine Reihe von Herausforderungen erschwert:
Die statistische Erfassung von Zwangsräumungen variiert erheblich in den einzelnen Ländern. Die von den Ländern bereitgestellten Daten können sich auf die drei verschiedenen Phasen von Zwangsräumungsverfahren beziehen. Insgesamt liegen mehr Daten zu eingeleiteten Zwangsräumungsverfahren (Phase 1) vor als zu Räumungsurteilen (Phase 2) oder zu tatsächlich durchgeführten Zwangsräumungen (Phase 3). Hinzu kommt, dass die einzelnen Phasen nicht dieselbe Tragweite haben: Nicht alle eingeleiteten Verfahren führen zu einem Räumungstitel und nicht alle Räumungstitel ziehen tatsächlich eine Zwangsräumung nach sich. Dadurch wird ein internationaler Vergleich zusätzlich erschwert.
Solche Daten sind schwer zu beschaffen. Die Daten zu Zwangsräumungen sind nicht immer öffentlich zugänglich, da sie sensibel sind und Bedenken hinsichtlich der Nutzung bestehen (beispielsweise, wenn sie bei der Vermietung verwendet werden können, um das Risikoprofil von Interessent*innen zu prüfen). Die Datenquellen variieren innerhalb der Länder und zwischen den Ländern (z. B. Gerichtsakten und Statistiken von Gerichtsvollzieher*innen, Zahlen von [öffentlichen] Wohnungsgesellschaften, Erhebungen von Universitäten oder Verbänden sowie Berichte). Dadurch werden Datenerhebung und -vergleiche erschwert. In manchen Fällen sind die Daten außerdem nur auf lokaler oder regionaler Ebene verfügbar (wie beispielsweise in den Vereinigten Staaten) und liegen nicht immer in elektronischer Form vor. Auch die Gerichtsakten der einzelnen Länder sind unterschiedlich detailliert und nicht immer ohne Weiteres vergleichbar (Eviction Lab, 2018[8]).
Die Daten sind häufig unvollständig. In einigen Fällen decken die Daten nur einen Teilbereich des Wohnimmobilienmarkts ab. Das gilt beispielsweise für die Niederlande und Neuseeland, wo nur die Zwangsräumungen von Sozialwohnungen erfasst werden, oder für Deutschland, wo auch Daten zum privaten Mietwohnungsmarkt vorliegen. In Frankreich werden durchgeführte Zwangsräumungen nur gemeldet, wenn die Polizei einschreitet, sodass die tatsächliche Zahl wahrscheinlich wesentlich höher ist. In Portugal liegen nur Daten der für Schnellverfahren zuständigen Behörde (Balcão Nacional do Arrendamento) vor, die Schätzungen zufolge ein Drittel aller Zwangsräumungsverfahren abdecken, von denen die meisten vor Zivilgerichten verhandelt werden.
In einigen Fällen wie Österreich ist es nicht möglich, Zwangsräumungen von Mietwohnungen und Zwangsvollstreckungen von selbstgenutztem Wohneigentum zu unterscheiden (siehe unten), was Ländervergleiche erschwert. Darüber hinaus werden nur sehr wenige Informationen über die Merkmale der von Zwangsräumungen betroffenen Haushalte bereitgestellt. Dadurch ist es schwierig, die möglichen Ursachen von Zwangsräumungen zu analysieren und festzustellen, ob sie in einigen Gruppen häufiger auftreten als in anderen.
Die Affordable Housing Database der OECD stellt Vergleichsdaten zu Zwangsräumungen von Mietwohnungen für zahlreiche OECD-Länder bereit (Indikator HC3.3 in OECD (o. J.[5])). Wohnungseigentümer*innen können ebenfalls von Zwangsräumungen betroffen sein, wenn sie ihren Hypothekenzahlungen nicht nachkommen. Die Zwangsvollstreckungen werden in der Regel von den Banken eingeleitet, die das Darlehen vergeben haben. Bei den Daten über Zwangsvollstreckungsverfahren bestehen ähnliche Mängel wie bei den Daten zu Zwangsräumungen von Mietwohnungen.
Wohnungslosigkeit lässt sich nur schwer messen und länderübergreifend vergleichen
Daten zur Wohnungslosigkeit zu erheben und länderübergreifend zu vergleichen, ist ein schwieriges Unterfangen. Die erste große Herausforderung besteht darin, dass es keine international vereinbarte Definition von Wohnungslosigkeit gibt und dass die Länder die davon betroffene Bevölkerung nicht auf dieselbe Weise definieren bzw. erfassen. In 13 OECD-Ländern beschränkt sich die Definition von Wohnungslosigkeit beispielsweise auf Menschen, die auf der Straße bzw. im öffentlichen Raum leben („Platte machen“) und/oder Personen, die in Wohnungsloseneinrichtungen oder sonstigen Notunterkünften untergebracht sind. Zehn OECD-Länder stützen sich dagegen auf eine breitere Definition, die auch Personen einschließt, die in Billigpensionen leben oder bei Freunden, Bekannten oder Verwandten unterkommen (OECD, 2020[9]). Auf europäischer Ebene wurde zur Standardisierung eine gemeinsame Typologie entwickelt – ETHOS Light (Tabelle 9.2).
Tabelle 9.2. ETHOS Light – eine harmonisierte Typologie für Wohnungslosigkeit
Operative Kategorie |
Wohnsituation |
|
---|---|---|
1 |
Obdachlose Menschen |
Im öffentlichen Raum/ohne Unterkunft |
2 |
Menschen in Notunterkünften |
Notschlafstellen |
3 |
Menschen, die in Wohnungsloseneinrichtungen wohnen |
Asyle und Herbergen |
Übergangswohnungen |
||
Übergangswohnheime, Frauenhäuser oder Flüchtlingsunterkünfte |
||
4 |
Menschen, die sich in Anstalten aufhalten |
Gesundheitseinrichtungen |
Strafvollzugsanstalten |
||
5 |
Menschen, die in Wohnprovisorien hausen |
Wohnwagen |
Behausungen, die nicht zum Wohnen vorgesehen sind |
||
Vorübergehende Behausungen |
||
6 |
Menschen, die vorübergehend bei Verwandten, Bekannten oder Freunden unterkommen |
Wohnen in regulärem Wohnraum, aber ohne einen Hauptwohnsitz zu begründen |
Anmerkung: ETHOS Light ist eine gestraffte Version der European Typology of Homelessness and Housing Exclusion – ETHOS.
Quelle: Nach FEANTSA (2007[10]).
Neben der Definition unterscheidet sich die Datenerhebung der Länder auch in Bezug auf Methode, Umfang und Häufigkeit. Wohnungslosigkeit ist schwer zu erfassen, da sie für öffentliche Behörden und Unterstützungseinrichtungen nicht immer sichtbar und daher in amtlichen Statistiken schwer abzubilden ist. Die statistischen Erfassungsmethoden sind von Land zu Land unterschiedlich. Am häufigsten sind zeitpunktbezogene Schätzungen (wie die jährliche Straßenzählung Nuit de la solidarité der Stadt Paris, die an einem bestimmten Tag jedes Jahres durchgeführt wird), Verwaltungsdaten (wie Register einschlägiger Unterkünfte und lokaler Behörden) oder eine Kombination aus beidem. Jede der Methoden liefert lediglich ein partielles Bild der Wohnungslosigkeit. Die „verdeckten Wohnungslosen“, die in den amtlichen Statistiken unberücksichtigt bleiben, weil sie keine formelle Unterstützung beantragen, vorübergehend bei Angehörigen oder Freunden unterkommen oder in ihrem Auto leben, werden nicht hinreichend erfasst. Diese verdeckte Wohnungslosigkeit dürfte bei Frauen, Jugendlichen und gefährdeten Bevölkerungsgruppen, die bei Erhebungen zur Wohnungslosigkeit nicht berücksichtigt werden, häufiger auftreten (OECD, 2020[9]).
Lückenhafte, seltene und inkonsistente Datenerhebungen führen zu zusätzlichen methodischen Herausforderungen. Die Daten einiger Länder beziehen sich beispielsweise nur auf die größten Gemeinden oder die größte Region bzw. Stadt. Außerdem werden die Daten auf monatlicher, vierteljährlicher, halbjährlicher oder jährlicher Basis erhoben und einige Länder führen keine regelmäßigen Erhebungen durch (OECD, o. J.[5]).
Die OECD erhebt in den OECD-, wichtigen Partner- und EU-Ländern anhand des Fragebogens zu bezahlbarem Wohnraum und sozialem Wohnungsbau (Questionnaire on Affordable and Social Housing – QuASH) regelmäßig Daten zur Wohnungslosigkeit, wobei jeweils die nationale statistische Definition von Wohnungslosigkeit zugrunde gelegt wird. Die nationalen Statistiken werden zusammen mit den Definitionen und Kategorisierungen der einzelnen Länder in der Affordable Housing Database der OECD (Indikator HC3.1) erfasst.
Die Wohnungslosenquote war bereits vor der Coronapandemie in etwa einem Drittel der OECD-Länder gestiegen und durch die Pandemie sind möglicherweise viele Haushalte einem größeren Risiko ausgesetzt. Daher sollte es ein prioritäres Anliegen sein, die Datenerhebung zur Wohnungslosigkeit zu verbessern (OECD, 2020[9]). Je nach Land könnte dies bedeuten, regelmäßiger Daten zu erheben, unterschiedliche Datenquellen zu berücksichtigen oder die Erhebungsmethoden auszuweiten. Innovative Ansätze zur Verknüpfung von Verwaltungs- und Erhebungsdaten können einen umfassenderen Überblick über die Herausforderungen und Bedürfnisse verschiedener Kategorien Wohnungsloser vermitteln. In Schottland (Vereinigtes Königreich) beispielsweise haben Forscher*innen durch die Verknüpfung von Daten zur Wohnungslosigkeit und Gesundheitsdaten festgestellt, dass Mitte 2015 mindestens 8 % der schottischen Bevölkerung bereits von Wohnungslosigkeit betroffen waren – ein deutlich größerer Anteil als erwartet (Waugh et al., 2018[11]). Eine umfassendere Anwendung der ETHOS-Light-Typologie könnte darüber hinaus auch länderübergreifende Vergleiche von Schätzungen und Trends in Bezug auf die Wohnungslosigkeit erleichtern.
Um die Evidenzbasis zu Zwangsräumungen und Wohnungslosigkeit zu verbessern, bedarf es einer Weiterentwicklung der Messmethoden
Folgende Maßnahmen würden helfen, wohnungsbezogene Risiken besser zu erfassen und zu überwachen:
das Monitoring von Zwangsräumungen verbessern, wenn möglich durch Einführung eines nationalen Monitoringsystems; die Daten sollten Informationen zu den verschiedenen Phasen der Räumungsverfahren sowie zu Haushalts- und Wohnungsmerkmalen umfassen
Fragen in Bezug auf Zwangsräumungen in regelmäßigen nationalen und supranationalen Erhebungen vorsehen
regelmäßig Daten zur Wohnungslosigkeit erheben und den geografischen Erfassungsbereich so weit wie möglich ausdehnen, um Trends in Städten, Regionen und ländlichen Gebieten aufzuzeigen; wenn möglich, Statistiken zur Wohnungslosigkeit die ETHOS-Light-Kategorisierung zugrunde legen, um Ländervergleiche zu erleichtern
das methodische Instrumentarium erweitern und verschiedene Datenquellen einbeziehen (z. B. Verwaltungs- und/oder Erhebungsdaten, Gesundheitsdaten sowie Daten zur Wohnungslosigkeit), um die Bedürfnisse und Herausforderungen Wohnungsloser besser zu verstehen
Kommunale Flächennutzungs- und Bebauungsvorschriften erfassen
Flächennutzungs- und Bebauungsvorschriften dienen einem breiten Spektrum von Politikzielen. Sie sollen die Bevölkerung vor Gefahren und Belastungen schützen, eine angemessene Infrastruktur und öffentliche Verkehrsangebote gewährleisten, attraktive Quartiere schaffen, Segregation entgegenwirken, die Umwelt schützen und das bauliche Erbe erhalten. Restriktive Vorschriften können allerdings auch die Reagibilität des Wohnimmobilienangebots beeinträchtigen und dadurch zu einem Preisanstieg führen (Kapitel 4).
Flächennutzungs- und Bebauungsvorschriften sind komplexe Dokumente, die sich nur selten für eine statistische Auswertung eignen. Außerdem werden dazu keine amtlichen Statistiken erhoben. In der Forschung wurde daher versucht, die Datenlücken durch Erhebungen auf kommunaler Ebene (Gyourko, Saiz und Sumers, 2008[12]) bzw. mit Hilfsindikatoren (Ganong und Shoag, 2017[13]) zu schließen. Diese alternativen Ansätze weisen jedoch erhebliche Schwächen auf: Die auf Erhebungen basierenden Messgrößen beziehen sich zumeist auf ein begrenztes Gebiet, und die auf Hilfsindikatoren beruhenden Messgrößen sind noch nicht erprobt und geben keinen Aufschluss darüber, inwieweit die Flächennutzungs- und Bebauungsvorschriften Wohnungsbauvorhaben einschränken.3 Darüber hinaus sind die verfügbaren Daten im Allgemeinen nicht länderübergreifend vergleichbar.
Aufgrund des Mangels an international vergleichbaren Daten zu Flächennutzungs- und Bebauungsvorschriften ist nach wie vor zu wenig über deren Auswirkungen auf den Wohnungsbau bekannt. Daher ist es schwierig, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie Planungssysteme reformiert werden können, um den Wohnungsbau zu fördern, ohne andere wichtige Ziele des Planungssystems, z. B. die Eindämmung der Zersiedelung, zu beeinträchtigen. Um die Evidenzbasis zu verbessern, hat die OECD begonnen, international vergleichbare Daten zu Flächennutzungs- und Bebauungsvorschriften bei den Kommunalverwaltungen zu erheben.
Die Erfassung der Flächennutzungs- und Bebauungsvorschriften bringt beträchtliche Herausforderungen mit sich
Flächennutzungs- und Bebauungsvorschriften sind komplexe Regelwerke. Sie umfassen im Allgemeinen qualitative und quantitative Vorschriften sowie auf Planzeichnungen basierende Bestimmungen, deren Tragweite von Land zu Land unterschiedlich ist. Zudem verfügen die lokalen Behörden häufig über einen beträchtlichen Ermessensspielraum. Die Quantifizierung wird durch die Komplexität der Dokumente und den Ermessensspielraum der lokalen Behörden erheblich erschwert.
Die Flächennutzungs- und Bebauungsvorschriften eines Landes können erheblich variieren. Im OECD-Raum liegt die Bauleitplanung in erster Linie in der Verantwortung subnationaler Behörden, insbesondere der Kommunen. In vielen Ländern gibt es zwar nationale Leitlinien für die Anwendung von Vorschriften, die Kommunalverwaltungen haben jedoch einen großen Ermessensspielraum, ob und wie sie die ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente nutzen. Eine genaue Messgröße für Flächennutzungs- und Bebauungsvorschriften muss folglich deren regionale Vielfalt widerspiegeln.
Die Flächennutzungs- und Bebauungsvorschriften sind oft schwer zu kategorisieren. Regelungen, die den Wohnungsbau auf Freiflächen wie Agrarflächen und Wäldern verhindern, sind häufig nuanciert und schwer zu quantifizieren: Sie können beispielsweise eine Baulückenerschließung in der Nähe bestehender Gebäude gestatten, aber eine disperse Siedlungsstruktur (leapfrogging) verbieten. Außerdem setzen viele Länder auf Mischnutzung, bei der Wohnungsbauprojekte Einschränkungen unterliegen, was die Erfassung der Vorschriften erschwert: Bei Mischnutzung ist es beispielsweise möglich, Obergrenzen/Untergrenzen für den Wohnflächenanteil einzuführen oder Wohnbauprojekte nur an bestimmten Orten zu gestatten (z. B. auf der von großen Straßen abgewandten Seite).
Um Vorschriften zur Bebauungsdichte zu quantifizieren, sind zusätzliche Daten erforderlich, die aber oft schwer zugänglich sind. Die Vorschriften zur Steuerung der Bebauungsdichte, wie Höhenbegrenzungen, Geschossflächenzahl oder Mindestgrundstücksgröße, sind eng mit der Dichte des Gebäudebestands verknüpft. Wenn die zulässigen Grenzwerte im Gebäudebestand erreicht sind, ist keine Nachverdichtung mehr möglich. Ist noch Spielraum vorhanden, können durch Nachverdichtung zusätzliche Wohneinheiten geschaffen werden. Die zur Erfassung des Gebäudebestands erforderlichen Katasterdaten sind jedoch schwer zugänglich und oft nicht vollständig digitalisiert. Dadurch ist es in vielen Städten nicht möglich, die zulässige Bebauungsdichte mit dem tatsächlichen Gebäudebestand zu vergleichen. Darüber hinaus enthalten die Vorschriften zur Bebauungsdichte in vielen Ländern kontextspezifische Elemente, wie z. B. Bestimmungen, die visuelle Dominanz oder Schattenwurf auf benachbarte Immobilien verhindern. Ob ein neues Bauprojekt die jeweiligen Kriterien erfüllt, wird in Einzelfallevaluierungen der Planungsbehörden entschieden.
Die Bauleitplanung sieht u. U. eine Vielzahl an Baugenehmigungsauflagen vor, die bei der Quantifizierung der Vorschriften berücksichtigt werden müssen. Typische Beispiele hierfür sind Auflagen zum Gebäudetyp – beispielsweise Einfamilienhäuser, Reihenhäuser oder Blockrandbebauung. Auch architektonische Auflagen sind weitverbreitet und umfassen häufig Spezifikationen für Fassaden und Bedachung. In historischen Stadtteilen wird der Abriss oder Umbau von Bestandsgebäuden durch den Denkmalschutz eingeschränkt. Desgleichen können Bauvorschriften zur Erhöhung der Gebäudesicherheit die Wohnfläche von Gebäuden reduzieren und zu höheren Baukosten führen. In einigen Ländern gelten sogar noch strengere Auflagen. Einige Kommunen schreiben beispielsweise Mindest- und/oder Höchstgrößen für einzelne Wohneinheiten vor oder legen fest, dass Wohnraum bestimmten Bevölkerungsgruppen wie älteren Menschen oder Menschen mit Behinderungen vorbehalten bleibt.
Flächennutzungs- und Bebauungsvorschriften enthalten häufig Bestimmungen, die auf Einzelfallbasis angewandt werden. In vielen Ländern gibt es beispielsweise Vorschriften zur sozialen Wohnraumversorgung. Da diese Bestimmungen aber relativ selten umgesetzt werden und nicht sehr spezifisch sind, ist es schwierig, repräsentative Daten dazu zu erheben.
Wie häufig Flächennutzungs- bzw. Bebauungspläne angepasst werden, sollte ebenfalls berücksichtigt werden. Eine häufigere Anpassung deutet in der Regel auf weniger restriktive Vorschriften hin. Ein Plan, der strenge Auflagen vorsieht, aber auf Initiative von Bauträgern häufig überarbeitet oder ersetzt wird, um zusätzliche Bauprojekte zu ermöglichen, ist in der Praxis wesentlich weniger restriktiv als ein damit vergleichbarer Plan, der lange Zeit unverändert in Kraft bleibt. Eine genaue Messgröße für Flächennutzungs- und Bebauungsvorschriften muss deshalb auch berücksichtigen, wie die Pläne überarbeitet werden. Insbesondere in Ländern, in denen dies häufig geschieht, gibt das Revisionsverfahren u. U. eher Aufschluss darüber, wie restriktiv die Vorschriften sind, als deren Inhalt zu einem bestimmten Zeitpunkt.
International vergleichbare Daten zur kommunalen Bauleitplanung erheben
Die OECD plant eine Datenerhebung bei lokalen Gebietskörperschaften, um die erste international vergleichbare Messgröße für Flächennutzungs- und Bebauungsvorschriften bereitzustellen. Der erste Schritt dieser Initiative wird derzeit in der Tschechischen Republik umgesetzt, wo die OECD in Zusammenarbeit mit dem tschechischen Ministerium für regionale Entwicklung fast 2 000 Kommunen befragte. Berücksichtigt werden alle Gemeinden in funktionalen städtischen Gebieten mit mehr als 50 000 Einwohner*innen sowie eine Reihe weiterer Kommunen, die das Ministerium für regionale Entwicklung als besonders wichtig für den tschechischen Wohnungsmarkt einstuft.
Die Erhebung erfasst Informationen über die lokalen Flächennutzungs- und Bebauungsbestimmungen sowie andere relevante Aspekte der lokalen Wohnungspolitik. Im Fokus stehen dabei insbesondere die Vorgaben der lokalen Rahmen- bzw. Masterpläne (z. B. Bebauungsdichte und Flächennutzung); der Inhalt detaillierterer Pläne (z. B. bauliche Anforderungen) wird in geringerem Maße berücksichtigt. Drei wesentliche Aspekte werden erfasst:
Flächennutzungsstruktur
Bebauungsdichte
Genehmigungsverfahren
Um diese Daten zu kontextualisieren, werden zusätzliche Informationen über den Wohnungsbestand, die Wohnimmobilienpreise, den kommunalen Wohnungsbestand und den Wohnungsbau erhoben. Ziel der Erhebung ist es, international vergleichbare Daten zu sammeln, dabei aber trotzdem alle wichtigen Aspekte der lokalen Maßnahmen zu berücksichtigen. Der Fragebogen umfasst daher Abschnitte, die für alle Länder entwickelt wurden, und Abschnitte, die speziell auf den tschechischen Kontext zugeschnitten sind.
Die Datenerhebung unterliegt zwei wesentlichen Einschränkungen. Zum einen beschränkt sich der Fragebogen auf die wichtigsten Vorschriften, um den Verwaltungsaufwand der befragten Kommunen zu begrenzen. Zum anderen sehen sich die an der Erhebung teilnehmenden Kommunen mit vielen der oben erörterten konzeptionellen Herausforderungen konfrontiert. So ist es beispielsweise unwahrscheinlich, dass die Kommunalverwaltungen genau beurteilen können, inwieweit die Vorschriften über die Bebauungsdichte Spielraum für zusätzliche Wohnungsbauvorhaben lassen.
Trotz dieser Herausforderungen dürfte die Erhebung eine Reihe neuer Erkenntnisse über die lokale Bauleitplanung und Wohnungspolitik liefern. Für viele Länder wird dies die erste systematische Messung zur Bauleitplanung sein. In den Ländern, die bereits über solche Messgrößen verfügen, dürften die Erhebungsdaten zur ersten auf offiziellen Quellen basierenden Messgröße führen. Da die Erhebung in verschiedenen Ländern durchgeführt wird, wird sie darüber hinaus die erste solide Grundlage für länderübergreifende statistische Vergleiche der Flächennutzungs- und Bebauungsvorschriften schaffen. Sie wird Erkenntnisse darüber ermöglichen, wie die Planungssysteme reformiert werden können, um eine bessere Wohnraumversorgung zu gewährleisten, ohne andere wichtige Planungsziele zu beeinträchtigen. Die OECD beabsichtigt, die Zahl der an der Erhebung teilnehmenden Länder zu erhöhen und die diesbezügliche Zusammenarbeit mit interessierten Regierungen fortzusetzen.
Literaturverzeichnis
[3] Dijkstra, L., H. Poelman und P. Veneri (2019), „The EU-OECD definition of a functional urban area“, OECD Regional Development Working Papers, No. 2019/11, OECD Publishing, Paris, https://dx.doi.org/10.1787/d58cb34d-en.
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Anmerkungen
← 1. Deutschland (Destatis) stellt Wohnimmobilienpreisindizes für vier separate subnationale Einheiten zur Verfügung: kreisfreie Großstädte, städtische Kreise, ländliche Kreise mit Verdichtungsansätzen und dünn besiedelte ländliche Kreise. Diese Kategorien sind sehr wichtig, um zu beurteilen, ob bei der Entwicklung der Wohnimmobilienpreise ein Stadt-Land-Gefälle besteht. Da sie keine zusammenhängenden geografischen Gebiete betreffen, werden sie in der vorliegenden Arbeit jedoch nicht als „Regionen“ betrachtet.
← 2. KKP umfassen alle Arten von Waren und Dienstleistungen, die in einer Volkswirtschaft verbraucht oder exportiert werden, oder in die investiert wird. Deshalb werden auch KKP für Wohnimmobilien und andere Investitionsgüter berechnet. Dabei werden aber nur Neubauten und einige wenige Wohnungstypen mit sehr spezifischen Merkmalen berücksichtigt, um internationale Preisvergleiche zu ermöglichen. Costa et al. (2019[205]) haben vor Kurzem für einige Länder regionale KKP berechnet, die meisten Statistikämter berechnen allerdings nur KKP für die nationale Ebene. Die verfügbaren KKP ermöglichen also weder einen regionalen Vergleich der Wohnimmobilienpreise innerhalb eines Landes noch die Erfassung des jeweiligen Wohnungstyps im Wohnungsbestand der einzelnen Regionen. Wegen einer Beschreibung der Art und Weise, wie KKP für Baugüter im Eurostat/OECD-Raum berechnet werden, vgl. Kapitel 11 in Eurostat, OECD (2012[204]). Eine neuere Schätzung des nationalen Wohnimmobilienpreisniveaus in 40 Ländern findet sich in Bricongne, Turrini und Pontuch (2019[49]).
← 3. Vgl. Lewis und Marantz (2019[212]) wegen eines Überblicks über die Versuche zur Messung der Flächennutzungs- und Bebauungsvorschriften in Kalifornien.