Die öffentlichen Banken haben den privaten Konsum stark gestützt, indem sie Kreditkarten- und sonstige Schulden der privaten Haushalte neu terminierten, zusätzliche Konsumentenkredite vergaben und subventionierte Wohnungsbauprogramme sowie Kfz-Kredite anboten. Die Verbraucherkredite haben kräftiger zugenommen als die gewerblichen Kredite. Anfang Oktober erreichten sie eine sehr hohe Zuwachsrate von 25% (auf Jahresbasis). Der Wechselkurs, der nach dem Schock von August 2018 gegenüber dem US-Dollar um 33% gesunken war, und die Risikoprämie des Landes, die zuvor stark gestiegen war, konnten zugleich etwas an Boden gutmachen. Dennoch bleiben der Lira-Wechselkurs und die Risikoprämie Volatilitätsschüben ausgesetzt. Grund hierfür sind die politischen und geopolitischen Unsicherheiten, die in jüngster Zeit zugenommen haben. Vor diesem Hintergrund erhöht der starke Grad der Dollarisierung der Inlandsersparnis und der Kredite die Volatilitätsrisiken für die türkische Lira weiter.
Mit einem im September vorgestellten neuen Wirtschaftsprogramm soll das BIP-Wachstum 2020 und 2021 drastisch gesteigert werden. Da der private Konsum durch die hohe Arbeitslosigkeit und das geringe Vertrauen der privaten Haushalte gebremst wird und die Privatbanken (die mit höheren Kreditausfallquoten und umfangreichen Kreditumstrukturierungen konfrontiert sind) bei der Kreditvergabe weiterhin Vorsicht walten lassen, werden öffentliche Banken und andere staatliche Finanzinstitute immer stärker in Anspruch genommen. Die öffentlichen Banken tätigen (im Rahmen der geltenden Vorschriften) offenbar auch Devisengeschäfte, um zur Stabilisierung des Wechselkurses beizutragen. Zusammen mit zusätzlichen Beihilfen und Anreizen für ausgewählte Unternehmen und Projekte hat dies zur Folge, dass die Impulse für die Kapitalbildung hauptsächlich von politischen Instrumenten ausgehen. Diese Entwicklung geht mit potenziell erheblichen Risiken für die Qualität und Nachhaltigkeit der Anlageinvestitionen im Unternehmenssektor einher. Betroffen sind insbesondere Tätigkeitsbereiche, in denen das Risiko von Kapitalfehlallokationen groß ist, wie im Energie- und Immobiliensektor. Dies könnte den in der vergangenen Zeit beobachteten Rückgang des Produktivitätswachstums und der Potenzialwachstumsrate verstärken. Dabei besteht die Gefahr, dass die kurzfristigen Konjunkturimpulse durch dauerhafte Rückgänge der Trendwachstumsrate mehr als aufgewogen werden. Hinzu kommt, dass weder die Expansion der staatlich kontrollierten und subventionierten Finanzierung noch die meisten anderen außerbudgetären Verbindlichkeiten, wie die Ausdehnung der staatlichen Garantien auf öffentlich-private Partnerschaften, in formellen Haushaltsberichten oder offiziellen Haushaltsplänen berücksichtigt sind. Auch wenn keine detaillierten Daten vorliegen, ist klar, dass die Eventualverbindlichkeiten der öffentlichen Hand im vergangenen Jahr massiv gestiegen sind.
Die Geldpolitik hat die sehr günstigen globalen monetären Bedingungen genutzt, um den Leitzins zwischen Juli und Oktober drastisch von 24% auf 14% zu senken. Mit 8,6% im Oktober liegt die jährliche Inflationsrate allerdings nach wie vor deutlich über der Zielvorgabe von 5%. Infolge drastischer Anhebungen der administrierten Preise bestehen in der kommenden Zeit Aufwärtsrisiken. Es sollte ein restriktiver geldpolitischer Kurs beibehalten werden, um die Fortsetzung des Inflationsabbaus zu gewährleisten. Für die Glaubwürdigkeit der Zentralbank ist es von entscheidender Bedeutung, ihre Unabhängigkeit sicherzustellen.