Nach einem projizierten BIP-Rückgang um 7½ % im Jahr 2020 dürfte die Wirtschaftsleistung mit Wachstumsraten von 3½ % im Jahr 2021 und 3¼ % im Jahr 2022 erst Ende 2022 zu ihrem vor der Pandemie erreichten Niveau zurückkehren. Anhaltende Infektionsausbrüche und damit einhergehende Eindämmungsmaßnahmen werden die Wirtschaftstätigkeit weiter beeinträchtigen, bis Impfstoffe in der Breite eingesetzt werden können. Der Konsum und die Investitionstätigkeit des privaten Sektors werden durch die um sich greifende Unsicherheit und das geringe Vertrauen am stärksten in Mitleidenschaft gezogen. Die Arbeitslosigkeit wird den Projektionen zufolge bis Mitte 2021 steigen und sich einem zweistelligen Wert nähern. Danach wird sie sich nur allmählich zurückbilden. Fiskalpolitische Stützungsmaßnahmen und eine verhaltene Konjunkturentwicklung werden die Staatsverschuldung gemäß Maastricht-Definition weiterhin bei über 100 % des BIP halten. Ohne eine Förderung der Reallokation von schrumpfenden zu voraussichtlich expandierenden Wirtschaftszweigen werden sich die Wachstumsaussichten dauerhaft verschlechtern.
Da die Inflation bis Ende 2022 deutlich unter dem Inflationsziel der EZB bleiben dürfte, sollte die Geldpolitik sicherstellen, dass die Kreditaufnahmekosten für den öffentlichen wie auch für den privaten Sektor sehr niedrig bleiben, solange die pandemiebedingte Krise andauert. Um eine verfrühte Straffung zu verhindern, die der Erholung schaden könnte, sollten die einzelnen Länder in den kommenden beiden Jahren das sehr niedrige Zinsniveau und die umfangreichen Mittel aus dem EU-Wiederaufbauplan für eine anhaltend konjunkturstützende Fiskalpolitik nutzen. Da die Pandemie aber wahrscheinlich einige Sektoren dauerhaft beeinträchtigen wird, muss der Schwerpunkt bei der Zusammensetzung der fiskalischen Maßnahmen von der Einkommensstützung auf eine Förderung der Reallokation von Arbeitskräften und Kapital verlagert werden. Zur Steigerung der Resilienz ist es auch wichtig, die finanzielle Fragmentierung auf EU-Ebene zu reduzieren, u. a. durch verstärkte grenzüberschreitende Kreditvergabe. Um die Auswirkungen künftiger Infektionswellen möglichst gering zu halten, sind eine effiziente Verteilung von Impfstoffen und ein Ausbau der Test- und Kontaktnachverfolgungskapazitäten erforderlich.