OECD-Wirtschaftsausblick, Ausgabe 2019/1

Niederlande

Das Wirtschaftswachstum wird sich den Projektionen zufolge erheblich abschwächen und 2019 bei 1,6% und 2020 bei 1,5% liegen. Ein sich verschlechterndes außenwirtschaftliches Umfeld und die zunehmende Ungewissheit hinsichtlich des internationalen Handels belasten das Handels- und Investitionswachstum. Ungünstigere binnenwirtschaftliche Bedingungen tragen dazu bei, dass mit einer Arbeitsmarktschwäche, einem langsamen Wachstum der verfügbaren Einkommen und einem gedämpften Konsum gerechnet wird.

Der vorhandene fiskalische Spielraum sollte genutzt werden, um das Wachstum anzukurbeln. Dies würde auch dazu beitragen, die Ungleichgewichte innerhalb des Euroraums zu verringern. Arbeitsmarktreformen, wie eine stärkere Ausweitung des Sozialversicherungsschutzes auf selbstständig Beschäftigte, und Maßnahmen zugunsten eines gerechteren Steuersystems würden die Teilhabe erhöhen und die Beschäftigungssicherheit gefährdeter Arbeitskräfte stärken.

Erhöhte Unsicherheit und eine schwache Auslandsnachfrage belasten das Wachstum

Das Wirtschaftswachstum hat deutlich nachgelassen. Ein drastischer Umschwung bei der Auslandsnachfrage im zweiten Halbjahr 2018 wirkt sich stark negativ auf das Handelswachstum und die Industrieproduktion aus. Das Geschäftsklima ist nach wie vor gedrückt und das Konsumklima hat sich rasch eingetrübt. Die Unternehmensinvestitionen haben sich im gesamten Verlauf des zweiten Halbjahrs 2018 abgeschwächt und bleiben volatil. Eine sich verlangsamende Investitionstätigkeit und ein schrumpfender Handelsbilanzsaldo ließen den Leistungsbilanzüberschuss Ende 2018 auf nahezu 12% des BIP steigen.

Der private Verbrauch ist kräftig geblieben, was sich weitgehend aus der aktuell guten Arbeitsmarktverfassung erklärt. Die niedrige Arbeitslosigkeit und der schwindende Angebotsüberhang auf dem Arbeitsmarkt üben Aufwärtsdruck auf die Löhne aus. Unter dem Einfluss der Mehrwertsteuererhöhung ist die Gesamtinflation beträchtlich gestiegen, die Kerninflation geht aber leicht zurück. Der Preisauftrieb auf dem Wohnimmobilienmarkt hat nach dem Anstieg der letzten Jahre nachgelassen.

House prices and industrial production: Netherlands

1. Three-month moving average.

Source: Statistics Netherlands (CBS).

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Netherlands: Demand, production and prices

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Politikmaßnahmen sollten die Ungleichgewichte reduzieren und die Teilhabe erhöhen

Der derzeit expansiv ausgerichtete fiskalpolitische Kurs bleibt angesichts der sich eintrübenden Wachstumsaussichten, des hohen Haushaltüberschusses und der günstigen Schuldenentwicklung im Großen und Ganzen angemessen. Höhere Staatsausgaben haben dem Wachstum gewisse Impulse verliehen, obgleich das Ausgabenniveau 2018 deutlich niedriger war als zuvor im Haushalt veranschlagt. Die solide Haushaltslage könnte weiter genutzt werden, um das Produktionspotenzial durch gezielte Investitionen in FuE und Innovationen zu erhöhen und die erwartete Wachstumsverlangsamung abzufedern. Dies würde helfen den Leistungsbilanzüberschuss zu verringern, der im Verhältnis zum BIP der höchste im gesamten OECD-Raum ist.

Eine weitere Verlangsamung des Anstiegs der Wohnimmobilienpreise – oder gar ein Preisrückgang – könnte angesichts der hohen Verschuldung der privaten Haushalte und des starken Engagements inländischer Banken im Hypothekengeschäft die Risikoanfälligkeit des Finanzsystems erhöhen. Um diese Anfälligkeit zu verringern, sollte zusätzlich zur beschleunigten Abschaffung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Hypothekenzinsen die Beleihungsgrenze für neue Hypothekenkredite weiter abgesenkt werden. Maßnahmen zur Erhöhung der Anzahl an Mietobjekten am privaten Wohnimmobilienmarkt würden den Angebotsengpass in diesem Marktsegment mindern helfen.

Um eine gerechtere steuerliche Behandlung und mehr Einkommenssicherheit für unterschiedliche Beschäftigungsformen zu gewährleisten, sollten die Steuerabzüge bei Selbstständigkeit abgebaut und ein Mindestversicherungsschutz bei Krankheit und Erwerbsunfähigkeit für selbstständig Beschäftigte eingeführt werden. Um die Arbeitsmarktteilhabe zu erhöhen, sollte die Beschäftigungsförderung auf gefährdete Gruppen ausgerichtet sein. Ein stärker koordinierter Ansatz bei der Umsetzung von Aktivierungsmaßnahmen würde die interregionale Arbeitskräftemobilität verbessern. Der bezahlte Vaterschaftsurlaub sollte weiter ausgedehnt werden. Die Bestimmungen, die dafür sorgen, dass Kinderbetreuung für Doppelverdienerhaushalte erschwinglich bleibt, sollten verstärkt werden, um die starke Differenz zwischen den Teilzeitquoten von Frauen und Männern zu verringern.

Das Wachstum dürfte sich drastisch verlangsamen

Das Wachstum wird sich den Projektionen zufolge 2019 abschwächen und 2020 gedämpft bleiben, was einem verhaltenen Wirtschaftswachstum in Europa und einer raschen Eintrübung des Konsumklimas zuzuschreiben ist. Der private Verbrauch wird sinken und die Arbeitslosigkeit dürfte allmählich steigen. Aufgrund des sich verschlechternden Außenhandelsumfelds werden die Unternehmensinvestitionen voraussichtlich nachlassen. Die Wohnungsbauinvestitionen dürften einbrechen. Von den brexitbedingten Unsicherheiten geht bei diesen Projektionen ein beträchtliches Abwärtsrisiko aus. Angesichts der hohen Verschuldung der privaten Haushalte würde eine drastischere Verlangsamung des Wohnimmobilienpreisanstiegs als in den Projektionen unterstellt die Finanzstabilität erheblich gefährden.