Wohnimmobilien sind nicht nur bei den Ausgaben, sondern auch in der Vermögensbilanz der privaten Haushalte ein wichtiger Faktor, denn ein Großteil ihrer Vermögenswerte und Verbindlichkeiten entfällt auf Wohneigentum. Dieses Kapitel liefert neue Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen Wohneigentum und Vermögensungleichheit. Es untersucht die sozioökonomischen Einflussfaktoren der Wohneigentumsverhältnisse und erörtert die Politikimplikationen.
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5. Den Einfluss von Wohneigentum auf die Vermögensverteilung messen
Abstract
Wichtigste Erkenntnisse
Wohnimmobilien tragen maßgeblich zur lebenszyklusbezogenen und generationenübergreifenden Entstehung und Verteilung von Vermögenswerten, Verbindlichkeiten und Wohlstand bei.1 Der Beitrag der Wohnverhältnisse zur Vermögensungleichheit variiert erheblich zwischen den einzelnen Ländern, die Daten machen jedoch Folgendes deutlich:
Die Vermögensungleichheit ist wesentlich größer als die Einkommensungleichheit. Dies ist teilweise auf Lebenszykluseffekte zurückzuführen, weil Vermögen im Lauf der Zeit aufgebaut wird.
Im Ländervergleich ist ein starker negativer Zusammenhang zwischen Wohneigentum und Vermögensungleichheit festzustellen. Länder mit niedriger Wohneigentumsquote weisen selbst bei geringer Einkommensungleichheit eine hohe Vermögensungleichheit auf.
Wohneigentum trägt tendenziell zu einer ausgewogeneren Vermögensverteilung bei, da es den größten Vermögenswert in den Vermögensbilanzen der privaten Haushalte darstellt und gleichmäßiger verteilt ist als andere Vermögenswerte wie Finanzaktiva. In der Mitte der Verteilung ist Wohneigentum eine wesentlich wichtigere Vermögensquelle als an der Spitze der Verteilung.
Der Zugang zu Hypothekenmärkten erhöht die Chancen kreditbeschränkter Haushalte, Wohneigentum zu erwerben. Damit sind jedoch auch Risiken verbunden:
Der größte Anteil der Verbindlichkeiten in den Portfolios der privaten Haushalte entfällt auf Hypothekenschulden. Dies gilt insbesondere für junge Wohneigentümer*innen und Wohneigentümer*innen am unteren Ende der Verteilung. Die Anteile der Haushalte mit Hypothekarkrediten variieren in den OECD-Ländern erheblich und reichen von knapp der Hälfte bis zu weniger als einem Zehntel.
Hypothekarkredite stellen sowohl eine Chance als auch ein Risiko dar. Einerseits ermöglichen sie es privaten Haushalten, Vermögen aufzubauen, insbesondere jenen mit wenig Startkapital. Andererseits setzen sie private Haushalte aber auch wirtschaftlichen und sozialen Risiken aus, vor allem die Haushalte am unteren Ende der Verteilung.
Wohnimmobilienvermögen: Trends, Einflussfaktoren und Maßnahmen
1. Dieses Kapitel bietet neue Erkenntnisse und stilisierte Fakten zu Wohneigentum, Vermögensaufbau und Vermögensverteilung basierend auf Causa, Woloszko und Leite (2019[4]).
Quantifizierung des Wohnimmobilienvermögens in den Vermögensbilanzen der privaten Haushalte
Wohnimmobilien stellen den größten Vermögenswert in den Portfolios der privaten Haushalte dar
Das Wohneigentum und die Vermögensverteilung verdienen aus mehreren Gründen besondere Aufmerksamkeit. Wohnimmobilien sind der größte Vermögenswert in den Portfolios der privaten Haushalte. Wohneigentum ist also ein wichtiger Faktor für den Aufbau und die Verteilung von Vermögenswerten und Nettovermögen – sowohl im Lebenszyklus als auch generationenübergreifend – und trägt somit zur Vermögensungleichheit bei. In einem Umfeld, in dem die Einkommensungleichheit in zahlreichen Ländern zunimmt, der Kapitalanteil am Einkommen stärker wächst als der Anteil der Arbeit und die Vermögensungleichheit wesentlich größer ist als die Einkommensungleichheit (Abbildung 5.1), ist es umso wichtiger, Wohnimmobilien unter dem Gesichtspunkt der Vermögensverteilung zu betrachten – auch wenn der letztgenannte Aspekt teilweise auf Lebenszykluseffekte zurückzuführen ist, weil Vermögen im Lauf der Zeit aufgebaut wird.1
Hypothekenschulden sind die größte Verbindlichkeit in den Portfolios der privaten Haushalte
Wohnimmobilien sind auch die größte Verbindlichkeit in der Vermögensbilanz der privaten Haushalte, da die meisten Wohneigentümer*innen einen Kredit aufnehmen, um den Kauf von Wohneigentum zu finanzieren. Hypothekenschulden ermöglichen es, Haushalten mit niedrigem Einkommen und geringem Vermögen, beispielsweise jungen Haushalten, Vermögen aufzubauen. Die mit einer Verschuldung verbundenen Vorteile und Risiken müssen jedoch abgewogen werden – dies ist eine der wichtigsten Lehren aus der weltweiten Finanzkrise. Um Wohnimmobilien unter dem Gesichtspunkt der Vermögensverteilung zu betrachten, müssen die damit zusammenhängenden Vermögenswerte und Verbindlichkeiten berücksichtigt werden, insbesondere am unteren Ende der Einkommens- und Vermögensverteilung (Kasten 5.1).
Kasten 5.1. Datenquellen zur Analyse von Wohneigentum und Vermögensverteilung
Die OECD stützt sich auf eine spezielle Statistikdatenbank, die OECD Wealth Distribution Database (WDD), um die Vermögensungleichheit in den Ländern zu erfassen und zu vergleichen. Diese Datenbank basiert auf nationalen Quellen (Haushaltserhebungen und Verwaltungsunterlagen) sowie auf einheitlichen Definitionen, Klassifikationen und Datenverarbeitungsmethoden. Derzeit liegen für 28 OECD-Länder Schätzungen zum letztverfügbaren Jahr (um 2015) vor und für 19 OECD-Länder Schätzungen zu mehreren Jahren. Alle durch diese Datenbank verfügbaren Indikatoren stützen sich auf das Konzept des „Haushaltsnettovermögens” gemäß der Definition der OECD Guidelines for Micro Statistics on Household Wealth (OECD, 2013[2]). Dabei handelt es sich um den Wert der finanziellen und nichtfinanziellen Vermögenswerte abzüglich der Verbindlichkeiten der im Land ansässigen privaten Haushalte, wobei Unterschieden in der Haushaltsgröße nicht Rechnung getragen wird. Die für die WDD gewählte Datenerhebungsmethode zielt darauf ab, die internationale Vergleichbarkeit und intertemporale Konsistenz der Daten zu maximieren. Durch einheitliche Protokolle und statistische Konventionen (z. B. in Bezug auf Vermögenskonzepte und -komponenten) wird sichergestellt, dass die Schätzungen vergleichbar sind. Gesetzliche und betriebliche Altersvorsorgepläne werden im Finanzvermögen nicht berücksichtigt und somit auch im Haushaltsnettovermögen nicht erfasst. Die internationalen Leitlinien für Mikrostatistiken zum Haushaltsvermögen verlangen die Übereinstimmung mit der Definition von Finanzvermögen im System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (SNA). Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Rentenansprüche in den Sozialversicherungssystemen nicht immer zuverlässig geschätzt werden können. Wegen weiterer Informationen vgl. http://www.oecd.org/sdd/OECD-wealth-distribution-database-metadata.pdf sowie Balestra und Tonkin (2018[3]).
Die teilaggregierten Daten aus der WDD werden durch Mikrodaten ergänzt. Eine der Hauptquellen dieses Berichts ist die zweite Welle der Haushaltsbefragung der Europäischen Zentralbank zu Finanzen und Konsum (Household Finance and Consumption Survey – HFCS) von 2014. Diese Datensammlung enthält personen- und haushaltsbezogene Daten, die nach einer harmonisierten Methode in den Ländern des Euroraums sowie in Ungarn und Polen erhoben wurden. Das Hauptziel der HFCS besteht darin, strukturierte Mikrodaten zu Vermögenswerten und Verbindlichkeiten der privaten Haushalte im Euroraum zu sammeln, z. B. zu Sachvermögen und dessen Finanzierung, Verbindlichkeiten bzw. Kreditbeschränkungen, Privatunternehmen, Finanzaktiva, generationenübergreifenden Übertragungen und Schenkungen sowie Konsum und Ersparnis. Die Befragung erfasst auch andere verteilungsrelevante Daten wie Bruttoeinkommen, Arbeitsmarktstatus, Bildung und demografische Merkmale. Diese Daten ermöglichen eine Analyse der gemeinsamen Verteilung von Wohnimmobilienvermögen, Nettovermögen und Einkommen unter Berücksichtigung soziodemografischer Effekte. Für einige Länder außerhalb des Euroraums (Australien, Kanada, Norwegen, Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten) wird die auf HFCS-Mikrodaten basierende Analyse durch die Luxemburger Vermögensstudie (Luxembourg Wealth Study – LWS) ergänzt.
Zusammenhang zwischen Wohneigentum und Vermögensungleichheit
Es gibt einen starken negativen Zusammenhang zwischen Wohneigentum und Vermögensungleichheit (Abbildung 5.2). Länder mit hoher (niedriger) Wohneigentumsquote verzeichnen in der Regel eine geringe (hohe) Vermögensungleichheit, da das Wohnimmobilienvermögen wesentlich gleichmäßiger verteilt ist als andere Vermögenswerte. Dies wird deutlich, wenn man die Verteilung des Nettogesamtvermögens, das alle Vermögenswerte und Verbindlichkeiten der privaten Haushalte umfasst, mit der Verteilung des Nettoimmobilienvermögens vergleicht, zu dem lediglich Wohneigentum (definiert als Hauptwohnsitz) und Hypothekenschulden zählen. Auf die obersten 10 % der Haushalte entfallen im Durchschnitt der Länder rd. 55 % des Nettogesamtvermögens, gegenüber rd. 35 % des gesamten Nettoimmobilienvermögens (Abbildung 5.3). Dies ist darauf zurückzuführen, dass nicht immobilienbezogene Vermögensquellen wie Finanzvermögen ungleicher verteilt sind und am oberen Ende der Verteilung häufiger auftreten.
Wohneigentum trägt zu einer ausgewogeneren Verteilung des Nettovermögens bei. Wenn man das Wohneigentum aus dem Nettovermögen ausklammert, ist die gemessene Vermögensungleichheit deutlich höher – im Länderdurchschnitt um etwa ein Viertel (Causa, Woloszko und Leite, 2019[4]).
Bei den Wohneigentumsverhältnissen gibt es beträchtliche Unterschiede zwischen den Ländern
Die Wohneigentumsverhältnisse (d. h. die Wohneigentumsquote und der Anteil der Eigentümer*innen ohne Hypothek im Verhältnis zum Anteil der Eigentümer*innen mit Hypothek) variieren in den OECD-Ländern erheblich (vgl. OECD Affordable Housing Database). Am höchsten sind die Wohneigentumsquoten in der Slowakischen Republik, Ungarn und Spanien, am niedrigsten in Deutschland, Dänemark und Österreich (Abbildung 5.4). Diese Unterschiede auf Länderebene haben u. a. historische Gründe. Die außergewöhnlich hohen Wohneigentumsquoten in den osteuropäischen Ländern sind darauf zurückzuführen, dass ein großer Teil des öffentlichen Wohnungsbestands privatisiert und zu Preisen unter dem Marktwert an die Mieter*innen verkauft wurde. Ein weiterer Grund sind die unterschiedlichen soziodemografischen Merkmale der Haushalte, insbesondere im Hinblick auf die Altersstruktur und die Größe. In der überwiegenden Mehrheit der Länder zählen Rentnerhaushalte und größere Haushalte mit höherer Wahrscheinlichkeit zu den Eigentümerhaushalten.
Im Gegensatz dazu sind Haushalte jüngerer Menschen und Einpersonenhaushalte mit größerer Wahrscheinlichkeit Mieter. Unter den Eigentümerhaushalten wiederum sind Rentnerhaushalte häufiger schuldenfrei als jüngere Haushalte (Causa, Woloszko und Leite (2019[4]). Die Unterschiede in Bezug auf Wohneigentum zwischen einkommensschwachen und einkommensstarken Haushalten fallen in Ländern mit hoher durchschnittlicher Wohneigentumsquote tendenziell gering aus und in Ländern mit niedriger durchschnittlicher Wohneigentumsquote in der Regel hoch (Abbildung 5.4).
Wohneigentum ist ein wichtiger Faktor in den Vermögensbilanzen der privaten Haushalte
Wohneigentum ist der größte Vermögenswert in den Portfolios der privaten Haushalte (Abbildung 5.5). Darauf entfällt im Durchschnitt etwa die Hälfte des Gesamtvermögens, wobei die Spanne von rd. 70 % in der Slowakischen Republik bis zu rd. 25 % in Deutschland reicht. Der wertmäßige Anteil von Zweitwohnungen („sonstige Immobilien“) am Gesamtvermögen ist in der Regel relativ hoch. In einigen Ländern übersteigt er beispielsweise den Anteil des Finanzvermögens, was den zentralen Stellenwert von Immobilien im Vermögen der privaten Haushalte verdeutlicht. Wohneigentum ist zudem der wichtigste Vermögenswert der „Mittelschicht“, d. h. der Haushalte in den mittleren drei Quintilen der Einkommens- oder Vermögensverteilung, bei denen in den meisten OECD-Ländern mehr als 60 % der Vermögenswerte auf Wohnimmobilien entfallen. An der Spitze der Verteilung ist der Anteil des Wohneigentums am Gesamtvermögen allerdings geringer. Bei den Haushalten im obersten 1 % der Nettovermögensverteilung macht Wohneigentum etwa ein Viertel des Gesamtvermögens aus. Die Durchschnittswerte verdecken erhebliche Unterschiede zwischen den Ländern, die teilweise von politischen Faktoren herrühren, wie z. B. Steuervergünstigungen für Wohneigentum bzw. deren Auswirkungen auf die Entwicklung der Wohnimmobilienpreise.
Die Chancen und Risiken im Zusammenhang mit Wohnimmobilienkrediten abwägen
Hypothekarkredite sind die größte Verschuldungskomponente der privaten Haushalte (Abbildung 5.6). Um die wirtschaftliche Resilienz zu stärken, muss den Hypothekarkrediten – wie in Kapitel 3 erörtert – bei der Überwachung der Verschuldung der privaten Haushalte und der Entwicklungen am Wohnimmobilienmarkt ein besonderes Augenmerk gelten. In der Finanzkrise wurde deutlich, dass Hypothekarkredite aus verteilungspolitischer Sicht mit Chancen und Risiken verbunden sind, insbesondere für vulnerable Haushalte (Mian und Sufi, 2011[5]).
Beim Anteil der Haushalte, die eine Hypothek aufgenommen haben, sind im OECD-Vergleich erhebliche Unterschiede festzustellen (Abbildung 5.7). Im Durchschnitt haben rd. 25 % der Haushalte Hypothekenschulden – das Spektrum reicht von 10 % in Slowenien und Italien bis zu 40–50 % in den Vereinigten Staaten und den Niederlanden. Da die Hypothekenmärkte reguliert sind und die Kreditvergabe der Banken von der Rückzahlungsfähigkeit der privaten Haushalte abhängt, die hauptsächlich am Einkommen gemessen wird, steigt der Anteil der Hypothekarkredite mit dem Haushaltseinkommen (Abbildung 5.7). Der Zusammenhang zwischen Haushaltseinkommen und Hypothekenschulden ist in den einzelnen Ländern allerdings unterschiedlich stark ausgeprägt. Dies ist mehreren länderspezifischen Faktoren zuzuschreiben, u. a. Unterschieden in der Wohnraumfinanzierung und nicht zuletzt aufsichtsrechtlichen Bestimmungen, Wohnimmobilienpreisen und sozialen Präferenzen.
Der Zugang zu Hypothekarkrediten ist ein wichtiger Faktor für den Erwerb von Wohneigentum
Für junge Haushalte ist der Zugang zu Hypothekarkrediten angesichts ihres relativ geringen Vermögens und Einkommens wahrscheinlich ein entscheidender Faktor für den Erwerb von Wohneigentum. Je höher die Teilnahme junger Haushalte an den Hypothekenmärkten, desto geringer ist der Unterschied in Bezug auf Wohneigentum zwischen jungen Menschen und dem Rest der Bevölkerung (d. h. die altersspezifische Streuung bei Wohneigentum) im OECD-Vergleich (Abbildung 5.8). Junge Haushalte sind von den politischen Rahmenbedingungen im Zusammenhang mit Wohneigentum, insbesondere von der Regulierung des Hypothekenmarkts, unmittelbarer betroffen als andere Gruppen (Andrews, Caldera Sánchez und Johansson, 2011[6]). Die im Ländervergleich zu beobachtenden Unterschiede in Bezug auf Wohneigentum zwischen jungen Menschen und der übrigen Bevölkerung sind wahrscheinlich auch auf Unterschiede im Hinblick auf die Bezahlbarkeit von Wohnraum zurückzuführen.
Hohe Hypothekenschulden setzen private Haushalte finanziell unter Druck
Hypothekarkredite stellen für private Haushalte sowohl eine Chance als auch ein Risiko dar. Einerseits ermöglichen sie es ihnen, Vermögen aufzubauen. Dies gilt insbesondere für junge Haushalte und Haushalte mit wenig Startkapital. Andererseits sind private Haushalte mit Hypothekenschulden im Fall von Einkommensverlusten, sinkenden Wohnimmobilienpreisen und steigenden Zinssätzen u. U. Finanzrisiken ausgesetzt, vor allem die privaten Haushalte am unteren Ende der Verteilung. Die Ausweitung der Hypothekenvergabe in den letzten Jahrzehnten, insbesondere vor der weltweiten Finanzkrise, führte bei den privaten Haushalten mit Hypothekenschulden in der Tat zu einem Anstieg der Verschuldungsquoten. In den meisten OECD-Ländern liegt diese Quote deutlich über 100 % und in einigen Fällen, wie Portugal, Spanien und den Niederlanden, beläuft sie sich sogar auf über 200 % (Abbildung 5.9). Dies dürfte – zumindest in den Niederlanden – teilweise auf die starke Verbreitung von Zinszahlungs- und Bauspardarlehen zurückzuführen sein, die eine spätere Rückzahlung der Darlehenssumme vorsehen (EZB, 2009[7]). Private Haushalte am unteren Ende der Einkommensverteilung, deren Verschuldungsquote die Risikoschwelle von 300 % überschreitet, sind besonders gefährdet. In einigen Ländern wie Australien und Kanada scheinen die diesbezüglichen Risiken besonders groß zu sein, da die Wohnimmobilienpreise dort in den letzten zehn Jahren stark gestiegen sind, insbesondere in Kanada.
In der gegenwärtigen Situation sind private Haushalte, die eine Hypothek aufgenommen haben, besonders gefährdet, da die Covid-19-Krise mit Arbeitsplatz- und Einkommensverlusten einhergeht. Manche Haushalte können ihre Schulden aufgrund von Liquiditätsbeschränkungen – zumindest vorübergehend – nicht zurückzahlen. Davon dürften insbesondere einkommensschwache Wohneigentümer*innen betroffen sein. Um dieses Problem anzugehen und soziale Härtefälle zu vermeiden, haben einige OECD-Länder, darunter Italien, Portugal, Spanien und das Vereinigte Königreich, die Hypothekenzahlungen vorübergehend ausgesetzt (Kasten 1.7 in Kapitel 1).
Bei der Regulierung des Hypothekenmarkts kommt es auf das richtige Gleichgewicht an. Einerseits muss der Zugang zu Hypothekarkrediten gewährleistet werden, da dies Chancen zum Vermögensaufbau bietet. Andererseits ist es aber auch wichtig, einer übermäßigen Verschuldung bzw. den beträchtlichen wirtschaftlichen und sozialen Risiken, die damit einhergehen können, vorzubeugen. Kreditnehmerbezogene aufsichtsrechtliche Bestimmungen müssen sowohl Stabilitäts- als auch Verteilungsaspekte berücksichtigen, da Kreditnehmer*innen mit hohen Beleihungsquoten am unteren Ende der Vermögensverteilung und Kreditnehmer*innen mit hohen Verschuldungsquoten am unteren Ende der Einkommensverteilung konzentriert sind. Eine Begrenzung der Beleihungs- und Verschuldungsquoten kann also dazu führen, dass private Haushalte mit geringem Einkommen oder Vermögen vom Hypothekenmarkt ausgeschlossen werden. Die mit restriktiveren Obergrenzen verbundenen Eigenmittelanforderungen sind insbesondere für Ersterwerber*innen und liquiditätsbeschränkte Haushalte, wie junge und einkommensschwache Haushalte, gravierend.
Eine übermäßige Ausweitung der Hypothekarkredite kann zu Immobilienpreissteigerungen führen. Dadurch gibt es weniger bezahlbaren Wohnraum und einkommensschwache Haushalte werden aus dem Markt gedrängt. Aufsichtsrechtliche Obergrenzen können erschwinglichen Wohnraum fördern, indem sie einen gleichzeitigen Anstieg von Kreditvolumen und Wohnimmobilienpreisen im Verschuldungszyklus verhindern. Dadurch kann die mikroökonomische Resilienz verbessert werden, vor allem für private Haushalte, die von Preis- und Einkommensschocks besonders betroffen sind. Insofern dürften die langfristigen Vorteile kreditnehmerbezogener Aufsichtsmaßnahmen sowohl in makroökonomischer als auch in verteilungspolitischer Hinsicht größer sein als die kurzfristigen Nachteile.
Literaturverzeichnis
[6] Andrews, D., A. Caldera Sánchez und Å. Johansson (2011), „Housing Markets and Structural Policies in OECD Countries“, OECD Economics Department Working Papers, No. 836, OECD Publishing, Paris, https://dx.doi.org/10.1787/5kgk8t2k9vf3-en.
[3] Balestra, C. und R. Tonkin (2018), „Inequalities in household wealth across OECD countries: Evidence from the OECD Wealth Distribution Database“, OECD Statistics Working Papers, No. 2018/01, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/7e1bf673-en.
[4] Causa, O., N. Woloszko und D. Leite (2019), „Housing, wealth accumulation and wealth distribution: Evidence and stylized facts“, OECD Economics Department Working Papers, No. 1588, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/86954c10-en.
[7] EZB (2009), Housing Finance in the Euro Area, Europäische Zentralbank, Frankfurt a. M., http://www.ecb.europa.eu.
[5] Mian, A. und A. Sufi (2011), „House Prices, Home Equity-Based Borrowing, and the US Household Leverage Crisis“, American Economic Review, Vol. 101/5, S. 2132–2156, https://doi.org/10.1257/aer.101.5.2132.
[2] OECD (2013), OECD Guidelines for Micro Statistics on Household Wealth, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/9789264194878-en.
[1] Økonomi- og Indenrigsministeriet (2018), Fordeling og incitamenter 2018, Økonomi- og Indenrigsministeriet, Kopenhagen.
Anmerkung
← 1. Die Vermögensungleichheit weist eine stärker differenzierte Struktur auf als die Einkommensungleichheit (Clarke, Königs und Fernandez, 2021[224]).