Die indische Zentralbank hat die Leitzinsen seit Anfang 2019 um 135 Basispunkte gesenkt und hält an ihrem akkommodierenden Kurs fest. Die Kreditzinsen haben sich nur teilweise und mit zeitlicher Verzögerung angepasst, da der nach wie vor hohe Bestand an notleidenden Krediten die Ertragslage der Banken schmälert und die hohe Kreditaufnahme des öffentlichen Sektors für Druck auf die Kreditzinsen sorgt. Die im August 2019 getroffene Entscheidung, die Kreditzinsen für neue Kredite an einen externen Referenzwert zu koppeln, dürfte die geldpolitische Transmission beschleunigen. Als weitere Maßnahme sollte in Erwägung gezogen werden, die Spanne zwischen den administrativ geregelten Zinssätzen für kleine Sparguthaben – die der Finanzierung der Staatsverschuldung dienen – und den Marktzinsen zu verringern. In Anbetracht der unelastischen Inflationserwartungen und der aufgrund lokaler Überschwemmungen bestehenden Ungewissheit bezüglich der Entwicklung der Nahrungsmittelpreise sollte in Bezug auf weitere Leitzinssenkungen umsichtig vorgegangen werden.
Es wurden mehrere Strukturreformen eingeführt, die mit hohen fiskalischen Kosten verbunden sind. Auf der Einnahmenseite hat die Regierung die Körperschaftsteuersätze von 30% auf 22% gesenkt (zuzüglich Zuschläge) und die Möglichkeiten der Steuerbefreiung gestrafft. Der ermäßigte Satz von 15% (zuzüglich Zuschläge) für neue, vor 2023 gegründete Fertigungsunternehmen, verbessert Indiens Wettbewerbsfähigkeit und könnte Unternehmen anziehen, die eine Produktionsverlagerung in Erwägung ziehen. Die geschätzten Einnahmeausfälle sind hoch (0,7% des BIP). Zugleich bleiben die Einnahmen aus der Waren- und Dienstleistungsteuer hinter den Erwartungen zurück.
Auf der Ausgabenseite hat die Regierung das Programm zur Stützung der Einkommen von grundbesitzenden Bauern ausgeweitet (145 Millionen Empfänger). Die Kosten belaufen sich auf 0,4% des BIP. Mit diesem Programm könnten der Verbrauch im ländlichen Raum gefördert und die Finanzierung von Investitionen im Agrarsektor unterstützt werden. Seine Auswirkungen auf die Produktivität im Agrarsektor bleiben angesichts der Fragmentierung der Agrarflächen ungewiss, und es wird möglicherweise keinen großen Beitrag zur Reduzierung der Armut von Pachtbauern und Tagelöhnern leisten. Die Regierung treibt öffentliche Infrastrukturprojekte voran, die zur Steigerung der Lebensqualität und Wettbewerbsfähigkeit beitragen werden (z.B. Wasser- und Stromversorgung, Landstraßen und Häfen).
Ein Rekordtransfer der indischen Zentralbank dürfte mit dafür sorgen, das gesamtstaatliche Defizit im Finanzjahr 2019/2020 einzudämmen. Zugleich wirkt sich die zunehmende Abhängigkeit von außeretatmäßigen Transaktionen, die häufig über öffentliche Unternehmen getätigt werden, negativ auf den Gesamtfinanzierungsbedarf des öffentlichen Sektors aus, und die Staatsschuldenquote bleibt verhältnismäßig hoch. Um ein besseres öffentliches Bildungs- und Gesundheitssystem finanzieren zu können, kommt es entscheidend darauf an, die Einnahmen aus der Grund- und Einkommensteuer zu erhöhen und die Finanzlage öffentlicher Banken und Unternehmen zu verbessern. Zur Förderung der Beschäftigungsschaffung und Verringerung der informellen Beschäftigung sollten die Bemühungen um eine Modernisierung der Arbeitsmarktregulierung fortgesetzt werden.