OECD-Wirtschaftsausblick, Ausgabe 2020/2 (Kurzfassung)

Report

OECD-Wirtschaftsausblick

18 Dezember 2020

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1. Gesamtbeurteilung der Wirtschaftslage

Einleitung

Die Corona-Pandemie fordert weiterhin einen hohen Tribut von Wirtschaft und Gesellschaft. Dank ermutigender Meldungen über Fortschritte bei der Entwicklung wirkungsvoller Impfstoffe zeichnet sich inzwischen zwar ein Weg aus der Krise ab, auf kurze Sicht bleibt der Ausblick jedoch sehr unsicher. Die in vielen Ländern erneut stark gestiegenen Infektionszahlen und die als Antwort darauf eingeführten Beschränkungen bremsen die weltweite Erholung, die sich nach dem Einbruch der Wirtschaftsleistung im ersten Halbjahr eingestellt hatte. Dies dürfte auf kurze Sicht zu erneuten Rückgängen der Wirtschaftsleistung führen, vor allem in vielen europäischen Ländern. Die Situation dürfte noch einige Zeit so bleiben, da die weltweite Verteilung eines Impfstoffs mit erheblichen entwicklungstechnischen und logistischen Herausforderungen verbunden ist. Wir werden noch mindestens sechs bis neun weitere – schwere – Monate mit dem Virus leben müssen. Es wird wohl weiterhin zu lokalen Virusausbrüchen kommen, die soweit möglich mit örtlich begrenzten Maßnahmen, falls nötig aber auch mit landesweiten Lockdowns eingedämmt werden müssen. Dies wird das Wachstum drücken. In den Branchen, die am stärksten von den anhaltenden Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens betroffen sind, werden einige Unternehmen ohne zusätzliche Unterstützung möglicherweise nicht lange durchhalten können. Damit steigt das Risiko weiterer Entlassungen und Insolvenzen, die Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage haben werden.

Unter der Annahme, dass neuerliche Corona-Ausbrüche begrenzt bleiben und dass die Aussicht auf einen Ende 2021 weithin verfügbaren Impfstoff das Vertrauen stärkt, wird in den kommenden zwei Jahren mit einer allmählichen, wenn auch ungleichmäßigen Erholung der Weltwirtschaft gerechnet (Table 1.1). Nach einem starken Rückgang in diesem Jahr wird das globale BIP den Projektionen zufolge 2021 um 4¼ % und 2022 um weitere 3¾ % wachsen. Ende 2021 dürfte das globale BIP insgesamt wieder auf seinem Vorkrisenniveau liegen, hauptsächlich dank der kräftigen Erholung in China. Die Wirtschaftsleistung wird in den verschiedenen großen Volkswirtschaften jedoch sehr unterschiedlich ausfallen. In vielen Ländern wird die Wirtschaftsleistung auch 2022 noch rd. 5 % unter den Vorkrisenerwartungen liegen. Dies erhöht die Gefahr erheblicher dauerhafter Einbußen durch die Pandemie. Länder und Regionen mit effektiven Systemen für Tests, Kontaktnachverfolgung und Isolierung dürften – wie bereits seit Beginn der Pandemie – vergleichsweise gute Ergebnisse verzeichnen. Sie werden aber ebenfalls unter der schwachen Weltnachfrage leiden. Vor diesem Hintergrund ist nur mit einem allmählichen Rückgang der Arbeitslosigkeit zu rechnen. Die Investitionsanreize für die Unternehmen würden dabei auf kurze Sicht ebenfalls schwach bleiben. Anhaltende Kapazitätsüberhänge würden zudem den Lohn- und Preisauftrieb dämpfen.

Eine günstigere Entwicklung wäre im Fall rascherer Fortschritte bei der Entwicklung und Verteilung wirksamer Impfstoffe denkbar, die die Unsicherheit und die Notwendigkeit des Vorsorgesparens verringern würden. Damit würde der Weg für einen stärkeren Aufschwung – vor allem im Jahr 2022 – und eine dauerhaftere Belebung von Investitionen und Verbraucherausgaben geebnet. Die Aussichten wären hingegen schlechter, falls sich das Infektionsgeschehen weiträumiger verschärfen sollte (was in Europa bereits geschehen ist) oder es schwieriger würde als derzeit angenommen, weite Bevölkerungsteile zu impfen. Dies würde bedeuten, dass die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus über einen längeren Zeitraum beibehalten werden müssten, was die Wachstumsaussichten deutlich verschlechtern würde. Das Vertrauen ist immer noch fragil. Weitere Rückschläge könnten Zuwächse beim BIP in weiten Teilen der Welt bis Ende 2021 oder sogar noch länger unmöglich machen und damit die Narben vertiefen, die die Krise bereits gerissen hat.

Die Politik kann bei der Stützung der Wirtschaft während der Gesundheitskrise eine ganz entscheidende Rolle spielen und den Prozess der Anpassung an die geänderten Umfeldbedingungen der Welt nach Corona erleichtern. Sollte die Erholung ins Stocken geraten, müssten die Regierungen daher weitere Maßnahmen ergreifen. Wirksame gesundheitspolitische Maßnahmen, für die ausreichende Mittel vorgesehen sind, sowie konjunkturstützende, flexible geld-, fiskal- und strukturpolitische Maßnahmen sind unerlässlich, um sowohl die unmittelbaren Folgen der Pandemie einzudämmen als auch ihre potenziellen langfristigen Auswirkungen auf den Lebensstandard möglichst gering zu halten.

Table 1.1. A gradual but uneven global recovery

Der aktuell sehr akkommodierende Kurs in der Geldpolitik muss beibehalten werden, was die Zentralbanken der großen fortgeschrittenen Volkswirtschaften auch vorhaben. Die Zentralbanken sollten zudem weiterhin eine Absicherung („Backstop“) für die Kreditmärkte vorsehen und gewährleisten, dass die Zinsen stabil auf niedrigem Niveau verharren. Falls sich die Konjunkturschwäche vertieft oder länger anzudauern scheint als angenommen, sollte der begrenzte verbleibende Spielraum für eine weitere Lockerung der Geldpolitik ausgeschöpft werden.
Die fiskalpolitische Unterstützung sollte beibehalten werden, solange die Corona-Maßnahmen die Wirtschaftstätigkeit einschränken, und wird auch danach weiter notwendig sein, um ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu sichern. In einigen Ländern sind zusätzliche fiskalische Maßnahmen erforderlich, um die drohende Fiskalklippe zu umschiffen, wenn zeitlich befristete Krisenmaßnahmen auslaufen. Alle Länder sollten bestrebt sein, einen verfrühten und abrupten Entzug der Konjunkturimpulse zu vermeiden, solange die Wirtschaft noch fragil ist und das Wachstum durch die Corona-Maßnahmen behindert wird. Die öffentliche Verschuldung, die sich in einigen Ländern bereits vor der Krise auf hohem Niveau bewegte, dürfte erheblich ansteigen. Deshalb sollten die Ausgaben sehr gezielt ausgerichtet werden. Die Tragfähigkeit der Verschuldung sollte erst wieder zur Priorität werden, wenn die Erholung in sicheren Bahnen verläuft. Allerdings sollten die dann zu ergreifenden Schritte bereits jetzt geplant werden.
Die außerordentlichen Krisenmaßnahmen müssen zunehmend gezielt auf die Unterstützung an sich tragfähiger Unternehmen ausgerichtet werden. Zudem müssen sie durch strukturpolitische Maßnahmen flankiert werden, die entlassenen oder besonders gefährdeten Arbeitskräften neue Chancen eröffnen, die Wirtschaftsdynamik steigern und den Klimawandel bremsen. Zusammen können diese Maßnahmen eine Reallokation von Arbeit und Kapital hin zu Branchen und Tätigkeiten fördern, in denen nachhaltiges Wachstumspotenzial besteht, und damit den Lebensstandard für alle steigern.

Viele Schwellen- und Entwicklungsländer wurden von der Pandemie besonders hart getroffen. Teilweise hat die erhebliche Kreditaufnahme im Ausland, mit der der Schlag abgefedert werden sollte, die Herausforderungen verstärkt, die bereits vor der Krise wegen der hohen Staats- und Unternehmensverschuldung bestanden. Bei einigen dieser Kreditnehmer ist in den kommenden Jahren mit Schuldenrestrukturierungen zu rechnen. Dieser Prozess würde durch mehr Transparenz über den vollen Umfang der Verschuldung – einschließlich Eventualverbindlichkeiten – erleichtert. Hilfreich wäre auch ein ausgereifteres Konzept für den Umgang mit Staatsinsolvenzen unter Mitwirkung aller wichtigen Kreditgeber.

Es bedarf weiterhin einer stärkeren internationalen Zusammenarbeit, um die Pandemie schneller zu beenden, die Erholung der Weltwirtschaft zu beschleunigen und die Anstrengungen der G20 zur Lösung der Schuldenprobleme von Schwellen- und Entwicklungsländern fortzusetzen. Um die Herausforderungen der Pandemie zu bewältigen, ist es unerlässlich, Wissen sowie medizinische und finanzielle Ressourcen zu teilen und schädliche Handelsbeschränkungen, vor allem für medizinische Erzeugnisse, abzubauen. Internationale Zusammenarbeit ist nötig, um sicherzustellen, dass ein Impfstoff für alle verfügbar ist, und so eine schnellere Erholung der Weltwirtschaft von den Folgen der Pandemie zu ermöglichen. Mit den Vorbereitungen dafür sollte bereits jetzt begonnen werden.

Die weltwirtschaftliche Erholung bleibt partiell und ungleichmäßig

Der wirtschaftliche Ausblick ist weiterhin sehr unsicher und die Konjunkturerholung verliert zunehmend an Dynamik. Nach dem beispiellosen abrupten Rückgang in der ersten Jahreshälfte – das globale BIP fiel im zweiten Quartal 2020 um 10 % niedriger aus als Ende 2019 – zog die Produktion im dritten Quartal stark an, nachdem die Einschränkungen gelockert worden waren, die Geschäfte wieder öffneten und die Ausgaben der privaten Haushalte wieder zunahmen (Figure 1.1). Trotz dieses beachtlichen Aufschwungs lag die gesamtwirtschaftliche Produktion in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften im dritten Quartal noch immer rd. 4½ % unter dem vor der Pandemie erreichten Niveau. Damit war der Produktionsrückgang in etwa so groß wie auf dem Höhepunkt der Weltfinanzkrise. Ohne die wirksamen Stützungsmaßnahmen, die in allen Volkswirtschaften umgehend ergriffen wurden, um die Auswirkungen des Schocks auf die Haushaltseinkommen und die Unternehmen abzufedern, wären Wirtschaftsleistung und Beschäftigung noch wesentlich schwächer ausgefallen.

Figure 1.1. Output rebounded in the third quarter of 2020 after the sharp contraction in the first half of the year

Per cent change from 2019Q4

Nachdem die Lockerung der Ausgangsbeschränkungen in vielen Bereichen zunächst eine Belebung auslöste, hat die Erholung in letzter Zeit an Schwung verloren. Dies gilt vor allem für Europa, wo die Wirtschaftsleistung derzeit wieder rückläufig sein könnte. Auf Tageswerten basierende Mobilitätsindikatoren liegen weiterhin unter dem vor der Pandemie verzeichneten Niveau. In den fortgeschrittenen Volkswirtschaften befinden sie sich mittlerweile wieder auf einem Abwärtstrend (Figure 1.2, Teil A), weil strenge Maßnahmen ergriffen werden, um dem erneuten Anstieg der Infektionszahlen entgegenzuwirken. Indikatoren auf der Basis der in Google Trends erfassten Suchanfragen bis Mitte November lassen ebenfalls vermuten, dass das Wachstum im vierten Quartal 2020 in vielen europäischen Ländern, in denen die Einschränkungen jüngst verschärft wurden, negativ ausfallen könnte (Kapitel 2, „Issue Note 4. Walking the tightrope: Avoiding a lockdown while containing the virus“, nur auf Englisch verfügbar). Wie im zweiten Quartal 2020 zu beobachten war, sind strengere Corona-Maßnahmen und eine geringere Mobilität mit einer schlechteren Wirtschaftsleistung assoziiert (Kasten 1.1). Die Erholung einiger auf Unternehmensumfragen basierender Indikatoren hat sich ebenfalls wieder abgeschwächt, vor allem im Dienstleistungssektor. In den Ländern, für die monatliche Schätzungen der gesamtwirtschaftlichen Aktivität vorliegen, waren bis September etwas mehr als zwei Drittel des zwischen Januar und April verzeichneten BIP-Rückgangs wieder aufgeholt (Figure 1.2, Teil B). Dabei sind jedoch erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Sektoren festzustellen (Kasten 1.2).

Einige Ausgabenkategorien haben sich relativ schnell erholt, als die Wirtschaft wieder hochgefahren wurde, insbesondere die Einzelhandelsausgaben der privaten Haushalte (Figure 1.2, Teil C). Die Ausgaben der privaten Haushalte für Dienstleistungen, insbesondere in Branchen, die einen direkten Kundenkontakt erfordern, fallen jedoch nach wie vor gedämpfter aus. Das Gleiche gilt für den internationalen Reiseverkehr. In den Vereinigten Staaten und Japan, zwei Volkswirtschaften mit monatlichen Schätzungen der Gesamtkonsumausgaben, liegen die Gesamtausgaben immer noch rd. 4 % unter dem unmittelbar vor der Pandemie verzeichneten Niveau.
Staatliche Nothilfen zur Einkommensstützung, die Zunahme des Vorsorgesparens und der durch die Einschränkungen bedingte Rückgang der Verbraucherausgaben ließen die Sparquoten der privaten Haushalte im zweiten Quartal in den meisten fortgeschrittenen Volkswirtschaften um 10-20 Prozentpunkte steigen. Die Bankeinlagen der privaten Haushalte sind in vielen Volkswirtschaften ebenfalls stark gestiegen (Kasten 1.3). Dies bietet zwar Spielraum zur Finanzierung zusätzlicher Ausgaben, Umfragen deuten jedoch darauf hin, dass das Vorsorgesparen so lange auf einem hohen Niveau verharren könnte, wie das Vertrauen geschwächt ist und die Unsicherheit über die Entwicklung des Infektionsgeschehens und der Arbeitsmarktlage andauert (Bank of Canada, 2020).
Ein beträchtlicher Teil der zusätzlichen Ersparnisbildung entfällt auf private Haushalte mit höherem Einkommen, die eine niedrigere marginale Konsumneigung aufweisen (Bounie et al., 2020; Chetty et al., 2020). Dies zeigt, wie sehr die Pandemie bestehende Einkommensungleichheiten verstärkt. Der während der Pandemie verzeichnete Rückgang der geleisteten Arbeitsstunden betraf vor allem Berufe mit geringeren Qualifikationsanforderungen und Beschäftigte im Niedriglohnsektor (siehe weiter unten). Zudem könnten die Eindämmungsmaßnahmen die Ausgaben einkommensstarker Haushalte in größerem Maße beeinträchtigt haben, weil ein relativ hoher Anteil der Ausgaben dieser Haushalte auf Dienstleistungen wie Auslandsreisen, Restaurants und kulturelle Veranstaltungen entfällt.
Die weltweite Industrieproduktion hat sich unter dem Einfluss des kräftigen Wachstums in China ebenfalls erholt (Figure 1.2, Teil D). In vielen fortgeschrittenen Volkswirtschaften liegt die gesamtwirtschaftliche Produktion jedoch weiterhin unter dem vor der Pandemie verzeichneten Niveau, weil die Nachfrage nach bestimmten Investitionsgütern deutlich schwächer ist als die Nachfrage nach Konsumgütern, insbesondere in Japan und Deutschland. Die Investitionsabsichten haben sich in mehreren Ländern negativ entwickelt und die Erwartung, dass die Unsicherheit in Bezug auf das Infektionsgeschehen noch eine Weile andauern wird (Figure 1.6), wird die Unternehmensinvestitionen auf einem niedrigen Niveau halten.
Das Welthandelsvolumen ist in der ersten Jahreshälfte 2020 stark zurückgegangen. Der Warenhandel sank gegenüber dem vor der Pandemie verzeichneten Niveau um 16 % und der internationale Reiseverkehr sowie der Fremdenverkehr kamen weitgehend zum Stillstand (Figure 1.8, Teil A). Die nach der Aufhebung der Beschränkungen einsetzende Konjunkturbelebung machte sich auch beim Handel und beim Containerumschlag bemerkbar, insbesondere in China, Korea und mehreren kleineren asiatischen Volkswirtschaften wie Vietnam. Ein wichtiger Faktor war der Anstieg der globalen Nachfrage nach Masken und anderem Schutzmaterial sowie nach Produkten für die Arbeit im Homeoffice, insbesondere IT-Geräten. Die Belebung der Industrieproduktion in China hat in den Rohstoffexportländern die Nachfrage nach Rohstoffen, insbesondere Metallen, angekurbelt. Auf Umfragedaten basierende Messgrößen der globalen Exportaufträge sind zwar gegenüber ihrem Tiefstand vom April gestiegen, liegen aber immer noch auf niedrigem Niveau. Der Personenluftverkehr und der übrige Reiseverkehr verharren ebenfalls auf außergewöhnlich niedrigem Niveau (Figure 1.8, Teil B), was in vom Tourismus abhängigen Volkswirtschaften die Exporteinnahmen stark belastet.

Figure 1.2. The pace of the recovery has slowed

Kasten 1.1. Erklärung der länderspezifischen Unterschiede bei der Wachstumsleistung im zweiten Quartal 2020

Im zweiten Quartal 2020 brachen die gesamtwirtschaftliche Produktion und die Verbraucherausgaben in vielen fortgeschrittenen und aufstrebenden Volkswirtschaften stark ein (Figure 1.3). Das Ausmaß der Kontraktion war jedoch von Land zu Land sehr unterschiedlich: In einigen Ländern sanken BIP und privater Konsum um über 15 %, in anderen um nicht mehr als 5 %. Dieser Kasten befasst sich mit dem im Ländervergleich festzustellenden starken Zusammenhang zwischen der Wirtschaftstätigkeit, dem Umfang der Eindämmungsmaßnahmen und den Mobilitätsveränderungen. Damit ergänzt er die detaillierte Analyse der Beziehung zwischen Mobilität und Eindämmungsmaßnahmen in Kapitel 2 („Issue Note 4. Walking the tightrope: Avoiding a lockdown while containing the virus“, nur auf Englisch verfügbar).

Der Umfang der Eindämmungsmaßnahmen wird anhand des aggregierten Stringency Index der Blavatnik School of Government, University of Oxford, gemessen (Hale et al., 2020). Zur Messung der Mobilität wird der Google-Indikator der Bewegungstrends in der Kategorie Einzelhandel und Freizeit herangezogen. Änderungen der Eindämmungsmaßnahmen sind mit Veränderungen der Bewegungsmuster verbunden. In den Mobilitätsdaten können sich aber auch andere Faktoren niederschlagen, wie z. B. freiwillige physische Distanzierung oder die Angst, das Haus zu verlassen, wenn die Infektionszahlen hoch sind.

Empirische Untersuchung

Sowohl die Mobilität als auch der Umfang der Eindämmungsmaßnahmen sind im Ländervergleich stark mit dem BIP-Wachstum und dem Wachstum des privaten Konsums korreliert (Figure 1.3). Anhand von Ländergleichungen für die Quartalsveränderungen des realen BIP und des privaten Konsums im zweiten Quartal 2020 lässt sich die relative Bedeutung dieser Indikatoren auch ökonometrisch ermitteln. Dabei werden zwei getrennte Gleichungen geschätzt, um die möglichen Unterschiede im Hinblick darauf zu berücksichtigen, wie sich die Mobilität und der Umfang der Maßnahmen auf die verschiedenen Konjunkturindikatoren auswirken. So sind die im Ländervergleich festzustellenden Unterschiede beim BIP-Wachstum beispielsweise z. T. auf Faktoren zurückzuführen, die möglicherweise weniger unmittelbar von den in den jeweiligen Ländern ergriffenen Eindämmungsmaßnahmen abhängen, etwa auf den Staatskonsum und die Exporte.1 Beide Erklärungsvariablen werden als Veränderung der Quartalsdurchschnittswerte ausgedrückt.2 Die Gleichungen werden für eine Gruppe fortgeschrittener und aufstrebender Volkswirtschaften geschätzt, für die Daten verfügbar sind; große Ausreißer werden dabei ausgeschlossen (sodass die Stichprobe für den privaten Konsum 43 und die für das BIP 49 Volkswirtschaften umfasst).3

Folgende zentrale Erkenntnisse wurden gewonnen:

Sowohl die Mobilität als auch der Umfang der Maßnahmen korrelieren signifikant mit den länderspezifischen Wachstumsunterschieden im zweiten Quartal 2020.
Die Ergebnisse zeigen, dass ein Anstieg des durchschnittlichen Stringency Index (University of Oxford) um 10 Punkte bei einem gegebenen Mobilitätsniveau mit einer Verringerung des vierteljährlichen BIP-Wachstums um rd. 1 Prozentpunkt einhergeht, während ein Rückgang des Google-Mobilitätsindikators um 10 Punkte mit einer Verringerung des vierteljährlichen BIP-Wachstums um rd. 1,7 Prozentpunkte verbunden ist. Für das reale Wachstum des privaten Konsums betragen die entsprechenden Zahlen 0,6 bzw. 2,8 Prozentpunkte. Dass der Mobilitätsindikator einen stärkeren Effekt auf das Konsumwachstum als auf das BIP-Wachstum hat, könnte darauf zurückzuführen sein, dass die Mobilität in der Kategorie Einzelhandel und Freizeit für den Konsum der privaten Haushalte relevanter ist als für andere wirtschaftliche Aktivitäten.
Die geschätzten Gleichungen erklären etwa 60 % der Varianz des BIP-Wachstums und rd. 75 % der Varianz des Wachstums des privaten Konsums im Ländervergleich.
Sowohl für die Gleichungen des BIP als auch für die des privaten Konsums sind die Residuen in Asien, wo in manchen Ländern nur vergleichsweise milde Eindämmungsmaßnahmen ergriffen wurden, im Durchschnitt tendenziell positiv. In Europa, wo restriktivere Maßnahmen eingesetzt wurden, sind sie dagegen negativ. Dies könnte auf potenzielle Nichtlinearitäten bei den aggregierten Zusammenhängen zwischen Wachstum, Mobilität und Eindämmungsmaßnahmen hindeuten oder als Hinweis darauf gewertet werden, dass manche Eindämmungsmaßnahmen, wie komplette Shutdowns, stärkere Effekte haben als andere.

Figure 1.3. Growth outcomes in the second quarter of 2020 are associated with differences in national containment measures and mobility

Es lässt sich noch nicht beurteilen, ob die für das zweite Quartal 2020 ermittelten Querschnittbeziehungen genutzt werden können, um das BIP-Wachstum während der Pandemie zu verfolgen. Erste Schnellschätzungen des BIP-Wachstums im dritten Quartal 2020 korrelieren in den einzelnen Ländern allerdings weiter mit den Veränderungen der Mobilitätsmuster im Quartalsvergleich. Die geschätzten Zusammenhänge für das zweite Quartal 2020 liefern zudem Hinweise auf mögliche Entwicklungen im vierten Quartal 2020. Sie lassen vermuten, dass das Wachstum in Ländern, die die Eindämmungsmaßnahmen erheblich verschärften und deutlich rückläufige Mobilitätsindikatoren verzeichnen, wieder negativ ausfallen könnte. Die Relation könnte jedoch etwas schwächer sein, da die Geschäftstätigkeit in manchen Branchen noch nicht wieder aufgenommen werden konnte oder verhalten bleibt. Darüber hinaus hat bei Waren und Dienstleistungen möglicherweise eine Verlagerung hin zum Online-Handel stattgefunden.

1. Internationale Vergleiche werden zusätzlich durch unterschiedliche statistische Methoden zur Messung der Produktion des öffentlichen Sektors während der Lockdowns erschwert (vgl. Abschnitt über Fiskalpolitik).

2. In beiden Gleichungen sind die zwei Indikatoren bei einem Signifikanzniveau von mindestens 2 % signifikant. Die Signifikanz ist robust gegen den Ausschluss von Ausreißern.

3. Diese Gruppe besteht aus den meisten OECD-Volkswirtschaften sowie mehreren Nicht-OECD-Volkswirtschaften in Asien, Lateinamerika und Afrika. Die Stichprobe für den privaten Konsum ist kleiner, da weniger aufstrebende Volkswirtschaften über Quartalsdaten für den privaten Konsum verfügen.

Kasten 1.2. Die Auswirkungen der Pandemie auf die einzelnen Sektoren

Wie zu Beginn der Pandemie erwartet, variieren die wirtschaftlichen Auswirkungen in den einzelnen Sektoren. Monatliche Produktionsdaten und in einigen Ländern durchgeführte Unternehmensumfragen zur Corona-Krise bieten zeitnahe Informationen über die unterschiedlichen Auswirkungen der Pandemie auf die Unternehmen, sowohl im Anfangsstadium der Krise als auch im weiteren Verlauf. Die unterschiedlichen Eindämmungsmaßnahmen in den einzelnen Ländern und die Veränderungen im Verbraucherverhalten, die häufig bereits vor Inkrafttreten der Einschränkungen einsetzten, haben einen erheblichen Effekt auf die Wirtschaftstätigkeit, insbesondere im Dienstleistungssektor.

In Ländern wie dem Vereinigten Königreich und Frankreich, wo ein längerer landesweiter Lockdown verhängt wurde, fiel der Produktionsrückgang besonders stark aus (Figure 1.4, Teil A). Andere Länder, insbesondere in Asien, ergriffen dagegen regionale oder sektorspezifische Eindämmungsmaßnahmen und stützten sich stärker auf wirksame Systeme für Tests, Nachverfolgung und Isolierung der Infizierten, um die Verbreitung des Virus zu bremsen.

In den ersten zwei bis drei Monaten der Pandemie war ein besonders starker Produktionsrückgang bei Dienstleistungsaktivitäten zu verzeichnen, die einen engen Kundenkontakt erfordern, bei denen es zu größeren Menschenansammlungen kommt oder die mit dem Reiseverkehr in Verbindung stehen (Figure 1.4, Teil A). In einigen Ländern betrug der Rückgang in diesen Wirtschaftszweigen 60-80 %.
In anderen Branchen wie dem Verarbeitenden Gewerbe, dem Bausektor und den meisten anderen marktorientierten Dienstleistungen brach die Wirtschaftsleistung ebenfalls ein. Das Ausmaß des Rückgangs variierte allerdings stärker, was auf die unterschiedlichen Maßnahmen, die zur Eindämmung des Infektionsgeschehens ergriffen wurden, sowie auf Unterschiede in der Branchenstruktur zurückzuführen sein könnte. In Frankreich, Kanada und dem Vereinigten Königreich waren die Rückgänge in diesen Sektoren in der Regel etwas größer als in Japan oder Norwegen.

Da viele Eindämmungsmaßnahmen bis vor Kurzem gelockert waren, hatte die Erholung Fahrt aufgenommen. In den meisten Wirtschaftszweigen war die Produktion allmählich wieder gestiegen (Figure 1.4, Teil B).

In den anfangs am stärksten betroffenen Dienstleistungsbranchen ist die Produktion nach wie vor schwach. Dies erhöht die Gefahr erheblicher dauerhafter Einbußen durch die Pandemie. Im Beherbergungs- und Gastgewerbe, in der Veranstaltungs- und Freizeitbranche und im Verkehrssektor, insbesondere im Flugverkehr, wird die Wirtschaftstätigkeit weiterhin durch Abstandsregeln und Grenzschließungen beeinträchtigt.
Bei den sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen verläuft die Erholung ebenfalls schleppend. Zu dieser Kategorie zählen u. a. Reisebüros, bei denen die Nachfrage extrem schwach ist. Die freien Berufe und technischen Dienstleistungen sind weniger betroffen, die seit April beobachtete Erholung blieb jedoch gedämpft, wahrscheinlich aufgrund der allgemeinen Nachfrageschwäche.
Im Gegensatz dazu hat die Aktivität im Groß-und Einzelhandel weitgehend wieder das unmittelbar vor der Pandemie verzeichnete Niveau erreicht, was der kräftigen Belebung der Einzelhandelsumsätze zu verdanken war.

Die von einigen nationalen Statistikämtern und Zentralbanken durchgeführten Unternehmensumfragen zur Corona-Krise bieten zusätzliche Erkenntnisse über die Auswirkungen der Pandemie auf die einzelnen Sektoren, z. B. in Bezug auf Personalregelungen, die Nutzung staatlicher Hilfsprogramme, auf Investitionspläne und die Finanzlage der Unternehmen (OECD, 2020a). Was sämtlichen Ländern, für die Daten vorliegen, gemeinsam ist, ist das Ausmaß, in dem die Investitionspläne in allen Branchen nach unten korrigiert wurden.

Informationen über die Finanzlage und die Betriebskosten zeigen, wie stark einige Unternehmen weiterhin unter Druck stehen, insbesondere in den am härtesten getroffenen Dienstleistungsbranchen.

In Belgien gab etwa ein Fünftel der befragten Unternehmen an, ihren finanziellen Verpflichtungen nur noch drei Monate nachkommen zu können, falls sie keine zusätzlichen Kapitalhilfen oder Kredite erhalten (Figure 1.5, Teil A). Ein weiterer beträchtlicher Teil der Unternehmen gab an, ihre finanziellen Verpflichtungen nur noch drei bis sechs Monate erfüllen zu können.
Am stärksten ist der finanzielle Druck in der Veranstaltungs- und Freizeitbranche sowie im Beherbergungs- und Gastgewerbe; rd. 40 % bzw. 30 % der Unternehmen geben dort an, ihren finanziellen Verpflichtungen nur noch höchstens drei Monate nachkommen zu können.
Im Vereinigten Königreich gab rund ein Fünftel der befragten Unternehmen an, dass ihre Betriebskosten derzeit ihren Umsatz übersteigen – in der Hälfte der Fälle um mehr als 50 % (Figure 1.5, Teil B). Ein weiteres Fünftel gab an, dass die Betriebskosten genauso hoch sind wie der Umsatz.
Die finanziellen Schwierigkeiten scheinen auch hier in den am stärksten betroffenen Branchen am größten zu sein. In der Kultur-, Freizeit- und Unterhaltungsbranche gaben etwa drei Fünftel der Unternehmen an, dass ihre Betriebskosten derzeit den Umsatz übersteigen, im Beherbergungs- und Gastgewerbe etwa zwei Fünftel.
Die Antworten auf gesonderte Fragen zum subjektiv wahrgenommenen Insolvenzrisiko zeichnen ein ähnliches Bild für Unternehmen, die geöffnet bleiben können. Im Vereinigten Königreich sahen sich Ende September beispielsweise rd. 18 % aller Unternehmen einem moderaten oder ernsten Insolvenzrisiko ausgesetzt; im Beherbergungs- und Gastgewerbe lag dieser Anteil bei 38 %.

Figure 1.4. The impact of the pandemic on activity remains severe in some service sectors

Figure 1.5. There are signs of financial fragilities in some service sectors

Figure 1.6. Uncertainty about the pandemic is expected to persist for some time

Expected end date for COVID-19-related uncertainty, per cent of responding firms

Kasten 1.3. Die Zunahme der Bankeinlagen während der COVID-19-Krise: mögliche Ursachen und Auswirkungen

Beispiellose Zunahme der Bankeinlagen

Seit Ende 2019 sind die Bankeinlagen von Nichtfinanzunternehmen in Japan, Kanada, den Vereinigten Staaten und vielen europäischen Ländern1 rasch gestiegen – deutlich schneller als im gleichen Zeitraum im Durchschnitt der letzten fünf Jahre (Figure 1.7, Teil A). Während der Weltfinanzkrise waren die Unternehmenseinlagen hingegen aufgrund der Kreditklemme sowie, in einigen Fällen, einer verspäteten Reaktion der Politik, zurückgegangen.2 Die Einlagen der privaten Haushalte haben ebenfalls zugenommen, aber in geringerem Umfang. In vielen Ländern war der Anstieg aber dennoch stärker als in den Vorjahren oder zu Beginn der Weltfinanzkrise (Figure 1.7, Teil B).

Erklärungsansätze

Die beobachtete starke Zunahme der Einlagen könnte auf mehrere Faktoren zurückzuführen sein:

Die zur Eindämmung des Infektionsgeschehens ergriffenen Maßnahmen schränkten das Kaufverhalten der privaten Haushalte in einer Zeit ein, in der die Einkommen durch staatliche Hilfen gestützt wurden (Kasten 1.1 und Kasten 1.2). Dadurch stiegen die Ersparnisse und Bankeinlagen. Dieser Effekt dürfte vorübergehend sein und abklingen, wenn die Eindämmungsmaßnahmen nach und nach aufgehoben werden und die aufgestaute Nachfrage befriedigt wird. Effektiv konzentrierte sich das Wachstum der Einlagen bisher auf den Zeitraum von März bis Mai, als in den meisten Ländern ein strenger Lockdown galt. In den folgenden Monaten verlangsamte sich die Wachstumsrate der Einlagen der privaten Haushalte und der Nichtfinanzunternehmen in den meisten Ländern, bis vor Kurzem erneut Einschränkungen verhängt wurden. Sie verharrte jedoch über dem in den letzten fünf Jahren im gleichen Zeitraum verzeichneten Durchschnittswert.
Die Eindämmungsmaßnahmen dürften die Konsumausgaben einkommensstarker Haushalte für teurere Dienstleistungen besonders beeinträchtigt haben. Dadurch wurde die gesamtwirtschaftliche Ersparnisbildung angekurbelt. Einkommensstarke Haushalte geben in der Regel einen größeren Anteil ihres Einkommens für Dienstleistungen aus, die von den Eindämmungsmaßnahmen stark betroffen sind, wie beispielsweise Auslandsreisen, Restaurants oder kulturelle Veranstaltungen. Da die Einschränkungen wahrscheinlich noch länger andauern, dürfte dieses Sparmotiv ebenfalls bestehen bleiben.
Die hohe Unsicherheit über das Infektionsgeschehen und die weiteren wirtschaftlichen Aussichten hat die Anreize zum Vorsorgesparen verstärkt und hemmt Investitionen und Gebrauchsgüteranschaffungen.3 Diese Effekte werden wahrscheinlich länger andauern.
Die Nichtfinanzunternehmen sind angesichts der Einnahmeeinbußen verstärkt auf Bargeldhaltung umgestiegen, um ihre Puffer zu erhöhen und Liquiditätsengpässe zu vermeiden. Die Bargeldhortung wurde durch die Nutzung von Kreditfazilitäten (z. B. revolvierende Kreditlinien), die Emission von Unternehmensanleihen durch Großunternehmen (Goel und Serena, 2020) und staatlich geförderte Kreditprogramme erleichtert.4 Es ist auch möglich, dass die Nichtfinanzunternehmen riskantere Finanzinvestitionen (z. B. in Geldmarktfonds) reduziert haben.
Die krisenbedingen Steuerstundungen haben den privaten Haushalten und Nichtfinanzunternehmen geholfen, ihre Liquidität zu erhöhen und könnten dauerhafte Effekte haben, da möglicherweise Geld für aufgeschobene Steuerverpflichtungen gespart wird. In einigen Ländern haben die Steuerstundungen amtlichen Schätzungen zufolge hohe Beträge erreicht. In Italien sollen sie sich beispielsweise auf mehr als 13 % des BIP belaufen, in Japan auf fast 5 % des BIP.

Figure 1.7. Selected indicators about bank deposits

Mögliche Auswirkungen

Eine Trendumkehr bei einem der oben aufgeführten Faktoren könnte zu einer Zunahme der Investitionstätigkeit und des Konsums führen. Dadurch würde die gesamtwirtschaftliche Nachfrage angekurbelt und die Konjunkturerholung beschleunigt. Überschlagsrechnungen zeigen, dass der Einlagenüberhang im Verhältnis zu dem vor der Krise verzeichneten Niveau der Unternehmensinvestitionen hoch ist. Somit könnte er künftig einen erheblichen Effekt auf die Investitionstätigkeit haben (Figure 1.7, Teil C). Bei den privaten Haushalten ist der Einlagenüberhang im Verhältnis zum privaten Konsum relativ gering (Figure 1.7, Teil C). Die Einlagen und der Verbrauch der privaten Haushalte machen jedoch einen viel höheren Anteil am BIP aus (Figure 1.7, Teil E und F), sodass ihr gesamtwirtschaftlicher Effekt wesentlich größer sein könnte.

Es gibt allerdings mehrere Gründe, weshalb der Einlagenüberhang die gesamtwirtschaftliche private Nachfrage möglicherweise nicht nennenswert ankurbeln wird, selbst wenn die Unsicherheit abnimmt. Beispielsweise könnte die Verteilung der Einlagen verzerrt sein. Wenn sich die Zunahme der Einlagen der Nichtfinanzunternehmen auf einige wenige Großunternehmen konzentriert, die von der Krise profitiert haben, insbesondere im Technologiesektor, wird der Einlagenüberschuss die gesamtwirtschaftliche Investitionstätigkeit in Zukunft wahrscheinlich nicht ankurbeln. Und wenn sich die Zunahme der Einlagen der privaten Haushalte großenteils auf einkommensstarke Haushalte mit einer relativ geringen marginalen Konsumneigung konzentriert, führt eine Verringerung der Unsicherheit und der Eindämmungsmaßnahmen nicht zwangsläufig zu einem breitbasierten Anstieg des Konsums. Außerdem könnten die Unternehmen überschüssige Einlagen nutzen, um Zahlungsverpflichtungen gegenüber anderen Unternehmen, Gläubigern oder Steuerbehörden nachzukommen.

1. Es werden nur Länder erfasst, bei denen geeignete Daten für Nichtfinanzunternehmen und private Haushalte verfügbar sind.

2. Damit die Vergleichbarkeit mit den für die COVID-19-Krise verfügbaren Daten gewährleistet ist, bezieht sich die Wachstumsrate der Bankeinlagen auf die ersten neun Monate ab Beginn der globalen Finanzkrise (d. h. ab dem vierten Quartal 2008 für die europäischen Länder und Japan und ab dem dritten Quartal 2008 für die Vereinigten Staaten).

3. Mody et al. (2012) zeigen beispielsweise, dass die Veränderung der Arbeitslosenquote – die als Hilfsindikator für die Veränderung der wirtschaftlichen Unsicherheit dienen kann – ein Antriebsfaktor für Vorsorgesparen ist.

4. Im November beliefen sich die staatlich geförderten Kreditprogramme (Kredite und Bürgschaften) in Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, Spanien und dem Vereinigten Königreich auf über 10 % des BIP von 2019.

Figure 1.8. Global trade is slowly recovering, but international travel remains at very low levels

Hochfrequenzindikatoren lassen darauf schließen, dass das jüngste Wiederaufflammen der Corona-Pandemie und die als Antwort darauf ergriffenen Eindämmungsmaßnahmen die Wirtschaftstätigkeit und die Mobilität in den betroffenen Ländern, insbesondere in Europa, erneut beeinträchtigen. Die meisten Länder reagierten anfänglich mit gezielten, lokal begrenzten Einschränkungen für bestimmte Regionen oder Aktivitäten. Diese Maßnahmen reichten jedoch nicht aus, um den Anstieg der Neuinfektionen einzudämmen, insbesondere in Ländern, die nicht über wirksame Systeme für die Nachverfolgung von Kontakten und Infektionsketten und die Isolierung der Infizierten verfügen und in denen die Quarantänevorschriften teilweise nicht eingehalten werden. Die neuen Fälle waren zunächst auf jüngere Menschen konzentriert. Inzwischen steigt die Zahl der stationären Behandlungen aber ebenfalls deutlich, da sich zunehmend auch ältere Menschen mit dem Virus infizieren. Deshalb haben einige Regierungen wieder strenge landesweite Einschränkungen verordnet, was die Schließung vieler Betriebe umfasst. Die Mobilitätsindikatoren in Bezug auf Einzelhandel und Freizeitaktivitäten sind seit Anfang September in den großen europäischen Volkswirtschaften zurückgegangen (Figure 1.9, Teil A), wenn auch in geringerem Umfang als im April. In Israel, wo von Mitte September bis Mitte Oktober ein zweiter landesweiter Lockdown verhängt wurde, gingen die Kreditkartenausgaben fast genauso stark zurück wie während des ersten vollständigen Lockdowns (Figure 1.9, Teil B), insbesondere bei den bereits hart getroffenen Dienstleistungsaktivitäten. Dadurch steigt das Risiko einer Zunahme von Arbeitslosigkeit und Insolvenzen. Die Entwicklung in Israel zeigt, dass neuerliche landesweite oder großflächige Lockdowns die Wirtschaftstätigkeit – wie schon während der ersten Welle – stark beeinträchtigen könnten (Kasten 1.1).

Figure 1.9. The resurgence of the virus is hitting activity in affected countries

Die Arbeitsmärkte werden wahrscheinlich durch zusätzliche Eindämmungsmaßnahmen weiter unter Druck geraten. Die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden ging auf dem Höhepunkt der Pandemie stark zurück und hat sich seitdem nur langsam erholt (Figure 1.10, Teil A). Die Beschäftigungsaussichten und die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden variieren nach wie vor in den einzelnen Sektoren. Besonders schwach sind sie weiterhin in einigen der von den Eindämmungsmaßnahmen und den Einschränkungen des internationalen Reiseverkehrs am stärksten betroffenen Dienstleistungssektoren. Die unterschiedliche Entwicklung in den einzelnen Sektoren ist auch darauf zurückzuführen, dass die Arbeitskräftenachfrage je nach Beruf und Lohnniveau variiert (Figure 1.11). In vielen Ländern ging die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden bei geringqualifizierten Arbeitskräften und Beschäftigten am unteren Ende der Verdienstverteilung besonders stark zurück. Dadurch wurde die bereits vor der Pandemie bestehende hohe Ungleichheit noch verstärkt.

Die Arbeitslosenquote war im September im OECD-Median rd. 1¼ Prozentpunkte höher als unmittelbar vor der Pandemie. Hinter diesem Medianwert verbergen sich jedoch erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Volkswirtschaften. In Japan und vielen europäischen Volkswirtschaften nahm die Arbeitslosigkeit dank arbeitsplatzerhaltender Maßnahmen wie Kurzarbeit und Lohnsubventionen nur leicht zu. In den Vereinigten Staaten und Kanada sowie in einigen von der Pandemie hart getroffenen aufstrebenden Volkswirtschaften stieg sie dagegen stark an.1 Jüngere Menschen sind besonders betroffen. Die Jugendarbeitslosenquote ist im OECD-Median seit Februar dieses Jahres um über 3 Prozentpunkte gestiegen. Die hochfrequenten Indikatoren für Neueinstellungen und Stellenausschreibungen erholen sich langsam, nachdem sie auf dem Höhepunkt der Pandemie stark zurückgegangen waren, insbesondere im Dienstleistungssektor (Figure 1.10, Teil B).

Figure 1.10. Labour market conditions are recovering slowly

Die finanziellen Rahmenbedingungen haben sich trotz der überaus ungewissen Aussichten seit dem Höhepunkt der Pandemie weitgehend normalisiert, nachdem die Zentralbanken rasch und umfassend reagiert hatten. Die schnelle Ausbreitung der Pandemie und die strengen Eindämmungsmaßnahmen lösten im März und April einen historischen Rückgang der Wertpapierkurse und einen allgemeinen Anstieg der Volatilität aus; einige Märkte funktionierten nicht mehr richtig. Seitdem haben sich die Aktienkurse insgesamt erholt und die Volatilitätsindikatoren sind trotz der in letzter Zeit in einigen Wirtschaftsbereichen festzustellenden Schwankungen zu den in der Vergangenheit üblichen Werten zurückgekehrt (Figure 1.12, Teil A). Vor dem Hintergrund der massiven geldpolitischen Lockerung, einer allgemeinen Flucht in sichere Anlagen und des gedämpften Ausblicks verharren die Renditen langfristiger Staatsanleihen, die historische Tiefstände erreicht hatten, in vielen fortgeschrittenen Volkswirtschaften auf niedrigem Niveau (Figure 1.12, Teil B). Die Währungen der großen fortgeschrittenen und aufstrebenden Volkswirtschaften haben sich mit wenigen Ausnahmen wieder gegenüber dem US-Dollar erholt. Zurückzuführen ist dies sowohl auf eine günstigere globale Risikoeinschätzung als auch auf Sorgen über eine Verschärfung der COVID-19-Krise in den Vereinigten Staaten.

Figure 1.11. Lower-skilled and low-wage workers have been particularly affected

Vor allem aber ist die Besorgnis über die Finanzstabilität in den fragileren Marktsegmenten abgeklungen. Die Kapitalflüsse in Richtung der aufstrebenden Volkswirtschaften haben sich nach dem Ausverkauf im März rasch wieder erholt. Dadurch wurde der Finanzierungsdruck vieler staatlicher Kreditnehmer mit hohem Finanzbedarf entschärft. Im Unternehmenssektor sind die Spannungen sowohl in den fortgeschrittenen als auch in den aufstrebenden Volkswirtschaften ebenfalls zurückgegangen. Großunternehmen gelang es, die Kapitalmärkte anzuzapfen, um sich frisches Geld zu verschaffen und/oder Puffer aufzubauen, und die Spreads auf Unternehmensanleihen liegen für Kreditnehmer mit Investment-Grade-Rating wieder in etwa auf ihrem Vorkrisenniveau. Einige Unternehmen und staatliche Kreditnehmer mit niedrigerem Rating sind jedoch nach wie vor mit hohen Kreditkosten konfrontiert und/oder mussten Neuemission verschieben.2 Die Herabstufungen von Unternehmensanleihen – die vor allem schwächere Schuldner betreffen – haben sich verlangsamt und verharren bisher unter den hohen Werten, die während der Weltfinanzkrise verzeichnet wurden. Die Zahl der Kreditnehmer, denen die Ratingagenturen einen negativen Ausblick bescheinigen, hat jedoch einen historischen Höchststand erreicht (IWF, 2020; Standard and Poor’s, 2020). In den großen fortgeschrittenen Volkswirtschaften haben sich die Banken dank robuster Kapital- und Liquiditätspuffer bisher gut behauptet (Bank of Japan, 2020; Lagarde, 2020a; Quarles, 2020). Die Aktienkurse der Banken verharren allerdings deutlich unter dem Vorkrisenniveau, ihre Rentabilität ist zurückgegangen und die Kreditvergabestandards wurden generell verschärft. Die Banken werden zudem weiter Verluste erleiden, wenn die Konjunktur in bestimmten Branchen verhalten bleibt oder sich weiter abschwächt. Geldmarkt- und Investmentfonds waren ebenfalls mit beträchtlichen Liquiditätsstörungen konfrontiert.

Figure 1.12. Financial market conditions have partly normalised

Die Befürchtungen hinsichtlich der Finanzstabilität dürften wieder aufleben. Der unmittelbare Liquiditätsdruck ist zwar verschwunden, die anhaltend rasche Zunahme der Verschuldung von Staaten und Nichtfinanzunternehmen wird jedoch in vielen Ländern zu Solvenzproblemen führen (Kapitel 2, „Themenpapier 2: Insolvenzen und Schuldenüberhang infolge der COVID-19-Pandemie: Risiken und Politikoptionen“). Die Ausfallraten spekulativer Unternehmensanleihen werden sich einigen Schätzungen zufolge in den Vereinigten Staaten und in Europa beispielsweise bis Mitte 2021 verdoppeln. Hart getroffene Sektoren wie Flugverkehr, Beherbergungsgewerbe und Autoindustrie werden davon wahrscheinlich besonders stark betroffen sein (Standard and Poor’s, 2020). Die Insolvenzen kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU), insbesondere in Sektoren, die besonders stark unter Druck stehen, wie das Beherbergungs- und Gastgewerbe sowie die Unterhaltungsbranche, dürften ebenfalls zunehmen (IWF, 2020; Kasten 1.2). In den Vereinigten Staaten könnten die vor der Krise verzeichneten hohen Unternehmensschulden und hohen Bewertungen von Gewerbeimmobilien bei einigen der betroffenen Unternehmen außerdem zu über Erwarten hohen Kreditausfällen führen (Quarles, 2020).

Einige aufstrebende Volkswirtschaften, die über weniger Handlungsspielraum verfügen (siehe weiter unten) und globalen Nachfrageschocks stärker ausgesetzt sind, könnten vor besonders großen Herausforderungen stehen. Dies gilt vor allem für Länder, die in hohem Maße von den am härtesten getroffenen Sektoren – wie Tourismus und Gastgewerbe – abhängen, sowie für Rohstoffexportländer. Einige Rohstoffpreise (z. B. für Nahrungsmittel und Metalle) haben sich dank der starken Nachfrage aus China zwar von ihrem Tiefpunkt im April erholt, die Preise anderer wichtiger Exportgüter verharren jedoch weiterhin auf niedrigem Niveau. Die Aussichten auf eine Belebung des Fremdenverkehrs bleiben kurzfristig ebenfalls trübe, weil die Angst vor einer Corona-Ansteckung und die internationalen Reisebeschränkungen bis weit in das Jahr 2021 anhalten dürften.

Eine allmähliche Erholung in einem anhaltend unsicheren Umfeld

Das moderate Wachstum dürfte sich fortsetzen, sofern die Pandemie wirkungsvoll eingedämmt werden kann

Der Ausblick für die Weltwirtschaft bleibt auf kurze Sicht höchst ungewiss. Die Wachstumsaussichten hängen von vielen Fragen ab: Wie umfangreich werden die neuen Corona-Ausbrüche sein, wie lange werden sie dauern und wie häufig werden sie auftreten? Inwieweit lässt sich das Virus wirkungsvoll eindämmen? Wie lange wird es dauern, bis ein wirksamer Impfstoff für die Allgemeinheit zur Verfügung steht? Und wie stark kann die Nachfrage weiter durch fiskal- und geldpolitische Maßnahmen gestützt werden? Dank der jüngsten Entwicklungen ist es zunehmend wahrscheinlich, dass wirksame Impfstoffe zum Jahresende 2021 in großem Maßstab eingesetzt werden können, was die Aussichten auf eine dauerhafte Erholung verbessert. Es wird jedoch einige Zeit in Anspruch nehmen, die Impfstoffe herzustellen und weltweit zu verteilen und dabei sicherzustellen, dass die am stärksten gefährdeten Bevölkerungskreise geimpft werden. Bis dahin wird es wahrscheinlich noch sporadisch zu potenziell größeren Infektionsausbrüchen kommen, wie dies gegenwärtig in zahlreichen Volkswirtschaften der nördlichen Hemisphäre der Fall ist. Folglich sind weitere Eindämmungsmaßnahmen und -strategien unerlässlich, die sich in den einzelnen Ländern unterscheiden werden. Um neue Ausbrüche einzudämmen, werden gezielte Mobilitäts- und Aktivitätseinschränkungen notwendig sein, zusätzlich zu verstärkten Maßnahmen im Bereich der Hygiene. Es ist davon auszugehen, dass weiterhin Kontaktbeschränkungen gelten werden, beispielsweise Abstandsregeln und Personenobergrenzen bei Zusammenkünften und Veranstaltungen. Einreisebeschränkungen werden ebenfalls in Kraft bleiben, zumindest teilweise. Auch freiwillige physische Distanzierung aus Vorsicht könnte die Ausgabentätigkeit der privaten Haushalte weiterhin dämpfen.

Wir werden vermutlich noch mindestens sechs bis neun weitere – schwere – Monate mit dem Virus leben müssen. Erneute Phasen mit strengeren Eindämmungsmaßnahmen werden sich in den verschiedenen Volkswirtschaften unterschiedlich auf die Wirtschaftstätigkeit und das Vertrauen auswirken. Ausschlaggebend dafür wird auch sein, wie effektiv Testungen, Kontaktnachverfolgung und Quarantänemaßnahmen durchgeführt werden und ob ausreichende Krankenhauskapazitäten zur Verfügung stehen. Aber auch dort, wo Ausbrüche leichter eingedämmt werden können, könnten einige der am stärksten betroffenen Dienstleistungsbranchen schwere Einbußen erleiden. Da in vielen Volkswirtschaften ein erheblicher Anteil der gesamten Wirtschaftstätigkeit und Beschäftigung auf diese Branchen entfällt, sind negative Ausstrahlungseffekte aufgrund von Arbeitsplatzverlusten und Insolvenzen auf die Nachfrage in anderen Wirtschaftszweigen wahrscheinlich. Eine anhaltende Arbeitslosigkeit würde auch das Armuts- und Deprivationsrisiko für Millionen informell beschäftigte Arbeitskräfte vergrößern. Bereits zuvor bestehende, durch die Pandemie verstärkte Risiken wie die in vielen Ländern hohe Unternehmens- und Staatsverschuldung sowie die Handelsspannungen zwischen den großen Volkswirtschaften könnten das Tempo der Erholung im Fall länger andauernder Infektionswellen ebenfalls verlangsamen.

Auf der Grundlage der weiter oben dargelegten Annahmen wird in diesen Projektionen nach der vorübergehenden Unterbrechung Ende dieses Jahres mit einer Fortsetzung der allmählichen, wenn auch uneinheitlichen Erholung der Weltwirtschaft in den kommenden zwei Jahren gerechnet. Nach einem Rückgang um 4¼ % im Jahr 2020 wird das globale BIP demnach 2021 um 4¼ % und 2022 um weitere 3¾ % wachsen (Table 1.1; Figure 1.13, Teil A). Das BIP des OECD-Raums, das 2020 um etwa 5½ % sinken dürfte, wird 2021 und 2022 voraussichtlich um jeweils etwa 3¼ % jährlich steigen. Bis Ende 2021 wird die globale Produktionsleistung den Projektionen zufolge wieder den Ende 2019 verzeichneten Wert erreichen (Figure 1.13, Teil C), dies wird aber nicht in allen Ländern der Fall sein.

Die gesamtwirtschaftliche Produktion wird voraussichtlich dauerhaft schwächer ausfallen als vor der Pandemie erwartet (Figure 1.13, Teil D). Daher besteht ein erhebliches Risiko, dass die Pandemie hohe langfristige Kosten nach sich zieht. In China, Korea, Japan und einigen nordeuropäischen Volkswirtschaften fallen die Einbußen den Projektionen zufolge mit 1-2 % im Jahr 2022 relativ gering aus. Im Median der fortgeschrittenen und der aufstrebenden Volkswirtschaften könnten sich die Einbußen bis 2022 auf das Äquivalent von vier bis fünf Jahren realem Pro-Kopf-Einkommenswachstum summieren. Auch die ersten Schätzungen des Wachstums des Produktionspotenzials nach der Pandemie deuten darauf hin, dass es durch das Virus zu dauerhaften Einbußen kommen dürfte. Den Projektionen zufolge wird sich das Wachstum des Produktionspotenzials in den OECD-Volkswirtschaften im Zeitraum 2021-2022 auf nur leicht über 1¼ % jährlich verlangsamen und damit etwa ½ Prozentpunkt schwächer ausfallen als unmittelbar vor der Krise.

Figure 1.13. Growth is projected to remain moderate with long-lasting costs

Die großen Volkswirtschaften werden sich voraussichtlich auch weiterhin sehr unterschiedlich entwickeln, wobei sowohl zwischen den fortgeschrittenen und den aufstrebenden Volkswirtschaften als auch zwischen den Regionen große Unterschiede bestehen dürften (Figure 1.13, Teil B). Der wirtschaftliche Effekt der Pandemie und ihrer Nachwirkungen dürfte in vielen Volkswirtschaften des Asien-Pazifik-Raums und Nordeuropas relativ begrenzt bleiben, was auf effektive Eindämmungsmaßnahmen – insbesondere gut ausgestattete Systeme für Tests, Kontaktnachverfolgung und Isolierung – sowie eine größere Vertrautheit mit den notwendigen Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz vor übertragbaren Krankheiten zurückzuführen ist. Dagegen sind in anderen Teilen Europas und einigen aufstrebenden Volkswirtschaften länger anhaltende Maßnahmen erforderlich, um die Corona-Pandemie unter Kontrolle zu bringen, die zu deutlich stärkeren BIP-Einbußen führen.

In den Vereinigten Staaten wird das BIP-Wachstum den Projektionen zufolge in den kommenden beiden Jahren zwischen 3¼ % und 3½ % liegen, nach einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 3¾ % im Jahr 2020. Die erhebliche Unsicherheit, die hohe Arbeitslosigkeit und weitere örtlich begrenzte Corona-Ausbrüche werden das Tempo der Erholung – vor allem auf kurze Sicht – wahrscheinlich drosseln. Das für Anfang 2021 erwartete zusätzliche Konjunkturpaket dürfte aber die Einkommen und Ausgaben der privaten Haushalte stützen. Zudem wird die akkommodierende Geldpolitik die Konjunktur, insbesondere am Wohnimmobilienmarkt, weiter ankurbeln.
In Japan ist eine allmähliche Erholung im Gang, wobei nach einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 5¼ % im Jahr 2020 für 2021 mit einem BIP-Wachstum von rd. 2¼ % und für 2022 von 1½ % gerechnet wird. Die anziehende Auslandsnachfrage wird eine weitere Expansion der Exporte stützen, die schwachen Realeinkommenszuwächse werden den privaten Verbrauch aber voraussichtlich bremsen. Die umfassenden fiskalpolitischen Maßnahmen haben die Wirtschaftstätigkeit dieses Jahr gestützt. Der trotz des im November angekündigten neuen Nachtragshaushalts 2021 restriktiver ausgerichtete fiskalpolitische Kurs dürfte die Erholung jedoch verlangsamen.
Im Euroraum ist das BIP dieses Jahr um 7½ % gesunken, und die kurzfristigen Aussichten sind schlecht. In Anbetracht der strengen Eindämmungsmaßnahmen, die in den meisten Ländern jüngst wieder eingeführt wurden, wird die Wirtschaftsleistung den Projektionen zufolge im vierten Quartal 2020 um nahezu 3 % sinken. Für 2021-2022 wird mit einer leichten Erholung gerechnet, sofern die Corona-Ausbrüche kurzfristig wirksam eingedämmt werden können und das Vertrauen wieder wächst. Das vor der Pandemie verzeichnete Produktionsniveau wird im Euroraum insgesamt jedoch möglicherweise erst nach 2022 wieder erreicht. Nach den umfangreichen Konjunkturmaßnahmen, die dieses Jahr umgesetzt wurden, dürfte die Fiskalpolitik trotz der verhaltenen Aussichten 2021 weitgehend neutral und 2022 leicht restriktiv ausgerichtet sein. Zuschüsse im Rahmen des Programms Next Generation EU dürften aber dazu beitragen, die Investitionstätigkeit in den am stärksten getroffenen Volkswirtschaften während des Projektionszeitraums zu stützen.
In China wird sich der kräftige Aufschwung voraussichtlich fortsetzen, und das BIP dürfte 2021 um etwa 8 % und 2022 um 5 % wachsen. Die geldpolitischen Impulse werden gegenwärtig entzogen, die Fiskalpolitik dürfte jedoch konjunkturstützend ausgerichtet bleiben. Die kräftigen Immobilien- und Infrastrukturinvestitionen, die durch konjunkturpolitische Impulse und ein stärkeres Kreditwachstum gefördert werden, und die besseren Exportergebnisse stützen die Erholung. Zudem kurbeln sie die Auslandsnachfrage in vielen rohstoffproduzierenden Volkswirtschaften und anderen asiatischen Ländern an, die in den Lieferketten eine wichtige Rolle spielen. Die Fortschritte bei der Neuausrichtung der Volkswirtschaft haben sich jedoch verlangsamt, und vom Schattenbankwesen sowie der hohen Unternehmensverschuldung gehen nach wie vor erhebliche finanzielle Risiken aus.
Die Auswirkungen der Pandemie dauern in vielen anderen aufstrebenden Volkswirtschaften länger an als in China. Grund dafür sind u. a. Schwierigkeiten bei der Eindämmung der Pandemie, eine hohe Armut und ein großer Anteil an informeller Beschäftigung, der rückläufige Fremdenverkehr und der begrenzte Spielraum für Konjunkturmaßnahmen. In den meisten Volkswirtschaften beginnt sich die Konjunktur allmählich zu erholen, das Wachstum dürfte aber deutlich schwächer ausfallen als vor der Pandemie erwartet.
In Indien, wo die Wirtschaftsleistung im Finanzjahr 2020/2021 um 10 % sinken dürfte, wird für das Finanzjahr 2021/2022 unter der Annahme eines wieder steigenden Vertrauens mit einer Belebung um 8 % gerechnet. Weitere Leitzinssenkungen dürften die Nachfrage stützen, wenn der gegenwärtige Inflationsanstieg nachlässt. Der Spielraum für zusätzliche fiskalische Maßnahmen ist jedoch begrenzt. Außerdem dürften der Druck auf die Unternehmensbilanzen und die notleidenden Kredite im Bankensektor das Tempo des Aufschwungs bremsen.
In Brasilien dürfte sich die allmähliche Erholung fortsetzen, und nach einem Rückgang um 6 % in diesem Jahr wird das BIP 2021 voraussichtlich um 2½ % und 2022 um 2¼ % wachsen. Starke fiskalische und monetäre Impulse halfen die Einkommen sichern und verhinderten einen größeren Einbruch der gesamtwirtschaftlichen Produktion in diesem Jahr. Die hohe Arbeitslosigkeit und der geplante Entzug einiger fiskalischer Krisenmaßnahmen werden die Ausgaben der privaten Haushalte 2021 dämpfen. Die historisch niedrigen realen Zinssätze und die günstigen Kreditbedingungen dürften indessen eine Belebung der Investitionstätigkeit fördern.

Die Nachfrage wird kurzfristig durch fiskalpolitische Impulse gestützt. In vielen Ländern werden die Maßnahmen zur Arbeitsplatzerhaltung und Einkommensstützung weitergeführt. Damit dürfte es aber kaum gelingen, einen Anstieg der Unternehmensinsolvenzen und der damit einhergehenden Arbeitsplatzverluste in den Dienstleistungsbranchen zu verhindern, die am stärksten von den Eindämmungsmaßnahmen betroffen sind – und diese Maßnahmen werden noch so lange nötig sein, bis wirksame Impfstoffe allgemein zur Verfügung stehen. Auf der Basis konventioneller, aber unsicherer Schätzungen des fiskalpolitischen Kurses, die auf den Veränderungen des strukturellen Primärsaldos beruhen, wird im OECD-Median für 2021 mit einer leichten fiskalischen Straffung im Umfang von 0,7 % des BIP gerechnet (nach einer Lockerung um 4,2 % des BIP im Jahr 2020). Die außergewöhnlichen zusätzlichen geld- und finanzmarktpolitischen Maßnahmen, die seit Beginn der Pandemie eingeführt wurden, sind wichtig, um die Wirtschaft zu stabilisieren, die Finanzstabilität zu sichern und die Schuldendienstlast zu begrenzen. Ihr Effekt auf die Verbraucherausgaben und die Unternehmensinvestitionen wird jedoch davon abhängen, inwieweit sich das Vertrauen erholt und die Hurdle-Raten für Unternehmensinvestitionen sinken.

Aufgrund der hohen Unsicherheit, des gedämpften Vertrauens und der schwachen Beschäftigungsentwicklung wird das Vorsorgesparen wahrscheinlich noch eine Zeit lang auf hohem Niveau verharren. Im Verlauf 2021-2022 dürfte es jedoch langsam abnehmen. Die zunehmende Konzentration der Ersparnisse auf private Haushalte mit höherem Einkommen, die eine niedrigere marginale Konsumneigung aufweisen, und die wahrscheinlichen Einkommensrückgänge für einkommensschwächere Haushalte werden die Belebung der Verbraucherausgaben in einigen Ländern ebenfalls bremsen (Kasten 1.3). In den fortgeschrittenen Volkswirtschaften wird nach einem Rückgang um über 6 % in diesem Jahr für 2021-2022 mit einem Anstieg des privaten Verbrauchs um 3½ % jährlich gerechnet. Die Ersparnis der privaten Haushalte verharrt dabei während des gesamten Projektionszeitraums über dem vor der Pandemie verzeichneten Niveau.

Das schwache Nachfragewachstum und die beträchtliche Unsicherheit dürften auch die Investitionstätigkeit insbesondere hochverschuldeter Unternehmen über einen längeren Zeitraum drosseln. In den großen Volkswirtschaften werden die Unternehmensinvestitionen den Projektionen zufolge 2021 gegenüber dem laufenden Jahr um durchschnittlich etwa 1¾ % steigen. Ihr Umfang bleibt jedoch deutlich unter dem vor der Pandemie verzeichneten Niveau. Für 2022 wird eine stärkere Belebung erwartet. Die Unternehmensinvestitionen dürften um über 4 % steigen. Bei den Wohnungsbauinvestitionen wird wegen der Reagibilität der Nachfrage auf niedrigere Hypothekenzinsen mit einer etwas rascheren Erholung gerechnet. Sie dürften in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften 2021 um 4 % anziehen. Trotz der Erholung der Bruttoinvestitionen scheinen sich die produktiven Investitionen netto weiter abzuschwächen. Eine länger anhaltende Investitionsschwäche verstärkt das Risiko, dass sich das BIP-Wachstum auf niedrigem Niveau verfestigt, weshalb mit einer Verlangsamung des Wachstums des Produktionspotenzials in der Zeit nach der Pandemie gerechnet wird. Im Median der OECD-Volkswirtschaften werden sich die produktiven Nettoinvestitionen (Unternehmen plus Staat) den Projektionen zufolge 2020-2022 im Durchschnitt auf 3¼ % des BIP belaufen, gegenüber 4½ % des BIP im Zeitraum 2015-2019.

Die Arbeitsmarktlage wird voraussichtlich schwach bleiben. Die Arbeitslosenquote des OECD-Raums, die im vierten Quartal 2020 etwa 7¼ % erreicht hat, wird in den kommenden beiden Jahren voraussichtlich lediglich um rd. ¾ Prozentpunkte sinken (Figure 1.14, Teil A). Es werden nur geringe Beschäftigungszuwächse erwartet, zumal die befristeten Maßnahmen zur Stützung der Löhne und der Beschäftigung in einigen Ländern auslaufen sollen. Die während des Großteils des Jahres 2021 anhaltende Ungewissheit könnte auch dazu führen, dass viele Unternehmen auf eine steigende Nachfrage zunächst nicht mit Neueinstellungen, sondern mit Erhöhungen der Arbeitszeiten je Beschäftigten reagieren werden. Damit ist vor allem zu rechnen, wenn sie Mitarbeiter über arbeitsplatzerhaltende Maßnahmen weiterbeschäftigt haben. Zahlreiche entmutigte Arbeitskräfte und Langzeitarbeitslose könnten sich ganz aus dem Erwerbsleben zurückziehen, womit die Erwerbsbeteiligung sinken würde. Einige ältere Arbeitskräfte könnten zudem beschließen, früher als erwartet in den Ruhestand einzutreten. Den Projektionen zufolge wird sowohl die Beschäftigungs- als auch die Erwerbsquote unter ihrem vor der Pandemie erreichten Niveau verharren (Figure 1.14, Teil B), was die langfristigen negativen Effekte der Pandemie erhöht. Der anhaltende Angebotsüberhang am Arbeitsmarkt dürfte wiederum die Lohn- und Einkommenszuwächse begrenzen.

Figure 1.14. Labour market conditions are expected to remain subdued

Der Welthandel wird sich voraussichtlich weiter langsam erholen und nach dem Rückgang um 10¼ %, der 2020 verzeichnet wird, im Zeitraum 2021-2022 im Durchschnitt um etwa 4¼ % jährlich steigen. Die schwache Erholung der Investitionstätigkeit – einer handelsintensiven Komponente der Nachfrage – und die Eindämmungsmaßnahmen, die den internationalen Reise- und Fremdenverkehr wahrscheinlich noch eine Weile belasten werden, dürften bewirken, dass sich der Handel insgesamt nur mäßig belebt.3 Der Handelsrückgang im Jahr 2020 ist in etwa ähnlich groß wie während der globalen Finanzkrise, obwohl die Wirtschaftstätigkeit während der Pandemie deutlich stärker eingebrochen ist. Dies ist z. T. auf den drastischen Rückgang der Verbrauchernachfrage im Dienstleistungsbereich zurückzuführen, in dem die Handelsintensität niedrig ist.

Die Inflationsraten haben in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften seit dem Tiefstand Anfang/Mitte 2020 – vor allem in den Vereinigten Staaten – wieder angezogen, liegen im Allgemeinen aber immer noch unter dem vor der Pandemie verzeichneten Niveau. Diese Entwicklung dürfte sich kurzfristig fortsetzen, mit einem verhaltenen Preisauftrieb im Jahr 2021, der in den meisten Ländern erst Ende 2022 langsam gegen das Vorkrisenniveau konvergiert (Figure 1.15, Teil A). Auch in den meisten aufstrebenden Volkswirtschaften wird in den kommenden beiden Jahren mit einer verhaltenen oder sogar rückläufigen Inflation gerechnet (Figure 1.15, Teil B). Angebotsstörungen – z. B. nichttarifäre Handelshemmnisse oder unerwartete Engpässe in Produktion und Vertrieb weltweit – könnten die Rückkehr zur trendmäßigen Inflation zwar beschleunigen, die Inflationsaussichten werden jedoch deutlich stärker von den Faktoren bestimmt, die gegenwärtig die Gesamtnachfrage weltweit belasten, d. h. der Ansteckungsangst, der hohen Arbeitslosigkeit und dem Anstieg des Vorsorgesparens. Daher dürfte der Preisauftrieb in den kommenden zwei Jahren deutlich unter den Zielvorgaben der Zentralbanken bleiben, vor allem in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften. In den aufstrebenden Volkswirtschaften könnte die Inflation allerdings höher als erwartet ausfallen, falls deren Währungen wieder abwerten sollten.

Figure 1.15. Inflation is projected to remain low

Die Inflationsentwicklung ist nach wie vor mit hoher Unsicherheit behaftet. Seit Beginn der Corona-Pandemie konnten viele Dienstleistungen aufgrund der strengen Eindämmungsmaßnahmen nicht erbracht werden, sodass zahlreiche Einzelpreise von den statistischen Ämtern extrapoliert werden mussten (Bureau of Labor Statistics, 2020; Eurostat, 2020). Wegen der erneut eingeführten Eindämmungsmaßnahmen dürfte dies in manchen Ländern nun wieder der Fall sein. Außerdem wirkt sich die Corona-Pandemie auf die Art der Ausgaben auf, die die Verbraucher tätigen, was zu einer Unterzeichnung der tatsächlichen Inflation führen könnte (Cavallo, 2020). Die verfügbaren Schätzungen zu den coronabedingten Veränderungen der Ausgabenstruktur deuten auf einen höheren Anteil zu Hause verbrauchter Lebensmittel zulasten von Verkehrsleistungen, Freizeitaktivitäten und Restaurantbesuchen in den US-Warenkörben hin. Da die Nahrungsmittelpreise im Allgemeinen rascher gestiegen und die Preise für Verkehrsleistungen rascher gesunken sind als andere Komponenten, unterzeichnen die auf den Gewichtungen aus der Zeit vor der Pandemie beruhenden amtlichen Inflationsstatistiken möglicherweise das Teuerungsniveau, dem sich die Verbraucher gegenübersehen. Die Inflationsaussichten bleiben auch aufgrund des außergewöhnlichen Charakters der Corona-Krise, die je nach Artikel und Land sehr unterschiedliche Auswirkungen auf Angebot und Nachfrage hat, höchst ungewiss. In Anbetracht des Effekts des sowohl konjunkturell als auch strukturell bedingten Abwärtsdrucks, der in den meisten Ländern auf den Preisen lastet, überwiegen längerfristig jedoch weiterhin die Abwärtsrisiken (Kapitel 2, „Issue Note 3. Post-financial-crisis changes to monetary policy frameworks: Driving factors and remaining challenges“, nur auf Englisch verfügbar).

Hauptrisiken für die Projektionen

Es herrscht nach wie vor Ungewissheit darüber, wann Impfstoffe für die breite Bevölkerung zur Verfügung stehen und welche Auswirkungen dies haben wird

Die Projektionen des Basisszenarios hängen davon ab, wie sich die Pandemie entwickelt, wie die zur Eindämmung des Virus ergriffenen Maßnahmen beurteilt werden und welche Folgen diese für die Wirtschaft haben. Zudem beruhen sie auf der Annahme, dass die verbesserten Aussichten auf die erfolgreiche Bereitstellung von Impfstoffen das Konsum- und Geschäftsklima stützen. In den kommenden beiden Jahren sind zahlreiche verschiedene Entwicklungen möglich. Anhand des makroökonomischen Modells NiGEM wurden zwei Szenarien erstellt, die die möglichen Folgen verschiedener Annahmen veranschaulichen sollen.

Sollte schneller als erwartet ein Impfstoff eingesetzt werden, könnte dies für einen größeren Vertrauensschub und eine kräftigere Belebung der Ausgaben sorgen als in den Projektionen des Basisszenarios unterstellt. Dies würde dem BIP-Wachstum vor allem 2022 Impulse verleihen und die Wirkung der seit Beginn der Pandemie durchgeführten geldpolitischen Lockerung erhöhen.
Sollte die Herstellung und Bereitstellung wirksamer Impfstoffe schwieriger werden als erwartet, sodass noch über einen längeren Zeitraum Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens erforderlich wären, würde das Vertrauen hingegen länger schwach bleiben und die Unsicherheit würde steigen. Dadurch nähme die Gefahr von Insolvenzen und Entlassungen zu, insbesondere in Branchen, in denen die Wirtschaftstätigkeit erneut stark eingeschränkt würde. Die Verbraucher würden vorsorglich mehr sparen und die Unternehmensinvestitionen würden zurückgehen. In einigen Branchen käme es zur Verschrottung von Sachanlagen. Auf den Finanzmärkten könnte es infolge einer gestiegenen Risikoaversion zu erheblichen Neubewertungen kommen. Dies würde vor allem im Jahr 2021 das Wachstum der Weltwirtschaft schwächen.

Aufwärtsszenario: Das Vertrauen steigt wieder

Im günstigeren Szenario wird der Effekt eines stärkeren Anstiegs des Vertrauens der Verbraucher und der Unternehmen untersucht, der die Chancen einer stärkeren Belebung von Ausgabentätigkeit und Produktion steigen lässt. Um dies zu veranschaulichen, wird ab dem zweiten Halbjahr 2021 ein endogener Rückgang der Sparquote der privaten Haushalte in allen Volkswirtschaften unterstellt. Dieser Schock klingt im Jahresverlauf 2022 dann langsam ab. Die Leitzinsen verharren dabei auf dem Niveau des Basisszenarios, was bedeutet, dass die Geldpolitik mit steigender Nachfrage zunehmend akkommodierend wird. Das Wirken der automatischen Stabilisatoren wird in allen Ländern in vollem Umfang zugelassen, sodass sich die öffentlichen Haushaltssalden unter dem Einfluss der Konjunkturbelebung verbessern.

Die wichtigsten Ergebnisse lauten:

Das weltweite BIP ist auf dem Höhepunkt der Schocks insgesamt rd. 2½ % höher als im Basisszenario. Das globale BIP-Wachstum ist dabei 2021 um ¾ Prozentpunkte und 2022 um 1¾ Prozentpunkte höher (Figure 1.16, Teil A). Damit würde sich das globale BIP-Wachstum 2021 auf etwa 5 % und 2022 auf 5½ % belaufen.
Die gesamtwirtschaftliche Produktion erreicht in allen Regionen rascher wieder das vor der Pandemie verzeichnete Niveau (Figure 1.16, Teil B). Der Abstand zum vor der Pandemie erwarteten Niveau halbiert sich im Vergleich zum Basisszenario. Das Wachstum des Welthandels belebt sich deutlich und ist im Jahresdurchschnitt 2022 um rd. 3¾ % höher als im Basisszenario, womit die Exporte in allen Volkswirtschaften steigen.
Der eingangs unterstellte Rückgang der Sparquote, steigende Einkommen der privaten Haushalte, die von der Konjunkturbelebung profitieren, und der Rückgang der Arbeitslosenquote um 1 Prozentpunkt führen zu einem deutlichen Ausgabenschub. In den fortgeschrittenen Volkswirtschaften steigt der private Verbrauch dadurch um mehr als 3 %. Die Unternehmensinvestitionen werden ebenfalls durch die stärkere Nachfrage angekurbelt. Sie liegen im Median der fortgeschrittenen Volkswirtschaften 2¾ % über dem Niveau des Basisszenarios. Damit steigt der Kapitalstock und folglich auch die Wahrscheinlichkeit einer dauerhaften Erholung.
Das kräftigere Wachstum mindert auch die öffentliche Schuldenlast. Im Median der fortgeschrittenen Volkswirtschaften ist die Staatschuldenquote 2022 um etwa 4 Prozentpunkte niedriger.

Figure 1.16. There is considerable uncertainty around the baseline projection

Abwärtsszenario: Unsicherheit und Kosten steigen

Im ungünstigeren Szenario werden folgende Schocks unterstellt:

Die Aussichten auf einen frühzeitigen Einsatz der Impfstoffe sinken und das Vertrauen der Verbraucher trübt sich ein. Dadurch sinken die Ausgaben und steigen die Sparquoten der privaten Haushalte im Median der fortgeschrittenen Volkswirtschaften um etwa 2 Prozentpunkte.
Höhere Unsicherheit und eine länger andauernde Nachfrageschwäche führen im Jahresverlauf 2021 zu weiteren Unternehmensschließungen und zur Verschrottung von Anlagevermögen. Die Schocks resultieren in einer vorzeitigen Verringerung des Kapitalstocks der Unternehmen um 1 % im zweiten Halbjahr 2021. Hinzukommt eine weitere endogene Verringerung, wenn sich der Gesamteffekt der unterstellten Schocks in Produktion und Investitionstätigkeit niederschlägt.4
Die größere Unsicherheit und die über Erwarten schwache Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Produktion verringern zudem die Risikobereitschaft und führen zu Neubewertungen an den Finanzmärkten. Dies wird mit einem Anstieg der Risikoprämien auf Unternehmensanleihen und Aktien um 50 Basispunkte, der im ganzen Jahresverlauf 2021 anhält, sowie einen Rückgang der Aktienkurse im weltweiten Durchschnitt um 15 % und der Rohstoffpreise (ohne Nahrungsmittel) um 10 % dargestellt.

Es wird unterstellt, dass all diese Schocks im Jahresverlauf 2022 allmählich abklingen. Ihre Auswirkungen werden z. T. durch Politikmaßnahmen abgefedert. Die Geldpolitik reagiert endogen, wobei die Leitzinsen (gegenüber dem Basisszenario) gesenkt werden; der Einfachheit halber wird jedoch eine verbindliche Untergrenze von null unterstellt. Das bedeutet, dass die Leitzinsen nicht negativ werden können bzw. dass sie unverändert bleiben, falls sie bereits im negativen Bereich liegen. Auch das Wirken der automatischen Stabilisatoren wird in allen Ländern in vollem Umfang zugelassen, d. h. es werden keine Maßnahmen ergriffen, um trotz der Schocks an der geplanten Haushaltsentwicklung festzuhalten.

Diese Schocks hätten einen erheblichen negativen Effekt auf die Wirtschaftstätigkeit. Die globale Wirtschaftstätigkeit könnte während eines Großteils des Jahres 2021 stagnieren und sich erst im Jahresverlauf 2022 allmählich erholen. Damit würde sie deutlich unter dem im Basisszenario projizierten Pfad verharren, was die Auswirkungen der Pandemie zusätzlich verstärken würde (Figure 1.16, Teil A). Die globale Wirtschaftsleistung erreicht erst Ende 2022 wieder das vor der Pandemie verzeichnete Niveau, ein Jahr später als in den Projektionen des Basisszenarios.

Das weltweite BIP liegt auf dem Höhepunkt der Schocks um fast 4,5 % niedriger als im Basisszenario; auf das Gesamtjahr 2021 bzw. 2022 umgerechnet entspricht dies einem um 2¾ Prozentpunkte bzw. 1½ Prozentpunkte schwächeren globalen BIP-Wachstum. In den meisten großen Volkswirtschaften und Regionen kommen 2021 im Großen und Ganzen ähnliche Effekte zum Tragen, wobei Europa und Nordamerika stärker betroffen sind als die Volkswirtschaften des asiatisch-pazifischen Raums (Figure 1.16, Teil B). In kleinen offenen Volkswirtschaften mit hoher Handelsintensität wird die Wirtschaftsleistung relativ stark zurückgehen. Das Gleiche gilt für Länder, in denen aufgrund eines begrenzten Spielraums der Geldpolitik relativ wenig ausgleichende Maßnahmen ergriffen werden können oder der Sozialschutz bzw. die automatischen Stabilisatoren relativ schwach sind.
Der Welthandel wird durch den Rückgang der Nachfrage ebenfalls erheblich beeinträchtigt, sodass das Handelswachstum 2021 um über 7 Prozentpunkte geringer ist als im Basisszenario.
Eine höhere Ersparnis der privaten Haushalte, größere Unsicherheit und restriktivere finanzielle Rahmenbedingungen führen zu einem erheblichen Rückgang der privaten Nachfrage und steigender Arbeitslosigkeit. Die Unternehmensinvestitionen sinken 2021 im Median der fortgeschrittenen Volkswirtschaften um rd. 12 % und die Arbeitslosenquote erhöht sich bis zum Jahresende um 1,7 Prozentpunkte.
Der Gesamteffekt der geringeren Rohstoffpreise ist weitgehend neutral. Rohstoffexportierende Länder werden durch niedrigere Exporteinnahmen beeinträchtigt, rohstoffimportierende Länder profitieren hingegen von niedrigeren Preisen.
Der kombinierte Nettoeffekt der Schocks ist inflationssenkend: Der Verbraucherpreisauftrieb ist 2021 in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften um über 1¼ Prozentpunkte geringer.
In den Ländern mit geldpolitischem Spielraum federn Zinssenkungen den negativen Effekt auf die Binnenwirtschaft ab und fördern anschließend die Erholung. Die Leitzinsen werden in mehreren großen aufstrebenden Volkswirtschaften um mindestens 2 Prozentpunkte und in den Vereinigten Staaten und Kanada um 25 Basispunkte gesenkt.
Im Median der fortgeschrittenen Volkswirtschaften ist die Staatsschuldenquote 2022 um über 7½ Prozentpunkte höher.

Im vorstehend beschriebenen Szenario wird unterstellt, dass alle Schocks in allen Ländern eintreten. In einigen Ländern könnte der unmittelbare Effekt weiterer und stärkerer Corona-Ausbrüche auf die Verbraucherausgaben und die Investitionen allerdings begrenzt bleiben. Dies gilt vor allem für Länder des Asien-Pazifik-Raums, die über effektive Systeme für Tests, Kontaktnachverfolgung und Isolierung verfügen und in denen die Eindämmungsmaßnahmen strikt eingehalten werden. Allerdings sind in unserer stark vernetzten Welt auch solche Volkswirtschaften externen Schocks voll ausgesetzt, die von einer schwächeren weltweiten Nachfrage, Einschränkungen des internationalen Reiseverkehrs und Schwankungen an den globalen Finanz- und Rohstoffmärkten ausgehen. Werden die Schocks für die Binnennachfrage in den großen Volkswirtschaften des Asien-Pazifik-Raums herausgerechnet, fällt der Gesamteffekt auf das globale BIP um etwa ein Viertel geringer aus, die weltweite Wirtschaftsleistung liegt 2021 und 2022 aber immer noch deutlich unter dem Basisszenario.

Zusätzliche rechtzeitig ergriffene und gezielte diskretionäre makroökonomische Maßnahmen könnten ebenfalls helfen, negative Schocks und die daraus resultierende Störung der Wirtschaftstätigkeit und erhöhte Finanzmarktvolatilität auszugleichen. So könnten fiskalpolitische Maßnahmen nötig werden, beispielsweise Verlängerungen der Hilfen für verschuldete Unternehmen sowie der Maßnahmen zur Arbeitsplatzerhaltung und Einkommensstützung. Die geld- und finanzmarktpolitischen Maßnahmen werden aufgestockt oder ausgeweitet werden müssen, insbesondere solche zur Stützung der Liquidität und der Kreditvergabe, und es bedarf weiterer Schritte, um die geldpolitische Akkommodierung zu verstärken. Möglich wären beispielsweise eine Ausweitung der Wertpapierkäufe oder eine Forward Guidance, damit die Zinssätze über einen längeren Zeitraum niedrig bleiben. Eine Ausweitung der staatlichen Transfers um 2 % des BIP für zwei Jahre könnte etwa ein Fünftel des Gesamteffekts der Schocks ausgleichen und den Rückgang des weltweiten BIP-Wachstums in diesen beiden Jahren im Durchschnitt um etwa 0,4 Prozentpunkte jährlich verringern (im Vergleich zum Basisszenario). Der Effekt höherer Transfers könnte noch stärker ausfallen, wenn sie gänzlich auf Niedrigeinkommenshaushalte ausgerichtet werden könnten, die eine höhere Konsumneigung haben.

Dass nach wie vor das Risiko eines Eintritts des ungünstigeren Szenarios besteht, ist deshalb besonders besorgniserregend, weil eine (im Vergleich zu den Projektionen des Basisszenarios) ungünstigere Entwicklung mit höherer Wahrscheinlichkeit zu Korrekturen an den Finanzmärkten und Verwerfungen aufgrund steigender Unternehmensinsolvenzen führen würde. Auch der geldpolitische Spielraum, auf einen solchen Schock zu reagieren, könnte zunehmend eingeschränkt sein, vor allem in Ländern, in denen die Zinssätze bereits in der Nähe der effektiven Untergrenze liegen.

Der Ausblick für den Handel bleibt ungewiss

Die Aussichten für den Welthandel werden nach wie vor durch zahlreiche seit Längerem bestehende Abwärtsrisiken beeinträchtigt. Das Anfang dieses Jahres unterzeichnete Phase-1-Handelsabkommen zwischen den USA und China,5 die jüngsten Freihandelsabkommen zwischen der EU und einigen Partnerländern in Asien sowie dem Mercosur6 und eine deutliche Zunahme der handelserleichternden Maßnahmen in jüngster Zeit (Figure 1.17) zeigen jedoch, dass Fortschritte bei der Lockerung der Beschränkungen des internationalen Handels erzielt werden. Auch das vor Kurzem zwischen China, Japan, Korea, Australien, den ASEAN-Ländern und Neuseeland vereinbarte Handelsabkommen Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) ist hierfür ein Beispiel. Im Rahmen dieses Abkommens werden die Zölle für den Warenhandel gesenkt, der Marktzugang für bestimmte Dienstleistungen ausgeweitet und die Ursprungsregeln innerhalb des Handelsblocks vereinheitlicht. Gleichwohl sind einige der in den vergangenen beiden Jahren in aller Welt eingeführten wettbewerbsverzerrenden Handelshemmnisse weiterhin in Kraft. Es bestehen nach wie vor hohe tarifäre und nichttarifäre Handelshemmnisse, die den Welthandel einschränken.

Figure 1.17. Non-COVID-19-related import-restrictive measures continue to rise

Die Unsicherheit im Zusammenhang mit dem Brexit belastet die Wachstumsaussichten ebenfalls weiter. Die im Austrittsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union vereinbarte Übergangsphase endet am 31. Dezember 2020. Sollte keine Austrittsregelung ratifiziert werden, könnte das Vereinigte Königreich nach der Übergangsphase ohne Handelsabkommen aus dem EU-Binnenmarkt ausscheiden. Damit bestünde ein sehr großes Risiko höherer Handelshemmnisse, geringerer Arbeitskräftemobilität und niedrigerer ausländischer Direktinvestitionen. Neuere Szenarioanalysen lassen darauf schließen, dass ein ungeregelter Austritt des Vereinigten Königreichs kurzfristig die Wirtschaftstätigkeit belasten würde und auch mittelfristig einen starken negativen Effekt hätte. Er würde real- und finanzwirtschaftliche Verwerfungen unterschiedlicher Größenordnung in verschiedenen Branchen nach sich ziehen. In einigen Bereichen des Verarbeitenden Gewerbes könnten die Ausfuhren um über 30 % sinken (namentlich im Automobil- und Transportsektor sowie in der Fleisch- und der Textilindustrie), im Finanz- und Versicherungssektor könnte es zu einem Rückgang um nahezu 20 % kommen (OECD, 2020b).

Ein weiterer Unsicherheitsfaktor auf globaler Ebene ist, dass die Rechtsmittelinstanz der WTO, das Appellate Body, ihre Arbeit eingestellt hat, bis neue Mitglieder ernannt sind. Dies weckt Besorgnis über die Fähigkeit des Gremiums, sein Mandat der Streitschlichtung zu erfüllen und die internationalen Handelsregeln durchzusetzen.7

In diesem insgesamt eher ungünstigen Handelsumfeld sorgt die Corona-Pandemie für weitere Abwärtsrisiken. Viele Länder haben in der Frühphase der Pandemie mit der Verschärfung von Handelsbeschränkungen (beispielsweise für Medizinprodukte) reagiert – vor allem in Europa und Nordamerika. Auch wenn viele dieser Beschränkungen nur vorübergehender Natur waren und rasch wieder aufgehoben wurden, trugen sie zur Erhöhung der Unsicherheit bei. Im Fall einer deutlichen Abschwächung der Erholung mit einem neuerlichen starken Anstieg der weltweiten Nachfrage nach medizinischen Produkten besteht das Risiko, dass es wieder zu derartigen Beschränkungen kommen könnte.

Außerdem haben Versorgungsstörungen und Engpässe bei einigen wenigen – aber essenziellen – Produkten die Diskussion über die Kosten der internationalen Fragmentierung der Produktion wieder aufleben lassen. Die Reduzierung der Abhängigkeit vom Handel, beispielsweise durch eine Repatriierung der Produktion, wird als Möglichkeit betrachtet, dieses Risiko zu verringern. Allerdings könnte dies auch mit beträchtlichen Effizienzeinbußen verbunden sein. Abgesehen davon können solche Versuche der Produktionsverlagerung zu einer Abnahme der Diversifizierung führen. Dies würde den Spielraum reduzieren, um auf Schocks zu reagieren. Da der Handel eine wichtige stabilisierende Rolle spielt, könnten die Regierungen stattdessen Maßnahmen zur Erleichterung des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs ergreifen. Dadurch ließ sich für die meisten Waren und Dienstleistungen die Resilienz gegenüber Versorgungsengpässen steigern. Im Hinblick auf bestimmte als „essenziell“ betrachtete Güter können die Regierungen außerdem die Risikovorsorge verbessern, indem sie darauf achten, dass es nicht zu einer zu starken Konzentration der Bezugsquellen kommt, und indem sie die Lagerbestände erhöhen.

Politikerfordernisse

Das Virus breitet sich in vielen Weltregionen weiter aus und vielerorts steigen die Infektionszahlen wieder an. Daher sind zielgerichtete gesundheitspolitische Maßnahmen sowie makroökonomische und strukturpolitische Impulse erforderlich, um das Vertrauen zu erhalten und die Unsicherheit zu verringern, bis ein wirksamer Impfstoff für die Allgemeinheit zur Verfügung steht. Die Maßnahmen müssen so gewählt sein, dass sie die Pandemie eindämmen, ohne die Wirtschaft über Gebühr zu belasten (Kapitel 2, „Issue Note 4. Walking the tightrope: Avoiding a lockdown while containing the virus“, nur auf Englisch verfügbar). Es ist eine gewaltige Herausforderung, trotz der Eindämmungsmaßnahmen und des Strukturwandels in einigen Sektoren die Konjunktur anzukurbeln. Hierzu sind flexible und situationsabhängige Krisenmaßnahmen notwendig, die im Verlauf der Erholung angepasst werden können, um Arbeitskräfte zu unterstützen und sicherzustellen, dass die Hilfen gezielt langfristig tragfähigen Unternehmen zugutekommen. Die krisenbedingten Sondermaßnahmen müssen durch solche Strukturreformen flankiert werden, die am ehesten geeignet sind, die Chancen entlassener Arbeitskräfte und die Wirtschaftsdynamik zu verbessern. Dabei gilt es vor allem, eine Reallokation von Arbeitskräften und Kapital in Sektoren und Aktivitäten zu fördern, die das Wachstum, die Resilienz und die ökologische Nachhaltigkeit steigern. Die einzelstaatlichen Maßnahmen müssen mit verstärkter internationaler Zusammenarbeit einhergehen, um die Pandemie erfolgreich zu bekämpfen, die Konjunkturbelebung zu beschleunigen und eine ungehinderte Handels- und Investitionstätigkeit zu gewährleisten.

Umfassende gesundheitspolitische Maßnahmen sind weiterhin notwendig

Bis Impfungen allgemein zur Verfügung stehen, sind weiterhin umfassende gesundheitspolitische Maßnahmen erforderlich, um neue COVID-19-Ausbrüche einzudämmen. Wichtig ist vor allem, dass die Gesundheitssysteme einen Wiederanstieg der Infektionszahlen erfolgreich bewältigen können, ohne dass notwendige Eingriffe bei anderen Patient*innen über Gebühr verschoben werden müssten. Die Länder müssen genug Ressourcen bereithalten, um in großem Umfang effektiv Tests, Kontaktnachverfolgung und Isolierung durchführen zu können und weitere drastische Steigerungen der Infektionszahlen zu begrenzen, wie dies in mehreren Ländern im asiatisch-pazifischen Raum gelungen ist. Zudem muss für ausreichende Kapazitäten im Gesundheitssektor und Vorräte an persönlicher Schutzausrüstung gesorgt sein. Maßnahmen wie Abstandsregeln und eine weitreichende Maskenpflicht tragen ebenfalls dazu bei, die Ausbreitung des Virus zu begrenzen (Kapitel 2, „Issue Note 4. Walking the tightrope: Avoiding a lockdown while containing the virus“, nur auf Englisch verfügbar). Mit solchen Schritten wäre es möglich, neue Ausbrüche durch rasche und gezielte lokal begrenzte Maßnahmen zu bekämpfen, anstatt wieder landesweite Ausgangsbeschränkungen einzuführen. Dadurch ließen sich die wirtschaftlichen und sozialen Kosten insgesamt verringern. Dennoch könnten neue Restriktionen das Vertrauen und die Konjunkturerholung bis zur erfolgreichen Durchführung von Impfungen schwächen.

Internationale Zusammenarbeit und Koordination sind weiterhin von entscheidender Bedeutung für die Bewältigung der globalen Gesundheitskrise. Kein Land kann allein mit inländischen Mitteln das gesamte Spektrum der Produkte bereitstellen, die für die Bekämpfung von COVID-19 notwendig sind. Um eine effiziente Produktion medizinischer Güter sicherzustellen und dafür zu sorgen, dass erschwingliche Impfstoffe und Medikamente überall zeitnah zur Verfügung stehen, sind mehr Finanzmittel und multilaterale Anstrengungen erforderlich. Die Bevorratung und die Gesundheitsnothilfe in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften sollte inklusiv gestaltet werden und auch den Bedürfnissen besonders gefährdeter Schwellen- und Entwicklungsländer Rechnung tragen, in denen die Kapazitäten des Gesundheitssektors begrenzt sind und keine Mittel für umfangreiche Investitionen vorhanden sind.

Die Geldpolitik muss akkommodierend bleiben

Die fortgeschrittenen Volkswirtschaften reagierten in der ersten Jahreshälfte mit einer raschen und deutlichen Lockerung ihrer Geld- und Finanzmarktpolitik auf die Pandemie. Die Maßnahmen umfassten Zinssenkungen, erneute Wertpapierkäufe, eine Ausweitung der US-Dollar-Swap-Vereinbarungen und eine Lockerung der prudenziellen Bankenregulierung (OECD, 2020c; Figure 1.18; Table 1.2). Seither wurden wenig neue Maßnahmen verkündet,8 was angesichts der Stabilisierung an den Finanzmärkten (siehe weiter oben) und der noch laufenden Umsetzung vieler Programme normal ist. Die führenden Zentralbanken kaufen weiter Staats- und Unternehmensschuldtitel an und halten die Zinssätze niedrig. Zudem wurden einige der angekündigten Maßnahmen zur Förderung der Liquiditäts- und Kreditversorgung noch nicht in vollem Umfang genutzt (Table 1.3). Die Währungsbehörden haben zugesichert, die Kreditversorgung zu stützen, bis die Krisenphase definitiv überwunden ist, und bei einer Verschlechterung der Aussichten weitere Schritte zu ergreifen. Dies kann als angemessen betrachtet werden (Brainard, 2020; Kuroda, 2020; Lagarde, 2020b).

Figure 1.18. The global monetary policy stance was eased substantially in the first half of 2020

Solange die Krise anhält, sollte die Geldpolitik weiter auf eine kräftige Ankurbelung der Nachfrage, die Absicherung der wesentlichen Kreditmärkte und die Sicherung der Finanzstabilität ausgerichtet bleiben. Die zahlreichen aktuellen geld- und finanzmarktpolitischen Maßnahmen bieten Flexibilität, um sporadische Virusausbrüche sowie die damit einhergehende Störung der Wirtschaftstätigkeit und höhere Finanzmarktvolatilität zu bewältigen. In den derzeitigen Programmen sind noch Puffer vorhanden, insbesondere bei den Notfallkrediten und bei den Maßnahmen zur Förderung der Bankkreditvergabe, die bei Bedarf ausgeweitet werden können (Table 1.3). In den Vereinigten Staaten laufen zwar mehrere Programme Ende 2020 aus, sie könnten aber verlängert oder danach wieder in Kraft gesetzt werden.9 Zudem könnten die Wertpapierkäufe erhöht werden, um die finanziellen Rahmenbedingungen insgesamt zu verbessern. Jede weitere Lockerung der prudenziellen Regulierung sollte von einer transparenten Offenlegung der finanziellen Risiken und von Beschränkungen für Dividendenzahlungen und Boni abhängig gemacht werden.

	Asset purchases	Lending support measures	Liquidity support measures
Bank of Japan	- Government bonds and Treasury bills to maintain stability in the bond market and stabilise the entire yield curve at a low level. - Commercial paper and corporate bonds (temporarily JPY 20 tr in total) to ensure smooth financing of firms and maintaining stability in financial markets. - Exchange-traded funds (annual pace of temporarily JPY 12 tr) and Japan real estate investment trusts (annual pace of temporarily JPY 0.18 tr) to lower risk premia of asset prices.	- Special Funds-Supplying Operations to Facilitate Financing in Response to the COVID-19 (fund-provisioning against private debt pledged as collateral and eligible loans, such as interest-free and unsecured loans made by eligible counterparties based on the government's emergency economic measures: JPY 120 tr) with a view to firmly supporting financial institutions to fulfil their function for a wide range of private sectors.	- Provision of ample yen liquidity using market operations with long maturities against pooled collateral. - Provision of ample US dollar liquidity through the US dollar funds-supplying operations. - Temporary increase in the number of issues of Japanese government securities (JGSs) offered in the Securities Lending Facility and offers of sales of JGSs with repurchase agreements to stabilise the repo market.
ECB	- Pandemic Emergency Purchase Programme (EUR 1.35 tr – public and private securities) to lower borrowing costs and increase lending. - Temporary addition to the Asset Purchases Programme (EUR 120 bn) to ease financial conditions over the yield curve.	- Easing of parameters of targeted longer-term refinancing operations (TLTROs), including lower interest rate, higher borrowing allowance, and lower lending performance thresholds, to support bank lending. - Temporary broadening of the collateral base, reduction in valuation haircuts and removal of credit quality requirements of collateral to support access to credit for firms and households.	- Pandemic Emergency Longer-Term Refinancing Operations, benefiting from the collateral easing measures, and a series of LTROs designed to bridge liquidity needs to support to the euro area financial system and the smooth functioning of money markets.
Federal Reserve	- Treasury securities, agency mortgage-backed securities and agency commercial mortgage-backed securities to smooth functioning of credit markets.	- Primary and Secondary Market Corporate Credit Facilities and Term Asset-Backed Securities Loan Facility (USD 850 bn in total) to support credit to employers. - Municipal Liquidity Facility (USD 500 bn) to help state and local governments manage cash-flow. - Main Street Lending Programs (USD 600 bn) to support lending to small and medium-sized businesses. - Acceptance of loans made under the Small Business Administration's Paycheck Protection Program as eligible collateral to support access to credit for small businesses. - Modification of the Liquidity Coverage Ratio rule to support participation in the Money Market Mutual Fund Liquidity Facility and the Paycheck Protection Program Liquidity Facility to support credit to households and businesses.	- Expansion of overnight and term repurchase agreement operations to support effective policy implementation and the smooth functioning of short-term US dollar funding markets.

Asset purchases

Lending support measures

Liquidity support measures

Bank of Japan

- Government bonds and Treasury bills to maintain stability in the bond market and stabilise the entire yield curve at a low level.

- Commercial paper and corporate bonds (temporarily JPY 20 tr in total) to ensure smooth financing of firms and maintaining stability in financial markets.

- Exchange-traded funds (annual pace of temporarily JPY 12 tr) and Japan real estate investment trusts (annual pace of temporarily JPY 0.18 tr) to lower risk premia of asset prices.

- Special Funds-Supplying Operations to Facilitate Financing in Response to the COVID-19 (fund-provisioning against private debt pledged as collateral and eligible loans, such as interest-free and unsecured loans made by eligible counterparties based on the government's emergency economic measures: JPY 120 tr) with a view to firmly supporting financial institutions to fulfil their function for a wide range of private sectors.

- Provision of ample yen liquidity using market

operations with long maturities against pooled collateral.

- Provision of ample US dollar liquidity through the US dollar funds-supplying operations.

- Temporary increase in the number of issues of Japanese government securities (JGSs) offered in the Securities Lending Facility and offers of sales of JGSs with repurchase agreements to stabilise the repo market.

ECB

- Pandemic Emergency Purchase Programme (EUR 1.35 tr – public and private securities) to lower borrowing costs and increase lending.

- Temporary addition to the Asset Purchases Programme (EUR 120 bn) to ease financial conditions over the yield curve.

- Easing of parameters of targeted longer-term refinancing operations (TLTROs), including lower interest rate, higher borrowing allowance, and lower lending performance thresholds, to support bank lending.

- Temporary broadening of the collateral base, reduction in valuation haircuts and removal of credit quality requirements of collateral to support access to credit for firms and households.

- Pandemic Emergency Longer-Term Refinancing Operations, benefiting from the collateral easing measures, and a series of LTROs designed to bridge liquidity needs to support to the euro area financial system and the smooth functioning of money markets.

Federal Reserve

- Treasury securities, agency mortgage-backed securities and agency commercial mortgage-backed securities to smooth functioning of credit markets.

- Primary and Secondary Market Corporate Credit Facilities and Term Asset-Backed Securities Loan Facility (USD 850 bn in total) to support credit to employers.

- Municipal Liquidity Facility (USD 500 bn) to help state and local governments manage cash-flow.

- Main Street Lending Programs (USD 600 bn) to support lending to small and medium-sized businesses.

- Acceptance of loans made under the Small Business Administration's Paycheck Protection Program as eligible collateral to support access to credit for small businesses.

- Modification of the Liquidity Coverage Ratio rule to support participation in the Money Market Mutual Fund Liquidity Facility and the Paycheck Protection Program Liquidity Facility to support credit to households and businesses.

- Expansion of overnight and term repurchase agreement operations to support effective policy implementation and the smooth functioning of short-term US dollar funding markets.

Note: Lending support measures refer to programmes explicitly supporting lending to the private sector by banks and other creditors. Liquidity support measures generally refer to liquidity support for financial institutions aiming to improve functioning of money markets.

Source: Bank of Japan; European Central Bank; and Federal Reserve.

Central bank	Programme name	Announced envelope	Latest amount
Central bank	Programme name	Announced envelope	bn/tr NC	% of GDP
Bank of Japan	Special Funds-Supplying Operations to Facilitate Financing in Response to the COVID-19	120	51.5	9.3
	Purchases of CP	9.5	4.3	0.8
	Purchases of corporate bonds	10.5	6.2	1.1
ECB	Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP)	1,350	681	5.7
	Pandemic Emergency Longer-Term Refinancing Operations (PELTROs)	unlimited	25	0.2
	Targeted Longer-Term Refinancing Operations (TLTRO III)	2,900 1	1,699	14.3
Federal Reserve	Main Street Lending Programs (MSLP)	600	43	0.2
	Municipal Liquidity Facility (MLF)	500	17	0.1
	Corporate Credit Facilities (CCF)	750	46	0.2
	Commercial Paper Funding Facility (CPFF)	unlimited	9	0.0
	Term Asset-Backed Securities Loan Facility (TALF)	100	12	0.1
	Money Market Mutual Fund Liquidity Facility (MMLF)	unlimited	5	0.0
	Primary Dealer Credit Facility (PDCF)	unlimited	0.3	0.0
	Paycheck Protection Program Liquidity Facility (PPPLF)	unlimited	57	0.3

1. Approximate estimate by OECD.

Note: Amounts are in trillions of yen for the Bank of Japan and billions of national currency for the ECB and the Federal Reserve, and in per cent of GDP in 2019.

Source: Bank of Japan; European Central Bank; Federal Reserve; and OECD calculations.

Sollten bei der Einführung eines wirksamen Impfstoffs unerwartete Schwierigkeiten auftreten, die das Vertrauen schwächen, weitere Eindämmungsmaßnahmen erforderlich machen und einen erneuten Konjunkturabschwung auslösen, sind zusätzliche Akkommodierungsschritte notwendig. Obwohl der Spielraum für Leitzinssenkungen in den führenden Wirtschaftsräumen begrenzt ist,10 stehen den Zentralbanken wirksame Instrumente zur Verfügung, um die Renditen von Staatsanleihen und somit auch die Verzinsung von Schuldtiteln in anderen Finanzmarktsegmenten niedrig zu halten. Das Instrumentarium zur Steuerung der längerfristigen Zinssätze umfasst u. a. Forward Guidance zur Zinsentwicklung und höhere Nettokäufe von Staatsanleihen. Um die Renditen im längeren Laufzeitenbereich niedrig zu halten, könnten die Zentralbanken auch Zinskurvensteuerung nach dem Vorbild der Bank of Japan betreiben.11 Dabei wird der Preis von längerfristigen Staatsanleihen direkt gesteuert – im Gegensatz zur üblichen quantitativen Lockerung, die auf den Umfang der Wertpapierkäufe abstellt.

Auf längere Sicht stellt sich für die Geldpolitik vor allem die Frage, wie eine nachhaltig höhere Inflation erreicht werden kann. Angesichts des langjährigen Rückgangs des Wachstums, der Inflation und der Schätzungen der neutralen Zinssätze waren die Zentralbanken bereits vor der Corona-Krise mit dieser Herausforderung konfrontiert. Dies veranlasste die führenden Zentralbanken, ihre geldpolitischen Rahmenkonzepte auf den Prüfstand zu stellen (Kapitel 2, „Issue Note 3. Post-financial-crisis changes to monetary policy frameworks: Driving factors and remaining challenges“, nur auf Englisch verfügbar). In den Vereinigten Staaten führte diese Prüfung zur Einführung eines flexiblen durchschnittlichen Inflationsziels, das zur Steigerung der Inflation beitragen dürfte. Verschiedene strukturelle Veränderungen, zu denen es in den letzten Jahrzehnten bei der Produktion und dem Vertrieb von Waren und Dienstleistungen, den Geschäftsmodellen der Unternehmen und der Nachfragestruktur gekommen ist, könnten allerdings die Erzielung einer höheren Inflation in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften erschweren. Die Folge wäre eine noch länger anhaltende Niedrigzinsphase. Dies würde zwar die fiskalische Tragfähigkeit verbessern (siehe weiter unten), könnte aber auch eine überhöhte Risikoneigung an den Finanzmärkten auslösen, wenn keine wirksamen makroprudenziellen Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Zudem könnte die Rentabilität von Pensionsfonds, Versicherungsgesellschaften und Banken leiden und es könnte der Eindruck entstehen, dass die Zentralbanken zu einer Zunahme der Ungleichheit beitragen.

Die fiskalpolitische Unterstützung muss auf kurze Sicht beibehalten werden

In vielen fortgeschrittenen Volkswirtschaften legten die Regierungen zu Beginn der Pandemie umfangreiche Hilfsprogramme auf. Seither wurden die Maßnahmen in einigen Ländern ausgeweitet. Der Umfang und die Zusammensetzung der Hilfen für Menschen und Unternehmen sind naturgemäß von Land zu Land unterschiedlich. In erster Linie beinhalten sie Ausweitungen der Kurzarbeitsregelungen, der Arbeitslosenleistungen sowie der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Sonderurlaubsregelungen für die Kinderbetreuung, Senkungen oder Stundungen von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen, Zahlungsaufschübe für private Verbindlichkeiten (wie z. B. Mieten, Stromrechnungen und Kreditraten), Kredite, Rekapitalisierungen und Kreditbürgschaften. Voraussichtlich werden nicht alle der veranschlagten Mittel genutzt (beispielsweise wegen einer geringen Inanspruchnahme) und nicht alle werden in den nach den Konventionen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ermittelten Haushaltssalden ausgewiesen (so z. B. bestimmte Kreditbürgschaften, Steuerstundungen und Zahlungsaufschübe für private Verbindlichkeiten). Dennoch gehen Schätzungen für 2020 von einer massiven fiskalischen Unterstützung in vielen OECD-Volkswirtschaften aus.12

Die diskretionäre fiskalische Lockerung, zu deren Ermittlung die Veränderung des strukturellen Primärsaldos herangezogen wird, dürfte den Schätzungen zufolge 2020 im Median der OECD-Volkswirtschaften 4,2 % des Produktionspotenzials betragen. Dabei bestehen jedoch erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern (Figure 1.19, Teil A). Der Umfang der Lockerung ist damit nahezu doppelt so groß wie 2008 und 2009. Veränderungen des geschätzten strukturellen Primärsaldos sind jedoch mit Vorsicht zu behandeln, da die üblichen Konjunkturbereinigungsverfahren im gegenwärtigen Umfeld u. U. weniger zuverlässig sind.13
Der Staatskonsum dürfte 2020 im Schnitt ungefähr 0,4 Prozentpunkte zum realen BIP-Wachstum beitragen, in einigen Ländern sogar mehr als 1 Prozentpunkt (Figure 1.20, Teil A). Der durchschnittliche Wachstumsbeitrag des Staatskonsums ist damit mehr als doppelt so groß wie in der globalen Finanzkrise.14
Den Schätzungen zufolge wurde der Rückgang der Markteinkommen der privaten Haushalte z. T. durch Sozialtransfers kompensiert. Dies bewirkte einen wesentlich geringeren Rückgang bzw. in einigen Fällen sogar einen Anstieg der verfügbaren Einkommen (Figure 1.20, Teil B).15 Die Stützung der verfügbaren Haushaltseinkommen durch Sozialtransfers fällt 2020 nach Berücksichtigung der Unterschiede zwischen den Markteinkommensverlusten in den betreffenden Jahren im Schnitt ungefähr 30 % höher aus als 2009.

Figure 1.19. Changes in the discretionary fiscal stance vary across countries

Change in the underlying primary balance, in per cent of potential GDP

Das Wirken der automatischen Stabilisatoren und die neuen Stützungsmaßnahmen sorgen 2020 für erhebliche Haushaltsdefizite. Im OECD-Durchschnitt dürfte die Defizitquote rd. 8¼ % des BIP betragen; in Kanada, im Vereinigten Königreich und in den Vereinigten Staaten dürfte sie sogar mehr als 15 % des BIP erreichen (Figure 1.21, Teil A).

Angesichts des beispiellosen Konjunkturschocks und der extremen Unsicherheit waren starke und rasche fiskalische Stützungsmaßnahmen nötig. Ohne die entschlossene fiskalpolitische Reaktion wären die Konjunktur-, Einkommens- und Beschäftigungseinbußen sowie der damit verbundene Anstieg der Einkommensungleichheit auf kurze Sicht größer ausgefallen und würden länger andauern.

Figure 1.20. Fiscal policy is providing considerable support to growth

Die fiskalpolitische Unterstützung muss in den nächsten Jahren beibehalten werden, ihr Umfang und ihre Ausgestaltung sollten jedoch jeweils an die aktuellen Gegebenheiten angepasst werden. Angesichts des massiven Finanzbedarfs sollten die staatlichen Stützungsmaßnahmen zweckorientiert und kosteneffizient sein. Die zunächst sehr breit angelegte Unterstützung für die Gesamtwirtschaft muss nach und nach umgestaltet werden, um die besonders betroffenen Sektoren gezielter zu unterstützen und die Reallokation von Arbeitskräften und Kapital aus Sektoren mit struktureller Nachfrageschwäche zu fördern (siehe weiter unten). Eine vollständige und frühzeitige Rücknahme der Sondermaßnahmen im Jahr 2021 sollte vermieden oder durch andere, gezieltere Maßnahmen kompensiert werden. Konsolidierungsanstrengungen könnten das Wachstum über Gebühr beeinträchtigen und würden möglicherweise keine fiskalischen Einsparungen bringen, weil sie zu konjunkturbedingt höheren Sozialausgaben und niedrigeren Staatseinnahmen führen könnten. Im Fall eines erneuten Konjunkturabschwungs sollte das Wirken der automatischen Stabilisatoren in vollem Umfang zugelassen werden und die gegenwärtigen besonderen Stützungsmaßnahmen sollten beibehalten oder ausgeweitet werden.

In den aktuellen Projektionen wird auf Basis der gesetzlich verankerten Regelungen davon ausgegangen, dass einige der Stützungsmaßnahmen auslaufen werden (Anhang 1.A). Dementsprechend wird für 2021-2022 in vielen OECD-Ländern eine diskretionäre fiskalische Straffung unterstellt, wobei aber in den meisten Fällen die vorangegangene Lockerung nicht vollständig ausgeglichen wird, was in Anbetracht der Wirtschaftsaussichten angemessen ist. (Figure 1.19, Teil B-D). Dies dürfte zusammen mit einer anziehenden Konjunktur dafür sorgen, dass sich die Haushaltsdefizite bis 2022 verringern. Dennoch werden die Haushaltssalden in allen OECD-Volkswirtschaften – um durchschnittlich rd. 4 % des BIP – schwächer ausfallen als 2019. Einige Länder werden nach wie vor ein im historischen Vergleich hohes Defizit ausweisen (Figure 1.21, Teil A). Die voraussichtlich großen Haushaltsdefizite und der BIP-Rückgang werden einen deutlichen Anstieg der Staatsschuldenquoten bewirken (Figure 1.21, Teil B). Bis Ende 2022 wird sich die Staatschuldenquote im Vergleich zu 2019 im Median der OECD-Länder um fast 20 % des BIP erhöhen, in Kanada und im Vereinigten Königreich sogar um mehr als 40 % des BIP. In vielen Volkswirtschaften wird die Staatsschuldenquote den höchsten Stand seit mindestens 40-50 Jahren erreichen. Trotz des Anstiegs der Staatsverschuldung in den meisten Volkswirtschaften sollte angesichts des anhaltend niedrigen Zinsniveaus die Sicherung der Schuldentragfähigkeit erst dann Priorität erhalten, wenn die Erholung weiter fortgeschritten ist. Allerdings sollte bereits jetzt mit der Planung der dafür u. U. notwendigen Schritte begonnen werden.

Figure 1.21. Government budget deficits and debt will widen

Herausforderungen in Schwellen- und Entwicklungsländern

Als die Corona-Pandemie begann, war die Situation in vielen Schwellenländern durch eine hohe (private und öffentliche) Verschuldung in Kombination mit einem begrenzten fiskalischen Spielraum sowie einem, zumindest in einigen Ländern, hohen Anteil in Fremdwährung denominierter Schuldtitel gekennzeichnet (OECD, 2020c; Figure 1.22).16 Durch die Fremdwährungsverschuldung sehen sich die Währungsbehörden einiger Länder in ihrem Handlungsspielraum nun zusätzlich eingeschränkt, da eine geldpolitische Lockerung die Finanzstabilitätsrisiken – über Währungsabwertungen – verschärfen und eine Entankerung der Inflationserwartungen bewirken kann. Der Anteil der von ausländischen Investoren gehaltenen Unternehmensanleihen ist in einigen Schwellen- und Entwicklungsländern ebenfalls gestiegen, sodass sie im Fall einer Abwertung ihrer Landeswährung und rückläufiger Einnahmen potenziellen Refinanzierungsrisiken ausgesetzt sind.

Figure 1.22. Vulnerabilities in emerging-market economies

Den Regierungen in den großen aufstrebenden Volkswirtschaften wie auch einigen kleineren Schwellenländern ist es in den vergangenen Monaten gelungen, Schuldtitel zu relativ niedrigen Zinssätzen zu begeben (IWF, 2020).17 Ein ähnliches Bild ergibt sich für die Unternehmen. Vor allem Großunternehmen mit höherem Rating verstärkten ihre Anleiheemissionen und ihre Bankkreditaufnahme, um dem Einnahmenrückgang entgegenzuwirken, ihre Schulden zu refinanzieren und/oder vorsorglich Liquiditätspuffer zu bilden. Allerdings dürften mit fortdauernder Krise die Befürchtungen hinsichtlich der Tragfähigkeit der Staatsverschuldung wieder aufleben. Diese Herausforderungen werden durch die schwache Verfassung des Unternehmens- und Bankensektors wahrscheinlich noch verschärft.18

Nach dem Beginn der Corona-Krise haben viele aufstrebende Volkswirtschaften ihren geldpolitischen Kurs gelockert und die fiskalischen Impulse ausgeweitet, was durch die geldpolitische Lockerung in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften erleichtert wurde (Figure 1.18). Dank dieser entschlossenen und energischen Reaktion der Politik gelang es, eine drastischere Kontraktion der Wirtschaftstätigkeit zu vermeiden. Der auf den privaten Wirtschaftsakteuren lastende Liquiditätsdruck wurde verringert und die Spannungen in wichtigen Segmenten der Finanzierungsmärkte wurden gedämpft. Diskretionäre fiskalische Unterstützungsmaßnahmen federten auch den Effekt des Schocks auf die Beschäftigung und Einkommen der privaten Haushalte ab, insbesondere am unteren Ende der Einkommensverteilung.19 Dies war in den Schwellenländern besonders hilfreich, da die Rücküberweisungen in vielen dieser Länder einbrachen und die automatischen Stabilisatoren dort aufgrund des hohen Niveaus der informellen Beschäftigung generell eine geringere Wirkung zeigen.

Die Schwellenländer sollten im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Konjunktur weiter stützen, um unnötigen langfristigen Schäden für die Wirtschaft vorzubeugen. Die Dauer und Stärke aller etwaigen zusätzlichen Maßnahmen wird aber an die binnen- und außenwirtschaftlichen Bedingungen angepasst werden müssen.20 Vor allem aber wird es – wenn die Krise länger andauert und zusätzliche staatliche Unterstützungsmaßnahmen immer kostspieliger werden – u. U. nötig werden, von allgemeinen Maßnahmen zu gezielterer Unterstützung überzugehen.

Geld- und Finanzmarktpolitik: Länder mit einem glaubwürdigen makroökonomischen Rahmen und flexiblen Wechselkurssystemen, in denen die Risiken aus in Fremdwährung denominierten Schulden beherrschbar sind, verfügen über Spielraum für weitere akkommodierende Maßnahmen, um den Schock abzufedern. Für Volkswirtschaften, deren Inflationsraten nahe an den Zielwerten liegen und deren Inflationserwartungen fest verankert sind, könnte dies weitere Senkungen der Leitzinsen und ein Hinwegsehen über vorübergehende, durch punktuelle Abwertungen der Inlandswährung bedingte Inflationsanstiege bedeuten. In Ländern, in denen ein niedriges Realzinsniveau eine weitere Lockerung der Geldpolitik erschwert und/oder die Fremdwährungsverschuldung hoch ist, könnten die Zentralbanken eine gezielte Liquiditätszufuhr einer direkten geldpolitischen Lockerung vorziehen.21 Für Devisengeschäfte inländischer Finanzinstitute geltende Kapitaleinfuhrbeschränkungen könnten gelockert werden, u. a. durch eine Senkung der Devisenreservesätze (OECD, 2020d).
Fiskalpolitik: Das Wirken der automatischen fiskalischen Stabilisatoren könnte nach wie vor in vollem Umfang zugelassen werden, und es könnten weitere befristete fiskalische Stimulierungsmaßnahmen in Betracht gezogen werden, sofern die Schuldentragfähigkeit nicht gefährdet ist. Wenn zwischen den Fiskalhilfen und der Tragfähigkeit der Verschuldung ein starker Zielkonflikt besteht, sollten sie auf Initiativen ausgerichtet werden, die das Produktionspotenzial erhöhen können (d. h. Ausgaben in Bereichen wie Gesundheit, Bildung und Infrastruktur) und lang anhaltende Vorteile mit sich bringen. Besonders wichtig ist die Steigerung der Gesamteffizienz der Ausgaben sowie der Transparenz und Rechenschaftspflicht. Dies bedeutet u. a., alle Auslandsverbindlichkeiten sowie alle fiskalischen und quasifiskalischen Aktivitäten auszuweisen, vor allem die coronabedingten Ausgaben für die Gesundheitsversorgung und die Finanztransfers. So kann das Risiko eines Missmanagements der bereitgestellten Mittel, von Korruption und Geldwäsche begrenzt werden.

Voraussetzung für eine nachhaltige, inklusive Erholung sind Strukturreformen und eine gezieltere Unterstützung für Unternehmen und Arbeitskräfte

Die durch die Pandemie verursachten Verwerfungen könnten noch lange sichtbare Narben hinterlassen. So ist der Lebensstandard unter das zuvor erwartete Niveau gesunken und die Investitionstätigkeit wird wohl noch eine Zeit lang schwach bleiben. Längere Phasen der Arbeitslosigkeit könnten zu einer höheren strukturellen Arbeitslosigkeit führen oder zur Folge haben, dass vor allem benachteiligte Arbeitskräfte ganz aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden. Die Anpassung an die langfristigen Auswirkungen der Krise wird wahrscheinlich eine Reallokation von Arbeit und Kapital erfordern, deren Ausmaß aber ungewiss ist. Viele der am stärksten von den Abstandsregeln und den damit verbundenen Veränderungen der Verbraucherpräferenzen betroffenen Branchen könnten nach der Krise dauerhaft kleiner sein. Eine anhaltende Entwicklung hin zur Arbeit im Homeoffice und verstärkten Nutzung digitaler Dienstleistungen wie E-Commerce könnte zudem die Struktur und die geografische Verteilung der Arbeitsplätze verändern. Diese Veränderungen verschärfen einige bereits lange vor der Pandemie bestehende Probleme, darunter das seit der globalen Finanzkrise anhaltend schwache Wachstum, eine steigende Einkommens- und Chancenungleichheit sowie die Herausforderungen, die es im Hinblick auf die Digitalisierung und den Klimawandel zu meistern gilt.

Die wegen der Corona-Krise eingeführten Maßnahmen sind eine Chance, diese alten und neuen Herausforderungen zu bewältigen. Voraussetzung dafür ist, dass die Konjunkturimpulse und Wiederaufbaupläne zur Förderung des Wachstums und der Arbeitsplatzschaffung mit umweltpolitischen Zielen verknüpft werden. Die auf dem Höhepunkt der Pandemie ergriffenen Maßnahmen zur Stützung von Beschäftigung, Einkommen und Unternehmen müssen flexibel und gezielt eingesetzt werden. Sie sollten zunehmend stärker auf Arbeitskräfte statt auf Arbeitsplätze ausgerichtet werden und vorrangig solchen Unternehmen zugutekommen, die wieder tragfähig sein werden, wenn sich die Wirtschaft erholt. Außerdem müssen sie von Strukturreformen flankiert werden, die die Erholung beschleunigen helfen. In Ländern, in denen die Produkt- und Arbeitsmärkte die im Anschluss an den Schock notwendigen Reallokationen bewältigen können, dürfte die Rezession weniger tiefe Narben hinterlassen (Caldera Sánchez et al., 2017; Ollivaud und Turner, 2014).

Unterstützung für Arbeitskräfte

Die von den Abstandsregeln und den coronabedingten Veränderungen der Verbraucherpräferenzen am stärksten betroffenen Branchen sind beschäftigungsintensiv: Sie vereinen bis zu 20 % der Gesamtbeschäftigung auf sich (Figure 1.23).22 Auf einige dieser Wirtschaftszweige, insbesondere das Gastgewerbe und die Freizeitbranchen, entfiel in den letzten zehn Jahren ein großer Teil des Beschäftigungswachstums, vor allem bei Frauen. Geringverdiener, junge Menschen sowie atypisch und informell Beschäftigte sind den Gefahren von Arbeitsplatzverlusten und Langzeitarbeitslosigkeit infolge der Pandemie auch vergleichsweise stark ausgesetzt. Jüngere Arbeitskräfte müssen bei einem Arbeitsmarkteintritt während einer Rezession mit Scarring-Effekten auf die Verdienste rechnen, die mehrere Jahre anhalten können.

Figure 1.23. Many of the sectors heavily affected by the pandemic are employment-intensive

Share of total employment, per cent

Inwieweit die Produktion in stark betroffenen Sektoren zu ihrem vor der Pandemie verzeichneten Niveau zurückkehren kann, ist ungewiss. Eine der wichtigsten Herausforderungen ist es, den Fokus der Krisenprogramme zur Arbeitsplatzsicherung und Einkommensstützung so auszuweiten, dass sie Arbeitskräften, die u. U. in neue Arbeitsplätze in anderen Branchen oder an anderen Standorten wechseln müssen, hinreichend Unterstützung bieten.

Arbeitsplatzerhaltende Maßnahmen, wie Kurzarbeit oder Lohnsubventionen, sind zwar ein effektives Mittel, um bestehende Arbeitsplätze zu sichern, können aber die zu wünschenden Umschichtungen zwischen den Branchen erschweren, vor allem wenn die Erholung schleppender verlaufen sollte als erwartet. Sie müssen daher nach und nach auf die Unterstützung von Arbeitskräften statt auf die Sicherung von Arbeitsplätzen ausgerichtet werden (OECD, 2020e), wie dies in einigen Ländern bereits der Fall ist. Um festzustellen, welche Unternehmen sich selbst für längerfristig überlebensfähig erachten, könnte es hilfreich sein, die Arbeitgeberbeiträge zu den Kosten der entfallenden Arbeitsstunden anzuheben und die Anspruchsberechtigung der Unternehmen, die Kurzarbeit beantragen, zu überprüfen. Damit würden die Unternehmen auch angespornt, die Arbeitszeit so bald wie möglich wieder zu erhöhen. Des Weiteren könnte mehr Flexibilität erforderlich sein, um die Unternehmen differenzierter zu unterstützen. So könnten die Mittel zunehmend auf die am stärksten von den aktuellen Corona-Maßnahmen betroffenen Branchen und Unternehmen ausgerichtet werden. Im Fall eines erneuten starken Konjunktureinbruchs müssen die Schritte zur Neuausrichtung der Unterstützung möglicherweise wieder ausgesetzt werden.
In Ländern, in denen das Arbeitslosengeld angehoben wurde, um die Einkommen während der schlimmsten Phase der Pandemie zu stützen, wie in den Vereinigten Staaten, ist das Risiko der Erhaltung nicht überlebensfähiger Arbeitsplätze geringer. Die Gefahr von Einkommensverlusten ist dafür aber größer. Es könnte sein, dass auch vor der Krise bestehende Beschäftigungsverhältnisse, die mit der Erholung der Wirtschaftstätigkeit erneut tragfähig werden, nicht wiederhergestellt werden.

Parallel dazu bedarf es umfangreicher zusätzlicher Investitionen in aktive Arbeitsmarktmaßnahmen, insbesondere in Hilfe bei der Arbeitsuche (Andrews und Saia, 2017) sowie verstärkte berufliche Aus- und Weiterbildungsangebote, um freigesetzten Arbeitskräften, geringer Qualifizierten und Personen mit verkürzter Arbeitszeit neue Chancen zu eröffnen.23 Reformen zum Abbau von Hindernissen für die Arbeitskräftemobilität, z. B. Berufszulassungsbeschränkungen und Rigiditäten am Wohnungsmarkt, würden ebenfalls die Arbeitsplatzreallokation erleichtern und die Wahrscheinlichkeit lang anhaltender Scarring-Effekte senken (Hermansen, 2019; Bambalaite et al., 2020; Causa und Pichelmann, 2020). Wichtig sind zudem bessere Kinderbetreuungsangebote sowie eine angemessene Einkommenssicherung für gefährdete Gruppen. All dies muss fester Bestandteil gut konzipierter Maßnahmenpakete sein, um die Erwerbsbeteiligung zu erhöhen und für mehr Teilhabe am Arbeitsmarkt zu sorgen (OECD, 2019a). Mit Maßnahmenpaketen dieser Art wäre es möglich, mehr Chancen zu schaffen, die Reallokation zu fördern und gleichzeitig die Nachfrage auf kurze Sicht weiter zu stützen.

Seit Beginn der Pandemie wurden die Leistungen zur Einkommensstützung für Beschäftigte und Haushalte erhöht. So wurden existierende Leistungen ausgebaut und Lücken in den sozialen Sicherungsnetzen geschlossen, indem Teilzeitkräften, Selbstständigen sowie informell Beschäftigten in aufstrebenden Volkswirtschaften neue Formen der Unterstützung angeboten wurden (OECD, 2020f). Einige Länder unterstützen bestimmte Gruppen auch durch spezifische Einmalzahlungen, so z. B. Japan. Dort wurden Geldtransfers an einkommensschwache Alleinerziehende gezahlt. Allerdings bleiben einige sozial benachteiligte Personen, wie Arbeitsmigranten mit Zeitverträgen, von Leistungen wie der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ausgenommen (OECD, 2020g). Der Zugang zu finanziellen Hilfen und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall wird für die Dauer der Pandemie aufrechterhalten werden müssen, um die Einkommen zu stützen und neu infizierten Arbeitskräften zu ermöglichen, sich rasch in Quarantäne zu begeben. Möglicherweise bedarf es auch dauerhafterer Verbesserungen in den sozialen Sicherungsnetzen, um zu verhindern, dass Einkommens- und Chancenungleichheiten weiter zunehmen.

Gleichzeitig werden Schritte unternommen werden müssen, um nach und nach von bedingungslosen zu gezielteren Unterstützungsleistungen überzugehen, damit die Anreize zur Beschäftigungsaufnahme und Arbeitssuche bestehen bleiben. In fortgeschrittenen Volkswirtschaften mit arbeitsplatzerhaltenden Maßnahmen muss das Kurzarbeitergeld u. U. besser mit dem regulären Arbeitslosengeld abgestimmt werden. Dies gilt vor allem für Länder, die besonders großzügige Leistungen bei Kurzarbeit vorsehen (OECD, 2020e). Durch die Festlegung klarer situationsabhängiger Kriterien für etwaige Anpassungen, z. B. an die Arbeitslosenquote gekoppelte Änderungen der Leistungshöhe oder Leistungsbezugsdauer, könnte die zeitliche Abstimmung und Vorhersehbarkeit der Anpassungen verbessert werden.

Wenn Beschäftigte mit verkürzter Arbeitszeit an Weiterbildungen teilnehmen, kann ihnen dies helfen, den Fortbestand ihres aktuellen Beschäftigungsverhältnisses zu sichern, oder Ihre Aussichten auf eine neue Arbeitsstelle verbessern. Die COVID-19-Krise hat den seit Langem bestehenden Bedarf an effizienteren Systemen der beruflichen Aus- und Weiterbildung erhöht, die den Arbeitskräften helfen, die Herausforderungen und Risiken der Automatisierung und Digitalisierung zu bewältigen. Gerade für die Arbeitskräfte mit dem größten Weiterbildungsbedarf ist es häufig schwierig, solche Weiterbildungen zu absolvieren (Figure 1.24, Teil A). Im OECD-Durchschnitt nehmen etwa 40 % der Erwachsenen regelmäßig an formalen und informalen berufsbezogenen Weiterbildungen teil. Der Anteil der Hochqualifizierten unter ihnen ist jedoch überverhältnismäßig hoch (OECD, 2019b). Unter den Geringqualifizierten, von denen einige in von der Pandemie stark getroffenen Branchen wie dem Gastgewerbe arbeiten, kommt demgegenüber nur etwa ein Fünftel in den Genuss von Weiterbildungen. Vor der Pandemie stellten Verbesserungen der beruflichen Aus- und Weiterbildungssysteme in über der Hälfte der in Economic Policy Reforms 2019: Going for Growth (OECD, 2019a) (Figure 1.24, Teil B) untersuchten Länder eine Kernpriorität dar.

Eine große Herausforderung besteht darin, die Weiterbildung für diejenigen, die sie am meisten benötigen, so zu organisieren, dass sie sich mit Teilzeitarbeit und unregelmäßigen Arbeitszeiten vereinbaren lässt. Dies gelingt besser, wenn die Weiterbildungskurse auf bestimmte Personen und nicht auf Gruppen ausgerichtet sind, flexibel mithilfe von Online-Lehrmitteln und/oder modular angeboten werden und von relativ kurzer Dauer sind. Wichtig ist dabei auch, dass eine angemessene Prüfung und Anerkennung der erworbenen Kenntnisse gewährleistet ist (OECD, 2019b; OECD, 2020h). Die Krise bietet eine Chance, die Teilnahme von freigesetzten Arbeitskräften und Personen mit verkürzter Arbeitszeit an Weiterbildungsmaßnahmen zu fördern. Es ist auch bereits ein erheblicher Anstieg der Zahl der Erwachsenen festzustellen, die von Online-Lernangeboten Gebrauch machen. Beispiele für erfolgreiche Weiterbildungsinitiativen in der Corona-Krise sind die Schnellkurse für Pflegekräfte sowie zur Ausbildung von Personal für die Durchführung der Tests und das Contact-Tracing.
Das Online-Lernen ist eine Möglichkeit, Hindernisse für die Teilnahme an Weiterbildungen zu beseitigen (OECD, 2020i), da es eine freiere Zeiteinteilung und mehr Flexibilität ermöglicht. Viele Länder könnten weitere Schritte unternehmen, um die Weiterbildung in Zeiten von Kurzarbeit zu fördern. Beispielsweise könnten sie Weiterbildungsanstrengungen zur Auflage für Unternehmen und Beschäftigte machen, die Kurzarbeitsregelungen in Anspruch nehmen möchten, und bei Bedarf finanzielle Anreize bieten.24 Die Gewährleistung eines guten Internetzugangs und die Einführung individuell ausgerichteter Programme für geringentlohnte und geringqualifizierte Arbeitskräfte sowie gefährdete Bevölkerungsgruppen, vor allem solche mit wenig digitalen Kompetenzen, würde ebenfalls helfen, Personen mit großem Weiterbildungsbedarf zur Teilnahme an Erwachsenenbildung zu ermutigen.

Figure 1.24. Further reforms are required to help all workers acquire new skills

Unterstützung für Unternehmen

Um langfristige Verwerfungen zu minimieren und den Weg zu ebnen für einen Produktivitätsanstieg nach der Krise, bedarf es auch einer schrittweisen Kapitalreallokation hin zu tragfähigen Branchen und Aktivitäten mit wachsendem Produktionspotenzial. Die staatliche Unterstützung für Unternehmen in Form von Lohnsubventionen, Steuerstundungen und Garantien muss schrittweise auslaufen, wenn die Erholung anzieht, um zu verhindern, dass eigentlich nicht überlebensfähige Unternehmen über einen längeren Zeitraum gefördert werden. Wenn Unternehmen durch Unterstützungsmaßnahmen zur Aufnahme zusätzlicher Schulden ermutigt werden, besteht das Risiko, dass wegen des höheren Verschuldungsgrads und der höheren Schuldendienstlast weniger interne Mittel zur Verfügung stehen, um neue Investitionen zu tätigen und Mitarbeiter einzustellen (Kapitel 2, „Themenpapier 2: Insolvenzen und Schuldenüberhang infolge der COVID-19-Pandemie: Risiken und Politikoptionen“). Dem könnte beispielsweise entgegengewirkt werden, indem die Laufzeit der Kreditgarantien verlängert würde oder pandemiebedingte staatlichen Hilfen in staatliche Kapitalbeteiligungen umgewandelt würden. Dabei muss allerdings sichergestellt sein, dass der Wettbewerb nicht verzerrt wird und dass transparente und klar definierte Wiederaufbaupläne und an Auflagen geknüpfte Exit-Strategien für diese Investitionen festgelegt werden (OECD, 2020j). Manche Unterstützungsleistungen könnten auch situationsabhängig ausgestaltet werden. Beispielsweise könnten Rückzahlungen (bzw. gestundete Abgaben) erst eingefordert werden, wenn erneut Gewinne erwirtschaftet werden. Eine weitere sinnvolle Option, um den Finanzierungsbedarf von KMU zu decken, die erheblich zum Beschäftigungswachstum beitragen, bestünde darin, staatliche (krisenbedingte) Kredite in Finanzhilfen umzuwandeln. Voraussetzung müsste allerdings sein, dass die Mittel zur Deckung der Betriebskosten verwendet werden.

Die Erfahrung der Vergangenheit zeigt, dass die Zahl der Unternehmensinsolvenzen mit zunehmender Krisendauer steigt (Kapitel 2, „Themenpapier 2: Insolvenzen und Schuldenüberhang infolge der COVID‑19-Pandemie: Risiken und Politikoptionen“; Deutsche Bundesbank, 2020). Die Ausnahmen von den regulären Insolvenzregelungen und bankaufsichtsrechtlichen Bestimmungen, die in diesem Jahr in vielen Ländern eingeführt wurden, um die Zahl der Unternehmensinsolvenzen zu begrenzen, werden ebenfalls schrittweise aufgehoben werden müssen, wenn die Erholung an Fahrt aufnimmt. Umfragedaten zeigen, dass viele Firmen derzeit weiterhin Betriebsverluste verzeichnen und erheblichen Insolvenzrisiken ausgesetzt sind, insbesondere in den am stärksten von der Krise betroffenen Branchen (Kasten 1.2). Um übermäßige Verzögerungen bei den Insolvenzverfahren zu verhindern, bedarf es in einigen Ländern möglicherweise Reformen, um die Insolvenzverfahren zu vereinfachen und sicherzustellen, dass das Insolvenzrecht unternehmerisches Scheitern nicht zu hart bestraft; dies ist Voraussetzung, um in Zukunft eine produktivitätssteigernde Kapitalreallokation zu fördern (Adalet McGowan et al., 2017).

Reformen zur Ankurbelung der Unternehmensdynamik durch stärkeren Wettbewerb und Öffnung der Produktmärkte sind ebenfalls entscheidend, um den mit der Digitalisierung einhergehenden strukturellen Veränderungen Rechnung zu tragen, einen produktivitätssteigernden Reallokationsprozess zu beschleunigen, den Marktzutritt neuer Anbieter zu fördern und die seit Langem existierende Kluft zwischen den führenden und den weniger leistungsstarken Unternehmen zu verringern (Figure 1.25). Besonders wichtig sind in einigen Ländern Reformen, die Genehmigungs- und Zulassungsverfahren vereinfachen, den Zugang ausländischer Waren und Investoren (über Handel und Auslandsinvestitionen) zu den Produktmärkten sichern und die regulatorischen Hindernisse im Dienstleistungssektor und in den Netzindustrien verringern (OECD, 2019a).

Figure 1.25. Labour productivity gaps between frontier firms and others remain wide

Value added per worker

Den Klimawandel eindämmen

Die staatlichen Anstrengungen zur Förderung des wirtschaftlichen Wiederaufbaus müssen zudem als Chance genutzt werden, um durch geeignete Maßnahmen den Übergang von fossilen Brennstoffen zu erneuerbaren Energien zu fördern und die langfristige Bedrohung durch den Klimawandel zu verringern. Viele Staaten haben in ihre Konjunktur- und Investitionspakete zur Bewältigung der Corona-Krise Maßnahmen für einen grünen Wiederaufbau aufgenommen. Diese Maßnahmen machen im Allgemeinen jedoch nur einen geringen Anteil der insgesamt bereitgestellten Mittel aus. Das Verhältnis zwischen „umweltfreundlichen“ und „nicht umweltfreundlichen“ Ausgaben ist relativ ungünstig (OECD, 2020k). Einige Maßnahmen, wie Ermäßigungen bzw. Befreiungen von umweltbezogenen Steuern, Gebühren und Abgaben, oder finanzielle Unterstützung für emissionsintensive Unternehmen wie Fluggesellschaften dürften direkte oder indirekte negative Umweltauswirkungen haben, sofern sie nicht an Auflagen zur Verringerung des CO₂-Ausstoßes geknüpft sind.

Sektorspezifische finanzielle Fördermaßnahmen sollten, wenn möglich, an umweltpolitische Auflagen geknüpft werden. Das gilt insbesondere für von der Krise stark betroffene Wirtschaftszweige, die sehr umweltbelastend sind. Da die Preise für fossile Energieträger über einen längeren Zeitraum deutlich niedriger bleiben könnten als vor einem Jahr erwartet, ist es dringend erforderlich, den Unternehmen wirksame Anreize für Investitionen in energieeffiziente Technologien zu geben. Eine bessere Abstimmung langfristiger Preissignale mit umwelt- und klimapolitischen Zielen, u. a. durch die CO₂-Bepreisung, würde die Unsicherheit über die Umweltpolitik verringern und die Aussichten auf die Finanzierung längerfristiger Investitionen in saubere Technologien verbessern. Dabei sind allerdings Ausgleichsmaßnahmen unerlässlich, um die negativen Verteilungseffekte für ärmere Haushalte und kleine Unternehmen abzufedern. Zudem bietet sich die Chance, Unterstützung für Verhaltensänderungen zu signalisieren, die die Klimawende fördern können, z. B. durch Maßnahmen zugunsten von Arbeit im Homeoffice und einer flächendeckenden Versorgung mit schnellem Breitbandinternet.

Figure 1.26. Changes in the composition of energy investment are need to meet environmental objectives

Share of total energy investment, per cent

Die Regierungen können auch direkt helfen, indem sie gut konzipierte, große Infrastrukturinvestitionsprojekte in Angriff nehmen, wie den Ausbau und die Modernisierung der Stromnetze, in erneuerbare Energien investieren und Projekte mit kürzeren Amortisierungszeiten wie energieeffizientere Gebäude und Geräte fördern (IEA, 2020a). Investitionen dieser Art können zusammen mit Maßnahmen zugunsten wettbewerbsoffener Märkte neue Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen, insbesondere in Sektoren wie Bau und Abfallmanagement, und in einer Zeit, in der die Endnachfrage flau ist, zur Erhaltung bestehender Arbeitsplätze beitragen.

Die Investitionen in den Energiebereich müssen drastisch steigen, wenn nachhaltige Energieziele, wie sie u. a. das Pariser Klimaschutzabkommen vorsieht, vollständig erreicht werden sollen (IEA, 2020b). Hierfür müssten die jahresdurchschnittlichen Investitionen in den Energiebereich im Durchschnitt der kommenden zwei Jahrzehnte möglicherweise etwa 25 % über dem Niveau liegen, das bei Zugrundelegung der aktuellen politischen Rahmenbedingungen in den Projektionen unterstellt wird. Außerdem muss sich die Zusammensetzung der Ausgaben zunehmend in Richtung Energieeffizienz und erneuerbare Energien verschieben (Figure 1.26).

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Quarles, R. K. (2020), “Remarks at the Hoover Institution”, Stanford, Kalifornien, 14. Oktober, https://www.federalreserve.gov/newsevents/speech/files/quarles20201014a.pdf.

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WTO (2020), “Report on G-20 Trade Measures”, 30. Oktober, Welthandelsorganisation, Genf.

Anhang 1.A. Wirtschaftspolitische und sonstige Annahmen für die Projektionen

Die fiskalpolitischen Hypothesen für 2020-2022 basieren soweit möglich auf gesetzlich verankerten Steuer- und Ausgabenbeschlüssen und stehen mit den Projektionen für die Wachstums-, Inflations- und Lohnentwicklung im Einklang. Wo Pläne der Regierungen angekündigt, aber noch nicht gesetzlich beschlossen sind, wurden sie in die Projektionen einbezogen, sofern davon ausgegangen wird, dass sie in einer Form umgesetzt werden, die der angekündigten sehr nahekommt. Wo nicht genügend Informationen vorliegen, um die Entwicklung der Haushaltsergebnisse vorherzusagen, werden die strukturellen Primärsalden in Relation zum Potenzial-BIP unverändert übernommen, d. h. es werden keine diskretionären Änderungen des fiskalischen Kurses unterstellt.

Was die Geldpolitik angeht, entspricht die unterstellte Entwicklung der Leitzinsen und der unkonventionellen Maßnahmen der unter Zugrundelegung der OECD-Projektionen für Wirtschaftstätigkeit und Inflation als am wahrscheinlichsten erachteten Entwicklung; diese kann vom angekündigten Pfad der Währungsbehörden abweichen.

Die Projektionen gehen von unveränderten Wechselkursen gegenüber ihrem Stand vom 3. November 2020 aus, d. h. einem US-Dollar-Wechselkurs von 104,8 JPY, 0,85 EUR (bzw. einem Euro-Kurs von 1,17 USD) und 6,68 CNY.

Es wird davon ausgegangen, dass der Preis für die Rohölsorte Brent während des gesamten Projektionszeitraums konstant bei 40 USD pro Barrel liegt. Für die Preise anderer Rohstoffe wird unterstellt, dass sie im Projektionszeitraum auf ihrem durchschnittlichen Niveau von Oktober 2020 verharren werden.

Die Projektionen für das Vereinigte Königreich beruhen auf der Annahme, dass zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union ab Anfang 2021 ein begrenztes Freihandelsabkommen für Waren gilt.

Redaktionsschluss für die in den Projektionen zugrunde gelegten Daten war der 27. November 2020.

Die vierteljährlichen Projektionen der OECD für ausgewählte Schlüsselvariablen werden auf saison- und arbeitstagbereinigter Basis erstellt. Das bedeutet, dass zwischen den bereinigten und unbereinigten Jahresdaten u. U. Differenzen entstehen können, wenn diese auch im Allgemeinen eher klein sind. In einigen Ländern enthalten die amtlichen Jahresprognosen keine arbeitstäglichen Bereinigungen. Selbst wenn die amtlichen Prognosen auf der Basis der Arbeitstage erstellt wurden, kann der Umfang der vorgenommenen Anpassungen von der OECD-Praxis abweichen.

Anmerkungen

← 1. Die unterschiedliche statistische Erfassung vorübergehend freigesetzter Arbeitskräfte erschwert direkte Vergleiche der Vereinigten Staaten und Kanadas mit anderen Ländern. In den Vereinigten Staaten und Kanada werden diese Arbeitskräfte als arbeitslos erfasst, in anderen Ländern als beschäftigt.

← 2. Die Länder Subsahara-Afrikas haben beispielsweise seit März keine neuen Anleihen mehr begeben.

← 3. Für das Jahr 2020 erwartet die Welttourismusorganisation der Vereinten Nationen einen Rückgang der Touristenankünfte um 1 Milliarde Personen und der Exporteinnahmen aus dem Tourismus um 1 Bill. USD. Den Schätzungen der Organisation zufolge sind etwa 100 Millionen Arbeitsplätze in der Tourismusbranche unmittelbar gefährdet.

← 4. Der Detaillierungsgrad der NiGEM-Modelle für die einzelnen Länder oder Regionen ist unterschiedlich. In den Modellen für kleinere Länder werden proportional entsprechende Schocks für die Binnennachfrage und das Produktionspotenzial anstatt spezifischer Schocks für die Verbraucherausgaben und den Kapitalstock unterstellt.

← 5. Dieses Abkommen verpflichtet China, seine Waren- und Dienstleistungsimporte aus den Vereinigten Staaten im Zeitraum 2020-2021 um insgesamt 200 Mrd. USD zu erhöhen (gegenüber dem 2017 verzeichneten Niveau von 180 Mrd. USD). Gegenwärtig hat China weniger als ein Drittel des vorgesehenen Gesamtvolumens der unter das Abkommen fallenden Waren importiert. Die einzige Ausnahme sind Hightech-Produkte wie Halbleiter und Ausrüstungen zur Chip-Herstellung aus den Vereinigten Staaten, bei denen China das im Abkommen vorgesehene Einfuhrvolumen bereits überschritten hat. Allerdings könnten die Ausfuhrkontrollen in der Halbleiter-Lieferkette, mit denen die Vereinigten Staaten zunächst Huawei belegt hatten und die vor Kurzem auf ausländische Zulieferer von Huawei ausgeweitet wurden, künftig zu einem erheblichen Rückgang der Gesamteinfuhren Chinas führen.

← 6. Das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen EU-Japan trat am 1. Februar 2019 in Kraft. Die Freihandelsabkommen mit Singapur und Vietnam traten im November 2019 bzw. August 2020 in Kraft. Am 28. Juni 2019 erfolgte die grundsätzliche Einigung auf ein Handelsabkommen mit den Mercosur-Ländern (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay).

← 7. ⁷ Um die Lähmung des Streitschlichtungsverfahrens der Organisation zu überwinden, haben die Europäische Union sowie eine Teilgruppe der WTO-Mitgliedsländer eine Mehrparteien-Interimsvereinbarung (Multi-Party Interim Appeal Arbitration Arrangement – MPIA) unterzeichnet, die bei der Welthandelsorganisation (WTO) am 30. April 2020 notifiziert wurde. Diese Vereinbarung ist allerdings nur eine Zwischenlösung und hat nur begrenzte Reichweite, da bisher lediglich 22 der 164 WTO-Mitgliedsländer daran teilnehmen.

← 8. Im September lockerte die EZB die Regeln für die Berechnung der Verschuldungsquote (Leverage Ratio) von Banken. Dadurch wurden bis zu 73 Mrd. EUR an Kapital für die Kreditvergabe freigesetzt. Im Oktober senkte die australische Zentralbank die Leitzinsen um 10 Basispunkte und kündigte an, in den nächsten 6 Monaten Staatsanleihen im Umfang von 100 Mrd. AUD (5 % des BIP des Jahres 2019) anzukaufen. Im November erhöhte die Bank of England den Zielwert für den Gesamtbestand an aufgekauften Staatsanleihen um 150 Mrd. GBP (7 % des BIP des Jahres 2019).

← 9. Bei den auslaufenden Programmen handelt es sich um die Primary Market Corporate Credit Facility, die Secondary Market Corporate Credit Facility, die Municipal Liquidity Facility und das Main Street Lending Program. Die Commercial Paper Funding Facility, die Money Market Mutual Fund Liquidity Facility, die Primary Dealer Credit Facility und die Paycheck Protection Program Liquidity Facility wurden um weitere 90 Tage verlängert.

← 10. Im Euroraum und in Japan sind die Leitzinsen bereits negativ, in den Vereinigten Staaten nur knapp positiv. Die positiven Grenzeffekte einer noch stärkeren Absenkung der Zinssätze in den negativen Bereich könnten abnehmen und die Risiken zunehmen (Brunnermeier und Koby, 2016; Borio und Gambacorta, 2017; Eggertsson et al., 2019). In den Vereinigten Staaten könnten Negativzinsen wegen der wichtigeren Rolle von Geldmarktfonds für das Finanzsystem weitreichendere Nebenwirkungen haben als in Europa oder Japan.

← 11. Japan verfolgt bereits seit über vier Jahren einen Zielwert für die Renditen auf 10-jährige Staatsanleihen und die Reserve Bank of Australia führte im März 2020 eine Zinssteuerung für 3-jährige Staatsanleihen ein. Auch in den Vereinigten Staaten wurde die Option einer Zinskurvensteuerung bereits diskutiert, sie wird aber im derzeitigen Umfeld noch nicht als angemessen erachtet (Clarida, 2020).

← 12. Amtlichen Schätzungen zufolge beläuft sich die effektive Inanspruchnahme von Kreditbürgschaften im Verhältnis zu den ausstehenden Verbindlichkeiten auf 4 % in Australien (Stand Ende August), 6 % in Deutschland (Stand Ende September) sowie auf 80,5 % in Spanien, 41,7 % in Frankreich, 22,2 % im Vereinigten Königreich und 24 % in Italien (Stand Ende Oktober).

← 13. Die Gründe dafür sind das Ausmaß des Corona-Schocks, sein Effekt auf das Produktionspotenzial und der Sondercharakter einiger fiskalpolitischer Maßnahmen, insbesondere der Kurzarbeitsregelungen, die die auf die Produktionslücke bezogenen Einnahmen- und Ausgabenelastizitäten beeinflussen.

← 14. Die länderspezifischen Unterschiede beim Wachstum des Staatskonsums sind z. T. darauf zurückzuführen, dass die Messung der Produktion des öffentlichen Sektors während der Lockdowns nach unterschiedlichen statistischen Ansätzen erfolgte. In Frankreich und im Vereinigten Königreich beispielsweise wurde während der Lockdowns in der ersten Jahreshälfte 2020 wegen der Schließung bzw. verringerten Arbeitszeiten von Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen ein Beschäftigungsrückgang und ein entsprechender Produktionsrückgang bei öffentlich Bediensteten außerhalb des Gesundheitswesens erfasst. Zugleich erhielten die öffentlich Bediensteten jedoch weiter ein Gehalt. Dagegen unterstellten die Statistikämter in anderen Ländern, wie z. B. Deutschland, keine vergleichbaren Beschäftigungs- und Produktionseinbußen.

← 15. In den meisten Ländern entspricht die prozentuale Veränderung des verfügbaren Einkommens der privaten Haushalte den Schätzungen zufolge mehr oder weniger der prozentualen Veränderung der Summe aus Markteinkommen und Sozialtransfers.

← 16. Seit der globalen Finanzkrise ist die Verschuldung im Verhältnis zum BIP in vielen Volkswirtschaften stetig gestiegen. In Brasilien, Chile und China hat sie ein für Schwellenländer hohes Niveau erreicht. Länder wie Argentinien, Chile, Mexiko und die Türkei weisen zudem einen beträchtlichen Anteil in Fremdwährung (vor allem in US-Dollar) denominierter Unternehmenskredite und Schuldtitel auf. Die Statistiken der Fremdwährungsverschuldung für Chile in Figure 1.22, Teil B, sind durch unternehmensinterne Kredite (ohne unmittelbares Währungsrisiko) und abgesicherte Fremdwährungsanleihen sowie Darlehen zur Unternehmensfinanzierung aufgebläht.

← 17. Die Anleihebegebungen in Landeswährung haben zugenommen und mehrere Schwellenländer, darunter Chile, Kolumbien und Thailand, konnten bereits den Großteil ihrer für den Zeitraum 2020-2021 projizierten Defizite finanzieren. Dieses Jahr war auch ein Rekordjahr für Staatsanleihen in Hartwährung. In mehreren großen aufstrebenden Volkswirtschaften wird im vierten Quartal 2020 mit weiteren Neuemissionen gerechnet. Die Spreads von Hartwährungsschuldtiteln von Investment-Grade-Emittenten sind ebenfalls zu (oder fast zu) ihrem Vorkrisenniveau zurückgekehrt.

← 18. Der Marktzugang und die Eventualverbindlichkeiten überschuldeter staatseigener Unternehmen werden in einigen aufstrebenden Volkswirtschaften, wo sie einen beachtlichen Anteil der im Ausland begebenen Schuldtitel ausmachen, zu einem immer größeren Problem. Diese Unternehmen, die globalen Nachfrageschocks und Rohstoffpreiseinbrüchen in der Regel zu stark ausgesetzt sind, profitieren von expliziten und impliziten Staatsgarantien (IWF, 2019). Zudem wurde jüngst festgestellt, dass es in den Schwellenländern eine kleine Gruppe schwacher Banken gibt, deren Kapitalpuffer in einem adversen Szenario dahinschmelzen könnten (IWF, 2020).

← 19. In Brasilien beispielsweise erhielten mehr als 67 Millionen – mehrheitlich einkommensschwache – Menschen befristete Nothilfen, wodurch der unmittelbare Anstieg der Armut in Grenzen gehalten werden konnte.

← 20. Wichtige Aspekte, die es dabei zu berücksichtigen gilt, sind Dauer und Ausmaß der Spannungen an den Finanzmärkten, das Rohstoffpreisniveau, die Stärke der negativen Ausstrahlungseffekte der internationalen Nachfrage, die Intensität der durch die Pandemie bedingten Schwierigkeiten in den einzelnen Ländern und der derzeit zur Abfederung negativer Schocks verfügbare Handlungsspielraum.

← 21. Dort, wo Mindestreservesätze eingeführt wurden, könnten diese beispielsweise als antizyklisches Politikinstrument gesenkt werden (Cordella et al., 2014). Eine weitere Option wäre Regulatory Forbearance, also dass die Aufsichtsbehörden, z. B. im Fall von Finanzinstituten mit einem hohen Anteil an notleidenden Krediten, mit den normalerweise zu ergreifenden Maßnahmen abwarten. Dies wäre allerdings keine gangbare Lösung, falls die Insolvenzprobleme durch eine schlechte Governance oder überhöhte Risikobereitschaft vor der Krise verursacht wurden.

← 22. Zwei der durch die Grenzschließungen und den Einbruch im Tourismus am stärksten in Mitleidenschaft gezogenen Aktivitäten sind Flugverkehrsdienste und Reisebüros. Diese Branchen machen einen relativ geringen Anteil der gesamten Wirtschaftstätigkeit und Beschäftigung aus. In vielen OECD-Ländern entfallen auf sie nur etwa 0,4-0,5 % der Gesamtbeschäftigung.

← 23. Aktive Arbeitsmarktmaßnahmen können besonders hilfreich sein, um Arbeitslosigkeitsprobleme in einzelnen Branchen und in von Marginalisierung bedrohten Gruppen (Geringqualifizierte, ältere oder zugewanderte Arbeitskräfte) anzugehen, wenn es mit gesamtwirtschaftlichen Stabilisierungsmaßnahmen nicht möglich ist, die Beschäftigung in bestimmten Branchen zu sichern (Andersen, 2016).

← 24. In einigen Ländern wie den Niederlanden und Ungarn ist die Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen eine Voraussetzung für die Gewährung von Kurzarbeitergeld. In den Niederlanden müssen Arbeitgeber, die Anträge auf arbeitsplatzerhaltende Maßnahmen stellen, seit Juni dieses Jahres erklären, dass sie Weiterbildungen aktiv fördern. Außerdem hat das Land zusätzliche Maßnahmen ergriffen, um Online-Schulungen und Fortbildungskurse frei verfügbar zu machen.

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