Dieses Kapitel befasst sich mit förderungsbedürftigen jungen Menschen: junge Menschen, die arbeitslos sind (weder in Beschäftigung noch in Bildung oder Ausbildung – NEET) oder davon bedroht sind. Es werden einige der zusätzlichen Hindernisse angesprochen, mit denen diese jungen Menschen konfrontiert sind: geringere Lese- und alltagsmathematische Kompetenz und schwächere Allgemeinbildung, fehlende Berufserfahrung sowie fehlende soziale Netzwerke und Soft Skills. Das Kapitel wirft einen kritischen Blick auf die Bereiche, in denen die Politik ansetzen kann, um Arbeitgeber zu ermutigen, förderungsbedürftigen jungen Menschen einen Ausbildungsplatz anzubieten. Dazu gehören die finanzielle Förderung, die Dauer der Ausbildung, berufsvorbereitende Maßnahmen und individuell angepasste ausbildungsbegleitende Hilfen.
Sieben Fragen zur betrieblichen Ausbildung
Kapitel 6. Wie kann betriebliche Ausbildung förderungsbedürftigen jungen Menschen helfen?
Abstract
Die statistischen Daten für Israel wurden von den zuständigen israelischen Stellen bereitgestellt, die für sie verantwortlich zeichnen. Die Verwendung dieser Daten durch die OECD erfolgt unbeschadet des völkerrechtlichen Status der Golanhöhen, von Ost-Jerusalem und der israelischen Siedlungen im Westjordanland.
Fragen und Herausforderungen
Die betriebliche Ausbildung kann die Berufs- und Lebensaussichten förderungsbedürftiger junger Menschen verbessern
Die betriebliche Ausbildung gilt zunehmend als Instrument, das den Übergang von der Schule in den Beruf effektiv unterstützt und helfen kann, Jugendarbeitslosigkeit und Inaktivität zu bekämpfen. Sie ist besonders sinnvoll für förderungsbedürftige junge Menschen, die Schwierigkeiten haben, die Schule abzuschließen oder einen guten Arbeitsplatz zu finden. Förderungsbedürftige junge Menschen sind in diesem Kapitel definiert als junge Menschen, die weder in Beschäftigung noch in Bildung oder Ausbildung (NEET) sind oder Gefahr laufen, in diese Situation zu geraten. Internationale Befunde lassen darauf schließen, dass die betriebliche Ausbildung den Übergang von der Schule in den Beruf erleichtern kann: Die OECD-Länder, in denen ein hoher Anteil der Jugendlichen eine betriebliche Ausbildung absolviert, weisen einen niedrigeren Anteil von Jugendlichen auf, die beim Übergang in ein Beschäftigungsverhältnis Schwierigkeiten haben (Quintini und Martin, 2014[1]). In den Vereinigten Staaten hat eine Evaluierung der verschiedenen Ausbildungswege gezeigt, dass eine Kombination aus schulischer und betrieblicher Ausbildung die Arbeitsmarktergebnisse junger Menschen verbessern kann (Sattar, 2010[2]). Diese Ausbildungen haben nicht nur berufsbezogene Vorteile: Sie können jungen Menschen helfen, nicht auf die schiefe Bahn zu geraten und so dazu beitragen, die Zahl der Festnahmen und Inhaftierungen zu reduzieren und die Sterberaten zu senken (Gelber, Isen und Kessler, 2014[3]; Sattar, 2010[2]).
Förderungsbedürftige junge Menschen haben häufig größere Schwierigkeiten, einen Ausbildungsplatz zu finden
Für förderungsbedürftige junge Menschen kann es jedoch schwierig sein, einen Ausbildungsplatz zu finden. Junge Menschen, die in strukturschwachen Regionen leben, haben häufig weniger Beschäftigungsmöglichkeiten. Hinzu kommt, dass Familienangehörige und Freunde oft arbeitslos oder geringqualifiziert sind, was die informellen Beziehungen zu Arbeitgebern und Personalvermittlern einschränkt. Und selbst wenn Kontakte zu Ausbildungsbetrieben hergestellt werden können, bleibt ein großes Hindernis bestehen: Es muss sichergestellt werden, dass die Arbeitgeber förderungsbedürftigen jungen Menschen auch tatsächlich eine Chance bieten.
Das Potenzial der betrieblichen Ausbildung kann nur dann ausgeschöpft werden, wenn der Ausbildungsbetrieb auch davon profitiert
Ein Grund, förderungsbedürftige junge Menschen als Auszubildende einzustellen, besteht darin, den sozialen Zusammenhalt des Gemeinwesens zu stärken. Die Arbeitgeber müssen jedoch auch ein Unternehmen führen und Gewinne erwirtschaften und nur wenige können es sich leisten, einen Auszubildenden einzustellen, wenn dem Unternehmen dadurch Verluste entstehen. Die betriebliche Ausbildung darf also nicht nur darauf ausgerichtet sein, den Arbeitgebern die Möglichkeit zu bieten, soziale Verantwortung zu zeigen, sondern sie muss auch gut mit ihren Unternehmenszielen übereinstimmen. Dazu ist es erforderlich, die finanziellen Auswirkungen auf den Ausbildungsbetrieb zu berücksichtigen.
Eine Herausforderung besteht darin, dass förderungsbedürftige junge Menschen tendenziell schwächere Kompetenzen aufweisen
Förderungsbedürftige junge Menschen haben in der Regel relativ schwache Kompetenzen. Das ist ein Grund, weshalb Arbeitgeber häufig zögern, sie als Auszubildende einzustellen. Einige dieser Schwächen beziehen sich auf die schulischen Leistungen: NEETs haben tendenziell schwächere Lese- und alltagsmathematische Kompetenzen als junge Menschen, die sich in Beschäftigung, Bildung oder Ausbildung befinden (Abbildung 6.1). Manchmal betreffen die Schwächen aber auch Soft Skills und Persönlichkeitsmerkmale: In den Vereinigten Staaten wurde in einigen Studien festgestellt, dass Sekundarschulabbrecher und Schulabbrecher, die den Sekundarschulabschluss nachgeholt hatten, in einigen Bereichen schwächere nichtkognitive Kompetenzen und Soft Skills (z.B. Ausdauer und Gewissenhaftigkeit) aufwiesen als diejenigen, die die Schule nicht abgebrochen hatten (Heckman und Rubinstein, 2001[4]; Heckman, Stixrud und Urzua, 2006[5]). Derartige Unterschiede im Persönlichkeitsprofil sind wichtig für die Ausbildungsbetriebe, weil sich die Kompetenzen der Auszubildenden auf ihre Leistungsfähigkeit und die Erfolgsaussichten ihrer Ausbildung auswirken.
Die Ausbildung förderungsbedürftiger junger Menschen ist für die Ausbildungsbetriebe mit höheren Kosten verbunden
Auszubildende mit schwächeren Grundkompetenzen sind bei der Arbeit weniger produktiv – ein Auszubildender zum Mechatroniker ist für eine Autowerkstatt weniger rentabel, wenn er Schwierigkeiten hat, Informationen im Technikportal des Fahrzeugherstellers zu finden. Lücken in den Soft Skills haben einen ähnlichen Effekt – es gibt Auszubildende, die Schwierigkeiten haben, pünktlich zur Arbeit zu kommen oder Konflikte mit Kollegen zu lösen. Eines der Ziele der betrieblichen Ausbildung besteht darin, diese Defizite zu beheben. Dies erfordert jedoch Zeit und Unterstützung, denn einige Auszubildende haben Nachholbedarf und entwickeln sich langsamer als der Durchschnitt. Das bedeutet, dass viele förderungsbedürftige junge Menschen ausbildungsbegleitende Hilfen benötigen, um die erforderlichen Kompetenzen zu erwerben. Dadurch sinkt der Nutzen für die Ausbildungsbetriebe, weil die Auszubildenden weniger produktiv einsetzbar sind und mehr Zeit für die Ausbildung benötigen.
Die betriebliche Ausbildung muss so gestaltet sein, dass sie die Bedürfnisse förderungsbedürftiger junger Menschen berücksichtigt und gleichzeitig für die Ausbildungsbetriebe attraktiv bleibt
Um das Potenzial der betrieblichen Ausbildung für förderungsbedürftige junge Menschen voll auszuschöpfen, muss sichergestellt werden, dass sie mit den Geschäftsinteressen der Ausbildungsbetriebe im Einklang steht. Deshalb muss das Kosten-Nutzen-Verhältnis für die Ausbildungsbetriebe verbessert werden, damit es für sie attraktiver wird, dieser Gruppe Chancen zu eröffnen. Internationale Befunde lassen darauf schließen, dass dies am besten durch nichtfinanzielle Maßnahmen erreicht wird.
Eine Veränderung der Ausbildungsparameter (z.B. Ausbildungsvergütung, -dauer und -inhalt) kann dazu beitragen, die Ausbildung förderungsbedürftiger junger Menschen für die Ausbildungsbetriebe attraktiver zu gestalten. Dazu gibt es folgende Möglichkeiten:
Entwicklung einer zielgenauen Berufsausbildung, die auf die spezifischen Bedürfnisse dieser jungen Menschen abgestimmt und für die Ausbildungsbetriebe attraktiv ist, wie beispielsweise eine verkürzte Ausbildung
Einführung von berufsvorbereitenden Bildungs- und Unterstützungsmaßnahmen für förderungsbedürftige junge Menschen vor Beginn einer regulären Ausbildung
These 1: Die Instrumente der Politik sind wahrscheinlich am effektivsten, wenn sie sich auf das Ausbildungssystem und Fördermaßnahmen konzentrieren
Mehrere Länder nutzen finanzielle Anreize, um die betriebliche Ausbildung benachteiligter junger Menschen zu fördern
Mehrere Länder ermutigen Unternehmen durch Subventionen oder Steuervergünstigungen, schwer vermittelbaren jungen Menschen einen Ausbildungsplatz anzubieten. In Österreich erhalten Unternehmen, die jungen Menschen eine „integrative Berufsausbildung“ (IBA) anbieten, höhere Subventionen, und der für die Auszubildenden und Ausbilder erforderliche zusätzliche Ausbildungsaufwand wird teilweise durch öffentliche Mittel finanziert (WKO, 2016[7]). Australien subventioniert Unternehmen, die Auszubildende aus bestimmten Gruppen, beispielsweise indigene Australier und schwer vermittelbare Arbeitsuchende, einstellen (Australian Government, 2017[8]). In Frankreich erhalten Unternehmen, die benachteiligte Auszubildende einstellen – insbesondere junge Menschen ohne Berufsabschluss und Jugendliche, die eine Eingliederungsvereinbarung (contrat de volontariat pour l’insertion) unterzeichnet haben – höhere Steuervergünstigungen. Die Zielgruppe sind Menschen, die den Anschluss an den Arbeitsmarkt verloren haben (Service-Public-Pro, 2016[9]).
Zielgenaue Maßnahmen für förderungsbedürftige junge Menschen sind schwierig
Wie in Kapitel 2 verdeutlicht, lassen internationale Befunde darauf schließen, dass finanzielle Anreize nicht unbedingt ein gutes Mittel sind, um das Angebot an Ausbildungsplätzen zu erhöhen. Gegen Beihilfen für förderungsbedürftige Auszubildende können ähnliche Argumente vorgebracht werden. Es gibt Wirtschaftszweige mit Arbeitskräftemangel, in denen die Arbeitgeber dazu bereit sind, förderungsbedürftige junge Menschen als Auszubildende einzustellen. In diesen Sektoren werden die verfügbaren Subventionen wahrscheinlich in Anspruch genommen, in den meisten Fällen sind es jedoch Mitnahmeeffekte, d.h. es werden nur wenige zusätzliche Auszubildende eingestellt. Die Evaluierung einer solchen gezielten Subvention in Deutschland verdeutlicht diesen Sachverhalt. 2008 wurde in Deutschland ein Ausbildungsbonus für Unternehmen eingeführt, die betriebliche Ausbildungsplätze für junge Menschen anboten, die sich erfolglos um eine berufliche Ausbildung bemüht hatten und einen Hauptschulabschluss, einen Sonderschulabschluss oder keinen Schulabschluss hatten. Obwohl die Förderung die Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze voraussetzte (d.h. der Bonus wurde nur gezahlt, wenn die Anzahl der Ausbildungsverhältnisse im Betrieb bei Ausbildungsbeginn höher war als im Durchschnitt der letzten drei Jahre), wurde in der Evaluierung festgestellt, dass nur in jedem zehnten Fall ein zusätzlicher Ausbildungsplatz geschaffen wurde – die anderen Auszubildenden wären sowieso eingestellt worden (Bonin, 2013[10]). Das Programm wurde 2010 eingestellt. Der Förderbetrag war offensichtlich zu niedrig, und selbst mit dem Bonus war die Ausbildung für die Ausbildungsbetriebe mit Nettokosten verbunden, insbesondere weil die förderungsbedürftigen Teilnehmer mehr Unterrichtszeit benötigten. Da die Ausbildungsplätze letztendlich für junge Menschen vorgesehen waren, die die Unternehmen nach Abschluss der Ausbildung übernehmen wollten, wären sie in den meisten Fällen auch ohne Subventionen geschaffen worden (Mühlemann, 2016[11]).
Die Anstrengungen der Politik sollten sich auf Maßnahmen konzentrieren, die keine finanziellen Anreize beinhalten
Internationale Erfahrungen deuten darauf hin, dass es besser ist, sich auf nichtmonetäre Instrumente zu konzentrieren, die es für Ausbildungsbetriebe attraktiv machen, förderungsbedürftigen jungen Menschen einen Ausbildungsplatz anzubieten. So vertraten die Unternehmen bei der Evaluierung des deutschen Ausbildungsbonus die Auffassung, dass eine Stärkung der Grundkompetenzen der Bewerber und bessere ausbildungsbegleitende Hilfen für die schwächeren Auszubildenden hilfreicher wären als eine Subvention (Wenzelmann, 2016[12]). Forschungsarbeiten aus der Schweiz (Mühlemann, Braendli und Wolter, 2013[13]) lassen darauf schließen, dass die Unternehmen dazu bereit sind, in eine verlängerte Lehrzeit von Auszubildenden mit schlechten Schulnoten zu investieren, zumindest in Berufen, bei denen sie während der Ausbildung einen Nettonutzen erwarten. Dies ist ein Hinweis darauf, dass es wichtig ist, die Ausbildungsmaßnahmen für förderungsbedürftige junge Menschen so zu konzipieren, dass die Ausbildung für den Ausbildungsbetrieb am Ende mindestens kostendeckend ist.
These 2: Die betriebliche Ausbildung kann sowohl den Ausbildungsbetrieben als auch den förderungsbedürftigen jungen Menschen zugutekommen
Es ist möglich, Ausbildungsprogramme für förderungsbedürftige junge Menschen so zu konzipieren, dass es für die Ausbildungsbetriebe und die Auszubildenden von Vorteil ist
Forschungsergebnisse zeigen, dass es möglich ist, die Berufsausbildung so zu gestalten, dass sowohl die förderungsbedürftigen jungen Menschen als auch die Ausbildungsbetriebe davon profitieren, indem die Parameter (z.B. Dauer, Ausbildungsvergütung, Verhältnis zwischen inner- und außerbetrieblicher Ausbildung) sorgfältig angepasst werden. Die Ausbildung muss für die Ausbildungsbetriebe kostendeckend sein und die förderungsbedürftigen jungen Menschen müssen gezielt Kompetenzen entwickeln. In der Schweiz beispielsweise ist die speziell auf förderungsbedürftige junge Menschen ausgerichtete zweijährige betriebliche Ausbildung für die Ausbildungsunternehmen im Durchschnitt kostendeckend. Dies wird erreicht, ohne die Qualität der Ausbildung einzuschränken: Fast die Hälfte der Absolventen schafft den Einstieg in die weiterführende Grundbildung, die zum EFZ (Eidgenössisches Fähigkeitszeugnis) führt, und drei Viertel der übrigen Absolventen finden nach Abschluss der Ausbildung eine Stelle (Fuhrer und Schweri, 2010[14]). Das Programm umfasst verschiedene Förderinstrumente (vgl. Kasten 6.1).
Kürzere Ausbildungen mit flexibler Dauer können für förderungsbedürftige junge Menschen besser geeignet sein
In Berufen, für die eine relativ kurze Ausbildungsdauer angemessen ist, können betriebliche Ausbildungen dazu beitragen, die Abschlussquoten zu erhöhen. In der Schweiz wurde eine zweijährige Berufsausbildung für förderungsbedürftige junge Menschen eingeführt (die meisten betrieblichen Ausbildungen dauern drei bis vier Jahre). In Österreich wurde die sogenannte integrative Berufsausbildung eingeführt, bei der die Auszubildenden eine Teilqualifikation erwerben oder eine Ausbildung in verlängerter Lehrzeit absolvieren können (BMWFW, 2016[15]). Die betriebliche Ausbildung darf keine Sackgasse sein: Nach dem Abschluss sollten die Auszubildenden Zugang zu einer weiterführenden Qualifizierung haben.
Einige Berufe sind für förderungsbedürftige junge Menschen besser geeignet als andere
Die Ausbildungsbetriebe sind eher dazu bereit, förderungsbedürftigen Auszubildenden zu helfen, wenn sie diese Auszubildenden als produktive Arbeitskräfte benötigen und sie nicht auf den Ausbildungskosten sitzen bleiben. Aus Forschungsergebnissen geht hervor, dass die Schweizer Ausbildungsbetriebe in den Berufen, in denen sie eine kostendeckende Ausbildung erwarteten, Auszubildende mit schlechten Schulnoten und Nachholbedarf besonders unterstützten. In den Berufen, in denen die Unternehmen Auszubildende einstellten, um die Besten nach Abschluss der Ausbildung zu übernehmen, war das Gegenteil der Fall. In diesen Fällen wurden die Leistungsstärksten besonders gefördert (Mühlemann, Braendli und Wolter, 2013[13]), was nicht überraschend ist, denn wenn der Nutzen der Ausbildungsbetriebe hauptsächlich darin besteht, die Besten zu übernehmen, werden die besten Auszubildenden verstärkt gefördert. Das bedeutet, dass Berufe, bei denen die Ausbildungsbetriebe bereits während der Ausbildung einen Nutzen erzielen, möglicherweise für förderungsbedürftige Jugendliche besser geeignet sind. Wenn die Ausbildungsbetriebe Auszubildende einstellen, um sie für produktive Tätigkeiten einzusetzen, und nicht um sie zu übernehmen, muss sichergestellt werden, dass die Auszubildenden berufliche Kompetenzen erwerben und nicht nur als billige Arbeitskräfte ausgebeutet werden – Kapitel 5 befasst sich näher mit diesem Thema.
Kasten 6.1 Betriebliche Ausbildung für förderungsbedürftige junge Menschen
Zweijährige berufliche Grundbildung (Eidgenössisches Berufsattest – EBA) in der Schweiz
Diese Programme richten sich an junge Menschen ab 15 Jahren, die einen Abschluss im Sekundarbereich I besitzen, Gefahr laufen, aus dem Bildungs- und Ausbildungssystem zu fallen oder Schwierigkeiten haben, eine drei- oder vierjährige Ausbildung zu finden. Sie bieten Ausbildungen in rd. 60 Berufen an, wie Einzelhandelsassistent, Assistent im Gesundheits- und Sozialwesen und Friseur (SDBB, 2016[16]). Sie sind ähnlich strukturiert wie die längeren betrieblichen Ausbildungsgänge und kombinieren betriebliche und schulische Komponenten. Die Auszubildenden werden unterstützt, beispielsweise durch individuelle Begleitung, Stütz- und Förderkurse sowie betriebliche Ausbilder (SBFI, 2014[17]).
Die erfolgreichen Absolventen können ihre Ausbildung in einer drei- bis vierjährigen beruflichen Grundbildung fortsetzen, wobei normalerweise das erste Jahr angerechnet wird – 41% setzen ihre Ausbildung innerhalb von zwei Jahren nach Abschluss des EBA fort. Unter den Absolventen, die ihre Ausbildung nicht fortsetzen, finden 75% innerhalb von sechs Monaten eine Stelle (SBFI, 2014[17]).
Quelle: Fuhrer, M., und J. Schweri (2010[14]) “Two-year apprenticeships for young people with learning difficulties: a cost-benefit analysis for training firms”, Empirical Research in Vocational Education and Training, Vol. 2/22, www.skbf-csre.ch; SBFI (2014[17]), Zweijährige Berufliche Grundbildung mit Eidgenössischem Berufsattest, Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation, www.sbfi.admin.ch/berufsbildung; SDBB (2016[16]), “EBA-Beruf – 2-jährige Lehre”, www.berufsberatung.ch.
Integrative Berufsausbildung (IBA) in Österreich
Die integrative Berufsausbildung wurde 2003 eingeführt und erfasste 2014 6% der Auszubildenden (Dornmayr, 2012[18]). Sie richtet sich an Lernende mit sonderpädagogischem Förderbedarf oder mit Behinderungen und an Personen ohne Hauptschulabschluss (BMWFW, 2016[15]). Die Teilnehmer können ihre Ausbildung um ein oder zwei Jahre verlängern oder eine Teilqualifikation erwerben. Sie werden in der betrieblichen und schulischen Ausbildung unterstützt. Die schulbasierte Komponente wird an die Bedürfnisse der Auszubildenden angepasst: Die Lehrkräfte können gezielte Fortbildungskurse besuchen, sie werden pädagogisch unterstützt und die Klassengröße wird reduziert. Die Auszubildenden, die eine Teilqualifikation erwerben, folgen einem maßgeschneiderten Lehrplan und besuchen kleinere Klassen.
Quelle: BMWFW (2016[15]), “Lehrausbildung in verlängerter Lehrzeit und in Teilqualifikation”, www.bmwfw.gv.at/Berufsausbildung; Dornmayr, H. (2012[18]), “Berufseinmündung von AbsolventInnen der Integrativen Berufsausbildung”, ibw-Forschungsbericht, Nr. 167, Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft, www.bmwfw.gv.at/Berufsausbildung/LehrlingsUnd Berufsausbildung.
Förderungsbedürftige junge Menschen benötigen häufig berufsvorbereitende Maßnahmen, um sie für die Berufsausbildung fit zu machen
Wenn die Auszubildenden gut vorbereitet sind – wenn sie etwa Schwächen in Lesekompetenz und alltagsmathematischer Kompetenz behoben haben, ihren Wunschberuf sorgfältig ausgewählt haben und dazu bereit sind, in einem realen Arbeitsumfeld zu arbeiten und zu lernen –, sind sie in den Augen potenzieller Arbeitgeber attraktiver und haben bessere Chancen, ihre Ausbildung abzuschließen. Viele Länder bieten deshalb umfangreiche berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen an.
Diese Programme ermutigen förderungsbedürftige junge Menschen und bieten ihnen finanzielle Unterstützung zur Vorbereitung auf eine betriebliche Ausbildung.
Angesichts der vielfältigen Ansätze in diesem Bereich und der begrenzten Evidenzbasis sollten neue Initiativen zunächst erprobt und evaluiert werden, bevor die effektivsten Programme eingeführt werden.
These 1: Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen können förderungsbedürftige junge Menschen beim Übergang in die betriebliche Ausbildung unterstützen
Berufsvorbereitende Maßnahmen können förderungsbedürftigen jungen Menschen helfen, sich auf die betriebliche Ausbildung vorzubereiten
Da es schwierig ist, Arbeitgeber dazu zu bringen, unzureichend vorbereiteten jungen Menschen einen Ausbildungsplatz anzubieten, besteht ein alternativer Ansatz darin, die Schwächen in den Kompetenzen der Jugendlichen vor Ausbildungsbeginn zu beheben. Das Ziel besteht darin, förderungsbedürftigen jungen Menschen zu helfen, ihre Grundkompetenzen zu verbessern und so ihre Chancen zu erhöhen, einen Ausbildungsplatz zu finden. Diese Maßnahmen können Schwächen in Lesekompetenz und alltagsmathematischer Kompetenz beheben, erste berufliche Kompetenzen vermitteln und die Soft Skills sowie die Beschäftigungsfähigkeit verbessern. Die Arbeitgeber sind eher dazu bereit, in besser vorbereitete Auszubildende zu investieren, weil diese mehr zur Produktion beitragen, schneller lernen, weniger Förderbedarf haben und mit geringerer Wahrscheinlichkeit die Ausbildung abbrechen.
Berufsvorbereitende Maßnahmen sind besonders wichtig, wenn die betriebliche Ausbildung zu einem beruflichen Abschluss des Sekundarbereichs II führen soll
In vielen OECD-Ländern gibt es berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen, die einen Übergang zur betrieblichen Ausbildung ermöglichen (vgl. Tabelle 6.1). Diese Programme zielen nicht nur darauf ab, schulische, berufliche und soziale Kompetenzen zu entwickeln, sondern sie bieten häufig auch Berufsberatung, Praktika und Bewerbungstraining, um den Teilnehmern einen passenden Ausbildungsplatz zu vermitteln. In den Ländern, in denen die Berufsausbildung des Sekundarbereichs II in der Regel durch eine betriebliche Ausbildung erfolgt (z.B. mehrere Länder in Kontinentaleuropa), können Auszubildende, die keinen Ausbildungsplatz finden, vom Arbeitsmarkt und den Ausbildungsmöglichkeiten abgekoppelt werden. In diesen Ländern fungieren berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen als Brücke zwischen dem Sekundarbereich I und dem Sekundarbereich II. Manchmal werden Programme für förderungsbedürftige junge Menschen auch außerhalb der formalen Strukturen angeboten. So werden in den Vereinigten Staaten beispielsweise viele Programme von öffentlichen und privaten Anbietern entwickelt, was die Innovation fördert, die Aufrechterhaltung und Erweiterung funktionierender Ansätze jedoch erschwert.
Tabelle 6.1 Berufsvorbereitende Maßnahmen in ausgewählten OECD-Ländern
Land |
Programm |
Zielgruppe |
Regeldauer |
Inhalt |
---|---|---|---|---|
Australien |
Berufsvorbereitung |
6-12 Monate |
Allgemeine Beschäftigungsfähigkeit, berufsspezifische Kompetenzen |
|
Deutschland |
Einstiegsqualifizierung (EQ) |
Junge Menschen (16-25 Jahre) |
6-12 Monate |
Betriebliches Langzeitpraktikum, optional mit Berufsschulbesuch |
Berufsvorbereitungsjahr |
Jugendliche unter 18 Jahren |
12 Monate (Verlängerung bis auf 18 Monate) |
Allgemeinbildende Fächer in einer berufsbildenden Schule, Unterricht in drei Berufsfeldern (einschl. Betriebspraktika) |
|
Berufsgrundbildungsjahr |
12 Monate |
Fachtheorie und Arbeitspraxis in einem ausgewählten Feld, Betriebspraktikum |
||
England (Ver. Königreich) |
Praktikum |
Junge Menschen (16-24 Jahre), unter Kompetenzstufe 3 mit wenig Berufserfahrung und nicht erwerbstätig |
6 Wochen bis 6 Monate |
Betriebspraktikum, Berufsvorbereitung, ggf. Lesekompetenz und Mathematik |
Schottland (Ver. Königreich) |
Certificate of Work Readiness |
16- bis 24-Jährige |
10-12 Wochen |
Außerbetriebliche Ausbildung, Förderung der Beschäftigungsfähigkeit, Berufserfahrung |
Schweiz |
SEMO |
Junge Menschen unter 25 Jahren |
6 Monate (Verlängerung bis auf 9,5 Monate) |
1-2 Tage pro Woche in einer berufsbildenden Schule |
Überbrückungsmaßnahmen |
12 Monate |
Lesekompetenz, Mathematik, Motivation und Berufsberatung |
||
Ver. Staaten |
Berufsvorbereitung |
Lesekompetenz, Mathematik, Beschäftigungsfähigkeit |
Anmerkung: In Kanada werden derzeit berufsvorbereitende Maßnahmen eingeführt.
Quelle: Kis, V. (2016[19]), “Work-based learning for youth at risk: Getting employers on board”, OECD Education Working Papers, No. 150, http://dx.doi.org/10.1787/5e122a91-en.
These 2: Programme, die Lernenden eine außerbetriebliche Ausbildung ermöglichen, sollten den Übergang in das reguläre Ausbildungssystem sichern
Einige Länder haben Programme aufgelegt, die jungen Menschen eine außerbetriebliche Ausbildung ermöglichen
Ein anderer Ansatz besteht darin, jungen Menschen zunächst eine außerbetriebliche Ausbildung anzubieten, bei der das Arbeitsumfeld nachgebildet wird, und ihnen anschließend den Übergang zu einer regulären betrieblichen Ausbildung zu ermöglichen. So hat Österreich beispielsweise eine überbetriebliche Ausbildung (ÜBA) für junge Menschen eingeführt, die keinen Ausbildungsplatz finden können. Die praktische Ausbildung findet in Kooperation mit Firmen aus der Wirtschaft statt. Etwa ein Viertel der Teilnehmer wird auf eine Lehrstelle am ersten Arbeitsmarkt vermittelt, der Rest erhält einen Berufsabschluss, der dem einer betrieblichen Ausbildung gleichgestellt ist (Hofbauer, Kugi-Mazza und Sinowatz, 2014[20]). In Deutschland wird ein ähnliches Programm (Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen – BaE) für mehrere Berufe angeboten, das sich an benachteiligte Jugendliche und an solche mit Lernschwächen richtet. Die Teilnehmer werden nach einem Jahr ermutigt, einen regulären Ausbildungsplatz zu suchen. Diejenigen, die keinen finden, können das Programm fortsetzen und einen Abschluss erwerben (Bonin et al., 2010[21]).
Einige wichtige Vorteile der betrieblichen Ausbildung fehlen jedoch bei diesen Programmen
Junge Menschen, die nicht sofort einen regulären Ausbildungsplatz finden, profitieren von diesen Programmen, da sie eine Ausbildungsvergütung erhalten und einen Abschluss erwerben können. Einige Vorteile regulärer betrieblicher Ausbildungen fehlen jedoch. So haben die Teilnehmer beispielsweise nicht die gleichen Möglichkeiten, soziale Kompetenzen zu entwickeln wie reguläre Auszubildende (sie kommen beispielsweise nicht mit realen Vorgesetzten und Kollegen in Kontakt). Außerdem signalisieren die Ausbildungsbetriebe durch freie Ausbildungsplätze ihren Bedarf an Arbeitskräften. Das ist bei diesen Programmen nicht der Fall.
These 3: Angesichts der vielfältigen Ansätze sind mehr Evaluierungsdaten erforderlich
Evaluierungen sind wichtig um festzustellen, was funktioniert
Da berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen in der Regel kostspielig sind, ist es wichtig herauszufinden, welche Programme am besten funktionieren. Wenn eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme keine nützlichen Kompetenzen vermittelt, besteht die Gefahr, dass sie die Teilnehmer stigmatisiert, anstatt ihnen zu einem guten Arbeitsplatz zu verhelfen. Evaluierungen können dazu beitragen festzustellen, welche Programme funktionieren, sodass erfolgreiche Initiativen erweitert und erfolglose eingestellt werden können.
Es ist schwierig, eine solide Datengrundlage zu erstellen
Da die angebotenen Programme sich selbst innerhalb der Länder im Hinblick auf Inhalt, Dauer und Finanzierung unterscheiden, können die durchschnittlichen Ergebnisse ein schlechter Indikator für die Qualität der einzelnen Programme sein. Außerdem ist es schwierig zu beurteilen, was passiert wäre, wenn die Absolventen nicht an dem Programm teilgenommen hätten. In den meisten Ländern werden alle anspruchsberechtigten jungen Menschen aufgenommen. Deshalb ist ein Vergleich zwischen denjenigen, denen eine Bildungsmaßnahme angeboten wird, und denjenigen, bei denen dies nicht der Fall ist, nicht möglich. Die Teilnehmer an berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen sind in der Regel stärker benachteiligt und haben geringere Kompetenzen als Gleichaltrige, die andere Bildungsgänge oder Berufe wählen (Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2016[22]; Karmel und Oliver, 2011[23]). Das bedeutet, dass höhere Abbrecherquoten unter den Auszubildenden, die an einer berufsvorbereitenden Maßnahme teilgenommen haben (wie beispielsweise in Deutschland) möglicherweise auf schwächere Kompetenzen der Teilnehmer und nicht auf eine schlechte Qualität der berufsvorbereitenden Maßnahme zurückzuführen sind. In Australien wurde in Evaluierungen festgestellt, dass der Zusammenhang zwischen der Teilnahme an berufsvorbereitenden Maßnahmen und dem Abbruch der betrieblichen Ausbildung in den einzelnen Berufen unterschiedlich war (Karmel und Oliver, 2011[23]).
Förderungsbedürftige junge Menschen benötigen häufig ausbildungsbegleitende Hilfen
Förderungsbedürftige junge Menschen haben mit größerer Wahrscheinlichkeit Schwierigkeiten, ihre Ausbildung abzuschließen als durchschnittliche Auszubildende, und der Abbruch hat normalerweise schlechte Arbeitsmarktergebnisse zur Folge. Er ist auch für die Arbeitgeber mit Kosten verbunden, da sie in die Vermittlung und Ausbildung des Auszubildenden investiert haben und die Ausbildung sich nach dem Abbruch für sie dann nicht auszahlt.
Die Schwierigkeiten, mit denen förderungsbedürftige junge Menschen während der Berufsausbildung konfrontiert sind, können auf den Lehrinhalt, Konflikte mit dem Ausbildungsbetrieb oder persönliche Probleme zurückzuführen sein. Um die Chancen auf einen erfolgreichen Abschluss zu verbessern und den Auszubildenden zu helfen, einen Beitrag zu den Aktivitäten des Ausbildungsbetriebs zu leisten, werden folgende Maßnahmen empfohlen:
Förderungsbedürftige junge Menschen, die eine betriebliche Ausbildung absolvieren, sollten ausbildungsbegleitende Hilfen erhalten. Dazu gehören Förder- und Stützkurse (z.B. in Lese- und alltagsmathematischer Kompetenz), Mentorbetreuung und Coaching.
Ausbildungsbetriebe, die förderungsbedürftige Auszubildende einstellen, sollten unterstützt werden. Dazu gehört beispielsweise Unterstützung beim Umgang mit Schwierigkeiten, die bei den Auszubildenden auftreten können, sowie bei der betrieblichen Ausbildung (z.B. Schulungen und Onlineforen für Ausbilder).
These 1: Ausbildungsbegleitende Hilfen können sowohl dem Ausbildungsbetrieb als auch den förderungsbedürftigen Auszubildenden nutzen
Ausbildungsbegleitende Hilfen können einen Abbruch der Ausbildung verhindern
Viele förderungsbedürftige junge Menschen haben Schwierigkeiten, eine Ausbildung abzuschließen. Daten aus Deutschland, England (Vereinigtes Königreich) und der Schweiz zeigen, dass Auszubildende, die einer Minderheit angehören, schwache schulische Leistungen erbringen und Lernschwierigkeiten haben, höhere Abbrecherquoten aufweisen. Soziale Kompetenzen und die Motivation der Auszubildenden sind ebenfalls wichtig: Den Ausbildungsbetrieben zufolge ist fehlende Einsatzbereitschaft ein häufiger Grund für einen Ausbildungsabbruch (Gambin und Hogarth, 2016[24]; Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2016[22]; Stalder und Schmid, 2006[25]). Ausbildungsbegleitende Hilfen können die Auszubildenden dabei unterstützen, einen Berufsabschluss zu erwerben, und nutzen zugleich den Ausbildungsbetrieben.
Ausbildungsbegleitende Hilfen nutzen den Ausbildungsbetrieben und geben ihnen so einen Anreiz, Ausbildungsplätze bereitzustellen
Förderungsbedürftige junge Menschen benötigen in der Regel eine längere Ausbildungszeit (was für die Ausbildungsbetriebe mit höheren Kosten verbunden ist), brauchen mehr Zeit, um Kompetenzen zu entwickeln (weshalb sie für den Ausbildungsbetrieb weniger produktiv sind) und brechen die Ausbildung häufiger ab. Ausbildungsbegleitende Hilfen unterstützen die Auszubildenden dabei, schneller zu lernen und etwaige Schwierigkeiten zu überwinden, besser mit ihrem Arbeitgeber und der Schule zurechtzukommen und die Chancen auf einen erfolgreichen Abschluss zu erhöhen. Dadurch profitieren die Arbeitgeber von leistungsstärkeren Auszubildenden und können die Risiken eines kostspieligen Ausbildungsabbruchs reduzieren. Ausbildungsbegleitende Hilfen können ein Anreiz für Ausbildungsbetriebe sein, förderungsbedürftige junge Menschen als Auszubildende einzustellen. So zögert ein Schreinermeister vielleicht, einen jungen Menschen, der Schwierigkeiten in der Schule hatte, einzustellen, da er befürchtet, dass der Auszubildende nicht in der Lage sein wird, die Mathematikkenntnisse zu erwerben, die erforderlich sind, um die Höhe und Breite von Treppenstufen zu berechnen. Ausbildungsbegleitende Maßnahmen können den Schreinermeister davon überzeugen, dass der Auszubildende in den Ausbildungsbetrieb passt.
Schulen und Mentoren können helfen, Lernschwierigkeiten und persönliche Probleme zu überwinden
Die Auszubildenden können durch theoretischen oder praktischen Nachhilfeunterricht (z.B. Förder- und Stützkurse) oder Hilfe bei der Prüfungsvorbereitung unterstützt werden. Mentoren oder Coaches können den Auszubildenden bei Alltagsproblemen helfen und als Vermittler fungieren, wenn Probleme zwischen dem Auszubildenden und dem Ausbildungsbetrieb oder der Schule auftreten.
Kasten 6.2 Staatlich finanzierte Leistungen zur Ausbildungsförderung
Australien
Das Apprenticeship Support Network unterstützt einerseits Arbeitgeber, Auszubildende einzustellen, auszubilden und im Betrieb zu übernehmen, und andererseits Auszubildende, ihre Ausbildung erfolgreich abzuschließen. Elf regionale Netzwerke beraten und unterstützen Ausbildungsbetriebe und Auszubildende. Sie bieten allgemeine Leistungen wie administrative Hilfe, Zahlungsabwicklung und regelmäßige Kontakte, sowie gezielte Leistungen für diejenigen, die zusätzliche Unterstützung benötigen. Wenn das Risiko besteht, dass die Ausbildung abgebrochen wird, werden die Auszubildenden und Ausbildungsbetriebe durch zusätzliche Leistungen (z.B. Mentoring) unterstützt. Die jungen Menschen, die für eine betriebliche Ausbildung nicht geeignet sind, erhalten Hilfe, um eine alternative Ausbildung zu finden. Die Leistungen des Netzwerks werden durch die australlische Regierung finanziert und von privaten Trägern durchgeführt.
Deutschland
Auszubildende und Menschen ohne Schulabschluss erhalten kostenlos öffentlich finanzierte Leistungen zur Ausbildungsförderung, um ihnen den Einstieg in eine betriebliche Berufsausbildung zu ermöglichen. Die Unterstützung umfasst Stütz- und Förderunterricht und Hilfe bei den Hausaufgaben, Betreuung und Hilfe bei Alltagsproblemen und vermittelnde Gespräche bei Konflikten mit der Schule oder dem Ausbildungsbetrieb. Der Auszubildende bekommt einen Förderplan, der normalerweise drei Stunden individuelle Unterstützung pro Woche sowie einige Gruppenveranstaltungen umfasst.
Österreich
In der integrativen Berufsausbildung werden junge Menschen mit sonderpädagogischem Förderbedarf oder Behinderungen und Personen ohne Hauptschulabschluss von öffentlich finanzierten Berufsbildungsassistenten begleitet und unterstützt. Die Bildungsassistenten kümmern sich um Verwaltungsaufgaben und bereiten den Ausbildungsbetrieb auf den angehenden Auszubildenden vor. Sie betreuen die Jugendlichen während der Ausbildung und fungieren als Vermittler, wenn Schwierigkeiten auftreten. Die meisten Berufsbildungsassistenten sind in Sonderpädagogik ausgebildet und haben Berufserfahrung mit benachteiligten Jugendlichen.
Schweiz
Auszubildende, die eine zweijährige Ausbildung absolvieren, haben Anspruch auf öffentlich geförderte individuelle Betreuung. Etwa die Hälfte der Anspruchsberechtigten nutzt die Gelegenheit, meistens um schwache Sprachkenntnisse, Lernschwierigkeiten oder psychologische Probleme zu bewältigen. Die meisten Coaches sind ehemalige Lehrer, Lerntherapeuten oder Sozialarbeiter, die zur Vorbereitung auf ihre Arbeit eine Weiterbildung absolviert haben (z.B. eine 300-Stunden-Schulung in Zürich).
Quelle: Kis, V. (2016[19]), “Work-based learning for youth at risk: Getting employers on board”, OECD Education Working Papers, No. 150, OECD Publishing, Paris, http://dx.doi.org/ 10.1787/5e122a91-en; Australian Government (2018[26]), “Australian Apprenticeship Support Network”, www.australianapprenticeships.gov.au/australian-apprenticeship-support-network.
Internationale Befunde lassen darauf schließen, dass ausbildungsbegleitende Hilfen erfolgreich sein können
Es ist schwierig, die Initiativen in diesem Bereich zu evaluieren, weil alle Personen, die Hilfe suchen, normalerweise gefördert werden. Es gibt länderübergreifend jedoch erhebliche Unterschiede in Bezug auf die Umsetzung der Maßnahmen. Die verfügbaren Studien deuten darauf hin, dass die Unterstützung leistungsschwacher Auszubildender einen erfolgreichen Abschluss der Ausbildung fördern kann. In Studien über australische Auszubildende wurde festgestellt, dass fehlende Unterstützung ein häufiger Grund für einen Ausbildungsabbruch ist. Ein glaubwürdiger unabhängiger Ansprechpartner für Auszubildende, die persönliche Probleme oder Konflikte am Arbeitsplatz haben, kann die Abbrecherquoten reduzieren (Snell und Hart, 2008[27]; Deloitte Access Economics, 2014[28]). Fördermaßnahmen für Ausbildungsbetriebe können ebenfalls sehr konstruktiv sein. Eine Maßnahme könnte darin bestehen, die Führungskompetenzen in den Ausbildungsbetrieben zu verbessern, damit es den Arbeitgebern leichter fällt, die Auszubildenden in die täglichen Aktivitäten zu integrieren, sie auszubilden und entstehende Probleme zu lösen. In Deutschland führte die befristete Aussetzung der Nachweispflicht für die berufs- und arbeitspädagogischen Kenntnisse der Ausbilder beispielsweise zu einem Anstieg der Abbrecherquoten (BMBF, 2009[29]), weshalb die Nachweispflicht nach sechs Jahren wieder eingeführt wurde.
Schlussbetrachtungen
In diesem Kapitel wurde die Frage behandelt, wie die betriebliche Ausbildung auf junge Menschen ausgerichtet werden kann, die geringe Erfolgsaussichten haben, weil sie sich weder in Beschäftigung noch in Bildung oder Ausbildung befinden oder Gefahr laufen, in eine solche Situation zu geraten. Es gibt belastbare Befunde dafür, dass die betriebliche Ausbildung diesen jungen Menschen den Übergang von der Schule in den Beruf erleichtern kann. Viele Länder subventionieren Ausbildungsbetriebe, die Auszubildende mit Lernschwächen oder aus benachteiligten Verhältnissen einstellen, die Datenbasis für die Wirksamkeit derartiger finanzieller Anreize ist jedoch nicht überzeugend. Maßnahmen, die darauf abzielen, junge förderungsbedürftige Auszubildende schneller zu produktiven Fachkräften zu entwickeln und so die Kosten zu decken, die den Ausbildungsbetrieben durch die Ausbildung entstehen, sind effektiver. Dazu gehören Veränderungen bei der Regelausbildungsdauer (entweder eine Verkürzung oder eine Verlängerung), berufsvorbereitende Maßnahmen, um die Attraktivität der jungen Menschen für die Ausbildungsbetriebe zu erhöhen, sowie individuelle Förderung zur Überwindung von Problemen, mit denen die Auszubildenden während der Ausbildung konfrontiert sind.
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