Nachdem die Corona-Beschränkungen ab Ende April gelockert wurden, lief die Wirtschaftstätigkeit in der Industrie, im Baugewerbe und z. T. auch im Dienstleistungssektor rasch wieder an. Allerdings werden weiterhin geltende Mobilitätsbeschränkungen sowie Abstands- und Hygieneregeln, das geringe Vertrauen und die schwache Exportnachfrage die Erholung auch bremsen, wenn es – wie im Single-Hit-Szenario unterstellt – nicht zu einer zweiten Corona-Welle kommt. Im Double-Hit-Szenario würden neue Eindämmungsmaßnahmen zu einem weiteren Export- und Konsumrückgang führen, der eine länger andauernde Investitionsschwäche zur Folge hätte. Auch wenn von einer schrittweisen Lockerung der Beschränkungen für den internationalen Reiseverkehr ab Anfang Juni ausgegangen wird, dürfte die Sommersaison 2020 in der Tourismusbranche trotz Anstrengungen zur Förderung des Inlandstourismus sehr schwach ausfallen. Im Double-Hit-Szenario wäre dies auch noch 2021 der Fall. Die Beschäftigung wird voraussichtlich zurückgehen, da befristete Arbeitsverträge nicht verlängert werden und das Kündigungsverbot der Regierung Mitte August ausläuft. Im Single-Hit-Szenario wäre der Beschäftigungsrückgang begrenzt, weil die Aussicht auf eine Erholung die Unternehmen dazu veranlassen würde, einen Großteil ihrer Mitarbeiter zu halten. Im Fall einer zweiten Infektionswelle wäre mit zahlreichen Entlassungen zu rechnen. Die Preisentwicklung wird wahrscheinlich stabil bleiben, da die Kapazitätsüberhänge den Effekt der Angebotsstörungen ausgleichen, zu denen die Abstands- und Hygieneregeln sowie die Mobilitätsbeschränkungen führen. Zusammen mit den staatlichen Unterstützungsmaßnahmen und Kreditgarantien dürfte die Erholung verhindern, dass es unter den in Italien sehr zahlreichen Kleinunternehmen zu Masseninsolvenzen kommt. Im Fall einer zweiten Corona-Welle würde sich der finanzielle Druck erhöhen, der auf den Unternehmen und privaten Haushalten lastet. Damit würden die Insolvenzen zunehmen, was die Erholung verlangsamen würde. Nachdem das Haushaltsdefizit mit 1,6 % des BIP im Jahr 2019 unter dem projizierten Wert lag, weitet es sich im Single-Hit-Szenario 2020 auf 11,2 % des BIP aus, bevor es 2021 im Zuge der Konjunktur- und Einnahmeerholung wieder schrumpft. Im Double-Hit-Szenario dürfte das Haushaltsdefizit infolge zusätzlicher fiskalischer Stützungsmaßnahmen und anhaltend niedriger Einnahmen höher ausfallen. Die Staatsschuldenquote dürfte 2020 im Single-Hit-Szenario 158 % des BIP und im Double-Hit-Szenario 170 % des BIP erreichen (Maastricht-Definition), bevor sie unter dem Einfluss eines Anstiegs des nominalen BIP 2021 wieder sinkt.
Abgesehen von den kurzfristigen Risiken im Zusammenhang mit der Pandemie-Krise besteht das Hauptrisiko in der Unsicherheit über die Stärke und Nachhaltigkeit der Erholung. Für den italienischen Tourismussektor stellt die anhaltende Krise im Double-Hit-Szenario eine besonders große Gefahr dar, da die Reisetätigkeit auf mittlere Sicht schwach zu bleiben droht und der Sektor von Kleinunternehmen – allein 52 000 im Beherbergungsgewerbe – dominiert wird. Für das Verarbeitende Gewerbe könnten die Risiken steigen, wenn sich der Abschwung in die Länge zieht. Viele italienische Industrieunternehmen sind auf Konsum- und Investitionsgüter mit hoher Wertschöpfung und höherer Gewinnspanne spezialisiert, auf die sich ein Rückgang der globalen Einkommen und Ausrüstungsinvestitionen stärker auswirken könnte. Italiens Unternehmen und Banken waren zu Beginn dieser Krise in einer besseren Verfassung als in den vergangenen zehn Jahren. Die Krise hat aber einige noch bestehende finanzielle Risiken verstärkt, wie z. B. die Exponiertheit der Banken gegenüber den Staatsanleihekursen. Die umfangreichen staatlichen Garantien begrenzen im Single-Hit-Szenario zwar das Risiko von Insolvenzen und notleidenden Krediten, diese Risiken sind im Double-Hit-Szenario jedoch deutlich größer und würden die Verbindlichkeiten des öffentlichen Sektors erhöhen. Eine vorzeitige Beendigung der finanziellen Unterstützung würde die Gefahr bergen, dass die durch die Krise verursachten Insolvenzen und Produktionseinbußen insbesondere im Double-Hit-Szenario zunehmen. Eine Ausweitung der Unterstützung für ineffiziente Maßnahmen oder eine Verlängerung über das erforderliche Maß hinaus würde die öffentliche Schuldenlast und die damit verbundene Herausforderung für die Wirtschaft weiter vergrößern, ohne die Konjunktur nachhaltig zu stützen.