Die Geldpolitik wird im Euroraum wahrscheinlich sehr akkommodierend ausgerichtet bleiben. Die vorgeschlagene Änderung des fiskalpolitischen Rahmens soll Defizite im laufenden Haushalt gestatten, die nicht durch frühere Überschüsse oder geplante künftige Einsparungen gegenfinanziert werden. Dies wird voraussichtlich dazu führen, dass der fiskalpolitische Kurs, der 2020 leicht kontraktiv sein dürfte, 2021 weitgehend neutral werden wird.
Angesichts nachlassender Spannungen am Arbeitsmarkt dürfte die Situation für die Bevölkerungsteile schwieriger werden, für die der aktuelle Strukturwandel – hin zu einer Produktion mit höherer Wertschöpfung – negative Auswirkungen haben wird. Es ist deshalb wichtig, das soziale Sicherungsnetz und die automatischen Stabilisatoren zu stärken – insbesondere durch eine Ausweitung des Arbeitslosen- und Krankenversicherungsschutzes – und erhöhte Anstrengungen zur Umschulung und Weiterqualifizierung zu unternehmen. Solche Maßnahmen sind auch von entscheidender Bedeutung, um die Abhängigkeit von der klimaschädigenden Ölschiefförderung und -nutzung, die im Nordosten des Landes ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist, langfristig zu verringern.
Die Pläne der Regierung, den Austritt aus der obligatorischen privaten Rentenversicherung und die Auszahlung der angesammelten Ersparnisse zu ermöglichen, sollten überdacht werden. Sie hätten wahrscheinlich zur Folge, dass ein bedeutender Anteil der privaten Haushalte, insbesondere solche mit relativ niedrigem Einkommen und einer hohen Konsumneigung, auf die Rentenersparnisse zugreift. Dies dürfte zwar den Konsum von 2021 an stützen, wäre jedoch mit dem Risiko verbunden, dass die makroökonomische Volatilität kurzfristig ansteigt und dass die bereits hohe Altersarmut langfristig weiter zunimmt.
Die Wohnungsbauinvestitionen sind in letzter Zeit sehr stark gestiegen, die Spannungen im Baugewerbe lassen jedoch nach, das Wachstum der Wohnimmobilienpreise verläuft parallel zum Einkommenswachstum und die Widerstandsfähigkeit wurde durch makroprudenzielle Instrumente gestärkt. Die lettischen und litauischen Tochtergesellschaften der Luminor Group wurden in Zweigniederlassungen umgewandelt. Dadurch hat sich der Umfang der Bankaktiva, die der estnischen Aufsicht unterliegen, beträchtlich erhöht. Angesichts der laufenden Geldwäscheuntersuchungen, die mehrere estnische Kreditgeber betreffen, scheint ein strengerer rechtlicher Rahmen mit höheren Geldbußen erforderlich.