Sprache entwickelt sich ständig weiter, und so muss sich auch der Zweitsprachenunterricht ständig weiterentwickeln. Deshalb ist es wichtig, Innovationen zur Verbesserung der Lernergebnisse der Migrant*innen zu nutzen. Je mehr Akteure an der Vermittlung von Sprachkenntnissen beteiligt sind, desto mehr Möglichkeiten kann der Staat den Migrant*innen bieten, die Sprachkompetenzen zu erwerben, die für eine volle Teilhabe an der Wirtschaft und Gesellschaft des Aufnahmelandes erforderlich sind. Außerdem verstärkt die damit einhergehende engere Einbindung der Migrant*innen in die Gesellschaft des Aufnahmelandes die sozioökonomische Integration. Die politisch Verantwortlichen können die Erfahrungen von Innovationsträgern im Bildungsbereich, sei es im akademischen oder privaten Sektor, nicht nur nutzen, um Kurse zu entwickeln, die zu optimalen Lernergebnissen für Migrant*innen führen, sondern auch, um Leistungen effizienter und kostengünstiger anzubieten. Gemeinnützige Einrichtungen sind einzigartig positioniert, um Experimentierspielräume zu nutzen. Sie sind insbesondere dazu in der Lage, den Kontakt der Migrant*innen mit der Sprache des Aufnahmelandes durch kulturellen Austausch zu verstärken, weil sie häufig durch ein solides Netz an freiwilligen Helfer*innen unterstützt werden. Soziales Engagement kann den Alltagsbezug des Sprachlernens erhöhen und die Lernmotivation steigern. Gleichzeitig bietet es Migrant*innen die Möglichkeit, die Sprache des Aufnahmelandes in einem immersiven, belastungsfreien Umfeld zu praktizieren.
Sprachförderung für erwachsene Zugewanderte
8. Bei der Kursgestaltung und Erweiterung der Lernmöglichkeiten mit Bildungsspezialist*innen und nichttraditionellen Partnern zusammenarbeiten
HINTERGRUND
ZIELGRUPPEN
Wer ja sagt zu neuen Ansätzen, sagt automatisch ja zur Zusammenarbeit mit neuen Akteuren, insbesondere jenen, die an der Gestaltung, Validierung und Entwicklung dieser neuen Ansätze beteiligt sind. Erfolgreich erweisen sich Sprachkurse, bei denen Lehrkräfte und Wissenschaftler*innen in die Strategieentwicklung einbezogen werden. Neue Partner im privaten, öffentlichen und sozialen Sektor bringen aber u. U. nicht nur Innovationen und interdisziplinäres Fachwissen mit sich, sondern ermöglichen auf staatlicher Seite auch Kosteneinsparungen. Die Länder erkennen zunehmend an, dass ein sektorübergreifender, gesamtgesellschaftlicher Ansatz, der auch nichttraditionelle Akteure einbezieht, Sprachkompetenz und staatsbürgerliche Integration gleichzeitig fördert.
UMSETZUNG
Wenn die Politikverantwortlichen wissen, welche Lehrmittel und Technologien die besten Bildungsergebnisse erbringen, können sie besser beurteilen, mit welchen Instrumenten sich die besten Arbeitsmarktergebnisse erzielen lassen. Die Länder können von den Erfahrungen folgender Partner profitieren:
Bildungseinrichtungen und Expert*innen für den Zweitsprachenerwerb
Akteure des privaten Sektors
Nichtregierungsorganisationen, Sozialpartner und Freiwilligen-Netzwerke
Bildungseinrichtungen haben erhebliche Anstrengungen im Hinblick auf eine effektive Kursgestaltung unternommen. Viele Länder haben beispielsweise Differenzierungsunterricht im Klassenverband eingeführt. Dabei erhalten die Lernenden dasselbe Material, es wird ihnen aber auf unterschiedliche Weise erläutert. So können sie es je nach individuellem Kenntnisstand bearbeiten (Tomlinson und Imbeau, 2010). Bildungsexpert*innen sind zu dem Schluss gekommen, dass Differenzierungsunterricht in kleineren Klassen effektiver ist. Länder wie Frankreich haben deshalb die Einrichtung kleinerer Klassen in ihren Asyl- und Integrationsgesetzen besonders hervorgehoben (OECD, 2019). Wenn dies unmöglich ist, können die Kursveranstalter Lehrkräften helfen, indem sie durch Einstufung in Leistungsgruppen stärker differenzierte Klassen einrichten (vgl. Empfehlung 7). Eine weitere Möglichkeit, die Ergebnisse bei steigender Klassengröße zu verbessern, ist individuelles Mentoring. Ausgehend von diesen Erfahrungen haben Länder, wie Australien und Schweden, sowie Kommunen, wie Wroclaw in Polen, Programme eingeführt, in denen Freiwillige sich als Mentor*innen engagieren.1 Um effektiv zu sein, sollten die Länder überlegen, wie sie freiwillige Kräfte für die verschiedenen Regionen und Kurse am besten anwerben und halten können. Dafür bietet sich ein zentralisiertes Informationsmanagementsystem an. In den Vereinigten Staaten sind akademische Partner und Wissenschaftler*innen im Bereich der Erwachsenenbildung häufig direkt an der Erteilung von Sprachunterricht für Migrant*innen beteiligt. Dies gilt insbesondere für die Community Colleges (Kasten 8.1). In Frankreich hat das Innenministerium im Rahmen der Aktion „Ouvrir l'école aux parents pour la réussite des enfants“ (OEPRE) seine Partnerschaft mit dem Bildungsministerium ausgedehnt, um Fremdsprachenlehrkräfte besser auszubilden und pädagogische Ressourcen zu entwickeln. Ziel ist es, das OEPRE-Programm weiter mit dem nationalen Integrationsplan zu koordinieren und die Kommunikation zwischen den pädagogischen Koordinator*innen im französischen Amt für Einwanderung und Integration (OFII) und den Bildungsexpert*innen auszubauen.
Kasten 8.1. Ein Community College bringt Ergebnisse der Bildungsforschung in seine Partnerschaft mit Resettlement-Agenturen in den Vereinigten Staaten ein
Das Refugee Resettlement Program in Arizona nutzt Finanzmittel, die das Office of Refugee Resettlement im Rahmen des Programms „Refugee Support Services“ vergibt, um das Refugee Education Program (REP) im Pima Community College (PCC) in Tucson, Pima County, Arizona, zu unterstützen. Vor der Reduzierung des Flüchtlingskontingents in den Vereinigten Staaten Anfang 2017 nahm Pima County jährlich mehr als 1 000 amtlich registrierte Flüchtlinge auf. Flüchtlinge, denen es an englischen Sprachkenntnissen und Lesekompetenz mangelt, werden von den lokalen Resettlement-Agenturen in das Bildungsprogramm für Flüchtlinge (REP) vermittelt. Im Jahr 2017 nahmen 790 Zugewanderte am REP teil.
Alle REP-Lehrkräfte sind Mitglied einer beruflichen Weiterbildungsgemeinschaft und werden kontinuierlich in zahlreichen innovativen pädagogischen Methoden geschult. Das REP arbeitet auch mit der Universität von Arizona zusammen, um Ehrenamtliche für die Arbeit mit Lernenden mit begrenzter Lesekompetenz auszubilden.
REP-Lehrkräfte haben einen forschungsbasierten Einstufungstest für erwachsene Leseanfänger*innen entwickelt. Der Vorabtest findet bei der Aufnahme und Anmeldung statt, Erfolgskontrollen werden nach jeder zehnwöchigen Kurseinheit durchgeführt. Der Unterricht soll auf persönlichen Erfahrungen der Lernenden aufbauen und hat zum Ziel, die Lernenden zu befähigen, auf Englisch zu denken und sich in den Strukturen der Vereinigten Staaten zurechtzufinden. Zu den verwendeten Methoden zählen phonisches Bewusstsein und ein Bottom-up-Ansatz (phonics), die beide im Ansatz der Spracherfahrung genutzt werden (hierbei wird die mündliche Leistung notiert und so eine Verbindung zum Schriftlichen hergestellt). Eine weitere Methode ist die ganzheitliche Sprachlernmethode (total physical response). Hierbei werden Anweisungen formuliert und mit Gestik und Bewegung ausgeführt. Die Whole-Part-Whole-Methode (Bedeutung und Kontext – sprachliche Elemente – Rückkehr zu Bedeutung und Kontext) besteht darin, klangliche Elemente zu einem sinnvollen themenspezifischen Text zusammenzufassen. Dies ermöglicht es den Lehrkräften, den Kursteilnehmer*innen die Laut-Buchstaben-Zuordnung zu vermitteln.
Angesichts der Tatsache, dass immer mehr Lernende bereits länger als ein Jahr in den Vereinigten Staaten leben, hat das REP neue Lehrpläne erstellt, die sowohl Englischkurse für Neuzugewanderte (English for New Americans) als auch Kurse zur Vorbereitung auf eine postsekundäre Ausbildung (College and Career Readiness) umfassen. Da das Ziel der Resettlement-Dienste auf Bundesebene darin besteht, Migrant*innen so rasch wie möglich auf das Erwerbsleben vorzubereiten, gibt es spezielle Berufsenglischkurse für Branchen wie Gastgewerbe und Verarbeitendes Gewerbe. In Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern stellt das REP sicher, dass das beschäftigungsorientierte Kursprogramm ständig aktualisiert wird.
Das Pima Community College (PCC) stellt dem REP Sachleistungen zur Verfügung. Dazu gehören Räumlichkeiten, Wartung, IKT- und sonstige Ausrüstung, IT-Dienstleistungen, Bücher und Unterrichtsmaterialien. Im Rahmen des REP wurde auch ein Computer-Lab eingerichtet, das Lernenden als Anlaufstelle für Hilfe dient. In den klassischen Kursen kommen Online-Ressourcen und Tools zur Förderung der digitalen Kompetenz zum Einsatz.
Zusätzlich zu den akademischen Partnern konnten in vielen OECD-Ländern, wie Belgien, Dänemark, Estland, den Niederlanden und der Schweiz, auch Akteure des privaten Sektors für die Sprachförderung Erwachsener mobilisiert werden. Diese Länder nehmen einige Kursanbieter als Partner in ihre Integrationsprogramme auf oder bieten Migrant*innen Gutscheine an, mit denen sie einen Kurs ihrer Wahl bezahlen können. Dänemark hat finanzielle Anreizstrukturen eingeführt, um Kursanbieter dazu zu ermutigen, effizientere und stärker auf die individuellen Bedürfnisse der Teilnehmenden zugeschnittene Kurse anzubieten (vgl. Empfehlung 4; Rambøll, 2007b). Geringer ist die Zahl der Länder, die die Reaktionsfähigkeit und Experimentierfreudigkeit des privaten Sektors voll nutzen, um innovative Integrationsprogramme zu konzipieren. Angesichts des sich rasch weiterentwickelnden Technologiesektors und der angespannten Lage der öffentlichen Haushalte können solche Partnerschaften aber wichtige Ergebnisse erzielen. In Frankreich hat beispielsweise das Sprachenzentrum CAVILAM – Alliance Française mit Beihilfen des französischen Kultusministeriums (über die interministerielle Dienststelle DGLFLF) die Applikation „Français premiers pas“ entwickelt. Die App ist frei verfügbar und soll Flüchtlingen und Asylsuchenden helfen, indem sie die Grundlagen der französischen Sprache auf einfache, zugängliche Weise vermittelt. Das CAVILAM, das in seiner technisch gut ausgestatteten Einrichtung in Vichy Intensivkurse anbietet, hat sich selbst auch als Forschungszentrum positioniert und Kurse für Französischlehrkräfte konzipiert, die das Augenmerk insbesondere auf den effektiven Einsatz von Online-Lehrmethoden richten. Finnland hat vor Kurzem ein Pilotprojekt zur Integration und Sprachförderung mit Social Impact Bonds (Kasten 8.2) ins Leben gerufen. In diesem Projekt zahlt der Staat nur, wenn die Akteure des privaten Sektors ihre Beschäftigungsziele erreichen und Effizienzgewinne erzielt werden. Das Programm zielt darauf ab, Migrant*innen die erforderlichen Instrumente an die Hand zu geben, um so rasch wie möglich an den Arbeitsmarkt zu kommen. Des Weiteren soll es Sprachkenntnisse auf praktische Weise vermitteln.
Kasten 8.2. In Finnland führen Partner aus dem Privatsektor ein Pilotprojekt durch
In Finnland wird derzeit ein innovatives Instrument getestet, der Social Impact Bond. Er soll private und institutionelle Investoren dazu bewegen, Integrationsdienste auf spezifische Bedürfnisse zuzuschneiden, darunter Sprachkurse je nach Bedarf am Arbeitsplatz. Der mit 14,2 Mio. EUR dotierte Fonds wurde 2016 unter der Schirmherrschaft des Ministeriums für Wirtschaft und Beschäftigung im Rahmen eines Pilotprojekts als Koto-SIB-Beschäftigungsprogramm eingeführt und von Epiqus Oy verwaltet. Er dient in erster Linie der Mobilisierung von privatem Fachwissen, um Migrant*innen rasch an den Arbeitsmarkt zu bringen. Ergebnisschwellen und -messgrößen wurden gemeinsam festgelegt. Im Mittelpunkt des Programms stehen individuelles Coaching und passgenaue Stellenbesetzung.
Obwohl dieses Programm als Fast-Track-Beschäftigungsprogramm konzipiert ist, ist die Beherrschung der finnischen Sprache für viele der angebotenen Berufswege eine wesentliche Voraussetzung. Der drei- bis viermonatige Finnischkurs wird Gruppen auf Anfänger-, A2- und B1-Niveau angeboten. Anders als bei Integrationskursen kommt in Sprachkursen eine Kombination unterschiedlicher Lernmethoden zum Einsatz, die auf einem funktionalen Sprachverständnis und einer kognitiven Lernwahrnehmung basieren. Die Sprachkurse sind berufsorientiert. Die Differenzierung findet im Unterricht statt. Die Betriebspraktika beginnen, sobald die Migrant*innen das erforderliche Sprachniveau im Finnischen erreicht haben. Die öffentliche Hand finanziert die Kurse nur, wenn die teilnehmenden Migrant*innen eine Beschäftigung finden.
Es gibt einige Einschränkungen. Migrant*innen sind beispielsweise nur teilnahmeberechtigt, wenn sie das lateinische Alphabet in Sprache und Schrift beherrschen. Teilnehmen können nur Gebietsansässige, die als arbeitslos registriert sind. 2016 und 2017 waren die Kohorten ursprünglich auf Migrant*innen begrenzt, die internationalen Schutz benötigten. Daten für die erste vollinklusive Kohorte werden nicht vor Ende 2021 zur Verfügung stehen, was bedeutet, dass bis Ende 2022 nicht mit einer quantitativen Folgenabschätzung zu rechnen ist. Dabei zeigten Zwischenergebnisse für August 2019, dass bis zu diesem Zeitpunkt 750 Migrant*innen aus der ursprünglichen Fokusgruppe von 2 000 Personen eine Beschäftigung gefunden hatten. Schätzungen zufolge brachte dies der Regierung Einsparungen in Höhe von 20 Mio. EUR. Die Beschäftigungsergebnisse waren unter den Sprachkursteilnehmer*innen deutlich besser als in der Kontrollgruppe.
Ein Video der Europäischen Investitionsbank beschreibt das Programm und seine Erfolge: https://www.youtube.com/watch?v=9p8P_gimqpI.
Wichtig ist schließlich noch die Feststellung, dass das Erlernen einer Fremdsprache durch eine stärkere Teilhabe am gesellschaftlichen Leben im Aufnahmeland bereichert werden kann. Integrationsaktivitäten und Spracherwerb können sich gegenseitig verstärken. Die meisten OECD-Länder stützen sich auf gemeinnützige Organisationen, die Konversationsgruppen und Sprachtandemprogramme anbieten (vgl. Špačková und Štefková, 2006). In Irland leitet die Third Age Foundation das „Fáilte-Isteach“-Projekt, das wöchentliche Konversationsgruppen organisiert, an denen 1 200 ältere irische Sprachinteressierte und 3 200 zugewanderte Lernende in 104 Zweigstellen im ganzen Land teilnehmen. In Luxemburg bietet das Café des Langues Konversationsrunden, in denen die Teilnehmenden eine Kleinigkeit zum Essen mitbringen. Das 104-Paris, eine Kombination aus Künstlerplattform und Start-up-Inkubator mit Sitz in Paris,2 hatte Sprachlernaktivitäten in Form von Theaterunterricht für Neuzugewanderte in seinem Programm. Dies ermöglichte Kontakte und einen interkulturellen Austausch zwischen Migrant*innen und etablierten Künstler*innen (vgl. Kasten 8.3 wegen eines ähnlichen Beispiels aus Portugal). In mehreren Ländern, darunter Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Italien und die Niederlande, haben Sprachpartner*innen einen Sprachaustausch rund um das Thema Sport organisiert. 2016 hat die Europäische Kommission in einem Bericht gute Praktiken für die Konzipierung derartiger Programme zur Förderung der sozialen Inklusion skizziert (Europäische Kommission, 2016). Gemeinnützige Organisationen können in Ländern mit dezentralisierten Programmen auch eine Koordinierungsfunktion übernehmen. So hat das International Rescue Committee (IRC) in den Vereinigten Staaten beispielsweise den Online-Informations-Hub „Switchboard“ eingerichtet, der Migrant*innen Zugang zu lokalen Ressourcen vermittelt und einen Fundus an Lernressourcen und E-Kursen bietet.3
Kasten 8.3. In Portugal wird die Entwicklung von Theatertechniken für den Fremdsprachenerwerb gefördert
Stiftungen und gemeinnützige Organisationen können dank ihrer Experimentierfreudigkeit als Innovationszentren dienen. Außerdem können sie Programme unterstützen und erweitern, die organisch als Reaktion auf einen wahrgenommenen Mangel entstehen. In Portugal gründeten Sprachlehrer*innen des portugiesischen Flüchtlingsrates (CPR) 2004 die Amateur-Theatergruppe RefugiActo, nachdem ihnen klar geworden war, dass es eines Forums bedarf, das den Stimmen der Flüchtlinge Gehör verschafft. Die Gruppe produzierte Theaterstücke, um das Bewusstsein für die Notwendigkeit der sozialen Inklusion in der portugiesischen Gesellschaft zu schärfen. Gleichzeitig wies sie aber auch darauf hin, dass die Integrationsergebnisse von Migrant*innen verbessert werden müssen. Zwischen Februar 2014 und Januar 2017 arbeitete der CPR in Partnerschaft mit der PARTIS-Initiative (künstlerische Ausdrucksformen für soziale Inklusion) der Calouste Gulbenkian Stiftung in Lissabon zusammen, um Theater und Körpersprache als Strategien zur Erleichterung des Spracherwerbs von Asylbewerber*innen und Flüchtlingen zu fördern. Dank des Projekts ˶Refúgio e arte: Dormen mil cores em meus dedos" (Flucht und Kunst: Tausend Farben schlafen in meinen Fingern) kam das Theaterprogramm in den Genuss von Fördermitteln, die das Projekt auf eine solide Grundlage stellen und seine Tragfähigkeit sichern sollen. Zugleich wurde eine externe Evaluierung der Arbeitsmethoden vorgenommen. Die finanzielle Unterstützung ermöglichte es der gemeinnützigen Organisation, Vollzeitkräfte für die Entwicklung innovativer Techniken einzusetzen. Da das Projekt zu einem Zeitpunkt gestartet wurde, an dem die Migration nach Portugal verhältnismäßig schwach war und die staatlichen Leistungen dezentralisiert wurden, war das CPR/PARTIS-Programm gut positioniert, um ab 2015 auf die verstärkte Nachfrage und das größere Interesse zu reagieren.
Ein Projektziel bestand darin, ein Dokument zu erstellen, das allen Gruppen zugänglich gemacht wird, die daran interessiert sind, Theatertechniken zur Verbesserung des Spracherwerbs einzusetzen. Zielgruppen sind nicht nur Flüchtlinge, sondern alle Migrant*innen, denen es an sozialer Integration mangelt. Das Dokument mit dem Titel „Notebook of Theatrical Practices for the Learning of the Language” wurde in portugiesischer und englischer Sprache veröffentlicht. Es enthält ein Toolkit zur Anwendung von Techniken wie „Learning by doing“, Imitation und Improvisation. Die Unterrichtseinheiten sollen den Stress reduzieren, der in realen Lebenssituationen wie Arztbesuchen und Behördengängen entsteht (Galvão und Cabrita, 2020). Die Übungen wurden von einer Künstlerin und einer Lehrerin für Portugiesisch als Fremdsprache in enger Anlehnung an die Themen des A1/A2-Sprachniveaus konzipiert.
Einige Länder haben das Engagement im Gemeinwesen ausdrücklich in die Integrationsprogramme aufgenommen, wohlwissend, dass nichttraditionelle Akteure gut platziert sind, um sprachliche Immersion und kulturelles Lernen anzubieten. Diese Programme müssen aber angemessen ausgestattet und koordiniert werden. Das kanadische Niederlassungsprogramm (Settlement Program) umfasst auch Dienstleistungen, die darauf ausgerichtet sind, Beziehungen aufzubauen und den sozialen Zusammenhalt zu fördern. Das informelle Sprachenlernen wird für Neuzugewanderte durch eine Vielzahl von Aktivitäten gefördert. Dazu gehören Konversationskreise, Peer-Unterstützung im Rahmen von Freizeitaktivitäten, Veranstaltungen auf Gemeindeebene sowie Möglichkeiten für den kulturellen Austausch mit indigenen Bevölkerungsgruppen und der Gesellschaft der Aufnahmeländer im weiteren Sinne. Australien hat sich in der letzten Zeit vor allem bemüht, die Kontakte mit Glaubensgemeinschaften auszuweiten. In Portugal fördert die Hohe Kommission für Zuwanderung (Alto Commissariodo para as Migrações – ACM) ausdrücklich nichtformale Bildungsmaßnahmen, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass unterschiedliche Kategorien von Lernenden unterschiedliche Lernmöglichkeiten benötigen. In Lettland fördert das Kultusministerium einen Sprachclub, der die Techniken des Improvisationstheaters einsetzt. Mehrere Länder, darunter Deutschland, Estland, Island, Italien und Österreich, haben Integrationsmodelle eingeführt, an denen Mütter und Kinder gemeinsam teilnehmen können. Immigration New Zealand unterstützt das Programm „Welcoming Communities“, das – auch wenn es nicht ausdrücklich der Sprachförderung dient – Migrant*innen und im Inland Geborene in ihren Gemeinden zusammenführt, um Kontakte zu knüpfen, die die Teilhabe am Wirtschafts- und Sozialleben verbessern. Ähnliche Initiativen existieren in Australien, Kanada und den Vereinigten Staaten. Programme dieser Art bieten den zusätzlichen Vorteil, die Zahl der Kursstunden, die normalerweise im Rahmen der Integrationskurse erforderlich sind, durch die indirekte Förderung der sozialen Inklusion im Aufnahmeland zu reduzieren.4 Mit der direkten staatlichen Beteiligung verringert sich auch die Gefahr, dass die Verantwortung verwässert wird, indem sie auf immer mehr Akteure verteilt wird.
Anmerkungen
← 1. Angesichts der finanziellen Hürden, die viele Migrant*innen beim Zugang zu Sprachkursen zu überwinden haben, hat die Gemeinde Wroclaw ein Programm eingeführt, das es Zugewanderten ermöglicht, ihre Polnischkenntnisse in Konversationsgruppen zu verbessern. Außerdem fördert das Programm die interkulturelle Kommunikation und das gesellschaftliche Zugehörigkeitsgefühl. Vgl. https://www.wnjs.pl/ en/about-the-project/.
← 2. Präsentation von 104: http://www.104.fr/presentation.html.
← 3. Switchboard wird vom U.S. Office of Refugee Resettlement (ORR) finanziert und vom IRC angeboten und betreut. Das IRC arbeitet auch in Partnerschaft mit dem Lutheran Immigrant Refugee Service (LIRS) zusammen, um beschäftigungsbezogene Fortbildungen und technische Unterstützung bereitzustellen. Wegen näherer Einzelheiten vgl. https://switchboardta.org.
← 4. Verschiedene Studien sind zu dem Schluss gekommen, dass Sprache ein Instrument ist, um Kultur zu vermitteln. Die Sprache wird durch die Kultur geprägt, da sie das erste und wichtigste Kommunikationsmittel innerhalb einer Kultur darstellt. Es besteht deshalb Einvernehmen darüber, dass kulturelle Kenntnisse das Sprachenlernen erleichtern können und umgekehrt. Lafayette, R. C. (1988). Integrating the teaching of culture into the foreign language classroom (in A. J. Singerman (Hrsg.), Toward a new integration of language and culture (S. 47-62). Middlebury, VT: Northeast Conference); Nguyen, T. T. T. (2017). Integrating culture into language teaching and learning: Learner outcomes. The Reading Matrix: An International Online Journal, 17(1), 145-155.