Wohnimmobilienmärkte sind große Märkte, und sowohl die Hauspreis- als auch die Bauzyklen unterliegen starken Schwankungen. Die Funktionsweise der Wohnimmobilienmärkte hat beträchtliche Auswirkungen auf die wirtschaftliche Krisenanfälligkeit von Ländern und auf ihre Fähigkeit, sich von Schocks zu erholen. Dieses Kapitel beleuchtet, inwieweit wohnungspolitische Maßnahmen 1. Schocks abfedern oder verstärken und 2. eine Erholung fördern oder behindern können. Es zeigt, wie makroprudenzielle Maßnahmen, Mietrecht und Besteuerung zur Stärkung der wirtschaftlichen Resilienz beitragen können.
Stein auf Stein
3. Die Resilienz stärken
Abstract
Wichtigste Erkenntnisse
Zwischen den Hauspreis- und Bauzyklen und der makroökonomischen Volatilität besteht ein enger Zusammenhang. Mit makroprudenziellen, wohnungspolitischen und steuerlichen Maßnahmen können zusätzliche Instrumente bereitgestellt werden, die – miteinander kombiniert – der Entstehung vom Wohnimmobilienmarkt ausgehender makroökonomischer Risiken entgegenwirken können:
Beleihungsgrenzen (Loan-to-Value-Ratio bzw. LTV) können effektiv zur Eindämmung der Kreditrisiken beitragen. Niedrigere Beleihungsgrenzen sind mit einem geringeren Risiko schwerer Konjunktureinbrüche verbunden. Sie gehen jedoch auch mit einer langsameren Erholung einher, da sie die Kreditaufnahme beschränken.
Obergrenzen für die Verschuldungsquote (Debt-to-Income-Ratio bzw. DTI) haben ein vielversprechendes Potenzial. Sie wurden bislang jedoch kaum genutzt, sodass ihre Effektivität empirisch nur begrenzt beurteilt werden kann.
Strengere Eigenkapitalanforderungen für Hypothekeninstitute sind mit geringeren Produktionsschwankungen und einer rascheren Erholung nach Konjunktureinbrüchen assoziiert.
Auch die strukturellen Rahmenbedingungen des Wohnimmobilienmarkts haben Auswirkungen auf die wirtschaftliche Resilienz:
Eine starke Regulierung des Mietwohnungsmarkts ist mit einem höheren Krisenrisiko und stärkeren Konjunkturabschwüngen verbunden, da sie den Wohnungsmarkt verzerrt. Sie ist jedoch auch mit weniger negativen GDP-at-Risk-Werten assoziiert, was auf konsumglättende Effekte schließen lässt.
Eine höhere Immobilienbesteuerung (in Form von Grundsteuern oder einer steuerlichen Behandlung von Wohnimmobilien im Rahmen der Einkommensteuer) führt zu einer Glättung der Wohnimmobilienzyklen.
Haupteffekte restriktiverer wohnungspolitischer Maßnahmen auf die Resilienz
|
GDP-at-Risk |
Krisenrisiko |
Stärke des Abschwungs |
Stärke der Erholung |
---|---|---|---|---|
Beleihungsgrenzen |
⇘ |
⇘ |
||
Eigenkapitalanforderungen für Hypothekenkredite |
⇘ |
⇗ |
||
Mietrechtliche Bestimmungen |
⇗ |
⇗ |
⇗ |
|
Immobiliensteuern |
⇘ |
Anmerkung: In der Tabelle sind die Ergebnisse der empirischen Untersuchungen der OECD in Cournède, Sakha und Ziemann (2019[1]) zusammengefasst. Es sind nur signifikante Ergebnisse aufgeführt. Restriktivere Maßnahmen schlagen sich in höheren Indikatorwerten nieder. Eine Ausnahme bilden die Beleihungsgrenzen (LTV), bei denen ein Rückgang des Indikatorwerts restriktivere Grenzen anzeigt. Grüne Pfeile stehen für günstige Ergebnisse, rote Pfeile für ungünstige Ergebnisse.
Die zentrale Bedeutung des Wohnimmobiliensektors für die wirtschaftliche Stabilität anerkennen
Wohnimmobilienmärkte tragen maßgeblich zur Wirtschaftstätigkeit bei. Außerdem können die Schwankungen bei Wohnimmobilienpreisen und Wohnungsbauinvestitionen beträchtlich ausfallen, Auswirkungen auf den Konjunkturzyklus haben und Schocks durch Bilanzeffekte bei privaten Haushalten und Kreditgebern verstärken (Abbildung 3.1).1 In Boomphasen sorgen eine gute Arbeitsmarktlage, das Wachstum der Wirtschaft und eine ausreichende Kreditversorgung für eine starke Nachfrage, was die realen Wohnimmobilienpreise in die Höhe treibt. Mit den Immobilienpreisen steigen auch die Beleihungswerte und das Nettovermögen der privaten Haushalte. Dies kann wiederum den Konsum der privaten Haushalte ankurbeln. Höhere reale Wohnimmobilienpreise führen u. U. zu Zweitrundeneffekten, da sie mit der Erwartung weiterer Preissteigerungen einhergehen und sich in einem Nachfrageanstieg niederschlagen können. Eine Lockerung der Kreditvergabestandards und Innovationen auf den Hypothekenmärkten können die Wohnimmobilienpreise weiter anheizen – ein Rückkoppelungseffekt, der im Zentrum der globalen Finanzkrise stand.
Eine Kontraktion des Wohnimmobilienmarkts ist durch die entgegengesetzten Entwicklungen gekennzeichnet. Zum einen sinken durch einen Rückgang der Wohnimmobilienpreise die Beleihungswerte, was bei Zahlungsausfällen zu größeren Verlusten für die Kreditgeber führt und somit Auswirkungen auf die Finanzstabilität hat. Zum anderen hat ein Immobilienpreisrückgang einen negativen Effekt auf das Vermögen der privaten Haushalte und die Aussichten im Bausektor, was in der Regel mit einem Rückgang der Ausgaben einhergeht. Dies führt zu einer geringeren gesamtwirtschaftlichen Aktivität und zu einer Verschlechterung der makroökonomischen Bedingungen, der Konjunkturaussichten sowie der Haushaltslage. Besonders negativ scheint sich ein Abschwung am Wohnimmobilienmarkt auf die Teilhabe und die Produktivität auszuwirken. Grund dafür ist die zentrale Bedeutung, die Wohnimmobilien als Sicherheiten für Kredite kleiner bzw. neuer Unternehmen zukommt. Daher geht ein Abschwung am Wohnimmobilienmarkt häufig mit einer schweren Rezession einher (Abbildung 3.2).
Risiken, die die makroökonomische Resilienz gefährden, entgegenwirken
Die Wohnungsnachfrage wird durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Zu nennen sind hier u. a. demografische Faktoren wie die Migration und Veränderungen des verfügbaren Einkommens, der Wohnimmobilienpreise, Zinssätze oder Kreditbedingungen. Nachfrageschocks können durch innerstaatliche Faktoren ausgelöst werden, aber auch durch internationale Faktoren wie beispielsweise Veränderungen der globalen Kapitalströme, die erhebliche Auswirkungen auf Wohnimmobilienmärkte haben können (Barcelona, Converse und Wong, 2020[3]). Ein unelastisches Wohnungsangebot führt bei Veränderungen der Wohnungsnachfrage entweder zu einem größeren Wohnungsleerstand (negativer Nachfrageschock) oder zu einem Wohnungsmangel (positiver Nachfrageschock), was wiederum Anpassungen bei den Wohnimmobilieninvestitionen und -preisen nach sich zieht. Inwieweit sich der Nachfrageschock in den Wohnimmobilienpreisen niederschlägt, hängt vom Finanzzyklus (z. B. anfängliche Über- oder Unterbewertung von Wohnimmobilienpreisen, Kreditbedingungen), Politikmaßnahmen (unelastisches Angebot durch Bauleitplanung, Mietpreisbegrenzung usw.) sowie zyklischen und strukturellen Variablen (z. B. Baukosten, Infrastruktur) ab.
Die Entwicklung der Wohnimmobilienpreise hat einen direkten Einfluss auf die Wohnungsnachfrage, aber auch indirekte Effekte über das Finanzsystem. Verändern sich die Wohnimmobilienpreise, hat dies beträchtliche Auswirkungen auf die Vermögensbilanzen der privaten Haushalte. Dies schlägt sich z. B. in der Zahl notleidender Kredite und in den Beleihungsquoten nieder. Veränderungen der Wohnimmobilienpreise wirken sich je nach Größe und institutioneller Struktur der Hypothekenmärkte auch auf den Konsum aus. Ein Beispiel hierfür sind die Bedingungen, unter denen private Haushalte ihre Wohnung beleihen können.
Durch verschiedene Kanäle und das Zusammenspiel mehrerer Politikbereiche, das Auswirkungen auf die Risikoanfälligkeit, das Ausmaß von Krisen und die Fähigkeit einer Volkwirtschaft hat, sich von Krisen zu erholen, kommt es zu Wechselwirkungen zwischen dem Wohnimmobiliensektor und der Gesamtwirtschaft (Abbildung 3.3). In diesem Zusammenhang gilt es, zwischen der Resilienz ex ante (Anfälligkeit gegenüber Schocks) und der Resilienz ex post (Erholung von Schocks) zu unterscheiden.
Beide Arten von Resilienz können mithilfe verschiedener Indikatoren gemessen werden. Die Ex-ante-Resilienz kann beispielsweise anhand der Krisenwahrscheinlichkeit (definiert als Häufigkeit starker negativer Trendabweichungen) und anhand des GDP-at-Risk beurteilt werden, das die Wirtschaftsleistung in schlechten Zeiten erfasst (d. h. die Veränderungen des BIP in den schlechtesten 5 % der Perioden). Die Ex-post-Resilienz wiederum kann mit Indikatoren für die Stärke des Abschwungs (Veränderung der Wirtschaftstätigkeit zwischen Hoch- und Tiefpunkt), die Dauer des Konjunkturabschwungs und die Dauer bis zur Erholung, d. h. bis die gesamtwirtschaftliche Produktion wieder das Vorkrisenniveau erreicht, erfasst werden. Ein Ländervergleich auf Basis dieser Indikatoren lässt darauf schließen, dass eine hohe Krisenwahrscheinlichkeit mit starken Konjunkturschwankungen und einer raschen Konjunkturerholung nach der Krise verbunden ist (Abbildung 3.4).
Makroprudenzielle Instrumente nutzen
Hauptziel der makroprudenziellen Politik ist es, finanziellen Risiken, die die wirtschaftliche Stabilität gefährden können, durch die Eindämmung systemischer Risiken vorzubeugen. Erreicht werden soll dies durch eine Steuerung der Kredit- und Vermögenspreiszyklen und indem sichergestellt wird, dass im Finanzsystem ausreichend Puffer vorhanden sind. Ein wesentlicher Vorteil einer makroprudenziellen Regulierung besteht darin, dass sie auf die Risiken spezifischer Sektoren wie des Wohnimmobiliensektors bzw. spezifischer Kreditportfolios wie z. B. Hypotheken ausgerichtet werden kann. Eine Verschärfung makroprudenzieller Maßnahmen geht im Gegensatz zu Zinsanhebungen nicht zwangsläufig mit einem allgemeinen Konjunkturrückgang einher, sodass die potenziellen Kosten solcher Maßnahmen begrenzt sind.
Zu den gebräuchlichsten makroprudenziellen Instrumenten zählen u. a.
Beleihungsgrenzen, die das Kreditvolumen auf einen bestimmten Prozentsatz des Wohnimmobilienpreises begrenzen (Abbildung 3.5). Die Erfahrungen im OECD-Raum zeigen, dass Länder mit niedrigeren Beleihungsgrenzen einem geringeren Krisenrisiko ausgesetzt sind (Kasten 1.8). Restriktivere Beleihungsgrenzen gehen allerdings auch mit einer langsameren Erholung einher. Auf kurze Sicht könnte es durch niedrigere Beleihungsgrenzen zudem zu einem Zielkonflikt zwischen Finanzstabilität und sozialer Teilhabe kommen, da jungen Haushalten mit geringen Ersparnissen dadurch der Erwerb eines Eigenheims erschwert wird. Mittel- bis langfristig wird jedoch dank niedrigerer Wohnimmobilienpreise die Immobilienkaufkraft aller Haushalte gesichert, auch die der jungen.
Schuldendienstquoten (Debt-Service-to-Income-Ratio bzw. DSTI), die den Schuldendienst für Wohnimmobilienkredite auf einen bestimmten Prozentsatz des Haushaltseinkommens begrenzen. In einigen Ländern basiert die DSTI auf den Schuldendienstkosten insgesamt und nicht nur auf den Schuldendienstkosten für Wohnimmobilien.
Obergrenzen für die Relation zwischen Darlehenswert und Einkommen (Loan-to-Income-Ratio bzw. LTI), die allerdings seltener zum Einsatz kommen. Sie entsprechen der DSTI für einen gegebenen Zinssatz bzw. eine bestimmte Rückzahlungsperiode, haben jedoch den Vorteil, dass sie in Boomphasen, in denen die Zinsen niedrig sind und Banken günstigere Kreditkonditionen anbieten, nicht nachgeben.
risikogewichtete Eigenkapitalanforderungen, die eine Mindesteigenkapitalquote festlegen, über die Banken für die Vergabe von Wohnimmobilienkrediten je nach Kreditrisiko verfügen müssen. Wie effektiv diese Anforderungen sind, hängt von der jeweiligen Kombination von Mindesteigenkapitalquoten und Risikogewichten ab. Regulierungsrahmen, die Banken verpflichten, bei der Vergabe von Hypothekenkrediten mehr Eigenkapital vorzuhalten, sind mit einer geringeren Krisenwahrscheinlichkeit und einer rascheren Erholung verbunden.
Seit der globalen Finanzkrise wird verstärkt auf makroprudenzielle Maßnahmen zurückgegriffen. Im Anschluss an die Krise wurden in den meisten Fällen sowohl die Eigenkapitalanforderungen erhöht als auch die Beleihungsgrenzen gesenkt. Seit 2012 sind bei den Beleihungsgrenzen größere Unterschiede festzustellen, da die Bestimmungen nach der Staatsschuldenkrise im Euroraum in vielen Ländern gelockert wurden. Vor dem Hintergrund der Covid-19-Krise haben die Länder Maßnahmen ergriffen, um Kreditnehmer und Kreditgeber zu unterstützen (Kasten 1.7 und OECD (2020[5])). Politikmaßnahmen zur Eindämmung der Hypothekenkredite dürften im Übrigen keine Kosten in Form eines geringeren Wohnungsangebots mit sich bringen: Ein weiteres Wachstum der Wohnimmobilienkredite ausgehend vom bereits hohen in den OECD-Ländern beobachteten Niveau scheint eher den Preisen als der Bautätigkeit Auftrieb zu geben (Kohl, 2020[6]).
Strukturpolitische Maßnahmen auf das Ziel wirtschaftlicher Resilienz ausrichten
Mietrechtliche Bestimmungen haben Auswirkungen auf die Wohnimmobilienzyklen
Mietpreisbeschränkungen und Mieterschutzbestimmungen werden aus verschiedenen sozialen und wirtschaftlichen Gründen eingeführt, so z. B., um durch eine Begrenzung der Mieterhöhungen erschwinglichen Wohnraum bereitzustellen und um für ein ausgewogeneres Kräfteverhältnis zwischen Mieter*innen und Vermieter*innen zu sorgen. Übermäßig restriktive Regelungen können allerdings die Anreize für Wohnungsbauinvestitionen und die Instandhaltung des Mietwohnungsbestands schwächen und die Entwicklung des Mitwohnungsmarkts behindern. Dies kann zu Wohnungsmangel führen, Spekulationsblasen am Wohnimmobilienmarkt verstärken und die Verschuldung der privaten Haushalte in die Höhe treiben, was mit beträchtlichen Risiken für die makroökonomische Stabilität und das Wirtschaftswachstum verbunden ist (Caldera und Johansson, 2013[7]; Cavalleri, Cournède und Özsöğüt, 2019[8]; Hermansen und Röhn, 2017[2]).
Der Mietwohnungsmarkt ist in den OECD-Ländern unterschiedlich stark reguliert (Abbildung 3.6). Die Daten lassen darauf schließen, dass strengere mietrechtliche Bestimmungen mit einem höheren Krisenrisiko und stärkeren Konjunkturabschwüngen verbunden sind (Kasten 3.1), da sie die Anpassung des Wohnungsangebots an die Nachfrage verzerren, was die Ungleichgewichte verstärken kann. Die BIP-Schwankungen (gemessen am GDP-at-Risk) fallen jedoch in Ländern mit hohem Mieterschutz in der Regel schwächer aus, weil die mietrechtlichen Bestimmungen gefährdete Mieter*innen vor den Folgen von Einkommensschocks schützen.
Kasten 3.1. Empirische Befunde zum Einfluss der Wohnungspolitik auf die wirtschaftliche Resilienz
Zusammenhänge zwischen Politikmaßnahmen und Ex-ante Resilienz
Makroprudenzielle Maßnahmen verringern die Wahrscheinlichkeit schwerer Konjunkturabschwünge – ein wichtiger Aspekt der Ex-ante-Resilienz. Probitregressionen zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit eines starken Abschwungs in Ländern mit restriktiveren makroprudenziellen Maßnahmen (Beleihungsgrenzen und Eigenkapitalanforderungen) geringer ist. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit älteren ökonomischen Studien, die belegen, dass makroprudenzielle Maßnahmen der Entstehung von Wohnimmobilienbooms und Kreditrisiken entgegenwirken. Diese geringere Krisenwahrscheinlichkeit geht nicht mit einem Rückgang des GDP-at-Risk (5 %-Quantil der Verteilung der Wachstumsergebnisse) einher, da sich Wohnimmobilien- und Kreditblasen in der Regel langsam entwickeln und bei einem länger anhaltenden Konjunkturabschwung platzen (nicht bei einem häufig auftretenden sehr langsamen BIP-Wachstum).
Auch zwischen mietrechtlichen Bestimmungen und Indikatoren der Ex-ante-Resilienz wurde ein signifikanter Zusammenhang beobachtet. Quantilregressionen zeigen, dass strengere mietrechtliche Bestimmungen mit einer geringeren Streuungsbreite der Wachstumsergebnisse assoziiert sind. Dies lässt darauf schließen, dass sie den Konsum der privaten Haushalte glätten. Strengere mietrechtliche Bestimmungen gehen allerdings auch mit einem höheren Risiko starker Abschwünge einher. Dies deckt sich mit dem Standpunkt, dass eine zu starke Regulierung des Mietwohnungsmarkts (die Fehlanreize für die Vermietung bzw. den Bau von Mietwohnungen schafft), zu einer Verzerrung zugunsten von Wohneigentum führen kann, was wiederum eine übermäßig hohe Hypothekenverschuldung zur Folge haben kann. Außerdem tragen sie durch die Verringerung des erwarteten Mietwerts von Wohnungen zu einer geringeren Reagibilität des Angebots bei und erhöhen damit das Risiko von Boom-Bust-Zyklen an den Wohnimmobilienmärkten.
Zusammenhänge zwischen Politikmaßnahmen und Ex-post-Resilienz
Gepoolte Regressionen zeigen, dass Messgrößen der Ex-post-Resilienz und Indikatoren des Wohnimmobilienzyklus mit makroprudenziellen und wohnungspolitischen Indikatoren zusammenhängen:
Niedrigere Beleihungsgrenzen sind mit kürzeren Boomphasen und schwächeren Konjunkturabschwüngen, aber auch mit einer schleppenderen Erholung verbunden.
Auch höhere Eigenkapitalanforderungen sind mit flacheren Zyklen assoziiert. Sie scheinen im Gegensatz zu restriktiven Beleihungsgrenzen allerdings mit einer rascheren Erholung einherzugehen.
Strengere mietrechtliche Bestimmungen sind mit kürzeren und weniger starken Boomphasen, aber auch mit weniger starken Abschwüngen verbunden, was darauf hindeuten könnte, dass sie durch den Schutz, den sie bieten, bis zu einem gewissen Grad für eine Glättung sorgen.
Auch eine höhere Besteuerung von Immobilien ist mit flacheren Konjunkturzyklen assoziiert, was ebenfalls auf einen glättenden Effekt schließen lässt.
Einige Studien beleuchten den kausalen Zusammenhang zwischen einer Neuausrichtung der Politik und realen, finanziellen und wohnraumbezogenen Variablen. Die Auswirkungen einer Politikänderung auf reale, finanzielle und wohnraumbezogene Variablen wurde mithilfe von Propensity-Score-Matching-Verfahren ermittelt, die es ermöglichen, Länder, in denen bestimmte Politikänderungen vorgenommen wurden, mit ähnlichen Ländern ohne derartige Politikänderungen zu vergleichen. Das Verfahren beruht auf dem Vergleich von zwei möglichst ähnlichen Phasen – einer mit Politikänderung (Teilnahmegruppe) und einer ohne (Kontrollgruppe). Dadurch kann die Politikänderung als exogener Faktor betrachtet werden, sodass die bei den Ergebnissen beobachteten Unterschiede zwischen Teilnahme- und Kontrollgruppe auf die Politikveränderung zurückgeführt werden können.
Die empirischen Analysen lassen darauf schließen, dass niedrigere Beleihungsgrenzen die Kreditvergabe an private Haushalte dämpfen und den Anstieg der realen Wohnimmobilienpreise bremsen. Außerdem scheinen sie keine nennenswerten Auswirkungen auf den privaten Verbrauch oder die gesamtwirtschaftliche Produktion zu haben. Diese beiden Befunde deuten darauf hin, dass Beleihungsgrenzen stabilisierend wirken, ohne mit bedeutenden makroökonomischen Kosten einherzugehen.
Auch die Immobilienbesteuerung kann Auswirkungen auf die Dynamik des Wohnimmobilienmarkts haben
Die verschiedenen steuerlichen Instrumente haben unterschiedliche Auswirkungen auf die Wohnimmobilienmärkte. Stempelgebühren beispielsweise können den Anstieg der Wohnimmobilienpreise verlangsamen, da dadurch die erwarteten Erträge spekulativer Immobilienkäufe sinken. Höhere Stempelgebühren verringern folglich das Transaktionsvolumen, erhöhen aber auch die Transaktionskosten beim Kauf von Wohnimmobilien und können zu einem Lock-in-Effekt führen, der eine Reallokation am Arbeitsmarkt erschwert (Kapitel 6). Im Gegensatz dazu sind laufende Immobiliensteuern im Hinblick auf das zyklische Verhalten der Wohnimmobilienmärkte und die ökonomische Resilienz weitgehend neutral. Ihr Haupteffekt besteht in einer Verkleinerung des Wohnimmobilienmarktes, da Wohnraum dadurch teurer wird. Daher ist es wichtig, anhand des effektiven Grenzsteuersatzes auf selbstgenutztes Wohneigentum und Mietwohnungen den kombinierten Effekt aller steuerlichen Instrumente und nicht den Effekt einzelner Instrumente zu messen (Abbildung 3.6).
Der effektive Grenzsteuersatz ergibt sich aus der Differenz zwischen der Vor- und der Nachsteuerrendite einer Grenzinvestition, geteilt durch die Kapitalkosten dieser Investition, wobei die reale Rendite nach Steuern die Mindestrendite ist, die nötig ist, damit sich die Investition lohnt (OECD, 2018[11]). Die (anhand des effektiven Grenzsteuersatzes gemessene) Immobilienbesteuerung führt in der Regel zu einer Glättung der Konjunkturzyklen: Ein höherer effektiver Grenzsteuersatz ist mit weniger starken Konjunkturabschwüngen verbunden (Kasten 3.1).
Die Reagibilität des Angebots hat auch Auswirkungen auf die wirtschaftliche Resilienz
Politikmaßnahmen wie mietrechtliche Bestimmungen und Flächennutzungsvorschriften, die Auswirkungen auf die Dynamik der Wohnimmobilienzyklen haben, beeinflussen, wie stark das Wohnraumangebot auf Veränderungen der Nachfrage reagiert. In Ländern, in denen das Wohnungsangebot stärker auf die Nachfrage reagiert, ist der Wohnungsbausektor durch einen höhere Volatilität gekennzeichnet (Cavalleri, Cournède und Özsöğüt, 2019[8]).
Literaturverzeichnis
[3] Barcelona, W., N. Converse und A. Wong (2020), „US Housing as a Global Safe Asset: Evidence from China Shocks“, Präsentation beim BoE-BdF-IMF-OECD-Workshop “International Capital Flows and Financial Policies”, 20. Oktober, https://www.banque-france.fr/sites/default/files/session1_c_presentation_converse.pdf.
[9] Brys, B. et al. (erscheint demnächst), Effective Taxation of Residential Property, erscheint demnächst.
[7] Caldera, A. und Å. Johansson (2013), „The price responsiveness of housing supply in OECD countries“, Journal of Housing Economics, Vol. 22/3, S. 231–249, https://doi.org/10.1016/J.JHE.2013.05.002.
[8] Cavalleri, M., B. Cournède und E. Özsöğüt (2019), „How responsive are housing markets in the OECD? National level estimates“, OECD Economics Department Working Papers, No. 1589, OECD Publishing, Paris, https://dx.doi.org/10.1787/4777e29a-en.
[10] Cournède, B., F. De Pace und V. Ziemann (2020), „The Future of Housing: Policy Scenarios“, OECD Economics Department Working Papers, No. 1624, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/0adf02cb-en.
[1] Cournède, B., S. Sakha und V. Ziemann (2019), „Empirical links between housing markets and economic resilience“, OECD Economics Department Working Papers, No. 1562, OECD Publishing, Paris, https://dx.doi.org/10.1787/aa029083-en.
[4] Harding, D. und A. Pagan (2002), „Dissecting the cycle: a methodological investigation“, Journal of Monetary Economics, Vol. 49/2, S. 365–381, https://doi.org/10.1016/S0304-3932(01)00108-8.
[2] Hermansen, M. und O. Röhn (2017), „Economic resilience: The usefulness of early warning indicators in OECD countries“, OECD Journal: Economic Studies, Vol. 2016/1, S. 9–35, https://doi.org/10.1787/eco_studies-2016-5jg2ppjrd6r3.
[6] Kohl, S. (2020), „Too much mortgage debt? The effect of housing financialization on housing supply and residential capital formation“, Socio-Economic Review, 30. September, https://doi.org/10.1093/ser/mwaa030.
[5] OECD (2020), „Housing Amid COVID-19: Policy Responses and Challenges“, OECD Policy Responses to Coronavirus (COVID-19), 22. Juli, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/cfdc08a8-en.
[11] OECD (2018), Taxation of Household Savings, OECD Tax Policy Studies, No. 25, OECD Publishing, Paris, https://dx.doi.org/10.1787/9789264289536-en.
Anmerkung
← 1. Dieses Kapitel erörtert politikrelevante Erkenntnisse über die Auswirkungen des Wohnimmobiliensektors auf die wirtschaftliche Stabilität. Es stützt sich auf zwei Hintergrundpapiere, die auch detaillierte Literaturangaben enthalten (Cournède, Sakha und Ziemann, 2019[43]; Cavalleri, Cournède und Ziemann, 2019[2]).