Die Wohnungsfrage ist im OECD-Raum zu einer zunehmend dringenden wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Herausforderung geworden. Steigende Kaufpreise und Mieten machen Wohnraum immer weniger erschwinglich und führen zu sozialer Ausgrenzung. Diese Trends und ihre Hauptantriebskräfte werden in diesem Kapitel anhand der zentralen Erkenntnisse des horizontalen OECD-Projekts zur Wohnungspolitik („OECD Horizontal Project on Housing“) dokumentiert und erörtert. Dabei wird aufgezeigt, dass sich Ineffizienzen an den Wohnungsmärkten negativ auf die Wirtschaft insgesamt auswirken können, indem sie beispielsweise zu makroökonomischer Instabilität führen und die Arbeitskräftemobilität beeinträchtigen. Kostendruck erschwert zudem die Modernisierung des Wohnungsbestands, die zur Erfüllung von Umweltzielen erforderlich ist. Der letzte Teil des Kapitels bietet einen Überblick über verschiedene Politikinstrumente, die die Situation am Wohnimmobilienmarkt verbessern können. Außerdem werden die Politikindikatoren vorgestellt, die zur Beurteilung der erzielten Fortschritte und Messung des Spielraums für weitere Maßnahmen herangezogen werden. Anhand eines Online-Dashboards und „Länder-Snapshots“ lassen sich Ergebnisindikatoren und politische Rahmenbedingungen in den verschiedenen Ländern einfach vergleichen. Das Kapitel schließt mit einer Zusammenfassung der Synergien und Zielkonflikte zwischen verschiedenen Politikinterventionen in Bezug auf Teilhabe, Effizienz und Nachhaltigkeit.
Stein auf Stein
1. Maßnahmen für eine effiziente, teilhabeorientierte und nachhaltige Wohnungspolitik konzipieren
Abstract
In vielen OECD-Ländern wird der Zugang zu qualitativ hochwertigem und zugleich erschwinglichem Wohnraum für private Haushalte immer schwieriger. Die Wohnimmobilienpreise sind in der Regel rascher gestiegen als die Durchschnittseinkommen. Deshalb mussten die privaten Haushalte für den Kauf des eigenen Heims immer höhere Kredite aufnehmen, sodass die Hypothekenlast trotz des niedrigeren Zinsniveaus für viele Haushalte zugenommen hat. Die Mieten haben häufig rascher angezogen als die Inflation. Insgesamt befinden sich die Wohnkosten auf einem steilen Aufwärtstrend. Die Frage der Bezahlbarkeit von Wohnraum stellt für Niedrigeinkommenshaushalte oder Haushalte, die – insbesondere infolge der Coronapandemie – Einkommenseinbußen oder Arbeitsplatzverluste erlitten haben, eine große Herausforderung dar. Durch die wachsende Sensibilisierung für die negativen Externalitäten, die mit der Nutzung des eigenen Pkw für Fahrten zur Arbeit verbunden sind, steigt der Druck auf die Wohnungsmärkte, erschwinglichen Wohnraum zur Verfügung zu stellen und zugleich die Umwelt- und Gesundheitskosten für heutige und zukünftige Generationen zu reduzieren. Die Wohnungsmärkte und die Wohnungspolitik haben auch Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Leistung und den Lebensstandard, da sie beeinflussen können, ob und wann Haushalte umziehen, wofür sie ihre Ersparnisse verwenden und wie sie Vermögen bilden.
Die Coronakrise verschärft viele dieser Herausforderungen (Kasten 1.1). Diese werden zu einem Zeitpunkt angegangen werden müssen, an dem zugleich beispiellose Anstrengungen zur Erneuerung und Modernisierung des Wohnungsbestands erforderlich sind, um die Energieeffizienz zu steigern und den Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft zu erleichtern. Die Reallokation von Ressourcen, die zur Ankurbelung der Wirtschaft nach der Coronakrise notwendig ist, bietet eine Chance, diesen Wandel zu beschleunigen.
Kasten 1.1. Wohnungstrends und Herausforderungen für die Zukunft
Wohngebäude haben eine lange Lebensdauer, sie bleiben im Schnitt über die Lebensdauer einer ganzen Generation bestehen. Aus diesem Grund müssen Maßnahmen, die Angebot und Nachfrage von Wohnraum beeinflussen, zukunftsgerichtet sein und Veränderungen der Bedürfnisse, Präferenzen und Verhaltensmuster der Bevölkerung sowie „Megatrends“, die sich auf Wirtschaft und Gesellschaft auswirken, antizipieren. Außerdem müssen Politikmaßnahmen und Rechtsvorschriften soweit möglich künftige technologische Veränderungen berücksichtigen, die Auswirkungen auf Bau, Nutzung und Instandhaltung von Gebäuden haben. Zusammen mit der Digitalisierung, dem Klimawandel und der Bevölkerungsalterung wird die Coronakrise sowohl am Wohn- als auch am Gewerbeimmobilienmarkt mit sehr großer Wahrscheinlichkeit lang anhaltende und bisher noch ungewisse Effekte auf Nachfrage und Angebot haben.
Covid-19
Die Coronakrise dürfte Veränderungen bei den Präferenzen und Verhaltensmustern auslösen, die die Wohnungsnachfrage wahrscheinlich auf lange Sicht beeinflussen werden. Wenn sich die Arbeit im Homeoffice beispielsweise weiter verbreitet, verlagert sich die Nachfrage nach Wohnraum vielleicht dauerhaft weg von Stadtzentren in Richtung ländlicher und periurbaner Räume und auch weg von Wohnungen, hin zu Einfamilienhäusern. Ein solcher Wandel würde den Bedarf an einigen städtischen Einrichtungen, Verkehrsinfrastrukturen und sozialen Dienstleistungen verändern. Er dürfte mit einem Rückgang der Immobilienpreise in Stadtzentren einhergehen, der wahrscheinlich andernorts einen erhöhten Kostendruck zur Folge hätte. Welche Auswirkungen diese Entwicklung im Endeffekt auf die Bezahlbarkeit von Wohnraum hätte, ist ungewiss, es sei denn, das Angebot passt sich parallel an. Die Arbeit im Homeoffice wird auch die Nachfrage nach Büroraum beeinträchtigen und einen Abwärtsdruck auf die Preise für Gewerbeimmobilien in Innenstädten auslösen. Wenn die Angst vor Infektionskrankheiten bestehen bleibt, könnte allerdings auch die Nachfrage nach größeren Büroflächen zunehmen, um eine effektive räumliche Distanzierung zu ermöglichen. Dies könnte dem durch die Arbeit im Homeoffice bedingten Abwärtstrend bei der Nachfrage etwas entgegenwirken.
Dort, wo diese sich verändernden Nachfragestrukturen zu einer Entleerung der Innenstädte führen, wächst die Gefahr, dass Stadtzentren verfallen und Gegenden, in denen die Produktivität bislang am höchsten war, an Dynamik verlieren. In einem alternativen Szenario könnten Änderungen der Einstellungen und Arbeitspraktiken aber auch zur Folge haben, dass sich in zunehmend polyzentrischen Metropolräumen neue Möglichkeiten für gesellschaftliche und wirtschaftliche Transformationen ergeben.1 Wenn dabei zugleich die Tendenz zur Verdichtung durch eine Tendenz zur Zersiedelung abgelöst wird, muss der ökologische Fußabdruck von Städten reevaluiert werden. Dies hat Konsequenzen für die Politikmaßnahmen, mit denen die ökologische Nachhaltigkeit der Metropolräume weltweit verbessert werden soll.
Digitalisierung
Über ihre Bedeutung für die Arbeit im Homeoffice hinaus beeinflusst die Digitalisierung die Aussichten für den Wohnungsmarkt auf verschiedene Art und Weise und birgt beachtliches weiteres Transformationspotenzial. Beispielsweise hat die Expansion digitaler Plattformen für Kurzzeitvermietungen in vielen Städten überall auf der Welt Druck auf die Mietmärkte ausgeübt – ein Trend, der sich nach der Erholung der Tourismusbranche und des Gastgewerbes von der Coronakrise wahrscheinlich fortsetzen wird. Der während der Coronakrise beobachtete Rückgang der Kurzzeitvermietungen (wie Airbnb) könnte allerdings auch länger andauern und Mietwohnungen für dauerhaft Ansässige frei werden lassen, womit Mietwohnungen insgesamt erschwinglicher würden.
Die Digitalisierung verändert auch das Bild der Einkaufsstraßen und die Nachfrage nach entsprechenden Gewerbeimmobilien, wenn die Menschen statt in Läden häufiger online einkaufen. Zusammen mit dem Trend zur Arbeit im Homeoffice verschärft dies den Abwärtsdruck auf die Nachfrage nach Büroraum in zentralen Geschäftsvierteln. Wo die rechtlichen Bestimmungen dies zulassen, kann eine flexible Umwandlung von Gewerbeimmobilien in Wohnimmobilien die Anpassung an die steigende Nachfrage nach Wohnraum für unterschiedliche Nutzungszwecke erleichtern. Wohnraum könnte dadurch potenziell erschwinglicher werden. Zugleich besteht aber die Gefahr, dass der Attraktivitätsverlust der Stadtzentren eine soziale Segregation am Wohnimmobilienmarkt zur Folge hat. Wenn die Bessergestellten die Stadtzentren verlassen, hat dies nämlich Auswirkungen auf das Angebot an öffentlichen Dienstleistungen. Solche Trends würden die Stadtplanung und die Gestaltung der Flächennutzungs- und Bebauungsvorschriften vor große Herausforderungen stellen.
Des Weiteren bietet die Digitalisierung, nicht zuletzt über die künstliche Intelligenz und das Internet der Dinge, verschiedene Optionen für technologische Veränderungen und Innovationen im Bausektor sowie für ein „intelligentes“ Gebäudemanagement. Im Bereich Stadtplanung und -management gibt es bereits Innovationen. Sie können das Verkehrsmanagement, städtische Einrichtungen und Infrastrukturen sowie die Energieeffizienz von Gebäuden und Städten ganz allgemein verbessern. Diese Entwicklungen können Städte attraktiver machen und den mit der Digitalisierung und den coronabedingten Verhaltensänderungen assoziierten zentripetalen Kräften entgegenwirken.
Ein weiterer Aspekt der Digitalisierung ist das Potenzial, das sie für finanztechnologische Innovationen bietet („Fintech“), die das Angebot an Finanzierungsmöglichkeiten für Immobilieninvestitionen erhöhen können. Sofern diese neuen Aktivitäten einer geeigneten Aufsicht unterstehen und die finanzielle Stabilität gesichert ist, kann der Marktzutritt neuer Anbieter den Wettbewerb erhöhen, zu einem Rückgang der Kreditkosten führen und Menschen den Zugang zu Finanzierungsmitteln erleichtern, für die dies derzeit schwierig ist. Investitionen in die Energieeffizienz von Gebäuden können die Wohnkosten weiter reduzieren helfen, da sie die Energieausgaben privater Haushalte verringern und ihre Kreditwürdigkeit verbessern. Eine flexiblere Wohnungsbaufinanzierung könnte zudem die Anpassung des Angebots an Veränderungen der Nachfrage nach Wohn- und Gewerbeimmobilien nach der Krise erleichtern und so zu einer einfacheren Reallokation von Wohnungskapital beitragen.
Außerdem könnte die Digitalisierung den Matching-Prozess zwischen Wohnungsangebot und ‑nachfrage verbessern: Während der Coronakrise hat die Zahl virtueller Immobilienbesichtigungen zugenommen und diese Möglichkeit wird wohl auch in Zukunft weiter genutzt werden. Interessent*innen und Anbieter können so besser entscheiden, wann sich kostenaufwendige physische Objektbesichtigungen tatsächlich lohnen und so eher das passende Objekt bzw. die passenden Interessent*innen finden.
Bevölkerungsalterung und Klimawandel
Der Wohnungsmarkt wird auch durch Trends geprägt, die mit der Bevölkerungsalterung und dem Klimawandel zusammenhängen, und die bereits vor der Krise existierten. Veränderungen der demografischen Struktur haben sehr asymmetrische Auswirkungen auf die Wohnungsmärkte. In entlegenen Gegenden geht die Nachfrage zurück, was die Preise drückt. Andernorts verändern sich die Bedürfnisse und Präferenzen und verlangen umfassende Gebäudesanierungen, eine Umgestaltung der Lebensräume und Investitionen in bedarfsgerechte städtische Infrastrukturen. Die Auswirkungen der Bevölkerungsalterung auf die Politik gehen über die Wohnungspolitik hinaus und umfassen auch Überlegungen zur Stadtplanung und regionalen Entwicklung.
Der Klimawandel erhöht u. a. das Risiko von Naturkatastrophen und Kapitalschwund in Küstenregionen, die dem Anstieg des Meeresspiegels ausgesetzt sind. Er beeinflusst die Bauweisen und den Materialeinsatz in Gebäuden und macht Innovationen erforderlich, um die Energieeffizienz unter sich verändernden klimatischen Bedingungen zu steigern. Der Klimawandel hat auch Auswirkungen auf die Planung, Instandhaltung und Modernisierung der urbanen Infrastruktur. Die mit dem Klimawandel einhergehenden (privaten und öffentlichen) wirtschaftlichen Kosten müssen berücksichtigt werden und stellen eine Herausforderung für die Stadtplanung, die regionale Entwicklung und die Katastrophenvorsorge sowie für Versicherungen dar.
Eine flexible Flächennutzungspolitik als Lösungsansatz
Um den oben beschriebenen dauerhaften Veränderungen der Immobiliennachfrage, die die Coronakrise nach sich ziehen könnte, gerecht zu werden, ohne dass unnötige Kosten entstehen, ist eine flexible Flächennutzungspolitik von entscheidender Bedeutung. Flexible Rahmenbedingungen reduzieren die Gefahr, dass strukturelle Nachfrageverlagerungen, wie beispielsweise ein stärkeres Interesse an größeren Wohnungen an der Peripherie, zu Preissteigerungen und Spekulationsblasen führen, durch die sich restriktive Flächennutzungsregelungen verfestigen könnten. Flexible Rahmenbedingungen können auch dafür sorgen, dass frei werdende Gebäude rasch umgewidmet werden können – für kommerzielle, Büro- oder Wohnzwecke –, um sich wandelnden Präferenzen gerecht zu werden. Auf diese Weise kann der Gefahr von Leerständen vorgebeugt werden, von denen negative Spillover-Effekte ausgehen könnten. Flexible Rahmenbedingungen würden insbesondere die Umwandlung von Gewerbe- und Büroraum in Wohnraum erleichtern und so die Wohnungskrise mindern helfen.
1. Vgl. beispielsweise OECD (2018[93]).
Wohnraum ist weniger bezahlbar geworden
Die Wohnkosten sind rascher gestiegen als die Konsumausgaben
Der Zugang zu qualitativ hochwertigem Wohnraum wird in vielen OECD-Ländern seit einigen Jahrzehnten zunehmend schwierig. Die Wohnimmobilienpreise und Mieten sind in den OECD-Ländern rascher gestiegen als die Gesamtinflation. Wohnraum ist damit weniger erschwinglich geworden (Abbildung 1.1). Die Senkung der realen Zinssätze hat den Effekt höherer Wohnimmobilienpreise nur z. T. abgefedert. Besonders drastisch war der Anstieg der realen Wohnkosten in städtischen Räumen, wo das Angebot an Wohnungen und Bauland knapp ist. Allein zwischen 2005 und 2015 stieg der Einkommensanteil, den Haushalte mit mittlerem Einkommen (d. h. Haushalte, die zwischen 75 % und 200 % des Medianeinkommens verdienen) für Wohnraum aufbringen, im OECD-Durchschnitt um 5 Prozentpunkte (Abbildung 1.2).
Steigende Wohnkosten belasten Niedrigeinkommenshaushalte überproportional stark
Zwar sind Haushalte aller Einkommensgruppen steigenden Wohnkosten ausgesetzt, finanziell schlechter Gestellte müssen jedoch in der Regel einen größeren Teil ihres Einkommens fürs Wohnen ausgeben (Abbildung 1.3). Sozialwohnungen und Wohnungsbeihilfen können den Druck verringern, der auf den sozial schwächsten Gruppen lastet. Allerdings müssen diese Leistungen gut konzipiert sein, damit sichergestellt ist, dass die knappen Ressourcen tatsächlich die Bedürftigen erreichen, ohne ihre Mobilität zu beeinträchtigen oder eine Wohnsegregation zu verursachen (OECD, 2020). Durch die Coronakrise, die insbesondere unter den sozial Schwächsten zu großen Beschäftigungs- und Einkommensverlusten geführt hat,1 ist die Sicherung des Zugangs zu hochwertigem, erschwinglichen Wohnraum noch schwieriger geworden.
Warum sind die Wohnkosten in so vielen Ländern so stark gestiegen?
Das Angebot hat nicht mit der Nachfrage Schritt gehalten
Die Wohnkosten sind in den vergangenen zwanzig Jahren aus vielen Gründen gestiegen. Wichtige Merkmale des Wohnimmobilienmarkts, wie Immobilienpreise und Bautätigkeit, ergeben sich aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage. Auf der Nachfrageseite führte die Wirtschaftsexpansion zu einem Anstieg der Haushaltseinkommen. Auch demografische Entwicklungen, wie Bevölkerungsalterung und Zuwanderung, trugen wesentlich zum Wachstum der Nachfrage bei, da mehr Menschen Wohnraum benötigten. Die Entwicklung hin zu kleineren Haushalten ging dabei aber nicht mit entsprechenden Veränderungen der nachgefragten Wohnungsgröße einher, da die Menschen heute in der Regel in größeren Wohnungen leben, wie der Anstieg der durchschnittlichen Quadratmeterzahl pro Person in den vergangenen zehn Jahren veranschaulicht (IEA, 2020). Seit der Deregulierung der Finanzmärkte in der Zeit der relativen makroökonomischen Stabilität Mitte der 1990er bis Mitte der 2000er Jahre sind Hypothekendarlehen leichter verfügbar und erschwinglicher geworden – eine Entwicklung, die durch die quantitative Lockerung und die extrem expansive Geldpolitik nach der großen Finanzkrise weiter angekurbelt wurde. In vielen Ländern gibt es zudem Steuervergünstigungen für selbstgenutztes Wohneigentum in Form einer steuerlichen Abzugsfähigkeit von Hypothekenzinsen, was die Wohnimmobilienpreise weiter in die Höhe treibt (Kapitel 4).
Auf der Angebotsseite wurde der Preiseffekt der steigenden Nachfrage durch die geringe Reagibilität des Wohnungsneubaus verstärkt. Das Angebot ist in der Regel weniger elastisch als die Nachfrage, was daran liegt, dass Planung und Bau neuer Wohnungen Zeit in Anspruch nehmen. Wegen der unzureichenden Anpassung des Angebots erhöhen sich dann die Preise. Auch steigende Baukosten führen in vielen Ländern dazu, dass Wohnraum immer weniger erschwinglich wird. Grund dafür sind u. a. die zunehmend strengen Bestimmungen zur Steigerung der Energieeffizienz und der ökologischen Nachhaltigkeit (Kapitel 4 und 7).
Das Wohnraumangebot reagiert in den einzelnen Ländern recht unterschiedlich auf Veränderungen der Nachfrage (z. B. infolge eines Einkommenszuwachses) (Abbildung 1.4).
Es wurde festgestellt, dass die Reagibilität des Wohnraumangebots auf Preisänderungen, die durch eine höhere Nachfrage ausgelöst werden, zwischen und in den Ländern stark variiert (Abbildung 1.5, Abbildung 1.6). In empirischen Untersuchungen wurden die beobachteten Unterschiede mit zahlreichen geografischen, historischen und politischen Bestimmungsfaktoren in Zusammenhang gestellt.2 Diese Faktoren betreffen folgende Fragen: Kann vorhandenes Land leicht in Bauland umgewandelt werden? Welche städtebauliche Struktur wurde aus der Vergangenheit übernommen? Inwieweit begünstigen die politischen Rahmenbedingungen den Wohnungsbau? Bei diesen Faktoren gibt es große Abweichungen zwischen, aber auch innerhalb der Länder. Dies zeigt sich außer an geografischen Unterschieden in der Nachfrage u. a. daran, dass sich die Wohnimmobilienpreise auch innerhalb vieler OECD-Länder sehr unterschiedlich entwickelt haben (Abbildung 1.6). Außerdem können die Angebotsbedingungen am Wohnungsmarkt Auswirkungen auf die ökonomischen Anreize für interregionale Migrationsbewegungen und folglich auch auf die räumliche Verteilung der Arbeitskräfte innerhalb der Länder haben ((Causa, Abendschein und Cavalleri (2021[3]); Causa, Cavalleri und Luu (2021[4])). Ein flexibles Wohnraumangebot erhöht die Reagibilität interner Wanderungsbewegungen auf lokale Einkommens- und Beschäftigungsbedingungen. Diese räumliche Reallokation kann helfen, örtlich begrenzte negative Schocks aufzufangen.
Die Heterogenität der Preisentwicklungen unterstreicht die Bedeutung, die der räumlichen Verteilung von Angebot und Nachfrage zukommt. Mit anderen Worten: Es sollte dort gebaut werden, wo die Nachfrage am größten ist. Angesichts aktueller Megatrends wie Bevölkerungsalterung und Digitalisierung sowie der Coronakrise, die alle die Nachfragestrukturen belasten, sind flexible Reaktionen der Angebotsseite umso dringlicher (Kasten 1.1). Allerdings ist Bauen nicht der einzige Weg, Angebot und Nachfrage miteinander in Einklang zu bringen. Beispielsweise kann auch die Renovierung und Modernisierung des Wohnungsbestands dazu beitragen, der Nachfrage gerecht zu werden und den Wohnungsleerstand zu reduzieren. Durch die Besteuerung von leerstehendem Wohnraum kann zudem eine stärkere Nutzung von vorhandenem Wohnimmobilienvermögen gefördert werden. Wenn außerdem die steuerliche und rechtliche Behandlung von Kurzzeitvermietungen im Vergleich zu Hotels oder Ferienwohnanlagen neutral ist, hilft dies verhindern, dass zu viele eigentlich für Langzeitvermietungen bestimmte Wohnungen für andere Zwecke umgewidmet werden.
Die öffentlichen Investitionen in den Wohnungsbau sind gesunken
Weitere Faktoren, die die Angebotslücken verstärken, sind der Rückgang der öffentlichen Investitionen in den Wohnungsbau und die Verringerung der relativen Größe des Sozialwohnungsbestands – Entwicklungen, die in den meisten OECD-Ländern beobachtet werden. In den vergangenen zwanzig Jahren sind die öffentlichen Investitionen in den Wohnungsbau im OECD-Durchschnitt um über die Hälfte gesunken. Insbesondere die öffentlichen Direktinvestitionen in Wohnbauten sind seit der globalen Finanzkrise eingebrochen. 2018 beliefen sie sich auf weniger als 0,01 % des BIP (Abbildung 1.7). Parallel dazu ist der Anteil der Sozialwohnungen am gesamten Wohnungsbestand seit 2010 in allen außer sechs OECD-Ländern gesunken, was das Angebot an erschwinglichem Wohnraum für Niedrigeinkommenshaushalte weiter reduziert.3
Die Wohnungssituation beeinflusst die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit auf vielerlei Weise
Wohnungsmärkte spielen in der Wirtschaft eine wesentliche Rolle
Der Wohnungsbau macht einen beträchtlichen Teil der gesamtwirtschaftlichen Produktion aus. Auf den Bausektor entfallen im OECD-Durchschnitt etwa 6 % des BIP. Allein die Investitionen in den Wohnungsbau vereinen etwa 20 % der Bruttoanlageinvestitionen auf sich. Deshalb haben Fluktuationen der Wohnungsbautätigkeit und der Wohnimmobilienpreise starke Auswirkungen auf den Konjunkturzyklus (Abbildung 1.9). Es ist äußerst wichtig zu verstehen, auf welche Faktoren diese Fluktuationen zurückzuführen sind, um zu verhindern, dass sich Schocks am Wohnungsmarkt ausbreiten, und um sie in Grenzen zu halten. Damit wird gleichzeitig die wirtschaftliche Resilienz erhöht. Zwischen den Wohnungsmärkten und dem Konjunkturzyklus besteht in der Tat ein Zusammenhang: Länder, in denen die realen Wohnimmobilienpreise während der weltweiten Finanzkrise stärkeren Korrekturen ausgesetzt waren, erlitten auch einen deutlicheren Rückgang der Wirtschaftstätigkeit. Die Coronakrise hat deutliche Auswirkungen auf den Bausektor und andere wohnungsbaubezogene Aktivitäten (Kasten 1.2). Außerdem folgen die Konjunkturzyklen in der Regel mit etwas Verzögerung den Hauspreiszyklen: Höchst- und Tiefstände bei den Wohnimmobilienpreisen werden meist vor Wendepunkten in Konjunkturzyklen erreicht. Sie sind daher ein wichtiger Frühindikator für Fluktuationen der Wirtschaftsaktivität (Kapitel 3).
Kasten 1.2. Die Coronakrise hat den Wohnimmobiliensektor stark getroffen
Die Covid-19-Pandemie hat den Wohnimmobiliensektor überall auf der Welt in Mitleidenschaft gezogen. Mit den Lockdownmaßnahmen wurden Baustellen in vielen Ländern komplett oder teilweise stillgelegt und auch andere Bereiche der Immobilienwirtschaft mussten zeitweise die Tätigkeit einstellen. Zwischen den Einkaufsmanagerindikatoren für den Bausektor und Internetsuchanfragen zu Immobilienthemen besteht eine starke Korrelation, was die Erstellung von Benchmarkindikatoren für das Bauklima in einer großen Zahl von Ländern gestattet (OECD, 2020[6]). Abbildung 1.9 veranschaulicht den drastischen Einbruch des Vertrauens im Bausektor im Zuge der ersten Coronawelle Anfang 2020. In den meisten Ländern hellte sich das Klima danach zwar rasch wieder auf, mit dem Wiederaufflammen des Virus im zweiten Halbjahr 2020 und ersten Quartal 2021 erlitt der Bausektor in einigen Ländern jedoch einen erneuten Rückschlag.
Ein breiterer Zugang zu Wohnungsbaufinanzierungen bietet Chancen und Risiken
Finanz- und Hypothekenmärkte spielen für Wohnimmobilienmärkte eine entscheidende Rolle, da die meisten Haushalte für den Kauf von Wohneigentum Kredite aufnehmen müssen (Abbildung 1.10). Die Wohnimmobilienfinanzierung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert, wodurch die Kreditkosten für den Wohnungskauf gesunken sind. Dies hat zu einer Expansion der Hypothekenkreditvergabe geführt. Innovationen an den Finanz- und Hypothekenmärkten halfen Haushalten der unteren Einkommensgruppe, Wohneigentum zu erwerben, da sie dank dieser Veränderungen einfacher Wohnimmobilienkredite aufnehmen konnten. Allerdings kann eine exzessive Verschuldung die makroökonomische Stabilität und langfristige Wirtschaftsleistung gefährden, wenn Änderungen der politischen Rahmenbedingungen eine deutliche Lockerung der Kreditvergabestandards, einen Anstieg der Zahl notleidender Kredite und Kreditfehlallokationen zur Folge haben.4 Die makroprudenzielle Regulierung, aber auch die Wohnungspolitik können die wirtschaftliche Resilienz steigern, indem sie die Risikoanfälligkeit mindern, die Ausbreitung von Krisen bremsen und damit deren Ausmaß reduzieren und die Kapazität der Wirtschaft zur Krisenerholung steigern.
Wohnmobilität ist von Vorteil, kann aber durch schlecht funktionierende Wohnimmobilienmärkte erschwert werden
Die Entscheidung, umzuziehen, hängt von mehreren Faktoren ab. Präferenzen und Bedürfnisse, darunter insbesondere familiäre Gründe, spielen eine wichtige Rolle. Aber auch politische Entscheidungen können Mobilitätshindernisse zur Folge haben und es Menschen, die auf der Suche nach einem besseren Arbeitsplatz sind, erschweren, umzuziehen. Wohnmobilität kann interregionale Ungleichheiten überwinden helfen, Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage besser in Einklang bringen und so die gesamtwirtschaftliche Produktivität und soziale Mobilität steigern.
Zu den wichtigsten Bestimmungsfaktoren der Wohnmobilität zählt der Anteil der Wohneigentümer*innen und der Sozialmieter*innen, da beide Kategorien in der Regel nicht so mobil sind wie Mieter*innen auf dem privaten Wohnungsmarkt (Abbildung 1.11 und OECD (2020[7])). Außerdem hindern steigende Wohnungskosten und regionale Unterschiede bei den Wohnungskosten Personen mit geringem Einkommen daran, in Gegenden zu ziehen, in denen es zwar mehr bzw. bessere Arbeitsplätze gibt, Wohnraum aber zu teuer ist. Dies hat negative Auswirkungen auf die Arbeitskräftemobilität und die Arbeitskräftereallokation.5 Eine gut konzipierte Wohnungspolitik kann zusammen mit der Arbeitsmarktpolitik die Wohnmobilität steigern und für eine bessere Abstimmung zwischen Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage im gesamten Land sorgen. Der Reallokationsprozess nach der Coronakrise kann beschleunigt werden, indem politikbedingte Mobilitätshindernisse beseitigt werden und indem ein ausreichendes Wohnungsangebot in Gegenden mit hoher Nachfrage gesichert wird, was gleichzeitig zur Erholung des Arbeitsmarkts beitragen dürfte.
Wohnverhältnisse können soziale Ungleichheiten verstärken
Der mangelnde Zugang zu gutem Wohnraum kann eine Verfestigung negativer Verteilungseffekte zur Folge haben
Wie weiter oben erörtert, geben Niedrigeinkommenshaushalte einen größeren Teil ihres Einkommens fürs Wohnen aus. Sie sind also nicht nur mit größerer Wahrscheinlichkeit durch die Wohnkosten überlastet, sondern leben auch häufiger in schlechten Wohnverhältnissen (Abbildung 1.12). Sie können es sich möglicherweise weder leisten, ihre Wohnung regelmäßig instandzuhalten oder zu renovieren, noch in höherwertige Wohnungen umzuziehen. Der mangelnde Zugang zu gutem Wohnraum ist oft mit einem unzureichenden Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung, Breitbandinternet und guten Beschäftigungsmöglichkeiten assoziiert (OECD, 2014[8]). Dies kann lang anhaltende Effekte haben, insbesondere auf das Lebenseinkommen junger Menschen, die in schlechten Wohnverhältnissen aufwachsen und begrenzten Zugang zu Bildungs- oder Gesundheitsdiensten haben. Die Coronapandemie hat die Aufmerksamkeit der Politik erneut auf das Problem der beengten Wohnverhältnisse gelenkt, da es für Menschen in überbelegten Wohnungen schwieriger ist, sich zu isolieren. Sie laufen also eher Gefahr, sich Infektionskrankheiten zuzuziehen und sie zu verbreiten (OECD, 2020[9]). Gleichzeitig hat die Coronakrise auch die Folgen der digitalen Kluft verschärft, da Haushalte ohne Internetzugang größere Schwierigkeiten haben, von zu Hause aus zu arbeiten oder an Fernunterricht teilzunehmen.
Wohneigentum ist fester Bestandteil des Vermögens der privaten Haushalte
Steigende Wohnimmobilienpreise haben zur Folge, dass viele Haushalte nicht in den Genuss von Wohneigentum kommen. Entwicklungen an den Wohnimmobilienmärkten haben über Vermögenseffekte Auswirkungen auf den Konsum der privaten Haushalte und die makroökonomische Entwicklung. Steigende Wohnimmobilienpreise wirken sich auch auf die Vermögensungleichheit aus (Kapitel 5). Die eigene Wohnung oder das eigene Haus sind in der Tat wesentlicher Bestandteil des Vermögens, da sie für die meisten Haushalte der einzige und größte Vermögenswert sind. Veränderungen der Wohnimmobilienpreise schlagen sich in Veränderungen des Haushaltsvermögens nieder. Dies kann wiederum Vermögensumverteilungen zwischen Mieter- und Eigentümerhaushalten zur Folge haben. Angesichts der Bedeutung von Wohnimmobilien im Vermögen der privaten Haushalte, vor allem für die Mittelschicht, trägt Wohnraum zu einer ausgewogenen Nettovermögensverteilung bei (Abbildung 1.13). Dies ist darauf zurückzuführen, dass Wohnraum gerechter verteilt zu sein scheint als andere Vermögenswerte wie Finanzaktiva.
Der Wohnungsbau hat große Auswirkungen auf die Umwelt
Auf den Wohnungsbau entfällt ein erheblicher Anteil der globalen CO2-Emissionen
Wohnungsbau ist energieintensiv. Der Wohngebäudesektor (Gebäudebestand und Bautätigkeit) macht 28 % des Gesamtendenergieverbrauchs und 17 % der gesamten CO2-Emissionen aus. Die Emissionen des Wohngebäudesektors sind in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich (Abbildung 1.14). Diese großen Differenzen erklären sich aus Unterschieden bei der effektiven Besteuerung der CO2-Emissionen des Wohngebäudesektors. Folglich ist in vielen Ländern noch beachtlicher Spielraum für eine Reduzierung der Emissionen vorhanden, wenngleich nichtpolitische Faktoren, wie z. B. die Außentemperaturen, ebenfalls eine Rolle spielen (Abbildung 1.15).
Der Einsatz von umweltfreundlichen Materialien und Verbesserungen der Wärmedämmung und der Heizungsanlagen machen Gebäude energieeffizienter und tragen dazu bei, vereinbarte Emissionsziele zu erreichen. 2018 gab es in zwei Dritteln der Länder jedoch noch immer keine energierelevanten baurechtlichen Vorschriften.6 Gebäude, die hohe Leistungsstandards erfüllen, wie etwa energieneutrale Gebäude, machen nach wie vor weniger als 5 % der Neubauten aus. Die erforderliche Umsetzung und Durchsetzung rechtlicher Vorschriften für Gebäudehüllen bedeutet auch, dass bestehende Gebäude renoviert und instandgehalten werden müssen. Allerdings erhöhen Umweltbestimmungen die Baukosten und den Bürokratieaufwand. Simulationsrechnungen deuten darauf hin, dass die Klimawende für weiteren starken Aufwärtsdruck auf die Wohnimmobilienpreise sorgen könnte (Kapitel 4). Eine große Herausforderung für die Politik besteht daher darin, sowohl die Bezahlbarkeit als auch die Nachhaltigkeit von Wohnraum zu sichern.
Komplexe Zusammenhänge zwischen Wohnungsbau und Umweltqualität
Der Wohnungsbau belastet die Umwelt nicht nur über die Emissionen, sondern auch über den Flächen- und Materialverbrauch sowie die Verkehrsstrukturen, die die städtebauliche Entwicklung nach sich zieht. Diese Auswirkungen können von Land zu Land sehr unterschiedlich sein, wie beispielsweise im Fall der Flächennutzung (Abbildung 1.16). Darüber hinaus können sie in Bezug auf die einzelnen Umweltziele variieren: Mit der Zersiedelung wächst beispielsweise der Verkehrsbedarf, der Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes wird schwieriger, die Treibhausgasemissionen steigen und es werden mehr Landwirtschafts- und Naturflächen verbraucht. Gleichzeitig reduziert eine geringere Dichte die Gefährdung der Bevölkerung durch lokale Luftschadstoffemissionen, die in Gegenden mit dichterer Bebauung konzentrierter sind. Einige umweltbezogene Maßnahmen können die Bezahlbarkeit von Wohnraum auf kurze Sicht verschlechtern. Werden die Kosten von Umweltexternalitäten jedoch gleich zu Beginn eingepreist, verringert sich ihr Ausmaß, was zu mehr ökologischer Nachhaltigkeit und intergenerationeller Gerechtigkeit beiträgt.
Was kann der Staat tun?
Die Politik kann über verschiedene Maßnahmen vom Wohnungsbau bis hin zu Ausgaben und Steuern auf die Situation am Wohnungsmarkt einwirken. Reformen können verschiedenen Zielen dienen: Sie können für mehr Effizienz, für mehr Teilhabe oder für mehr Nachhaltigkeit am Wohnungsmarkt sorgen (Kasten 1.3). Die Präferenzen der einzelnen Länder in Bezug auf diese Ziele können sehr unterschiedlich sein, was wiederum unterschiedliche Politikentscheidungen rechtfertigen kann. In einem Sektor wie dem Wohnungsbau, in dem die Pfadabhängigkeit aufgrund der sehr langsamen Erneuerung des Wohnungsbestands sehr groß ist, haben vergangene Entscheidungen zudem starke Auswirkungen auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten von heute.
Wie in anderen Politikbereichen, in denen verschiedene Ziele verfolgt werden können, müssen mögliche Synergien, Zielkonflikte und unbeabsichtigte Folgen evaluiert werden, die u. U. mit einzelnen Politikinstrumenten einhergehen. Im Fall von Zielkonflikten kommt es außerdem entscheidend darauf an, herauszufinden, inwieweit die negativen Effekte bestimmter Instrumente durch andere Maßnahmen ausgeglichen werden können. In Tabelle 1.1 sind die wichtigsten Synergien und Konflikte zwischen den Zielen der Wohnungspolitik auf der Basis der in dieser Studie dargelegten empirischen Evidenz zusammengefasst. Dabei gilt es zwei Punkte zu beachten: Erstens handelt es sich um die üblicherweise zu erwartenden Effekte. Je nach länderspezifischem Kontext ist in der Praxis jedoch mit unterschiedlichen Folgen zu rechnen. Zweitens sind in der Tabelle nur die verfügbaren empirischen Daten bezüglich der Auswirkungen auf die Ziele der Wohnungspolitik zusammengefasst. Die Politikinterventionen können aber darüber hinaus Folgen für andere Bereiche haben, wie z. B. den Staatshaushalt. Das OECD Housing Policy Dashboard (Kasten 1.4) präsentiert Ergebnisse und Politikindikatoren aus dem Bericht. Es soll Politikverantwortlichen helfen, bei der Konzipierung nationaler Konzepte für den Wohnungsbau sachkundige Entscheidungen zu treffen.
Kasten 1.3. Reformen in der Wohnungspolitik können unterschiedlichen Zielen dienen: Teilhabe, Effizienz und Nachhaltigkeit
Beim horizontalen Projekt der OECD zum Thema Wohnungsbau geht es im Wesentlichen um drei Aspekte: Teilhabe, Effizienz und Nachhaltigkeit (Abbildung 1.17). Teilhabe bedeutet dabei, dass auch Niedrigeinkommenshaushalte und andere benachteiligte Gruppen, wie Menschen in instabilen Beschäftigungsverhältnissen, in hochwertigen Wohnungen leben können, die ihren Bedürfnissen gerecht werden und ihnen den Zugang zu Arbeitsmärkten, Schulen und sonstigen wichtigen Einrichtungen ermöglichen. Effizienz beschreibt die Fähigkeit des Sektors, Wohnraum zur Verfügung zu stellen, der der Nachfrage in quantitativer und qualitativer Hinsicht entspricht, ohne unnötige Kosten zu verursachen. Nachhaltigkeit bedeutet, dass Wohnungsbau und Wohnungsnutzung hohen Umwelt- und Klimazielen gerecht werden.
Tabelle 1.1. Die meisten Politikinterventionen haben Auswirkungen auf mehrere Ziele
Effizienz |
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---|---|---|---|---|---|---|---|
Teilhabe |
Nachhaltigkeit |
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Kurzfristige Bezahlbarkeit für sozial Schwache |
Langfristige Bezahl-barkeit |
Mobilität |
Finanzielle u. ökonomische Resilienz |
Lokales Umfeld |
Treibhausgasemissionen |
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Besteuerung |
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Steuervorteile für Wohneigentum abschaffen |
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Wohnimmobilien auf Jahres- statt auf Transaktionsbasis besteuern |
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Kraftstoffe besteuern |
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Eigentum mit unterschiedlichen Sätzen besteuern (höhere Steuern auf Grundstücke als auf Gebäude) |
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Ausgaben |
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In den Bau umweltverträglicher Sozialwohnungen investieren (mit übertragbaren Ansprüchen) |
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Sanierung des Wohnungsbestands bezuschussen |
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Ausgaben für Wohnungsbeihilfen erhöhen |
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Finanzpolitik |
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Maximale Beleihungsquoten senken |
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Eigenkapitalanforderungen für Hypothekenkredite erhöhen |
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Mietrecht |
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Mietpreisbegrenzungen lockern |
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Mieterschutzbestimmungen lockern |
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Baubestimmungen |
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In Baugesetzen Energieeffizienzstandards vorschreiben |
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Referenzwerte für die Energieeffizienz von Gebäuden einführen |
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Flächennutzung |
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Geografische Grenzen der Stadtentwicklung regelmäßig reevaluieren |
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Traufhöhenbegrenzungen lockern |
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Inhabern von Erschließungsrechten in ökologisch wertvollen Flächen gestatten, diese zu übertragen |
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Flächen erwerben, um deren Entschließung zu verhindern |
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Entscheidungsstrukturen im Bereich der Flächennutzung reformieren, um den Einfluss der Metropolregion gegenüber den nachgeordneten Ebenen zu stärken und Überschneidungen zu vermeiden |
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Umweltorientierte Stadtpolitik |
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Zugang von Fahrzeugen zu Stadtzentren einschränken |
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Gebühren für die Nutzung von Stadtstraßen und/oder Parkplätzen einführen |
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Öffentliche Verkehrssysteme ausbauen |
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Infrastruktur für alternative Kraftstoffe ausbauen |
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Anmerkung: Ein grüner, nach oben gerichteter Pfeil bedeutet, dass die in der Zeile angeführte Politikreform das in der Spalte aufgeführte Ziel unterstützt. Ein roter, nach unten gerichteter Pfeil bedeutet, dass die Reform dem Ziel eher schadet. Leer gelassene Felder weisen darauf hin, dass kein systematischer Effekt bekannt ist. Die Indikatoren zur Messung der Ergebnisse und politischen Rahmenbedingungen sind in Kasten 1.4 zusammengefasst. Die aufgeführten Auswirkungen spiegeln die in dieser Studie dargelegte empirische Evidenz wider. Die tatsächlichen Folgen können vom länderspezifischen Kontext abhängen und von den in der Tabelle dargelegten erwarteten Effekten abweichen. Die in den Spalten aufgeführten Ziele beziehen sich auf die Wohnungspolitik, die in den Zeilen genannten Politikinterventionen können aber auch Auswirkungen auf andere Bereiche wie Staatsausgaben oder -einnahmen haben.
Quelle: Kapitel 2–9.
Kasten 1.4. OECD Housing Indicator Dashboard
Indikatoren für sachlich fundierte Politikentscheidungen
Um die Zusammenhänge zwischen Maßnahmen und Ergebnissen unter den drei Aspekten Effizienz, Teilhabe und Nachhaltigkeit besser zu verstehen, bedarf es Indikatoren. Mit dem speziell für diesen Zweck konzipierten Housing Dashboard verfügen Politikverantwortliche über einen Katalog von Schlüsselindikatoren, der ihnen helfen soll, sachkundige Entscheidungen zu treffen (Abbildung 1.18). Verfügbar ist dieser unter http://bit.ly/housingtoolkitpreview1.
Da die Wohnungspolitik ein komplexer Bereich ist, könnten viele Ergebnisindikatoren auf Schwachstellen in den politischen Rahmenbedingungen im Hinblick auf ein oder mehrere Politikziele hindeuten. Ein anhaltender Anstieg der Wohnimmobilienpreise im Verhältnis zu den Einkommen kann beispielsweise darauf schließen lassen, dass Wohnraum weniger bezahlbar wird, was natürlich ein großes Hindernis für die Teilhabe ist. Er könnte gleichzeitig aber auch signalisieren, dass die Wohnimmobilienmärkte nicht effizient genug funktionieren. Folglich besteht in vielen Fällen zwischen Ergebnissen und Politikzielen kein Eins-zu-eins-Zusammenhang. Es bedarf daher eines gewissen Maßes an Urteilsvermögen, um Ergebnisindikatoren und Politikziele richtig miteinander zu verknüpfen.
Politikindikatoren zum Vergleich von Politikmaßnahmen in verschiedenen Ländern
Neben Ergebnisindikatoren können auch Vergleiche der politischen Weichenstellungen und der Kernmerkmale politischer Maßnahmen in verschiedenen Ländern und im Zeitverlauf wichtige Entscheidungshilfen liefern. Deshalb hat die OECD in die Erfassung von Daten und die Konstruktion von Politikindikatoren investiert, die die für die Wohnungspolitik relevanten Bereiche abdecken (Abbildung 1.18). Durch das Benchmarking mit anderen Ländern liefern diese Politikindikatoren Hinweise bezüglich des Handlungsspielraums, der im Hinblick auf die in Tabelle 1.2 aufgelisteten Reformoptionen vorhanden ist.
Eine wichtige Informationsquelle hierfür ist der OECD-Fragebogen zu bezahlbarem Wohnraum und sozialem Wohnungsbau (OECD Questionnaire on Social and Affordable Housing – QuASH) von 2019. Diese Erhebung liefert Informationen zur Sozialwohnungspolitik, zur Regulierung des Mietwohnungsmarkts, zur Flächennutzungspolitik und zur Regulierung des Hypothekenmarkts. Weitere sachdienliche Informationen wurden anderen OECD-Arbeiten entnommen, beispielsweise jenen zur effektiven Besteuerung von Wohnimmobilien und zu Steuervergünstigungen für Hypothekenzinsen, die im Rahmen der OECD-Arbeiten zur Besteuerung der Ersparnis der privaten Haushalte durchgeführt werden (Brys et al., erscheint demnächst[10]). Darüber hinaus wurden externe Quellen genutzt (Anhang 1.A1).
Angesichts der Wechselwirkungen zwischen Ergebnissen und Politikzielen ist das online verfügbare Dashboard ein nützliches Instrument für Politikverantwortliche, um Informationen über die für ein bestimmtes Land relevanten Ergebnis- und Politikindikatoren zu erhalten und die politischen Weichenstellungen in verschiedenen Ländern und im Zeitverlauf zu vergleichen. Das Dashboard kann auch verwendet werden, um „Momentaufnahmen“ der Lage in den einzelnen Ländern zu erstellen („Snapshots“). Dazu werden ausgewählte Schüsselindikatoren zu den einzelnen Aspekten denen vergleichbarer Länder gegenübergestellt.
Tabelle 1.2. Politikindikatoren zur Messung des Spielraums für Politikinterventionen
Politikoptionen |
Politikindikatoren |
---|---|
Steuervorteile für Wohneigentum abschaffen |
Effektiver Grenzsteuersatz auf selbstgenutztes Wohneigentum / Steuererleichterungen für Hypothekenzinsen |
Wohnimmobilien auf Jahres- statt auf Transaktionsbasis besteuern |
Anteil der laufenden Steuern auf unbewegliches Vermögen |
Kraftstoffe besteuern |
Kraftstoffsteuer |
Ausgaben für Wohnungsbeihilfen erhöhen |
Staatliche Gesamtausgaben für Wohnungsbeihilfen in Prozent des BIP / Sozialausgaben für Wohnraum |
Maximale Beleihungsquoten senken |
Beleihungsgrenze / Obergrenze für die Schuldendienstquote |
Eigenkapitalanforderungen für Hypothekenkredite erhöhen |
Eigenkapitalanforderungen für die Hypothekenkreditvergabe der Banken |
Mietpreisbegrenzungen lockern |
Strenge der Mietpreisbegrenzung |
Mieterschutzbestimmungen lockern |
Strenge der Mieterschutzbestimmungen |
Entscheidungsstrukturen im Bereich der Flächennutzung reformieren, um den Einfluss der Metropolregion gegenüber den nachgeordneten Ebenen zu stärken und Überschneidungen zu vermeiden |
Indikator der Flächennutzungspolitik |
Quelle: Vgl. Anhang 1.A1.
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Komplementäreffekte zwischen verschiedenen Politikzielen nutzen
Manche Politikinitiativen können Teilhabe, Effizienz und Nachhaltigkeit gleichzeitig fördern (Tabelle 1.1). Zu diesen Maßnahmen gehören ein größeres Angebot an Sozialwohnungen, eine stärkere Nutzung laufender Steuern auf Immobilien- und Grundeigentum sowie verschiedene Änderungen der Flächennutzungs- und Bebauungsvorschriften (Tabelle 1.1).
Eine gut konzipierte Sozialwohnungspolitik kann Wohnraum erschwinglicher machen und zusätzlich anderen Zielen dienen
Investitionen in den sozialen Wohnungsbau – in direkter oder indirekter Form durch gemeinnützige Bauvereinigungen oder Wohnungsbaugenossenschaften (Kasten 1.5) – tragen zur Erhöhung des Wohnungsangebots bei. Daher machen sie Wohnraum nicht nur für anspruchsberechtigte Niedrigeinkommensbezieher erschwinglicher, sondern senken auch das Preisniveau am gesamten Wohnungsmarkt. Wichtig ist dabei, dass der Sozialwohnungsanspruch über Städte und Regionen hinaus übertragbar ist, um die geografische Mobilität der Arbeitskräfte zu sichern. Um die – gerade in der Zeit nach Corona – wichtige Ressourcenreallokation zu fördern, ist es äußerst wichtig, Hindernisse zu beseitigen, die Arbeitsuchende davon abhalten, dort hinzuziehen, wo es Arbeitsplätze gibt (Kasten 1.2).
Kasten 1.5. Österreich bietet viele Sozialwohnungen über Wohnbaugenossenschaften und gemeinnützige Bauvereinigungen an
Mit 24 % wies Österreich unter den OECD-Ländern 2019 den drittgrößten Anteil an Sozialwohnungen am gesamten Wohnungsbestand auf (OECD, o. J.[11]). Hinter dieser bereits im Landesdurchschnitt hohen Quote verbirgt sich ein noch größerer Anteil an Sozialwohnungen in der Hauptstadt Wien. Dort liegt er bei 43 %. Zu verdanken ist dies dem Engagement der Kommunen sowie gemeinnütziger Wohnbaugenossenschaften. Beide Pfeiler des Systems spielen eine entscheidende Rolle. In Wien leben beispielsweise 22 % der Haushalte in Sozialwohnungen, die von der Stadt, und 21 % in Sozialwohnungen, die von Wohnbaugenossenschaften bereitgestellt werden.
In Österreich werden mehr als zwei Drittel des Sozialwohnungsbestands von gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaften verwaltet. Diese bieten Haushalten mit geringem und mittlerem Einkommen qualitativ hochwertigen Wohnraum zu unter dem Marktpreis liegenden Mieten an. Sie bewirtschaften mehr als 900 000 Sozialwohnungen (von denen zwei Drittel zur Vermietung bestimmt sind) und bauen jedes Jahr etwa 12 000–15 000 neue Wohneinheiten, was 25–30 % der gesamten Wohnungsbautätigkeit ausmacht. Die auf Kostenbasis festgelegten Mieten sind im Durchschnitt um 23 % niedriger als auf dem freien Markt. Von den Opportunitätskosten einer Vermietung unter Marktpreis abgesehen, halten sich die Kosten für Steuerzahler und Kommunen in Grenzen. Finanziert werden die Projekte mit öffentlichen und privaten Darlehen sowie dem Kapital der Wohnbaugenossenschaften, das sich auch aus den Finanzierungsbeiträgen der Mieter*innen speist. Das einzigartige Geschäftsmodell der Wohnbaugenossenschaften stützt sich im Wesentlichen auf Förderdarlehen, kostenbasierte Mieten und direkte Reinvestitionen der Überschüsse in den Bau und die Renovierung von Wohnungen nach erfolgter Kreditrückzahlung. Außerdem fließt ein Teil der Mieteinnahmen in einen Fonds, der für die Renovierung von Gebäuden eingerichtet wurde (nähere Einzelheiten zum Finanzierungsmodell des sozialen Wohnungsbaus in Österreich finden sich in Kasten 2.4). So wird die Qualität des Wohnungsbestands im Zeitverlauf aufrechterhalten. Die in sozialer und ökologischer Hinsicht strengen Auflagen für die Gebäudequalität sind ein weiterer Faktor, der die hohe Qualität von erschwinglichem Wohnraum garantiert.
Quelle: OECD (2019[12]), OECD (o. J.[11]).
Überdies tragen Sozialwohnungsbauten, die gemäß neuester Energieeffizienzstandards errichtet oder modernisiert wurden, dazu bei, den ökologischen Fußabdruck des Wohngebäudesektors zu reduzieren. Zudem kann damit die Energiearmut unter Mieter*innen von Sozialwohnungen verringert werden. Außerdem können solche Bauvorhaben einen Demonstrationseffekt haben und so die Einführung ehrgeiziger Gebäudeumweltstandards auf breiterer Basis sowie die Klimawende in der gesamten Wirtschaft fördern. Sind die Investitionen in den sozialen Wohnungsbau überdies gut in umwelt- und sozialpolitisch ehrgeizige Stadtentwicklungsprogramme integriert, tragen sie zugleich zur Verbesserung des Lebensumfelds und zur Entwicklung inklusiver, sozial gemischter Quartiere bei.
Anders als die Bereitstellung von Sozialwohnungen mit begrenzter Übertragbarkeit der Ansprüche schränken Wohnungsbeihilfen die Wohn- und Arbeitsplatzmobilität prinzipiell nicht ein (Kapitel 6). Ein ganz entscheidender Unterschied zwischen der Bereitstellung von Sozialwohnungen und Wohnungsbeihilfen besteht allerdings darin, dass Wohnungsbeihilfen die Nachfrage erhöhen, während die Bereitstellung von Sozialwohnungen das Angebot ausweitet. In Gegenden mit rigidem Angebot dürfte eine Erhöhung der Wohnungsbeihilfen unbeabsichtigt einen Aufwärtsdruck auf die Wohnimmobilienpreise und Mieten zur Folge haben.7 Dieser Druck kann den beabsichtigten Effekt der Wohnungsbeihilfen auf die Erschwinglichkeit von Wohnraum für die Empfänger zunichtemachen und zugleich bewirken, dass Wohnraum für Haushalte teurer wird, die keine Beihilfen empfangen. Um diesen Zielkonflikt zu bewältigen, d. h. um die Reaktionsfähigkeit des Wohnraumangebots auf durch höhere Wohnungsbeihilfen bedingte nachfrageseitige Veränderungen zu steigern, sind zusätzliche Maßnahmen erforderlich (siehe weiter unten).
Steuerreformen können wirtschaftliche, gesellschaftliche und ökologische Vorteile bieten
Die Effizienz des Wohnungsmarkts ließe sich steigern, wenn anstelle von Immobilientransaktionssteuern, wie etwa Grunderwerbsteuern, stärker von jährlich erhobenen Steuern, wie etwa Grundsteuern, Gebrauch gemacht würde. Laufende Steuern auf unbewegliches Vermögen haben im Gegensatz zu Abgaben auf Wohnimmobilientransaktionen den zusätzlichen Vorteil, die Wohnmobilität nicht zu beeinträchtigen, die eng mit der Arbeitsplatzmobilität verknüpft ist. Aus empirischen Untersuchungen geht zudem hervor, dass laufende Grundsteuern das Wirtschaftswachstum im Vergleich zu anderen Steuern und insbesondere Immobilientransaktionssteuern eher fördern. Vielen Ländern bringen die jährlich erhobenen Grundsteuern derzeit nur sehr geringe Einnahmen. Folglich ist Spielraum vorhanden, dieses Instrument stärker zu nutzen.8 In Ländern, in denen die Immobilienbewertung für Steuerzwecke deutlich unter dem Marktwert liegt, bietet es sich zudem an, die steuerlichen Wertansätze dem Marktwert anzupassen (Kapitel 8).
Des Weiteren hätte eine stärkere Berücksichtigung der Grundstücke anstatt der Bauten in der Bemessungsgrundlage der laufenden Grundsteuer den Vorteil, für eine effizientere Bebauung und damit eine bessere Umweltqualität zu sorgen (Kapitel 7). Indem sie den negativen Effekt der Besteuerung auf die Anreize für Wohnungsbauinvestitionen verringert, dürfte eine solche Umstellung auch für eine flexiblere Anpassung des Wohnungsangebots an nachfrageseitige Veränderungen sorgen. Allerdings ist hier Vorsicht geboten, da Bebauungsvorschriften die Vorteile effizienterer Grundsteuern begrenzen können (Kapitel 8).
In Ländern, in denen das Wohnraumangebot nicht ausreichend flexibel ist, kann die Abschaffung steuerlicher Vergünstigungen für Hypothekenzinsen zur Folge haben, dass die Wohnimmobilienpreise deutlich sinken (Kapitel 4). Grund hierfür ist, dass sich in Gegenden, in denen das Angebot rigide ist, ein Großteil der Steuererleichterungen für Hypothekenzinsen in höheren Grundstückpreisen niederschlägt. Gruber, Jensen und Kleven (2021[13]) stellen fest, dass die Senkung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Hypothekenzinsen in Dänemark den Gleichgewichtspreis für Wohnimmobilien und die Verschuldung der privaten Haushalte reduziert hat.9 Auf lange Sicht machen niedrigere Wohnimmobilienpreise Immobilienmärkte inklusiver, indem sie einem deutlich größeren Teil der Bevölkerung Zugang zu Eigentum ermöglichen und die Mieten sinken lassen. Auf mittlere Sicht, d. h. bevor sich die Preise anpassen, geht der Abbau steuerlicher Vergünstigungen für Hypothekenzinsen zulasten der Haushalte, die zuvor von diesen steuerlichen Vergünstigungen profitiert haben. Angesichts der sich hieraus ergebenden politikökonomischen Herausforderungen haben sich die Länder bei der Abschaffung bzw. Verringerung der steuerlichen Vergünstigungen für Hypothekenzinsen im Allgemeinen für ein zeitlich gestaffeltes Vorgehen entschieden (Frankreich, Niederlande, Vereinigtes Königreich). Dies wirft aber insofern keine dringenden verteilungspolitischen Fragen auf, als die Steuererleichterungen für Hypothekenzinsen in erster Linie höheren Einkommensgruppen zugutekommen.10 Da steuerliche Vergünstigungen für Hypothekenzinsen die größten Hindernisse für Erstkäufer nicht aus dem Weg räumen, nämlich den Eigenkapitalbedarf und die Kreditwürdigkeitsprüfungen, dürfte ihre Reform mittelfristig nur begrenzte Auswirkungen auf die Wohneigentumsquote haben.11 Eine Erhöhung der effektiven Besteuerung von Wohnimmobilien durch die Abschaffung der steuerlichen Vergünstigungen für Hypothekenzinsen oder sonstige Vorteile trägt außerdem dazu bei, die Wohnimmobilienzyklen zu glätten (Abbildung 1.19; Kapitel 3). Die in den Niederlanden in den 2010er Jahren umgesetzten Steuerreformen sind ein Beispiel für eine Strategie, bei der die Umstellung der Immobilienbesteuerung von einer Transaktionssteuer zu einer laufenden Steuer mit einem Abbau der steuerlichen Vergünstigungen für Hypothekenzinsen kombiniert wurde (Kasten 1.6).
Kasten 1.6. Steuerreformen zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der Wohnimmobilienmärkte am Beispiel der Niederlande
Das niederländische Steuersystem war für Wohneigentümer mit hohen Hypothekenkrediten lange Zeit außergewöhnlich günstig, während Immobilientransaktionen zugleich stark besteuert wurden. Damit bestanden Ansatzpunkte für Reformen, von denen verschiedene Vorteile zu erwarten waren (OECD, 2010[14]). Durch den Abbau der äußerst günstigen steuerlichen Behandlung von hypothekenfinanziertem Wohneigentum schien es zum einen möglich, die Verschuldung der privaten Haushalte zu reduzieren und dadurch zu einer stärkeren wirtschaftlichen Stabilität und Resilienz beizutragen (Kapitel 3) und zugleich den Anstieg der Wohnimmobilienpreise zu bremsen (Kapitel 4). Niedrigere Transaktionssteuern sorgen zum anderen für mehr Fluidität am Wohnimmobilienmarkt, was wiederum die Wohnmobilität (Kapitel 6) und die Arbeitskräftereallokation erleichtert. Diese beiden Arten von Reformen können gut als Paket umgesetzt werden, da sie gegenteilige Effekte auf die Gesamtsteuereinnahmen haben.
Aus diesem Grund wurde nach der globalen Finanzkrise eine Reihe von Reformen eingeleitet. 2011 wurde die Transaktionssteuer von 6 % auf 2 % gesenkt, zunächst vorübergehend, um den Markt anzukurbeln, ab 2012 dann dauerhaft, um die Wohnmobilität zu erleichtern (OECD, 2012[15]). Parallel dazu wurden Maßnahmen ergriffen, um die günstige steuerliche Behandlung von Hypothekenkrediten bei der Einkommensteuer schrittweise abzubauen. Ein bedeutender erster Schritt wurde 2013 getan, als die Steuererleichterungen auf Hypothekenkredite begrenzt wurden, die über ihre Laufzeit verteilt vollständig getilgt werden müssen. Von der Neuregelung ausgenommen waren somit „Ballon-Hypotheken“, d. h. Hypotheken, bei denen der Großteil oder das gesamte Kapital erst am Ende der Kreditlaufzeit auf einmal zurückgezahlt wird. Diese Ballon-Hypotheken waren zuvor in den Niederlanden weit verbreitet, was zu der sehr hohen Verschuldung der privaten Haushalte beigetragen hatte. Im Rahmen einer weiteren großen Reform wurde 2014 eine allmähliche Absenkung der maximalen steuerlichen Abzugsfähigkeit von Hypothekenzinsen bis 2040 um jährlich 0,5 Prozentpunkte eingeleitet (von 52 % im Jahr 2014). 2017 beschloss die Regierung, diesen Prozess zu beschleunigen und erhöhte die Absenkungen auf 3 Prozentpunkte pro Jahr von 49 % im Jahr 2020 auf 37 % im Jahr 2023 (OECD, 2018[16]).
Eine weitere Steuerreformoption, um sowohl die Bezahlbarkeit als auch die Effizienz zu verbessern, wäre die Verschiebung der Steuerlast von Transaktions- auf laufende Steuern. Damit würde ein wichtiges Mobilitätshindernis aus dem Weg geräumt (Kapitel 6) und die Steuer würde zugleich den geleisteten Diensten besser gerecht (Kapitel 8).
Eine Reform der Flächennutzungsvorschriften kann zahlreiche Vorteile haben
Wird die Übertragung bestehender Erschließungsrechte für ökologisch wertvolle Gebiete auf andere Standorte zugelassen, hat dies positive Effekte für die Umwelt und können zugleich angebotsseitige Engpässe dort verringert werden, wo die Nachfrage nach Wohnraum groß ist. Wenn die stärkere Reaktionsfähigkeit des Angebots dann den Aufwärtsdruck auf die Preise mindert, können entsprechende Reformen nicht nur die ökologische Nachhaltigkeit verbessern, sondern auch die Bezahlbarkeit von Wohnraum und die Effizienz des Wohnungsmarkts erhöhen. Werden solche Regulierungsreformen mit strengeren Energieeffizienzstandards kombiniert, können sie den Umwelteffekt der Wohnungspolitik verbessern, indem sie den Weg für raschere Fortschritte bei der Energiewende im Wohnungsbestand ebnen.
Außerdem kann eine Reform der Flächennutzungsbestimmungen weitreichendere positive Auswirkungen auf die Wirtschaft haben. Flexible Flächennutzungsbestimmungen im Rahmen integrierter Planungskonzepte, die Umweltziele beinhalten, können die effiziente Reallokation von Kapital und Arbeit erleichtern, indem sie es ermöglichen, dass sich das Wohnungsangebot einer Verlagerung der Wohnungsnachfrage in Gegenden mit hoher Produktivität anpasst. Dies hat dann positive Effekte auf die Investitionstätigkeit, die gesamtwirtschaftliche Produktivität und das Wirtschaftswachstum.12
Dies kann u. a. erreicht werden, indem die geografischen Grenzen der Stadtentwicklung regelmäßig neu evaluiert werden, um städtisches Wachstum zu ermöglichen und zugleich sicherzustellen, dass dieses Wachstum mit den Umweltzielen in Einklang steht (Kapitel 7). Darüber hinaus können Flächennutzungsmodelle, die Zuständigkeitsüberschneidungen in der Wohnungspolitik zwischen verschiedenen staatlichen Ebenen vermeiden und eine Planung auf Metropolebene statt auf den nachgeordneten Ebenen fördern (Abbildung 1.20), den Matching-Prozess zwischen Angebot und Nachfrage im gesamten Einzugsgebiet der betreffenden Städte vereinfachen. Dies kann die Reagibilität des Angebots auf die Nachfrageentwicklung potenziell erhöhen, was wiederum den Aufwärtsdruck auf die Preise senkt und Wohnraum erschwinglicher macht (Kapitel 4).13
Die Stadtsanierungspolitik ist wichtig für wirtschaftliche und gesellschaftliche Ziele
Zuschüsse für die energetische Sanierung von Altbauten, von denen aufgrund unzureichender baurechtlicher Standards u. U. nicht genügend Gebrauch gemacht wird, können helfen, die Auslastung des Wohnungsbestands und seine Energieeffizienz zu erhöhen. Gleichzeitig können sie die negativen Auswirkungen der Kosten energetischer Sanierungen auf die Bezahlbarkeit von Wohnraum verringern. Mit der Zeit dürfte der positive Effekt der Zuschüsse auf die Bezahlbarkeit allerdings abnehmen, da sich die Modernisierungsarbeiten in höheren Immobilienpreisen niederschlagen.14
Zielkonflikte und unbeabsichtigte Politikeffekte bewältigen
Einige Zielkonflikte beinhalten Abwägungen zwischen kurz- und langfristiger Bezahlbarkeit
Zusammen mit Reformen, die für eine größere Reagibilität des Wohnraumangebots sorgen, könnten flexiblere Bestimmungen im Bereich der Mietpreisbegrenzung und des Mieterschutzes (Abbildung 1.21) die Wohnungsmärkte auf lange Sicht effizienter und Wohnraum erschwinglicher machen. Auf kurze Sicht könnten solche Lockerungen Wohnraum für einige Haushalte aber schwerer bezahlbar machen, vor allem für Bestandsmieter. Strenge Mietpreisbegrenzungen verringern die Rendite von Wohnimmobilieninvestitionen. Die damit einhergehende Ungewissheit hält Bauunternehmen und Kreditgeber davon ab, in Immobilien zu investieren. Folglich reagiert das Wohnraumangebot deutlich weniger auf Veränderungen der Nachfrage (Kapitel 4). Strenge mietrechtliche Bestimmungen können aber auch für sozial schwache Mieter*innen negative Folgen haben, was ein Hindernis für die Wohn- und Arbeitsmobilität darstellt (Kapitel 6). Ein zu starker Mieterschutz führt häufig dazu, dass es für Personen mit ungewissen Arbeitsmarktaussichten, wie Arbeitskräfte im Niedriglohnsektor oder in atypischen Beschäftigungsverhältnissen, schwierig wird, eine neue Wohnung zu finden, weil die Vermieter aus Angst vor Zahlungsausfällen und schwierigen Zwangsräumungen von Wohnungssuchenden verlangen, dass sie ein stabiles Einkommen nachweisen können. Dennoch spricht vieles dafür, Mieter*innen ausreichend Sicherheit in Bezug auf die Dauer des Mietverhältnisses und die Höhe der Miete zu bieten. Ein möglicher Kompromiss wäre hier ein System der Mietpreisstabilisierung, bei dem die Miethöhe bei Vertragsneuabschlüssen und Vertragsverlängerungen geändert werden kann, während der Dauer des Mietvertrags aber nur entsprechend festgelegter Regeln und Marktindikatoren angepasst werden darf.
Eine zu starke Regulierung des Mietwohnungsmarkts kann potenziell zu Ungleichgewichten zwischen Angebot und Nachfrage führen und dadurch spekulativen Wohnungspreisblasen und einer überhöhten Verschuldung der privaten Haushalte Vorschub leisten, was wiederum negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Resilienz hat. In der Tat ist ein Zusammenhang zwischen häufigeren Finanzkrisen und schwereren Konjunkturabschwüngen einerseits und strengeren mietrechtlichen Bestimmungen andererseits festzustellen (Kapitel 3). Die unbeabsichtigten Folgen einer Lockerung der mietrechtlichen Bestimmungen lassen sich zumindest z. T. durch ein größeres Angebot an Sozialwohnungen und Wohnungsbeihilfen für private Haushalte abmildern, die auf besonders gefährdete Gruppen zugeschnitten werden können. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, allzu restriktive Flächennutzungs- und Bebauungsbestimmungen, die angebotsseitige Reaktionen beeinträchtigen, dort zu lockern, wo eine hohe Nachfrage nach Wohnraum besteht.
Die von mehreren Ländern ergriffenen Maßnahmen, um Mieter*innen vor den mit der Coronakrise einhergehenden Härten zu schützen, sind ein gutes Beispiel für diese Problematik (Kasten 1.7). In vielen Ländern wurden zu Beginn der Lockdowns zusätzliche Mieterschutzbestimmungen eingeführt, um gefährdeten Haushalten kurzfristig zu helfen und Bestandsmieter*innen eine gewisse Einkommenssicherung zu bieten. Die aus strengen mietrechtlichen Bestimmungen resultierenden Hindernisse für die Wohn- und folglich auch die Arbeitsplatzmobilität können nun jedoch einen kontraproduktiven Effekt haben, da die Erholung von der Coronakrise eine Reallokation von Kapital und Arbeitskräften hin zu Branchen und Tätigkeiten mit guten Wirtschaftsaussichten voraussetzt.
Kasten 1.7. Bei einigen Coronahilfsmaßnahmen muss zwischen lang- und kurzfristigen Zielen abgewogen werden
Seit Beginn der Coronakrise haben die Länder zusätzlich zu den regulären Leistungen der sozialen Sicherung zahlreiche spezifische Maßnahmen eingeführt, um Wohneigentümer*innen mit Hypothekenkrediten und Mieter*innen Schutz zu bieten. Einige Länder haben auch Maßnahmen getroffen, um die Erholung des Bausektors nach der Krise zu fördern (Abbildung 1.22). Im Rahmen der ergriffenen Soforthilfemaßnahmen wurden in den meisten Ländern Zwangsräumungen ausgesetzt, Miet- und Kreditzahlungen vorübergehend gestundet und in einigen Fällen Moratorien für Wasser-, Gas- und Stromrechnungen erlassen. Die meisten Länder haben zudem sowohl auf zentraler als auch auf nachgeordneter Ebene spezifische Schritte in die Wege geleitet, um während der Lockdowns Unterkunftsmöglichkeiten für Wohnungslose zu schaffen.
Zusätzlich zu den Leistungen der sozialen Sicherung ergriffen die Länder spezifische Maßnahmen zur Unterstützung von Mieter*innen. Viele Länder ermöglichten Mietstundungen für in wirtschaftliche Not geratene Mieter*innen. Einige boten Mieter*innen, die krisenbedingt nicht mehr in der Lage waren, ihre Mieten zu zahlen, auch konkrete finanzielle Unterstützung an. Die mietrechtlichen Bestimmungen wurden ebenfalls angepasst, in einigen Ländern zumindest vorübergehend. Bei Vertragsverlängerungen wurden die Mieten häufig eingefroren. Mieter*innen wurde gestattet, ihre Verträge vorzeitig zu kündigen oder zu verlängern, falls die durch die Pandemie geschaffene Situation dies erforderte. Zudem wurden Schritte unternommen, um Hypothekennehmer*innen und Wohneigentümer*innen generell zu schützen. Mehrere Länder setzten die Zwangsvollstreckungsverfahren während der Lockdowns aus. Andere gestatteten Eigentümer*innen, ihre Grundsteuerzahlungen zu stunden. Weitere Maßnahmen zielten darauf ab, die Wohnimmobilienfinanzierung direkt zu unterstützen. In einigen Ländern wurden Banken und Hypothekenkreditgeber direkt mit Liquidität versorgt. In einigen Fällen wurden die prudenziellen Auflagen für Banken vorübergehend gelockert.
Einige der ergriffenen Maßnahmen erfordern Abwägungen zwischen kurz- und langfristigen Zielen. Ein stärkerer Mieterschutz, eine gewisse Toleranz seitens der aufsichtsrechtlichen Instanzen (regulatory forbearance) sowie finanzielle Unterstützung für Hypothekennehmer und -geber sorgten dafür, dass sich die negativen Auswirkungen der Krise auf die privaten Haushalte und Kreditgeber kurz- und mittelfristig in Grenzen hielten. Vor allem sollte ein Anstieg der Zahl der Räumungen, Zwangsvollstreckungen und Wohnungslosen vermieden werden. Dank dieser Schutzmaßnahmen konnte darüber hinaus gewährleistet werden, dass die Menschen sicher zu Hause bleiben und sich dort bei Bedarf auch in Quarantäne begeben konnten. Wie im Haupttext erörtert, können diese Maßnahmen jedoch mittelfristig das Wohnungsangebot verringern, die Mobilität behindern und die künftige Krisenfestigkeit schwächen (Tabelle 1.1). Mit fortschreitender Erholung wird es immer wichtiger werden, die kurzfristigen Ziele mit den längerfristigen Anforderungen eines gut funktionierenden Wohnungssektors in Einklang zu bringen.
Bei anderen Maßnahmen gibt es keine derartigen Zielkonflikte. Eine Ausweitung des Angebots an Sozialwohnungen trägt zur Konjunkturerholung bei und erleichtert mittel- bis langfristig Niedrigeinkommenshaushalten den Zugang zu Wohnraum. In diesem Kontext ist es wichtig, zu gewährleisten, dass Ansprüche auf eine Sozialwohnung übertragbar sind, damit keine Mobilitätshindernisse entstehen. Eine Lockerung der Flächennutzungsregeln, um Bauvorhaben im Rahmen von ökologisch nachhaltigen Stadtplanungsstrategien und Bebauungsvorschriften zu erleichtern, würde die Erholung im Bausektor auf mittlere Sicht fördern. Auf lange Sicht würden derartige Initiativen auch für einen effizienteren Wohnungsmarkt sorgen.
Einige makroprudenzielle Maßnahmen stellen bestimmte Gruppen vor Herausforderungen
Makroprudenzielle Maßnahmen, die verhindern sollen, dass sich Kreditnehmer*innen beim Immobilienerwerb zu stark verschulden, sind ebenfalls mit Zielkonflikten verbunden, insbesondere was den Zugang bestimmter sozialer Gruppen zur Immobilienfinanzierung betrifft. Eine Verschärfung der makroprudenziellen Rahmenbedingungen hilft, Übertreibungen am Wohnimmobilienmarkt zu verhindern (Kasten 1.8) und die makroökonomische Stabilität zu bewahren (Kapitel 3). Gleichzeitig erschweren Obergrenzen wie etwa der Beleihungswert, d. h. die vom Immobilienwert abhängige Beleihungsgrenze (Loan-to-Value- bzw. LTV-Verhältnis), jungen Haushalten mit geringen Ersparnissen den Erwerb von Wohneigentum. Wo dies sinnvoll erscheint, beispielsweise bei Immobilienersterwerbern, kann dieser Zielkonflikt aber zumindest z. T. gemildert werden, indem den betreffenden Gruppen gezielt steuerbegünstigte Sparpläne angeboten werden, die ihnen helfen, das erforderliche Eigenkapital anzusparen. Eine weitere Möglichkeit wäre, sich bei den makroprudenziellen Auflagen stärker an der Schuldendienstfähigkeit zu orientieren. Dadurch können die Risiken ebenfalls gemindert werden, jedoch ohne dass die Kreditnehmer*innen so viel Eigenkapital aufbringen müssen wie im Fall von Beleihungsgrenzen.
Kasten 1.8. Makroprudenzielle Maßnahmen zur Abkühlung der Wohnimmobilienmärkte am Beispiel von Schweden und Kanada
Angesichts des raschen Anstiegs der Wohnimmobilienpreise verschärfte Schweden 2016 die am LTV-Verhältnis orientierten Beleihungsgrenzen, wozu Mindesttilgungsätze eingeführt wurden. Für Hypothekenkredite mit einer Beleihungsquote zwischen 50 % und 70 % wurden Mindesttilgungen in Höhe von 1 % jährlich vorgeschrieben, bei einer LTV-Beleihungsquote von über 70 % von mindestens 2 %. 2018 wurden die LTV-Vorschriften durch ein Instrument ergänzt, das sich an der Höhe der Verschuldung im Verhältnis zum Einkommen (Debt-to-Income – DTI) orientiert: Bei einer Verschuldungsquote von über 4,5 wurde eine jährliche Mindesttilgung von mindestens 1 % verlangt. Mit diesen Auflagen, die von einer im Vergleich zum Immobilienwert und zum Einkommensniveau zu hohen Kreditaufnahme abhalten sollten, konnte der Anstieg der Immobilienpreise erfolgreich gebremst werden.
Auch Kanada hat als Reaktion auf rasch anziehende Wohnimmobilienpreise, vor allem in Vancouver und Toronto, strengere Anforderungen in Bezug auf das LTV-Verhältnis eingeführt. Dabei wurde die Beleihungsgrenze für Immobilien im Wert von über 0,5 Mio. CAD von 95 % auf 90 % abgesenkt. Zusätzlich wurden die Auflagen in Bezug auf die Schuldendienstquote verschärft. Wurde diese bisher anhand des effektiven Zinssatzes berechnet, der bei der Kreditvergabe vereinbart wurde, musste nun ein von der Bank of Canada festgelegter „üblicher“ Zins zugrunde gelegt werden. 2016 und erneut 2018 wurde zudem der Zugang zu staatlichen Bürgschaften für Hypothekenkredite mit hoher Beleihungsquote erschwert. Nach dieser Verschärfung der makroprudenziellen Politik verlief die Entwicklung der Wohnimmobilienpreise gedämpfter, in Vancouver sanken die Preise sogar und in Toronto stabilisierten sie sich.
Quelle: Duprey und Ueberfeldt (2020[17]), OECD (2019[18]; 2018[19])
Maßnahmen zur Verbesserung der ökologischen Nachhaltigkeit von Wohngebäuden können Kosten verursachen
Die aus strengeren Energieeffizienzvorschriften und sonstigen Bestimmungen, die die ökologische Nachhaltigkeit von Gebäuden und Anlagen verbessern können, resultierenden Kosten können sich negativ auf die Bezahlbarkeit von Wohnraum auswirken, auch wenn diese Kosten natürlich nicht voll auf die Wohnimmobilienpreise übergewälzt werden können (vor allem nicht, wenn Wohnungsbau- und Sanierungsanstrengungen bezuschusst werden). Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz von Wohnungen können aber auch zur Folge haben, dass sich die Energiekosten für Eigentümer*innen und Mieter*innen verringern. Wenn niedrigere Strom-, Gas- und Wasserkosten und die Aussicht auf eine langfristige Wertsteigerung von energieeffizientem Wohnraum zudem die Kreditrisiken senken, können diese Verbesserungen auch niedrigere Kreditkosten oder bessere Kreditbedingungen für Hypothekennehmer*innen mit sich bringen (Kasten 1.9). Wo jedoch umfassende Investitionen erforderlich sind, um neu zu bauen oder den Wohnungsbestand zu modernisieren, kann es zu erheblichem Aufwärtsdruck auf die Wohnimmobilienpreise kommen. Simulationsrechnungen mit vereinfachten Annahmen deuten darauf hin, dass der mit diesem Druck einhergehende Anstieg der Wohnimmobilienpreise in vielen OECD-Ländern dem Gegenwert des verfügbaren Haushaltseinkommens von mehr als einem halben Jahr entsprechen könnte (Abbildung 1.23).
Mehrere Maßnahmen zur Verbesserung der Umweltbilanz von Städten können negative Auswirkungen auf das Angebot und die Bezahlbarkeit von Wohnraum haben. Wenn die öffentliche Hand Flächen erwirbt, um zu verhindern, dass diese in Bauland umgewandelt werden, wie dies bei Grüngürteln rund um urbane Räume der Fall ist, wird das Angebot direkt eingeschränkt. Maßnahmen, die den Zugang von Pkw zu Innenstädten begrenzen, die Nutzung von Stadtstraßen kostenpflichtig machen oder die Parkgebühren erhöhen, lassen die Wohnimmobilienpreise in Städten empirischen Studien zufolge ebenfalls steigen – wenn auch auf indirektere Weise –, indem sie die Wohnungsnachfrage in Richtung Innenstädte verlagern, wo das Preisniveau generell höher ist (Kapitel 7). Zudem gibt es Belege dafür, dass die Wohnimmobilienpreise mit dem Ausbau der öffentlichen Verkehrsnetze im Allgemeinen steigen. Da dadurch aber auch der Pendelverkehr und die Mobilität innerhalb urbaner Räume erleichtert wird, erhöht sich zugleich die Arbeitsmarktintegration und die soziale Teilhabe im weiteren Sinne. Den potenziell negativen Effekten höherer Wohnimmobilienpreise auf Erschwinglichkeit und Teilhabe kann durch Maßnahmen begegnet werden, die den sozialen Wohnungsbau fördern und dafür sorgen, dass in Gebieten, in denen solche Maßnahmen die Nachfrage nach Wohnraum in die Höhe treiben, Bauland erschlossen wird.
Kasten 1.9. Grüne Hypotheken zur Förderung der energetischen Sanierung von Wohnungen
Energieeffiziente oder „grüne“ Hypotheken können eine wichtige Finanzierungsquelle für die umfangreichen Investitionen darstellen, die erforderlich sind, um die Energieeffizienz von Wohnungen gemäß den Klimazielen zu steigern. Eine Energieeffizienz-Hypothek ist ein Immobiliendarlehen, das Wohneigentümer*innen Anreize bietet, die Energieeffizienz ihrer Wohnung zu erhöhen, und Käufer*innen, energieeffiziente Immobilien zu erwerben. Bei den Anreizen kann es sich um günstige Finanzierungsbedingungen oder höhere Darlehensbeträge handeln. Die Energieeffizienz eines Gebäudes wird in einem Energieausweis anhand verschiedener Kriterien bewertet.
Dass Energieeffizienz-Hypotheken zum Einsatz kommen, ist ihren Vorteilen für Kreditinstitute, Kreditnehmer und Politikverantwortliche zu verdanken. An sie wird insbesondere die Erwartung gestellt, die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit der Eigentümer*innen zu verringern und ihr verfügbares Einkommen zu erhöhen, den Wert der Immobilien zu steigern und infolgedessen das Kreditrisiko für Banken und Finanzinstitute zu reduzieren. In neueren empirischen Analysen wurde eine negative Korrelation zwischen der Energiebilanz von Gebäuden und dem Kreditrisiko festgestellt (Billio et al., 2020[21]). Die dabei durchgeführten Portfolioanalysen ergaben eine Konzentration an Zahlungsausfällen bei weniger energieeffizienten Immobilien. Der Grad der Energieeffizienz ist ebenfalls von Bedeutung. Gebäude mit einer höheren Energieeffizienz sind mit einem vergleichsweise geringeren Ausfallrisiko assoziiert, was darauf hindeutet, dass energieeffiziente Investitionen die Solvabilität der Kreditnehmer*innen häufig verbessern.
Auch Investorenpräferenzen und aufsichtsrechtliche Maßnahmen können Banken dazu bewegen, den Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft zu unterstützen. Dank grüner Hypotheken können Banken grüne Anleihen auflegen. Die Einrichtung „grüner“ Portfolios auf der Basis einer Umweltstrategie für das Retail-Banking ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass Banken grüne Finanzierungsinstrumente entwickeln können, die Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien (ESG-Kriterien) genügen. Solche Instrumente könnten zur Reduzierung der Finanzierungskosten und Diversifizierung der Finanzierungsbasis beitragen, indem sie ESG-Investoren anziehen. Zugleich verändern sich die Regulierungs- und Aufsichtsanforderungen derzeit rasch, womit die Einhaltung der ESG-Kriterien für die Banken immer wichtiger wird.
In Europa haben der Europäische Hypothekenverband und der Europäische Rat für gedeckte Schuldverschreibungen (EMF-ECBC) 2015 eine Initiative für energieeffiziente Hypotheken (Energy Efficient Mortgages Initiative – EEMI) ins Leben gerufen, um 1. energieeffiziente Investitionen in Gebäude zu fördern, 2. ein Label für grüne Hypotheken zu entwickeln, um den Erwerb energieeffizienter Immobilien und die Sanierung nicht den Energieeffizienznormen entsprechender Gebäude zu erleichtern und 3. die Verfügbarkeit von Daten zu energieeffizienten Hypotheken in den EU-Mitgliedstaaten zu bewerten und große Datensets zusammenzustellen, um die Zusammenhänge zwischen den Energieeffizienzmerkmalen von Gebäuden, ihrem Marktwert und der Ausfallwahrscheinlichkeit sowie dem zu erwartenden prozentualen Verlust im Insolvenzfall (Loss-Given-Default) zu untersuchen.
Seit der Einführung des Energieausweises im Jahr 2010 scheinen die Hypothekenmärkte die Energiebilanz von Gebäuden zunehmend zu berücksichtigen. Die Beleihungsparameter werden dabei immer häufiger an Energieausweis-Kategorien ausgerichtet. Die Sanierung bestehender Gebäude mit schlechten Energieeffizienzwerten bleibt eine Herausforderung und muss weiter gefördert und ausgedehnt werden. In Europa wurden etwa 80 % des Gebäudebestands vor 1990 errichtet (Abbildung 1.24). Daher ist es wichtig, die Renovierung bestehender Gebäude in Strategien für Energieeffizienz-Hypotheken einzubeziehen. Schlecht isolierte Wohnungen können für ihre Bewohner*innen schwere Folgen haben: 7 % der Menschen in Europa – und fast 20 % der weniger Begünstigten (definiert als Personen in Haushalten, die mit weniger als 60 % des nationalen Medianeinkommens auskommen müssen) – gaben 2018 an, ihre Wohnung nicht ausreichend heizen zu können. Da sich die ausstehenden Hypotheken auf 44 % des BIP der Europäischen Union belaufen, ist das Potenzial zur Mobilisierung des Hypothekenmarkts beträchtlich.
Angesichts des in den verschiedenen Regionen sehr unterschiedlichen Klimas müssen Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz von Gebäuden auch den lokalen Bedingungen Rechnung tragen. In Europa beispielsweise entfallen nahezu 65 % des Energieverbrauchs des Durchschnittshaushalts auf die Wärme- und Kälteerzeugung. Daher liefert eine Beurteilung des tatsächlichen Bedarfs der Haushalte je nach Standort auch wichtige Hinweise für die Aufstellung realistischer Ziele zur Erreichung von Energieeffizienz. Zugleich kann daraus ein gemeinsamer Katalog an Rahmenbedingungen abgeleitet werden, anhand derer sich Merkmale bestimmen lassen, die eine Wohnung zu erfüllen hat, um in einer bestimmten Klimazone energieeffizient zu sein.
Vor diesem Hintergrund wurden von der Wirtschaft Initiativen ergriffen, um einen europäischen Standard für grüne Hypotheken zu erarbeiten. Im Februar 2021 riefen der Europäische Hypothekenverband und der Europäische Rat für gedeckte Schuldverschreibungen (EMF-ECBC) das Label „energieeffiziente Hypothek“ (Energy Efficient Mortgage – EEM) ins Leben. Dies soll die Sammlung weiterer Daten erleichtern, die eine laufende Analyse der Performance grüner Hypotheken ermöglichen und die Qualität und Transparenz der Erhebung, Verarbeitung und Veröffentlichung von EEM-Daten für die Marktakteure sicherstellen sollen. Das Label wird sich voraussichtlich bezahlt machen und die Entwicklung des Markts für EEM vorantreiben. Die Sammlung hypothekenspezifischer Daten, insbesondere zu den Energieeffizienz-Parametern der betreffenden Wohnimmobilien, ist dabei für die Beurteilung der tatsächlichen Umweltorientierung des zertifizierten Produkts von entscheidender Bedeutung.
Die Initiativen zur Entwicklung energieeffizienter Hypotheken beschränken sich jedoch nicht auf Europa. Ein Sachverständigenrat, der der Initiative für energieeffiziente Hypothekendarlehen angeschlossen ist, soll auf eine weltweite Koordinierung der Standards hinwirken. In Japan fördert die staatseigene Japan Housing Finance Agency (JHF) die Energieeffizienz im Rahmen ihres Hypothekendarlehensprogramms „Flat35S“, das 2005 ins Leben gerufen wurde. Da sich Japan von der subarktischen bis zur subtropischen Klimazone erstreckt, gelten dort acht regional unterschiedliche Standards für das Energieeffizienz-Label. Auf das Flat35S-Programm zur Finanzierung energieeffizienter Wohnungen entfielen 2019 etwa 47 % des Securitisation-Support-Geschäfts der JHF bzw. rd. 10 % der gesamten japanischen Hypothekenkreditvergabe.
In Mexiko begann die staatliche Wohnungsbauförderbank Infonavit 2007 mit der Begebung grüner Hypotheken. Dies beinhaltet auch Darlehensaufstockungen, die es Kreditnehmer*innen ermöglichen, in Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz zu investieren. 2014 beschloss Infonavit, nur noch grüne Hypothekenkredite zu vergeben. Diese Entscheidung hatte erhebliche Auswirkungen auf den Markt, da die Zahl der von Infonavit jährlich aufgelegten Hypothekendarlehen (311 000 im Jahr 2019) in etwa der Hälfte des Nettoanstiegs der Zahl der Wohnungen entspricht.
Quelle: EMF-ECBC; JHF; Infonavit.
Erhöhungen der Kraftstoffsteuern, die die Luftverschmutzung in Städten und in ihrem Umland verringern, lassen die Wohnungspreise auf mittlere Sicht ebenfalls steigen. Dieser negative Effekt wird mit der Zeit aber abklingen, da die Fahrzeugflotte aufgrund der höheren Kraftstoffsteuern immer kraftstoffsparender wird (Kapitel 7).
Die Governance der Wohnungspolitik verbessern, um Zielkonflikte integriert anzugehen
Die Zuständigkeiten für wohnungspolitische Maßnahmen – vom sozialen Wohnungsbau über die Flächennutzung bis hin zur Besteuerung – sind in der Regel auf verschiedene staatliche Ebenen und in manchen Fällen auch Ministerien oder staatliche Stellen aufgeteilt. Dies kann Reformen erschweren, wenn die für einen Bereich, wie beispielsweise die Flächennutzungs- und Bebauungsbestimmungen, zuständigen Stellen in anderen Bereichen, wie Steuern oder sozialem Wohnungsbau, keine Befugnisse haben, die es ihnen ermöglichen würden, integrierte Reformpakete zu konzipieren. Schwierigkeiten dieser Art können bewältigt werden, indem die Verteilung der Zuständigkeiten überprüft und eine angemessene Koordination zwischen den verschiedenen staatlichen Ebenen sichergestellt wird (Kapitel 8). Eine integrierte Governance ist wichtig, um eine flexible urbane Politikgestaltung zu ermöglichen, die Zusammenhängen Rechnung trägt und entsprechend in der Lage ist, angemessen auf die dauerhaften Veränderungen zu reagieren, mit denen in Zukunft zu rechnen ist (Kasten 1.1).
Anhang 1.A1. Definitionen und Quellen der Indikatoren
Effizienz |
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Anteil der Wohnimmobilienkredite an der Gesamtkreditvergabe der Banken |
Anteil der Wohnimmobilienkredite an der Gesamtkreditvergabe der Banken (in %). 2019 oder letztverfügbares Jahr. Quelle: OECD Resilience Database. |
Anteil der Wohnausgaben an den Gesamtausgaben der privaten Haushalte |
Anteil der wohnungsbezogenen Konsumausgaben an den Gesamtausgaben der privaten Haushalte (in %). Dieser Indikator umfasst die Ausgaben für tatsächliche und kalkulatorische Mieten sowie für Instandhaltungs- und Reparaturleistungen für die Wohnung. 2019 oder letztverfügbares Jahr. Quelle: OECD National Accounts Database |
Wohnmobilität |
Anteil der Personen, die ihren Wohnsitz innerhalb der vergangenen 5 Jahre geändert haben (in %). 2012. Quelle: OECD Berechnungen auf der Basis von EU-SILC-Daten aus dem Jahr 2012 für EU-Länder; AHS-Daten von 2013 für die Vereinigten Staaten und HILDA-Daten von 2012 für Australien. |
Volatilität der Wohnimmobilienpreise |
Standardabweichung der (trendbereinigten) realen Wohnimmobilienpreise (1990–2019 ). Quelle: OECD-Berechnungen auf der Basis der OECD Analytical House Price Database. |
Teilhabe |
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Überbelastung durch Wohnkosten |
Anteil der Mieter im untersten Quintil der Einkommensverteilung, die mehr als 40 % ihres verfügbaren Einkommens für private Mieten ausgeben. 2018 oder letztverfügbares Jahr. Quelle: OECD Affordable Housing Database. |
Überbelegungsquote |
Anteil der Haushalte, die nicht über die im Verhältnis zu ihrer Größe und Zusammensetzung erforderliche Mindestanzahl von Räumen verfügen (in %). 2018 oder letztverfügbares Jahr. Die Mindestanzahl von Räumen entspricht: einem Raum für den Haushalt, einem Raum pro Paar, das in dem Haushalt lebt, einem Raum pro Person ab 18 Jahre, je einem Raum für zwei Personen desselben Geschlechts im Alter zwischen 12 und 17 Jahren, einem Raum pro Person zwischen 12 und 17 Jahren, die nicht in der vorhergehenden Kategorie erfasst ist, sowie je einem Raum für zwei Kinder unter 12 Jahren. Quelle: OECD Affordable Housing Database. |
Preis-Einkommen-Verhältnis |
Durchschnittspreis einer 100m2-Wohnung dividiert durch das durchschnittlich verfügbare Haushaltsjahreseinkommen. 2017 oder letztverfügbares Jahr. Quelle: HouseLev Dataset of Price Level Estimates, 2019. |
Durchschnittliche Fahrzeit zum Arbeitsplatz oder Studienort |
Durchschnittliche Fahrzeit zum und vom Arbeitsplatz bzw. Studienort aller 15- bis 64-Jährigen (in Minuten pro Tag). Letztverfügbares Jahr, je nach Land zwischen 1999 (Portugal) und 2019 (USA). Quelle: OECD Family Database und Casen (2017) für Chile. |
Nachhaltigkeit |
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PM2.5-Belastung der Bevölkerung (µg/m³) |
Jahresdurchschnittliche PM2.5-Konzentration, gewichtet nach der Einwohnerzahl der betreffenden Gegend, d. h. das Konzentrationsniveau in µg/m3, dem die Einwohner im Durchschnitt in einem Jahr ausgesetzt sind. 2019. Quelle: OECD Environment Database. |
Wohnungsbedingte PM2.5-Emissionen (in Tonnen pro Kopf) |
Schätzungen des jährlichen anthropogenen PM2.5-Emissionsvolumens aus nicht industriellen Feuerungsanlagen, in Tonnen pro Kopf. 2019 oder letztverfügbares Jahr. Quelle: OECD Environment Database. |
CO2-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger (inkl. Strom- und Wärmeerzeugung) im Wohngebäudesektor |
CO2-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger (inkl. Strom- und Wärmeversorgung) im Wohngebäudesektor in Tonnen pro Kopf. 2019. Quelle: CO2 emissions from fuel combustion database, IEA 2020 edition. |
Energieintensität des Wohngebäudesektors |
Energieverbrauch des Wohngebäudesektors (in Tonnen Rohöleinheiten pro Kopf). 2019. Quelle: CO2 emissions from fuel combustion database, IEA 2020 edition. |
Ökologischer Fußabdruck der Städte |
Anteil der Wald-, Grünland-, Feuchtgebiet-, Strauch- und Kargflächen, der zwischen 1992 und 1995 in andere Bodenbedeckungsformen umgewandelt wurde (in %). Schwund gemessen an den Veränderungen der Bodenbedeckung zwischen 1992 und 2015. Quelle: OECD Environment Database. |
Anteil der Grünflächen in Stadtgebieten |
Anteil der Grünflächen in funktionalen städtischen Kerngebieten (in %). (Der Indikator wird auf der Ebene funktionaler Stadtgebiete berechnet und unter Verwendung des mit der Einwohnerzahl der funktionalen städtischen Gebiete gewichteten Durchschnitts im Jahr 2015 aggregiert.) Quelle: OECD-Berechnungen auf der Basis von OpenStreetMap-Daten. |
Politikmaßnahmen |
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Steuerliche Vergünstigungen für Hypothekenzinsen |
Entgangene Steuereinnahmen durch Steuererleichterungen für den Zugang zu Wohneigentum (in %). 2016. Quelle: Vorläufige illustrative Schätzungen für die demnächst erscheinenden OECD Tax Policy Studies. |
Eigenkapitalanforderungen für die Hypothekenkreditvergabe der Banken |
Aufsichtsrechtliche Mindesteigenkapitalquote (Tier-1-Kapital) multipliziert mit dem ungewichteten Durchschnitt der Risikogewichte für Hypothekendarlehen mit einer Beleihungsquote (Loan-to-Value) zwischen 50 und 130. 2018 oder letztverfügbares Jahr. Quelle: ECB’s Macroprudential Policies Evaluation Database (MaPPED) ergänzt durch eigene Studien der OECD. |
Obergrenze für die Schuldendienstquote |
Obergrenze für den Schuldendienst im Verhältnis zum Einkommen (Debt-Service-to-Income) (in %). 2019. Quelle: OECD Questionnaire on Affordable and Social Housing (QuASH). |
Strenge der Mieterschutzbestimmungen |
Indikator, der die Strenge der Vorschriften für den Schutz der Mieter vor Zwangsräumungen, den Kündigungsschutz und die Kautionsanforderungen erfasst. Der Indikator reicht von 0 bis 1, wobei ein höherer Wert für strengere Vorschriften steht. 2019. Quelle: OECD Questionnaire on Affordable and Social Housing (QuASH). |
Beleihungsgrenze (LTV) |
Maximale Beleihungsquote gemessen am Verhältnis Kreditvolumen/Immobilienwert (Loan-to-Value) für Hypothekendarlehen (in %). 2019. Quelle: OECD Questionnaire on Affordable and Social Housing (QuASH). |
Effektiver Grenzsteuersatz auf selbstgenutztes Wohneigentum |
Der Indikator kombiniert Grundsteuern und wohnungsbezogene einkommensteuerrechtliche Bestimmungen. Er errechnet sich aus der Differenz zwischen der Vor- und Nachsteuerrendite einer Grenzinvestition, geteilt durch die Vorsteuerrendite dieser Investition, wobei die reale Rendite nach Steuern die Mindestrendite ist, die nötig ist, damit sich die Investition lohnt (in %). 2018. Quelle: Vorläufige illustrative Schätzungen für die demnächst erscheinenden OECD Tax Policy Studies |
Strenge der Mietpreisbegrenzung |
Indikator, der die Zahl der Vorschriften misst, die Miethöhe und Mieterhöhungen begrenzen, wie etwa Mietpreisbremsen, Mietendeckel, Beschränkungen der Mietpreisfreigabe (z. B. bei Mieterwechsel, neuen oder leerstehenden Wohnungen). Der Indikator reicht von 0 bis 1, wobei ein höherer Wert für strengere Vorschriften steht. 2019. Quelle: OECD Questionnaire on Affordable and Social Housing (QuASH). |
Sozialausgaben für Wohnraum |
Staatliche Sozialausgaben für Wohnraum, darunter Wohnungsbeihilfen und Mietzuschüsse, als Anteil am BIP (in %). 2015. Quelle: OECD Social Expenditure Database. |
Staatliche Gesamtausgaben für Wohnungsbeihilfen in % des BIP |
Öffentliche Ausgaben für bedürftigkeits- und/oder einkommensabhängige Wohnungsbeihilfen und Transferzahlungen an private Haushalte (in % des BIP). 2018 oder letztverfügbares Jahr. Quelle: OECD Affordable Housing Database. |
Literaturverzeichnis
[5] Bétin, M. und V. Ziemann (2019), „How responsive are housing markets in the OECD? Regional level estimates“, OECD Economics Department Working Papers, No. 1590, OECD Publishing, Paris, https://dx.doi.org/10.1787/1342258c-en.
[21] Billio, M. et al. (2020), Final Report on Correlation Analysis Between Energy Efficiency and Risk, https://eedapp.energyefficientmortgages.eu/wp-content/uploads/2020/08/EeDaPP_D57_27Aug20-1.pdf.
[10] Brys, B. et al. (erscheint demnächst), Effective Taxation of Residential Property, erscheint demnächst.
[3] Causa, O., M. Abendschein und M. Cavalleri (2021), „The laws of attraction: Economic drivers of inter-regional migration, housing costs and the role of policies“, OECD Economics Department Working Papers, No. 1679, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/da8e368a-en.
[4] Causa, O., M. Cavalleri und N. Luu (2021), „Migration, housing and regional disparities: A gravity model of inter-regional migration with an application to selected OECD countries“, OECD Economics Department Working Papers, No. 1691, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/421bf4aa-en.
[2] Cavalleri, M., B. Cournède und V. Ziemann (2019), „Housing markets and macroeconomic risks“, OECD Economics Department Working Papers, No. 1555, OECD Publishing, Paris, https://dx.doi.org/10.1787/737133d8-en.
[20] Cournède, B., F. De Pace und V. Ziemann (2020), „The Future of Housing: Policy Scenarios“, OECD Economics Department Working Papers, No. 1624, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/0adf02cb-en.
[17] Duprey, T. und A. Ueberfeldt (2020), „Managing GDP Tail Risk“, Staff Working Paper, No. 2020–3, Bank of Canada, https://doi.org/10.34989/swp-2020-3.
[13] Gruber, J., A. Jensen und H. Kleven (2021), „Do People Respond to the Mortgage Interest Deduction? Quasi-Experimental Evidence from Denmark“, American Economic Journal: Economic Policy 2021, Vol. 13/2, S. 273–303, https://doi.org/10.1257/pol.20170366.
[6] OECD (2020), „Housing Amid COVID-19: Policy Responses and Challenges“, OECD Policy Responses to Coronavirus (COVID-19), 22. Juli, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/cfdc08a8-en.
[9] OECD (2020), OECD Employment Outlook 2020: Worker Security and the COVID-19 Crisis, OECD Publishing, Paris, https://dx.doi.org/10.1787/1686c758-en.
[7] OECD (2020), „Social housing: A key part of past and future housing policy“, Employment, Labour and Social Affairs Policy Briefs, OECD, Paris, http://www.oecd.org/social/social-housing-policy-brief-2020.pdf.
[12] OECD (2019), OECD Economic Surveys: Austria 2019, OECD Publishing, Paris, https://dx.doi.org/10.1787/22f8383a-en.
[18] OECD (2019), OECD Economic Surveys: Sweden 2019, OECD Publishing, Paris, https://dx.doi.org/10.1787/c510039b-en.
[1] OECD (2019), Under Pressure: The Squeezed Middle Class, OECD Publishing, Paris, https://dx.doi.org/10.1787/689afed1-en.
[19] OECD (2018), OECD Economic Surveys: Canada 2018, OECD Publishing, Paris, https://dx.doi.org/10.1787/eco_surveys-can-2018-en.
[16] OECD (2018), OECD Economic Surveys: Netherlands 2018, OECD Publishing, Paris, https://dx.doi.org/10.1787/eco_surveys-nld-2018-en.
[8] OECD (2014), Society at a Glance 2014: OECD Social Indicators, OECD Publishing, Paris, https://dx.doi.org/10.1787/soc_glance-2014-en.
[15] OECD (2012), OECD Economic Surveys: Netherlands 2012, OECD Publishing, Paris, https://dx.doi.org/10.1787/eco_surveys-nld-2012-en.
[14] OECD (2010), OECD Economic Surveys: Netherlands 2010, OECD Publishing, Paris, https://dx.doi.org/10.1787/eco_surveys-nld-2010-en.
[11] OECD (o. J.), „OECD Affordable Housing Database“, OECD, Paris, http://oe.cd/ahd.
Anmerkungen
← 3. OECD (2020[28]).
← 4. Wegen der Auswirkungen auf die Resilienz vgl. Kapitel 3, wegen der Auswirkungen auf die langfristige Wirtschaftsleistung vgl. Cournède, Denk und Hoeller (2015[210]).
← 5. Bayoumi und Barkema (2019[211]); Causa et al. (2021[222]).
← 7. Fack (2006[214]); Grislain-Letrémy und Trevien (2014[215]); Susin (2002[216]).
← 8. Vgl. Akgun, Cournède und Fournier (2017[206]) sowie Arnold et al. (2011[220]).
← 9. Eine neue Studie von Sommer und Sullivan (2018[51]) zeigt zudem, dass mit der Abschaffung der steuerlichen Vergünstigungen für Hypothekenzinsen in den Vereinigten Staaten die Wohnimmobilienpreise gesunken und die Wohneigentumsquoten gestiegen sind.
← 10. Matsaganis und Flevotomou (2007[207]); Jahoda und Godarovo (2014[208]); Figari et al. (2017[209]); Justo et al. (2019[213]).
← 11. Matsaganis und Flevotomou (2007[207]); Jahoda und Godarovo (2014[208]); Figari et al. (2017[209]); Justo et al. (2019[213]).
← 12. Herkenhoff, Ohanian und Prescott (2018[192]); Hsieh und Moretti (2019[217]).
← 13. Bétin und Ziemann (2019[5]); Cavalleri, Cournède und Özsöğüt (2019[29]).
← 14. Taruttis und Weber (2020[130]).