OECD-Wirtschaftsausblick, Ausgabe 2020/2 (Kurzfassung)

Österreich

Das BIP wird Schätzungen zufolge 2020 um 8 % schrumpfen. Es wird sich in den kommenden zwei Jahren voraussichtlich nur allmählich beleben und Ende 2022 deutlich unter seinem Vorkrisenniveau liegen. Die Arbeitslosigkeit ist stark gestiegen und dürfte auf hohem Niveau verharren. Geringe Steuereinnahmen und ein großzügiges Hilfspaket resultieren in einem großen Haushaltsdefizit. Die Inflation wird auf kurze Sicht gedämpft bleiben.

Durch rasches und entschlossenes staatliches Handeln konnten im Jahr 2020 Arbeitsplätze und Unternehmen geschützt werden, es muss aber sichergestellt werden, dass diese grundsätzlich sinnvollen kurzfristigen Maßnahmen das langfristige Wachstum nicht behindern. Strengere Kriterien für die Nutzung der Corona-Kurzarbeit würden die Reallokation von Arbeit zwischen den Sektoren erleichtern. Um dem zunehmenden Schuldenüberhang im Unternehmenssektor entgegenzuwirken, könnten Steueranreize für Kapitalbeteiligungen und Eigenkapitalaufnahmen in Erwägung gezogen werden.

Wegen stark steigender Corona-Infektionszahlen wurden die Schutzmaßnahmen verschärft

Mitte November wurde erneut ein „harter“ Lockdown verhängt, da die rasch steigende Zahl stationär behandelter COVID-19-Patient*innen das an sich starke Gesundheitssystem des Landes zu überlasten drohte. Schulunterricht wird nur noch auf Distanz angeboten, das Gastgewerbe musste den Kundenbetrieb fast vollständig einstellen und der Großteil der Geschäfte und „körpernahen“ Dienstleistungsbetriebe wurde geschlossen. Nur der Lebensmittelhandel, Apotheken und andere unverzichtbare Betriebe dürfen geöffnet bleiben. Die Bevölkerung wurde aufgefordert, ihre Kontakte einzuschränken und das Haus nicht ohne triftigen Grund, z. B. für Besorgungen des täglichen Bedarfs oder berufliche Zwecke, zu verlassen.

Austria: Recovery and budget deficit

1. The pre-crisis growth path is based on the November 2019 OECD Economic Outlook projection, with linear extrapolation for 2022 based on trend growth in 2021.

2. Maastricht definition.

Source: OECD Economic Outlook 106 and 108 databases.

Statlink

Austria: Demand, output and prices

Statlink

Die Arbeitsmarktlage hatte sich im Sommer verbessert, jetzt sind die Aussichten jedoch ungewiss

Nach einem historischen Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Produktion im ersten Halbjahr 2020 kam die Wirtschaftstätigkeit während des Sommers wieder in Fahrt. Parallel zur Belebung der Konjunktur verbesserte sich auch die Lage am Arbeitsmarkt. Im September waren etwas mehr als 400 000 Beschäftigte für Kurzarbeit angemeldet, im Vergleich zu über 1,3 Millionen Mitte April. Wie viele tatsächlich in Kurzarbeit waren, ist allerdings noch nicht bekannt. Die Zahl der Arbeitslosen sank gegenüber dem Höchststand von April um rd. 156 000. Dennoch ist die Beschäftigung seit März in den meisten Sektoren zurückgegangen. Die Zahl der touristischen Übernachtungen war im Sommer um mehr als 30 % niedriger als im Vorjahr. Das Gastgewerbe und andere Dienstleistungsbranchen, die einen direkten Kundenkontakt erfordern, waren am stärksten von der Pandemie betroffen. Wegen des erneuten Lockdowns wird die Arbeitsmarktlage schwierig bleiben.

Ein großzügiges Hilfspaket verhinderte einen noch schwereren Konjunktureinbruch

Seit März wurde in mehreren Schritten ein Hilfspaket in Höhe von rd. 38 Mrd. EUR (rd. 10 % des BIP) umgesetzt. Im Juni kündigten die zuständigen Behörden weitere Maßnahmen zur Stärkung der Konjunktur an. Zusammen mit den Maßnahmen von Juni beläuft sich das Corona-Hilfspaket nun insgesamt auf rd. 50 Mrd. EUR (rd. 13 % des BIP), einschließlich Kreditgarantien. Die neuen Maßnahmen umfassen eine Verlängerung der Kurzarbeitsregelung bis März 2021, ausgabenseitige Maßnahmen für Klimaschutz und Digitalunterricht, zusätzliche Unterstützung aus dem Härtefallfonds für Kleinstunternehmen und Ein-Personen-Unternehmen (worunter auch selbstständige Pfleger*innen fallen), Fördergelder für Forschungsprojekte und medizinisches Material sowie steuerliche Erleichterungen und eine Herabsetzung der Mehrwertsteuer für bestimmte Branchen. Die Aufstockung des Hilfspakets von Juni beinhaltet zudem Steueranreize für Unternehmensinvestitionen, insbesondere in grüne und digitale Technologien. Eine rückwirkende Senkung der Lohn- und Einkommensteuer für die erste Tarifstufe (von 25 % auf 20 %) dürfte die Erholung ebenfalls unterstützen. Darüber hinaus hat die Bundesregierung angekündigt, dass sie schätzungsweise 3 Mrd. EUR aufwenden wird, um die Unternehmen für den Umsatzausfall von November 2020 in Höhe von bis zu 80 % bzw. maximal 800 000 EUR zu entschädigen.

Das BIP-Wachstum dürfte sich nur allmählich erholen

Die Wirtschaftsleistung wird auf kurze Sicht voraussichtlich zurückgehen, da die verhängten Maßnahmen und freiwillige Einschränkungen aus gesundheitlichen Gründen den privaten Verbrauch bremsen dürften. Störungen der globalen Wertschöpfungsketten und ein gedämpftes Wachstum bei den wichtigsten Handelspartnern üben Abwärtsdruck auf die Exporte und die Investitionen aus. Mit dem Einsatz eines wirksamen Impfstoffs wird sich die Wirtschaftstätigkeit im Zeitraum 2021-2022 dann nach und nach erholen, Ende 2022 aber noch immer deutlich unter dem Trendniveau der Zeit vor der Krise liegen. Die Arbeitslosenquote wird im Jahresverlauf 2021 hoch bleiben und erst 2022 zu sinken beginnen. Das großzügige Hilfspaket lässt ein erhebliches Haushaltsdefizit entstehen, das sich im Projektionszeitraum jedoch stetig verringern wird. Die Rücknahme der fiskalischen Impulse dürfte das Wachstum in den Jahren 2021 und 2022 belasten, sofern sie nicht durch einen Rückgang der Sparquote der privaten Haushalte kompensiert wird. Die Projektionen sind mit erheblichen Abwärtsrisiken behaftet. Viele Betriebe im Tourismussektor befinden sich in Familienbesitz und haben nur eine geringe Kapitaldecke. Wenn die Reisebeschränkungen und der Nachfragerückgang über einen längeren Zeitraum andauern, könnte es zu einer Insolvenzwelle kommen. Dies hätte negative Folgen für die Beschäftigung in abgelegenen Gegenden und den regionalen Zusammenhalt.

Die Krise sollte als Chance genutzt werden, um die Entwicklung von Beteiligungskapitalmärkten zu fördern

Es bestehen nur begrenzte Möglichkeiten, die Unternehmen zu unterstützen und gleichzeitig einen starken Anstieg der Unternehmensverschuldung zu verhindern, da die Märkte für Beteiligungskapital weniger entwickelt sind als in anderen Ländern. Es sollten Anreize für Kapitalbeteiligungen und Eigenkapitalaufnahmen geschaffen werden, beispielsweise durch die Einführung einer steuerlichen Zinsbereinigung des Eigenkapitals oder durch Steueranreize für Wagniskapital- und Private-Equity-Investitionen in kleinen und mittleren Unternehmen. Zudem sollten strengere Anspruchskriterien für Kurzarbeit festgelegt werden, z. B. im Hinblick auf Weiterbildungsmaßnahmen im Bereich fortgeschrittener digitaler Tools und Aktivitäten, um eine sinnvolle Reallokation von Arbeit zugunsten zukunftsträchtigerer Branchen und produktiverer Unternehmen zu fördern.