Die geldpolitische Akkommodierung wurde weiter verstärkt. Im September senkte die EZB den Zinssatz für die Einlagefazilität um 10 Basispunkte (auf -0,5%) und sicherte zu, die Leitzinsen auf ihrem derzeitigen oder einem niedrigeren Niveau zu halten, bis sich die Inflationsaussichten stabil etwa 2% annähern. Darüber hinaus wurde ein zweistufiges System für die Verzinsung der Reserveguthaben eingeführt (in dem ein Teil der Überschussliquidität der Banken vom negativen Einlagenzins befreit ist). Die Bedingungen für die gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte (GLRG) wurden attraktiver gestaltet. Ferner wurden die Nettoankäufe von Wertpapieren in einem monatlichen Umfang von 20 Mrd. EUR im November wieder aufgenommen. Während des gesamten Projektionszeitraums werden die Nettoankäufe voraussichtlich in diesem Tempo fortgesetzt, und die Leitzinsen dürften unverändert bleiben. Wird die EZB-Politik aber nicht durch andere Maßnahmen flankiert, wird sie wahrscheinlich nur mäßige Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage haben.
Im Euroraum insgesamt wird der fiskalpolitische Kurs voraussichtlich leicht expansiv ausgerichtet bleiben und der Wirtschaft über einen Zweijahreszeitraum (2020-2021) einen kumulierten Impuls von rd. 0,5 Prozentpunkten des BIP verleihen. Dies wird die Konjunktur in gewissem Maße stützen. Allerdings sind die geplante fiskalische Lockerung und der verfügbare fiskalische Handlungsspielraum weitgehend unkorreliert. Die Lockerung hat auch nicht in erster Linie stärkere öffentliche Investitionen zur Folge, die unter ihrem Niveau von 2008 verharren. Euroländer mit geringen oder moderaten Staatsschuldenquoten verfügen über erheblichen fiskalischen Spielraum, den die niedrigen und weiter sinkenden Zinssätze noch vergrößert haben. Dieser Spielraum sollte genutzt werden, um die öffentlichen Investitionen erheblich zu steigern und dadurch nationalen Erfordernissen Rechnung zu tragen und grenzüberschreitende Spillover-Effekte zu erzeugen. In diesem Zusammenhang sollte der Erfüllung der Klimaziele hohe Priorität eingeräumt werden. Hierfür bedarf es zusätzlicher Investitionen in Höhe von mindestens 1% des BIP jährlich in Bereichen wie Energienetze, Gebäudeeffizienz und Infrastruktur für Elektrofahrzeuge.
Auch in der Strukturpolitik bedarf es koordinierter Anstrengungen, um die konjunkturelle Stabilisierung zu verbessern, die negativen Schockwirkungen der zunehmenden Handelsrestriktionen zu kompensieren und das Wachstumspotenzial zu steigern. Um die Stabilisierungs- und Nachhaltigkeitsziele besser miteinander in Einklang zu bringen, sollten die europäischen Haushaltsregeln vereinfacht und schwerpunktmäßig auf das Ausgabenwachstum ausgerichtet sein, das in Zielvorgaben für Schuldenquoten verankert ist. Das neue Haushaltsinstrument für Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit sollte rasch eingeführt und in der Folgezeit ausgeweitet werden, um eine gemeinsame Fiskalkapazität zu schaffen, die in der Lage ist, den fiskalpolitischen Kurs des Euroraums zu beeinflussen. Die Vollendung der Bankenunion, insbesondere durch eine gemeinsame Einlagensicherung und eine gemeinsame fiskalische Letztsicherung für den einheitlichen Abwicklungsfonds, bleibt die oberste Priorität für die Schaffung eines echten europäischen Bankensystems, das die geldpolitische Transmission erleichtern und die Risikoteilung mit dem privaten Sektor verbessern würde. Durch Fortschritte auf dem Weg zur Kapitalmarktunion würden die Finanzierungsquellen für Unternehmen diversifiziert. Erneute Anstrengungen zur Stärkung der Forschungs- und Innovationspolitik und zur Vertiefung des Binnenmarkts durch die Bekämpfung der starken Segmentierung der Dienstleistungs- und Netzindustrien würden den Handel und die Investitionen in Europa ankurbeln. Sie würden als Gegengewicht zu den derzeitigen Ursachen der Konjunkturschwäche fungieren und den Weg für ein stärkeres mittelfristiges Wachstum ebnen.