In diesem Kapitel werden die Ursprünge des OECD-Projekts "Gender Inclusive Competition Policy" und der Idee für ein Toolkit beschrieben, das den Wettbewerbsbehörden helfen soll, Gender bei ihrer täglichen Arbeit zu berücksichtigen.
Toolkit für genderinklusiven Wettbewerb
1. Übersicht
Abstract
Gender ist seit 2017 Teil wettbewerbspolitischer Themenkomplexe. Die an diesen Zeipunkt anschließenden Diskussionen haben die Perspektive darauf, wie die Behörden Verbraucher:innen und Unternehmen berücksichtigen können, verändert. (Hubbard, 2017) gab den Anstoß zu diesen Diskussionen, als sie feststellte, dass Monopole die Genderungleichheit verschärfen, indem sie Frauen als Arbeitnehmerinnen und Unternehmerinnen unverhältnismäßig stark benachteiligen. Kurz darauf wurde in einem OECD-Blog1 festgestellt, dass es nur wenig bis gar keine Literatur zu den Überschneidungen zwischen Gender und Wettbewerb gibt. Es wurden aber mehrere Bereiche skizziert, in denen Gender in der Wettbewerbspolitik eine Rolle spielen könnte.
Etwa zur gleichen Zeit verstärkte die kanadische Regierung die Arbeit im Zusammenhang mit der genderbasiderten Analyse Plus (GBA Plus), die darauf abzielt, Überlegungen zu Gender und Inklusion in die Politikgestaltung einzubeziehen. Die kanadische Regierung verpflichtete sich in ihrem Haushalt 2018 (Government of Canada, 2018), mehr Freihandelsabkommen der GBA Plus zu unterziehen. Die kanadische Regierung beauftragte daraufhin die kanadische Wettbewerbsbehörde damit, zu ermitteln, wie sich die wettbewerbspolitischen Kapitel von Handelsabkommen auf die Gleichstellung der Gender auswirken. Da es nur wenige bis gar keine Forschungsarbeiten zum Thema Wettbewerbspolitik und Gender gab, wandte sich das Büro mit der Bitte um Unterstützung an die OECD.
Die Betrachtung der Durchsetzung des Wettbewerbsrechts und der Wettbewerbspolitik unter der Berücksichtigung von Gender ist Teil der langjährigen Bemühungen der OECD und ihres Wettbewerbsausschusses, die Verbindungen zwischen Wettbewerb und den vielen Aspekten der Inklusivität, wie Armut und Nachhaltigkeit, zu untersuchen.2 Das Ersuchen von Kanada aufgreifend, begann die OECD im Jahr 2018 zu untersuchen, ob eine Berückichtigung des Gender zu einer effektiveren Wettbewerbspolitik beitragen könnte. Diese Arbeit zielte darauf ab, zusätzliche relevante Merkmale von Märkten zu identifizieren, einen differenzierteren Blick auf das Verhalten von Verbraucher:innen und Unternehmen zu werfen und zu prüfen, ob eine effektivere Wettbewerbspolitik dazu beitragen könnte, Ungleichheiten zwischen den Gendern zu bekämpfen.
Im November 2018 fand eine erste Diskussion auf dem Global Forum for Competition statt.3 Die Diskussion lieferte einen konzeptionellen Rahmen für die Einbeziehung von Gender in die Wettbewerbspolitik. Dabei wurde festgestellt, dass die Behörden Gender in der Wettbewerbspolitik berücksichtigen können, ohne den Fokus auf das Verbraucher:innenwohl zu vernachlässigen und dass die Berücksichtigung von Gender bei effizienzbasierten Zielen hilfreich sein könnte. Die Wettbewerbspolitik kann die Ungleichheit aufgrund des Gender beeinflussen, und gleichzeitig können sich Unterschiede aufgrund des Gender auf den Wettbewerbsprozess und auf die Arbeit der Wettbewerbsbehörden auswirken. Es wurden mehrere praktische Anwendungen für die Einbeziehung von Gender vorgeschlagen, z. B. bei der Definition von Produktmärkten, der Einhaltung des Wettbewerbsrechts und bei Entscheidungen über die Festlegung von Prioritäten. Dieses Toolkit bietet eine Anleitung für diese und andere Bereiche im Zusammenhang mit der Wettbewerbspolitik und der Rechtsdurchsetzung.
Zwischen 2018 und 2020 weckten mehrere Veranstaltungen und Diskussionen über Gender und Wettbewerb weiteres Interesse an dem Thema. Dies führte zu dem von der kanadischen Regierung finanzierten OECD-Projekt "Gender Inclusive Competition Policy", in dessen Rahmen die OECD im Jahr 2020 eine Aufforderung zur weiteren Forschung veröffentlichte. Über 60 Vorschläge aus der ganzen Welt wurden eingereicht, von denen die OECD sieben auswählte, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Die Forschungspapiere sind zusammen mit den früheren Forschungsarbeiten und Diskussionen eine wichtige Quelle für Erkenntnisse, praktische Tipps und Anleitungen für die Entwicklung dieses Toolkits für genderinklusiven Wettbewerb.4
Dieses Toolkit ist das Ergebnis von Arbeiten, die hauptsächlich im Rahmen des von der kanadischen Regierung finanzierten OECD-Projekts "Gender Inclusive Competition Policy" durchgeführt wurden. Die Erkenntnisse und Beweise, die in diesem Toolkit enthalten sind, basieren auf den folgenden sieben Forschungspapieren sowie auf Forschungsarbeiten der OECD:
2. Gender considerations in the analysis of market definition and competitive effects: A practical framework and illustrative example von L. Pinheiro, A.C. Faye, M. Ginn, J.Y. Lehmann und J. Posch.
3. Cartel behaviour and boys’ club dynamics: French cartel practice through a gender lens von C. Abate and A. Brunelle.
4. Gender bias in cartel engagement von J.R. Borrell, C. Garcia, J.L. Jimenez und J.M. Ordonez-de‑Haro.
5. Gender and collusion von J. Haucap, C. Heldman und H. A. Rau.
6. Prioritising gendered public interest considerations von B. Mkatshwa, M. Tshabalala und S. Phala.
Anmerkungen
← 2. Siehe zum Beispiel, https://www.oecd.org/daf/competition/roundtables.htm.